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wit diesen Zugeständnissen und Versicherungen beruhigt wäre. Was er will und meint, ist das, daß wir aufhören sollen, die uns eigenthümliche Lehre, die wir die reine nennen, als eine solche zu betrachten, welche eine kirchliche Scheidewand zwischen uns und den Reformirten zieht, und daß wir uns das Einheitsprädikat in dem Sinn, wie er es faßt, aneignen. Das werden wir freilich nicht und nie thun. Und auch die Exposition Hundeshagen's über den kräftigen, den Seelenverderblichen und den grundstürzenden Irrthum“ wird an unserer Stellung zur Sache nichts ändern. Mag auch Manches richtig sein von dem, was er wider diese drei Kategorien von Irrthum sagt (wir haben keinen Beruf näher darauf einzugehen, da man in der heutigen Theologie von diesen Kategorien wenig Gebrauch mehr macht), bei ihm läuft es doch darauf hinaus, daß der Lehrirrthum keinen Grund zu kirchlicher Trennung abgeben soll, die Lehre also nicht das kirchenbildende Princip sein soll. Hundeshagen nennt die lutherische Abendmahlslehre einen Lehrirrthum, aber sie bildet ihm keinen kirchlichen Trennungsgrund. So würde er uns auch gestatten, die Zwinglische Abendmahlslehre als Lehrirrthum zu betrachten, aber er tadelt an uns, daß wir uns dadurch kirchlich von den Reformirten geschieden wissen. Diesem Tadel werden wir nie abhelfen.

Wir betrachten die aus der hl. Schrift uns gewisse Lehre als ein uns von Gott gegebenes Gut, das wir bewahren müssen und wir kennen keinen andern Grund, auf dem sich eine kirchliche Gemeinschaft erbauen kann, als den der Einmüthigkeit in der Lehre. Damit ist unsere Stellung zu anderen kirchlichen Gemeinschaften, welche unser Bekenntniß nicht theilen, entschieden. Wir wägen dann ihren Frrthum nicht, wir constatiren ihn nur. Dieser Weg ist einfach und sicher. Wohin man auf anderem Weg geräth, können wir gerade an Hundeshagen sehen. Er verwirft das Losungswort des lutherischen Kirchenthums: die reine Lehre im Kampf gegen den kräftigen, den Seelen verderblichen, den grundstürzenden Frr

thum, und was er dagegen vorbringt, wohin führt es anders als dahin, daß man nach reiner oder falscher Lehre nicht mehr fragt. Hundeshagen sagt: „während man das Grundstürzende in gewissen Abweichungen von rein transcendenten Dogmen, wie die Ubiquität findet (das Abendmahl, die Sakramente?) übersah und übersieht man noch jezt das Grundstürzende der Art und Weise, wie Luther seine Lehre versocht, das Grundstürzende jener Verfluchung, die er über die Liebe aussprach“ 2c. Was soll damit gesagt sein? daß es noch audere grundstürzende Irrthümer gibt als die Lehrirrthümer? Wer bestreitet das, was hat aber der Einwand hier zu schaffen, wo es sich um die Irrthümer in der Lehre handelt? Oder soll das Grundstürzende gar nicht in der Lehre liegen? So wird Hundeshagen die Lehre der Papisten auch mit in den Kauf nehmen müssen. Ist von seelengefährlichem Irrthum die Rede, so werden wir belehrt, daß die ältere Orthodoxie, beherrscht einerseits von ihren durchaus irrigen Vorstellungen von dogmatischer Seligkeit anstatt der religiösen, andererseits von einer generellen Einseitigkeit in der Fassung ihres Seligkeitsbegriffes überhaupt, es übersehen hat, daß ein Mangel an correkter Doktrin, zumal wenn er von dem Laien nicht nur nicht empfunden, sondern nicht einmal geahnt wird, der Seele nicht zu schaden oder gefährlich zu sein vermag. Ist von kräftigem Irrthum die Rede, so wird bemerkt, daß das Lutherthum in seinem Anspruch auf absolut wahre Lehre zeige, wie nahe der Hochmuth und die Beschränktheit an einander angrenzen. Denn absolut reine, d. h. irrthumsfreie Lehre seße eine Kirche voraus, die nicht irren kann. Da nun aber eine Kirche immer nur aus irrthumsfähigen Menschen bestehe, und die Lehraufstellungen der Kirche Menschenwerk sind, so könne cntweder nur der Wahnsinn jenen Anspruch erheben, oder es müsse die Autorschaft der symbolischen Lehraufstellungen auf einen übernatürlichen Faktor zurückgeführt werden.

Was bindet denn dann in aller Welt zusammen, wenn der Irrthum nicht mehr trennend wirken soll? Und wer wird

mit Hundeshagen von der Erwägung aus, daß die Kirche völlig irrthumsloser Lehraufstellungen sich niemals wird rühmen können, daß selbst kräftige Irrthümer sich einschleichen, ja unschuldig erscheinende Frrthümer zu kräftigen heranwachsen können, eine Kirche auf den Trost hin bauen wollen, „daß den unerkannten Frrthümern immer die erkannten Wahrheiten, den kräftigen Irrthümern die kräftigen Wahrheiten gegenüberstehen, durch die Kraft der Wahrheit aber die Kraft des Irrthums in Schach gehalten und der Kirche ihre Freiheit gesichert werde?"

Freilich geht Hundeshagen in der Erörterung über diese Kategorien des Frrthums von der Voraussetzung aus, daß nur theoretisch theologische Differenzen, welche den Laien gar nichts angehen, uns scheiden. Aber das ist eine Voraussetzung, die wir bekanntlich nicht theilen, über die wir aber hier auch nicht rechten können, ohne das Capitel der Union abzuhandeln, was man nicht erwarten wird.

Und so bleiben wir denn der guten Zuversicht, daß das treue Festhalten an der reinen Lehre uns nicht hinderlich sein wird an unserer Arbeit an besserer Verfassung der Kirche. Das treue Festhalten an derselben war auch damals nicht das Hinderniß, das Hinderniß war, daß man über dem Festhalten alles andere übersah. Das thun wir aber nicht. Es mag ferner zugestanden sein, daß man früher zu viele Neigung hatte, alles dogmatisch zu formuliren und darum jede Frage, die man in Angriff nahm, sich in einen Lehrstreit verwandelte, man müßte aber ungerecht gegen unsere heutige lutherische Theologie sein, wenn man annehmen wollte, dieser Fehler hafte ihr noch an und sei untrennbar von dem, was wir reine Lehre nennen. Wir berufen uns endlich auf die lutherischen Kirchen der Gegenwart, in denen man wie in Nordamerika schon seit geraumer Zeit die Organisation der Kirche in die Hand genommen hat, ohne durch das Festhalten an der reinen Lehre daran gehindert zu sein.

Um Mißverständnisse zu vermeiden, sei es uns gestattet, mit folgender Erklärung zu schließen.

Es war uns in dem Ichten Artikel nur darum zu thun, das zur Geltung zu bringen, daß es der lutherischen Kirche nicht an den Mitteln fehlt, zu einer befriedigenden Verfassung der Kirche zu gelangen. So aber möchten wir dabei nicht mißverstanden werden, als ob wir meinten, daß alles schon erreicht wäre, wenn nur, woran das Princip unserer Kirche nicht hindert, die Gemeinde zur Leitung der Kirche mehr herbeigezogen würde, als es bis dahin geschehen ist. Die reformirte Kirche hat das, zum Theil durch äußere Umstände unterstügt, mit Segen gethan, wer aber annehmen wollte, daß die reformirte Kirche daran ein Mittel gefunden hat, das alle Bedürfnisse befriedigt und allen Schäden vorbeugt, der müßte den gegenwärtigen Zustand der reformirten Landeskirchen wenig kennen. So einfach kann der Kirche nicht geholfen werden. Wir haben also mit dem vorliegenden Artikel nichts zur Anerkennung bringen wollen, als das, daß man lutherischer Seits das Recht der Gemeinden anerkennt, und auf ihre Theilnahme am Kirchenregiment nicht verzichtet. Wie weit aber da die Gemeinde herangezogen werden soll, wie die Verhältnisse von Kirche und Staat geordnet werden sollen und wie weit der Landesherr mit herbeigezogen werden soll, das sind Dinge, die noch der reiflichsten und ernstesten Erwägung unterstellt werden müssen. Denn man kann an eine bestimmte Zeit nicht schon eine bestimmte Kirchenverfassung heranbringen, diese bestimmt sich vielmehr in vielen Punkten nach der Lage und nach den besonderen Bedürfnissen der Zeit. Es will da sehr beachtet sein, was in dem Märzheft 1863 unserer Zeitschrift in dem Artikel: „die Stellung der obersten Kirchenbehörden in der Gegenwart" gesagt ist. Er beginnt mit den Worten: „jede Zeit bringt ihre eigenthümliche Aufgabe mit sich. Auch für die Kirche und das Kirchenregiment. Denn so sehr dasjenige, was das Dasein und die Bethätigung der

Kirche grundleglich bedingt, etwas sich gleichbleibendes ist, so sehr wechselt nicht blos die Form und Gestalt der feindlichen Gegenfäße, deren Bekämpfung zur Aufgabe der Kirche gehört, sondern auch die äußere Gestaltungsform der Kirche ist von Bedingungen abhängig, welche nicht mit dem inneren Wesen der Kirche ein für allemal gesezt sind, sondern sich aus jenen Beziehungen der Kirche ergeben, in welchen die Kirche ihre Aufgabe in und an der zeitlichen Geschichte ihrer selbst wie der ihr gegenüberstehenden Welt zu lösen hat.“

Der Entwurf für den „ersten Unterricht im chriftlichen Glauben."

Die lezte Generalsynode unserer Landeskirche hat bekanntlich an das k. Oberkonsistorium den Antrag gestellt, es wolle dasselbe an der Stelle des bisher eingeführten sogenannten „Gottbüchleins“ einen neuen Entwurf für den ersten Unterricht im Christenthum ausarbeiten lassen und der nächsten Generalsynode vorlegen. Um das Gelingen des Unternehmens im Voraus einzuleiten, hat genannte Synode zugleich in bes stimmten Strichen das Bild eines solchen Büchleins vorgezeichnet. Als Zweck desselben wurde angegeben, daß es die Unmündigen in den Katechismus, in die biblische Geschichte und in das landeskirchliche Gesangbuch einzuführen habe. Demnach sollte es bezüglich seines Inhaltes in sich fassen: 1) aus dem Katechismus die drei ersten Hauptstücke ohne Erklärung, von den beiden folgenden die Einseßungsworte; dazu aus der kirchlich eingeführten Spruchsammlung höchstens hundert Bibelsprüche. 2) Aus der biblischen Geschichte alten Testaments die Geschichte von der Schöpfung bis einschließlich der Geschichte David's; aus dem neuen Testamente die Geschichte des HErrn Jesu bis zum

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