Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Vorschub für solche Zumuthung fanden? - Doch Hr. F. verlangt mehr.,,O hätte doch sein Dämonion mehr gekonnt als blos abrathen! Warum rief es ihm nicht zu: eile Sokrates, eile den Andern vorauf nach Salamis, rette den Leon, dafs er fliehe vor den Mördern, eile doppelt, denn er ist dein Gegner!" Weils der Vf. so bestimmt, dafs Leon noch zu retten war? Uebrigens ist es aus dem Xenophon bekannt, dafs Sokrates mit den dreifsig Tyrannen herzlich schlecht gestanden hat.

[ocr errors]
[ocr errors]

Sprichwort Δηλιεύς κολυμβητής heifsen!) wird in Zweifel gestellt. Eine Rechtfertigung dieses Mannes wenigstens von Seiten seine schriftstellerischen Characters würde zur vollständigen Widerlegung der Schrift gehören, hier aber zu weit führen. Wir begnügen uns, an einigen Beispielen zu zeigen, dafs Xenophon in den Punkten, wo der Vf. ihn albern findet, doch nicht so ganz Unrecht hatte.

[ocr errors]
[ocr errors]

es sey

Eine

Dabei gerathen wir zuerst auf eine Acufserung des Sokrates in den Denkwürdigkeiten, welche von S. 5 wird von den Verdiensten des Thrasybul, Allem, was Hr. F. vorbringt, nach unserm Dafürund dabei zugleich von den beiden Anklägern, Any- halten, das Einzige ist, was einigermalsen gravirt. tos und Meletos, gesprochen. Natürlich, je bessre Anytos sagte, Sokrates habe einmal gesagt, es sey Leute diese sind, desto schlechter ist die Sache des thöricht (ws wowv εin, Hr. F. übersetzt,,, Sokrates. Anytos wird gepriesen als Begleiter des die Handlungsweise der Verrückten" als stünde Thrasybul nach Phyle (dals auch Meletos unter sei- μavouévwv), die Archonten der Stadt durchs Loos nen Begleitern gewesen, wie der Vf. sagt, ist, so- zu wählen, bei den niederen Commissionen aber, wo viel ich weifs, nirgends berichtet; dahingegen wäre Steuermänner, Zimmerleute u. s. w. von Staatswegen anzuführen gewesen, dafs Chärephon, den Sokrates angestellt würden, die Wahl dem Loose vorzuziehen. ausdrücklich seinen Freund von Jugend auf nennt,,,Solche Reden," sagte der Ankläger,,,verführen Plat. Apol.p. 20. C. unter Thrasybuls Begleitern war.) die Jugend zur Verachtung der bestehenden StaatsMan kennt das Detail der Begebenheiten zu wenig, verfassung und machen sie gewaltthätig. Es ist um das Interesse des Anytos bei dieser Parteistel wahr, solche Reden involviren eine Ansicht, welche lung zu beurtheilen; auch Bösewichter sind, wie dem Principe der Atheniensischen Demokratie, wie Niebuhr sagt, bisweilen gute Bürger. Es ist fak- sie damals bestand, widersprachen, die in der Phitisch, dafs Anytos zuerst die Richter bestochen, eine losophie des Sokrates tief begründete Ansicht, bei Geschichte, von welcher der Vf. sich wohl hütet, an welcher allein übrigens eine Wissenschaft der Politik der rechten Stelle zu sprechen (sie wird in Not. 28 möglich ist, dafs wie bei jeder Verrichtung wissenverwiesen, S. 80, wo er sie unwahrscheinlich zu schaftliche Einsicht nothwendig, so dieses am meimachen sucht, doch blos mit allgemeinen Gründen), sten bei den höchsten und schwierigsten Functionen welche aber von der Art ist, dafs sie jede andere der Regierung und Verwaltung der Fall sey. Handlung des Mannes in ein verdächtiges Licht stellt. solche Aeufserung ist im Widerspruch mit der daBeim Meletos benutzt der Vf. geschickt die Unsicher- maligen Demokratie Athens: allein diese war selbst heit der Rechtschreibung des Namens, um seinem eine modificirte, nicht die ursprüngliche; mit der Clienten einen guten Theil bösen Leumundes vom Solonischen Demokratie, welche doch immer als UrHalse zu schaffen. Bekker comm, crit. Plat. Eu- bild und Urquelle der gesetzlichen Bestimmungen der thyphr. p. 351, 16 und Stallbaum z. Euthyphr. p. 7, Folgezeit anzusehen ist, war sie keineswegs im Wivgl. Apolog. p. 20, haben aus Mss. und andern Grün- derspruch: mithin ist es auch hier wiederum unbilden gezeigt, dafs Méλntos die richtige Orthographie lig, aus jener Aeufserung unmittelbar auf oligarchiist; dann wäre der Ankläger zugleich unter den My- sche Richtung in dem Sinne, wie die oligarchischen sterien - Entweihern, den Hermokopiden, in der Com- Parteiungen der Zeit eine solche verfolgten, zu mission, welche den Leon holte, gewesen. Hr. F. schliefsen; höchstens darf man folgern, dafs Sokrasucht S. 81 f. diese Annahme zu widerlegen. Es tes mit der damaligen politischen Gestaltung seiner Vasoll uns freuen, wenn er Recht behält, indem dann terstadt unzufrieden war, worin ihm allerdings seine doch nicht gar zu lumpig-schlechte Leute dem Pro- Schüler, aber aufser diesen gewifs eine grofse Menge cesse des Sokrates Unsterblichkeit ihres Namens,, guter Bürger" beistimmten. Man wünschte eine verdanken. gemälsigtere Demokratie, ein Zurückgehen auf den Solonischen Typus, wie namentlich Alcibiades für eine kurze Zeit ein solches bewirkt zu haben scheint, und wie selbst Thucydides, den der Vf. als Muster ächter Bürgertugend anpreist, eine solche Moderation der Republik billigte: VIII, 97 xaì ovx ĥniora δὴ τὸν πρῶτον χρόνον ἐπί γε ἐμοῦ Ἀθηναῖοι φαίνον ται εὖ πολιτεύσαντες· μετρία γὰρ ἥ τε ἐς τοὺς ὀλίγους καὶ τοὺς πολλοὺς ξύγκρασις ἐγέ νετο, καὶ ἐκ πονηρῶν τῶν πραγμάτων γενομένων τοῦτο πρῶτον ἀνήνεγκε τὴν πό

S. 37 ff. geht es über den Xenophon her. Man hat gut diesen Mann einen schlechten Bürger schelten, weil er mit seiner lacedämonischen Landedelmanns-Natur unter den Verwirrungen Athens keine Bahn, seine hohen praktischen Anlagen geltend zu machen, finden konnte. Hr. Forchh. läfst ihm nun auch gar nichts Ruhmliches mehr; selbst seine Theilnahme an der Schlacht bei Delion (S. 84, eine eigenthiimliche Exegese der Aeufserung des Euripides gegen den Sokrates: um den Herakleitos zu verstehen, bedürfe es eines Delischen Schwimmers. Das sey eine Anspielung darauf, dafs Sokrates sich bei Delion durch Schwimmen gerettet. Dann würde das

[ocr errors]

3

[ocr errors]

v: vgl. Hermann Staatsalterth. §. 167. Auch kann in einer Zeit, wie der damaligen, wo mit den politischen Zuständen auch die politische Discussion eine

aufgeregte und vielfach bewegte war, eine solche Aeufserung weder auffallend noch dem Sokrates ausschliesslich eigen gewesen seyn; erst durch Verdrehung des Anklägers wurde sie dieses. Am wenig sten kann sie für aufreizend gelten; Xenophon, der die Sache selbst nicht weiter discutiren mag, ohne Zweifel, weil sie hinreichend oft und darüber besprochen war, hält sich mit Recht eben an dieses, was die Hauptsache der Beschuldigung ist, als hätten solche Aeufserungen etwas Aufreizendes, zu tumultuarischem Beginnen Aufforderndes gehabt. Das war nicht der Fall, sagt er, denn Sokrates beständiges Thema war ja Besonnenheit und vernünftige Einsicht; solche Lehre und solche Uebung, wie er sie mit den Seinigen vornahm, sind nicht die des Revolutionärs, der, selbst verworren, Andre zu Verworrenheit und verwegenem Beginnen hinreifst. Auch antwortet er nicht blos im ersten Buche der Denkwürdigkeiten auf die Anklage; auch die folgenden hätten berücksichtigt werden sollen; z. B. wo Sokrates von dem, was der Bürger im Staate zu thun habe, von dem dixalov und vóμuov spricht, Memor. IV, 4, vgl. Plato Crito p. 50 sqq., welches Sokrates zuerst, wie die Religion, gegen die alle politische Gesinnung unterhöhlenden Angriffe der Sophisten wieder in Schutz genommen und in seiner höheren Geltung gerechtfertigt hat. „Aber auch über das díxatov sprach er sich offen aus und lebte dem gemäfs, sowohl im gemeinen Leben gegen Alle gesetzlich und hülfreich, als im öffentlichen gehorsam gegen die Obrigkeit und das Gesetz, und in der Stadt wie im Felde ein Solcher, dass er von Allen einstimmig als guter Bürger anerkannt wurde." Es folgen dann Beispiele, wo er mit dem Gesetze gegen die Obrigkeit hielt, darauf das schöne Gespräch mit dem Sophisten Hippias. -Der Vf. spricht erst auf sehr geringschätzige Weise von der Vertheidigung des Xenophon und schliefst dann seine keineswegs gründliche Beleuchtung jener Aeufserung mit den Worten:,,Und dieser Sokrates, von dem Platon lernte, eine Staatsverfassung zu entwerfen, in welcher der,,Verrücktheiten" ein so reiches Uebermaafs ist, durfte der Atheniensischen Verfassung Verrücktheit vorwerfen? Ein schlagender Beweis, dafs eminente Denkkraft und Bornirtheit in Einem Kopfe vereint seyn können."

S. 42: nähere Beleuchtung dessen, was Xenophon zur Rechtfertigung des Sokrates gegen die Anklage, dieser habe den Alcibiades und Kritias auf seinem Gewissen, bemerkt. Xenophon zeigt, wie beide gut gewesen, so lange sie beim Sokrates waren; hernach aber wäre Kritias in Thessalien durch seine Schmeichler, Alcibiades durch seine Buhlerinnen verdorben. Dazu wäre ihr angeborner Ehrgeiz und aristokratischer Hochmuth gekommen. Ein Lehrer kann, sagt er, nichts thun, als gute Lehren geben und sie durch Zucht einüben, so lange der Zögling ihm anvertraut ist; ist die Zucht vorüber und die Uebung wird nicht fortgesetzt, die Verführung nimmt zu, so verdirbt sich der Mensch, ohne dafs der Lehrer dafür verantwortlich ist." Sokrates hätte

[ocr errors]
[ocr errors]

den Kritias und Alcibiades vielleicht nicht eher seine theoretische Politik lehren sollen, als er sie Vernunft gelehrt hatte. Doch gab er (der, wohl zu merken, niemals als Lehrer der Jugend von Profession, in dem Sinne wie die Sophisten, aufgetreten war, s. Plat. Apol. p. 33) sich ihnen, wie er den übrigen Schülern sich gab, die gute Menschen geworden und geblieben sind; Kritias und Alcibiades aber naheten sich ihm nicht wie diese, sie suchten von Anfang an nicht seine Gesinnung, sondern seine dialektische Gewandtheit, brachten sogar Abneigung gegen jene mit sich, welche durch kindische Gereiztheit über gelegentliche Verweise sogar Hafs wurde. - Und ist denn dem nicht so? War nicht Ischarioth unter den Jüngern? Man lese aber, wie jene Entwickelung des Xenophon bei Hn. Forchh. entstellt wird: „Hier geht's selbst dem alten Sünder, dem Xenophon, an's Gewissen! Vielleicht, spricht er, möchte Jemand sagen, Sokrates hätte seine Schüler nicht eher seine theoretische Politik lebren sollen, ehe er sie Vernunft gelehrt hätte; dem will ich nicht widersprechen. Dann trägt er als ein eignes apartes Philosophem vor, es könne ein zu einer Zeit Vernünftiger und Tugendhafter später aufhören es zu seyn: um dem zu entgehen, um tugendhaft zu bleiben, müsse man immer tugendhaft seyn (sic!). Aber beim Kritias und Alcibiades hätte es mit der Uebung der Tugend ein Ende gehabt, als sie den Sokrates verliefsen. Nun. Er konnte doch nicht seine Schüler, wie die Aerzte auf jener Insel ihre Patienten, immer in einem langen Schwanz hinter sich herschleppen? Wozu ist der Erzicher, als dazu, sich überflüssig zu machen?"

Doch es ist nicht unsere Absicht, der ganzen Schrift Schritt für Schritt zu folgen. Das Wichtig ste ist beseitigt; aus dem Uebrigen nur Einiges : S. 49 Sokrates ganze Ethik sey auf Nützlichkeit und Berechnung und Verstand basirt gewesen, er sey ganz ohne Liebe gewesen, zur Strafe der Xanthippe, über welche er sich auf das Unwürdigste geäufsert habe; mit Beziehung auf Xen. Sympos. 2, 10, wo Sokrates zum Antisthenes sagt, er habe die Xanthippe genommen, wie ein guter Reiter lieber ein wildes Pferd als ein zahmes reitet zur Uebung der Kunst mit den Menschen umzugehen. Xenophon nimmt die Sokratische Ironie ein bischen gar zu wörtlich; doch wenn Sokrates wirklich nur dieses Motiv gehabt haben sollte, so hat er es ja hinlänglich gebüfst. Allein auch hier darf man nicht blos nach einer Stelle urtheilen. Vgl. Memor. II, 2, ein Gespräch, welches der Vf. nicht berücksichtigt, woraus hervorgeht, dafs Sokrates von seiner Frau wohl würdig zu denken und zu sprechen wufste; übrigens darf man freilich unsre Romantik nicht dem Griechen, am wenigsten dem Athenienser zumuthen. Das Benehmen im Platonischen Phädon würde Hn. Forchh, nicht hart und widerwärtig erschienen seyn, wenn er es ohne Vorurtheil beobachtet hätte. Xanthippe ist hier schon beim Sokrates, als die Jünger eintreten ; letzte Abschied war genommen; dafs er ergreifend

der

[ocr errors]

gewesen, zeigt der Schmerz der Xanthippe. Als sie sich nicht trösten lassen will, bittet Sokrates den Kriton, sie hinwegzuführen. Die Jünger waren ihm mehr als seine Familic, seine Lehre theurer als die Seinigen; zur Rechtfertigung diene das Benehmen eines Höheren gegen seine Mutter. Es kommt Alles darauf an, wie man sich jene Worte gesprochen, von welcher Gebehrde begleitet denkt; eine cynische Grimasse zu suppliren wäre gegen den Ernst der Scene, gegen die Absicht des Plato.

[ocr errors]
[ocr errors]

S. 53 f. wieder ein luculentes Beispiel von der revolutionären Tendenz des Sokrates, diesmal seine Exegese des Homer. Xenophon erzählt (Memorab. 1,2,58), der Ankläger habe erinnert, wie Sokrates häufig die Worte des Homer recitirt habe (II. 2, 158 ff.), wo Odysseus gegen die Edlen des Griechenheeres höchst geschmeidig, gegen den gemeinen Mann sehr barsch und sogar gewaltthätig gewesen sey. Sokrates habe daraus gefolgert, Homer lobe es, wenn der gemeine Mann und die Armen geschlagen und gewaltthätig behandelt würden. Sokrates aber", setzt Xenophon hinzu,,, meinte es nicht so; er hätte denn etwa damit auffordern wollen, ihn selber auch zu schlagen; sondern er sagte, dafs den weder durch Intelligenz noch durch Körperkraft Fähigen, die weder im Felde noch in der Stadt noch in der Gemeinde zu irgend etwas nutz wären, zumal wenn sie mit dieser Untüchtigkeit Impertinenz verbänden, auf jede Weise gesteuert werden müfste, sie möchten übrigens so reich seyn, als sie wollten. Und Sokrates war ja auch vor Aller Welt Augen arm wie einer, Freund des gemeinen Mannes, und im höchsten Grade uneigennützig. Also die entschiedenste Mifsbilligung des Principes, nach welchem der pecuniäre Besitz über die politische Fähigkeit zu entscheiden hätte, und wiederum diese Appellation von dem was Sokrates gesagt haben sollte an das, was er vor aller Welt Augen war; die einfachste und richtigste Wilegung so gehässiger Anschuldigungen. Und was macht Hr. F. aus dieser Stelle? Er bemerkt, dafs in den von Xenophon citirten Versen des Homer, theils zwischen ihnen, theils nach ihnen andre ausgelassen, wo die Monarchie angepriesen, die Vielherrschaft getadelt wurde. Der kleinliche Xenophon" habe diese,, mit perfider Feigheit" unterdrückt. Sokrates habe jene Verse geliebt,, als gesetzwidriger Oligarch," weil er dafür hielt und seine Schüler überzeugte, nicht etwa nur, dafs die Demokratie die verderblichste Verfassung sey, sondern auch, dafs es erlaubt sey, die gesetzlich bestehende Verfassung und Regierung, sey sie demokratisch oder monarchisch, umzustofsen zu Gunsten der Verwirklichung Wenn nun ihrer philosophischen Theoreme." die Ankläger die politische Ge sinnung mit dem Gebrauch jener Verse verdächtigt hätten, so liefse sich dies schon hören, aber so folgern sie nur daraus das

[ocr errors]
[ocr errors]

Absurde, auf die Richter aber gewils recht gut Berechnete, Sokrates habe gepredigt, die Armuth misse geschlagen werden. Wenn selbst mit willkührlichen Präsumtionen und mit dem, was die wirklichen Ankläger gar nicht einmal zu sagen gewagt (wäre so etwas vorgefallen, so würden sie nicht ermangelt haben, es zu benutzen), gegen Sokrates gekämpft werden soll, so läfst sich seine Gesinnung allerdings wohl verunglimpfen, - Wiewohl auf diese Weise gar nicht einmal Sokrates der Schuldige ist, sondern Homer, oder die Athenienser selbst, dafs sie die Iliade nicht verbrannten wie sie des Protagoras Bücher verbrannt haben, weil sie einige Verse enthielt, die ihre schwächliche Republik nicht vertragen konnte. Der Ansicht müssen sie doch nicht gewesen seyn, da sie den Homer nicht allein dem Jugendunterrichte zu Grunde legten (jeder Athenienser kannte den Vers, oix ayadov пolvxоigavin von Kind auf), sondern auch an den Festen öffentlich recitiren liefsen.

[ocr errors]

nichts

S. 50 f. wird noch der häufige Terminus bei Sokrates und den Sokratikern xaloxayatos benutzt, um dem Sokrates oligarchische Tendenzen anzubängen. Es ist bekannt, dafs dyadós bei Theognis und sonst häufig im politischen Sinne der Edle, der apiovos, derAristokrat ist, und dafs xanoxayaoi selbst noch in Sokratischer Zeit als Parteiname der Oligarchen gebraucht wurde. Hr. F. ist nun der Ansicht, dafs die Schön- Guten in diesem Sinne, namentlich der Anhang des Kritias und Theramenes, Anderes als eben die Partei gewesen wäre, der Sokrates angehörte; als wenn dieser selbst den Ausdruck gegeben und in demselben Sinne gebraucht hätte. Hier wäre es doch nun vor Allen nöthig gewesen, Stellen anzuführen, wo Sokrates oder ein Sokratiker die Bestimmung xaloxaya9ds in einem andern als im ethischen Sinne gebraucht; allein nicht eine einzige ist angeführt, und so dürfen wir denn also auch wohl vorläufig annehmen, dafs keine zu finden gewesen, mithin dafs die Sokratischen xaloxayaoi mit den oligarchischen gar und durchaus nichts zu thun gehabt haben. - So wird Sokrates in dieser Schrift überall von der reinen Sphäre sittlicher Gröfse und welthistorischer Bedeutsamkeit auf den gemeinen Schauplatz politischer Cotterie und bornirter Leidenschaften hinabgezogen.

Wir brechen hier ab, indem wir hinreichend dargethan zu haben hoffen, dafs diese Schrift wenigstens nicht der Art ist, dafs man die Achtung, in welcher Sokrates bisher gestanden, zu beschränken brauchte. Hat der Vf., oder hat Jemand sonst bessre Gründe für die Behauptung, Sokrates sey Revolutionär in oligarchischem Interesse gewesen, so sey er hiermit aufgefordert, nicht damit zurückzubalten. - Amicus Forchhammerus, amicior Socrates, amicissima Veritas. L. Preller.

[ocr errors]

ALLGEMEINE LITERATUR ZEITUNG.

LITERATUR-ZEITUNG

PHILOSOPHIE.

Mai 1838.

LEIPZIG, b. Wigand: Lehrbuch der Geschichte der Philosophie. Mit Angabe der Literatur nach den Quellen bearbeitet von Dr. G. O. Marbach. 1. Abth. Einleitung und Geschichte der griechischen Philosophie. 1838. 8. (1 Rthlr. 18 gGr.)

Je

e seltener in unserer Zeit die Versuche sind, durch welche das philosophische Wissen aus sich selbst fortgebildet wird, desto häufiger sind dagegen die Darstellungen der Geschichte der Philosophie. Besonders nehmen geschichtsphilosophische Arbeiten die Thätigkeit der Hegelschen Schule in Anspruch, was wir uns zum Theil daraus erklären, dafs Hegels Geschichte der Philosophie eine neue Epoche in der Bearbeitung dieser Wissenschaft begründete. Der Vf., welcher zu dieser Schule gehört, leitet aus dem Gedanken, dafs sich die Philosophie mit innerer Nothwendigkeit zeitlich oder geschichtlich entwickle, die Folgerung ab, wonach jede einzelne wahre *) Philosophie als die letzte alle früheren wirklichen Philosophien als Stufen der Erkenntnifs in sich enthalten müsse." Allein dieser Schlufs folgt nicht aus der Voraussetzung. Aus dem Begriffe einer mit innerer Nothwendigkeit sich ergebenden Entwicklung der Philosophie folgt nur: dafs die philosophischen Systeme Momente eines wissenschaftlichen Ganzen sind, und dafs mithin jede einzelne wahre") Philosophie durch die früheren Philosophieen vermittelt sey.

[ocr errors]

Zwar macht das Hegelsche System darauf Anspruch, die Principien aller früheren Systeme in sich zu enthalten, allein, wenn der Vf. diefs auch zugiebt, so kann er doch nicht zugeben, dafs z, B. auch die Leibnitzische, die Wolffsche, die Kantsche und die Fichtesche Philosophie alle früheren Philosophien in sich enthalten. Denn diese Philosophien haben ja z. B. Spinoza's pantheistisches Princip widerlegt, oder wenigstens ausgeschlossen, ein Princip, das die Hegelsche Philosophie nach ihrem eigenen Geständnisse in sich aufgenommen hat, während sie Leibnitzens theistisches Princip negirte. Hat nicht die Kantsche Philosophie, die von Hegel mit so vielem Interesse wieder aufgenommenen speculativen Begriffsbestimmungen früherer Philosophien ausgeschlossen, und wie einseitig gestaltete sich Fichte's subjectiver Idealismus? Und wenn der Vf. Leibnitzens, Kants und Fichtes Systeme nicht zu

*) Oder vielmehr wahrhafte.

دو

der einzelnen wahren" Philosophien rechnet, so bleibt ihm aufser dem Hegelschen System wenig von wahrhaft Philosophischem übrig.

Dieses Vorurtheil, als ob die letzte und mithin für jetzt die Hegelsche Philosophie alle früheren wirklichen Philosophien in sich enthalten müsse, macht eine unparteiische objective Würdigung der früheren Systeme unmöglich. Denn, setzt man voraus, dafs die früheren Systeme nichts weiter als unvollkom mene oder wenigstens minder vollkommene Versuche seyen, denselben Wahrheitsgehalt zu erkennen, welchen das neueste System in vollkommenster Form begreife, so schneidet man sich selbst die Möglichkeit ab, durch das tiefere Studium der älteren Systeme die Erkenntnifs der Wahrheit zu bewähren.

Wie mangelhaft und unwahr erscheint z. B. das neueste und nach der gewöhnlichen Meinung seiner Schule absolute System in der Bestimmung der Urgedanken der Gottheit, der sittlichen Freiheit und der Unsterblichkeit im Vergleiche mit andern Systemen; und wie wenig oder gar nichts gewinnen diejenigen durch das Studium derselben, welche sie mit dem Vorurtheil lesen, was darin über jene Gegenstände weiteres und anderes enthalten sey, als in Hegels Schriften, das sey abgethane Sache!

[ocr errors]

Da die von jenem Vorurtheil ausgehenden Bearbeitungen der Geschichte der Philosophie auch in den Lesern, die nicht selbstständig denken und prifen, die Meinung hervorbringen, als könne man durch das Studium aller andern Sesteme nichts lernen, was man nicht durch das System, welches Anspruch auf absolute Wahrheit macht, aufs Vollkommenste und Vollständigste begreifen lerne, so scheint es umsomehr an der Zeit zu seyn, auf jenes unkriUebertische Verfahren aufmerksam zu machen. haupt findet zwar im Allgemeinen ein Fortschritt in der Philosophie statt, aber nur die wenigsten Systeme enthalten die Principien früherer Systeme in neuer durch ein höheres Princip organisirten Form in sich, und selbst diese werden in mancher Hinsicht durch frühere Systeme berichtigt werden könDie Philosophien bilden so wenig nur eine nen. Stufenfolge von Systemen, von denen jedes alle früheren in sich enthielte, dafs vielmehr die meisten derselben nur besondere Gegensätze in der allgemei nen Entwicklung der Philosophie darstellen, und defshalb nicht nach dem Verhältnifs niedrigerer oder höherer Stufen begriffen werden können.

Die Methode, nach welcher der Vf. die griechische Philosophie darstellt, besteht darin, dafs er in den Paragraphen die Lehren derselben nach den Quellen in möglichster Kürze referirt, und in den Anmerkungen theils historische Zusätze, theils philosophische Reflexionen darüber beifügt. Den besonderen Schulen und einzelnen Philosophen schickt er eine kurze Charakteristik voraus, und schliefst die Darlegung ihrer Lehren mit einer Bezeichnung ihres Standpunkts und des Fortschrittes, den sie begründet haben.

Wahrhaft objectiv bestimmt der Vf. den Begriff der Philosophie bei den Griechen nach Aristoteles dahin, dafs sie,,die Wissenschaft von den Principien und Ursachen sey."

Gehen wir von diesem der Entwicklung der griechischen Philosophie selbst zu Grunde liegenden Gedanken aus, so werden wir den Verlauf und die Ordnung der griechischen Systeme nach der besondern Form bestimmen, in welcher sie die Principien des Seyns und Bewusstseyns erfassten.

Im Unterschied von der Philosophie anderer Völker, z. B. der indischen, erweist sich der klassische Charakter der griechischen Philosophie dadurch, dafs sie in einem alle wesentlichen durch ihren Begriff möglichen Entwickelungsmomente durchlaufenden Fortgange, von den niedrigsten unmittelbarsten Principien bis zu der Erkenntnifs des absoluten alle besondern Principien begreifenden Urprincips sich erhob.

Dennoch bildet die griechische Philosophie nicht, wie Hegel will, Eine Entwicklungsreihe, in welcher jedes folgende System eine höhere Stufe begründet als die vorhergehenden *).

Vielmehr unterscheidet sich schon die physische Schule der Jonier von Thales an in zwei entgegengesetzte Reihen, von denen die Eine, welche mit Thales selbst beginnt, wie Aristoteles bemerkt, aus Einem Princip Alles entstehen läfst, die andere aber durch blofse Mischung und Scheidung unveränderlicher Elemente alles Seyn und Werden zu erklären sucht. Obwohl die eleatische Schule, deren Princip das mit dem Seyn identische Denken ist, in einem bestimmten Verhältnisse zu der jonischen Schule steht, welche alles aus physischen Principien zu erklären suchte, so stellt jene dennoch die selbstständige Erhebung zum reinen speculativen Gedanken dar und die Atomisten und Sophisten begründen so wenig einen wesentlichen Fortschritt der griechischen Philosophie, dafs sie vielmehr im Gegensatz mit den ihnen gleichzeitigen Pythagoreern, bei nicht zu leugnenden formellen Verdiensten, mehr Hemmungen oder Rückschritte als Fortschritte bildeten. Darin

[ocr errors]

weicht der Vf. mit Recht von Hegels Anordnung ab, dafs er den Heraklit nicht nach den Eleaten abhandelt, indem diese, durch die Erhebung zum reinen speculativen Gedanken, eine höhere Stufe der Philosophie einnehmen, als Heraklit, der um seiner physischen Weltansicht willen zu den jonischen Philosophen gehört. Auch darin ist Ref. mit dem Vf. einverstanden, dafs er den Anaxagoras, Philosophie einen durchaus physisch-atomistischen Charakter hat, nicht über die Eleaten und Pythagoreer stellt, da sein vous in der unbestimmten Form, in der er ihn denkt, ein unvollkommneres Princip ist, als das reine Denken der Eleaten oder die Weltseele oder gar der sittliche Weltordner der Pythagoreer. Vergl. Böckhs Philolaus. Nr. 19. 23.

dessen

Aber darin sind wir nicht mit ihm einverstan

den, dafs er die Eleaten höher stellt als die Pythagoreer, da doch jene mit Ausnahme der paar Trugschlüsse des Zeno eben keine grofsen Dialektiker waren, und ein Xenophanes und Parmenides in Versen ihre Lehren aussprachen. Dagegen haben die Pythagoreer nicht nur sehr scharfe dialektische Begriffsbestimmungen der besondern Weisen des Gegensatzes gegeben, indem sie schon den quatitativen positiven Gegensatze unterschieden, sondern selbst von dem qualitativen, und den, negativen von dem die Einheit, bei welcher die Eleaten stehen blieben, in ihrer Systematisirung zur harmonischen Mannigfaltigkeit der physischen und der ethischen Welt zu begreifen suchten. Mit Unrecht weist der Vf. dem Empedokles seine Stelle zwischen Heraklit und Anaxagoras an, da er vielmehr, was sich geschichtlich erweisen läfst, den Pythagoreismus zu Grunde legte, und denselben durch eine an Heraklits Betrachtungsweise erinnernde und durch eleatische Begriffsbestimmungen vergeistigte Weltanschauung vervollständigte.

Was der Vf. als Gesammt - Resultat der platonischen Philosophie angiebt, nämlich die Unterscheidung 1) des Unbegrenzten, oder der sinnlichen Mannigfaltigkeit, 2) des Begrenzten oder des Allgemeinen und endlich der Einheit beider Principien, scheint uns nicht das Charakteristische der platoni schen Philosophie, indem sich diese Unterscheidung nur in weniger entwickelter Form schon bei den Pythagoreern findet. Und für eine blofse Vercinigung der frühern Philosophien können wir den Platonismus nicht halten.

Das Charakteristische der Platonischen Philosophie ist vielmehr die dialektische Entwicklung der Ideen als der Wesenheiten und Begriffe alles Existirenden, und die Zurückführung aller weltlichen Ideen auf den (wirksamen) Verstand des absoluten Urgeistes **).

*) Ref. hat in seiner Dissertation de hellenicae philosophiae principiis atque decursu a Thalete usque ad Platonem. Tubingae typis Lud. Fried. Fues. MDCCCXXXVI diese Hegelsche Ansicht ausdrücklich S. 29. Not. 71 bestritten. Dennoch wird sie ihm in der von Herrn Fichte verfassten Recension derselben zugeschrieben.

[ocr errors]

**) Herrn Fichte's Behauptung, ich habe ,,in die Stelle im Philebus P. 30 von der königlichen" Seele und königlichen Vernnnft des Zeus" mehr hineingelegt als ihr füglich dem dortigen Zusammenhange und dem Geiste des ganzen Systems nach zukommen könne, ist eben nur Behauptung, da er mit keinem Worte beweist, warum die Stelle anders zu verstehen sey.

« ZurückWeiter »