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ZUR

ALLGEMEINEN LITERATUR-ZEITUNG

KIRCHENGESCHICHTE.

Januar 1838.

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Nachdem

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achdem der Vf. schon vor mehreren Jahren, in dem ersten Bande seiner Fürsten und Völker u. s. w. an welchen sich das vorliegende Werk dem Nebentitel zu Folge aufserlich als Fortsetzung anschliefst, den Anfang gemacht hatte, durch Eröffnung eines bis dahin weniger beachteten und benutzten Materials für Geschichtforschung, nämlich der Gesandtschaftsberichte, neue Aufklärungen für die Geschichunsern Tagen ziemlich nahe liegenden Zeitalters mehr in rhapsodistischer Form zu geben, ist er auf demselben Wege zur Bearbeitung eines einzelnen, aber weitumfassenden, einflussreichen und höchst interessanten Gegenstandes vorgeschritten, für dessen Aufklärung noch Vieles zu thun, und vorzugsweise auf dem von dem Vf. eingeschlage nen Wege ein helleres Licht zu gewinnen war. Seit der grofsen Erschütterung, welche der päpstliche Stuhl im sechzehnten Jahrhundert durch die Reformation erlitt, sind die Angelegenheiten und Schicksale desselben weit weniger als die, jener merkwürdigen Periode vorbergegangenen, ein Gegenstand geschichtlicher Theilnahme, Forschung und Bearbeitung, namentlich in Deutschland, gewesen; und doch hat sich Rom, wie der Vf. in der Vorrede sehr richtig erinnert,,, nach dem Abfall, den es in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts erfuhr, noch einmal zum Mittelpunkt des Glaubens und Denkens der südeuropäischen, romanischen Nationen zu erheben gewulst, und kühne, nicht selten glückliche Versuche gemacht, sich die übrigen wieder zu unterwerfen;' es greift daher auch in den neueren Jahrhunderten sowohl in die kirchliche als in die politische Geschichte von ganz Europa noch immer sehr wirksam ein, bietet dabei auch in seinem eigenen, inneren Gange viele interessante Erscheinungen dar;

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und eine vollständige, in sich zusammenhängende Bearbeitung und Darstellung seiner bisher nur fragmentarisch und mehr nach den äufseren Erscheinungen, als nach den inneren bewegenden Ursachen hekannten Geschichte, wird daher nicht nur eine Lücke in unserer gesammten historischen Literatur ausfüllen, sondern auch an sich ein höchst anziehendes Gemälde gewähren. Freilich war bei der Mangelhaftigkeit alles dessen, was bisher über diese Gegenstände literarisch bekannt und zugänglich war, eine neue Durchforschung noch unbenutzter Quellen durchaus nothwendig, liefs aber auch, sobald man denselben auf die richtige Spur kam, ungemeine Resultate erwarten. Der Vf. hat sich jener Forschung in grofsem Umfange und an Orten, wo ein besonderer Quellenreichthum zu erwarten war, unterzogen und sehr belohnende Resultate seines Fleisses gewounen. der Vorrede giebt er darüber einige Rechenschaft. Berlin selbst konnte, den Umständen nach, für diese Forschung verhältnifsmäfsig nur wenig Material darbieten; aber schon in Wien fand sich ein viel gröfserer Reichthum, zuerst auf der kaiserlichen Hofbibliothek, in deren grofsen Sammlungen der Vf. noch eine ganze Zukunft von Studien sieht, und dann noch bedeutender in dem kaiserliche Archive, zu welchem deni Vf. der Zutritt mit unbedingter Liberalität verstattet wurde. In Venedig hatten einst die grofsen Häuser fast sämmtlich die Gewohnheit, neben einer Bibliothek, auch ein Kabinet von Handschriften anzulegen. Die meisten dieser Privatsammlungen sind zwar in dem Ruin des Jahres 1797 und seitdem zu Grunde gegangen; einige aber bestehen noch, und von den untergegangenen haben die Bibliothekare von S. Marco so viel zu retten gesucht, als nur immer die Kräfte ihres Instituts erlaubten, daber diese Bibliothek einen, zwar ohne Vollständigkeit oder durchgreifenden Plan gesammelten, aber doch ansehnlichen Schatz von Handschriften besitzt, welche zum Theil selbst für die europäischen Verhältnisse von Bedeutung sind. Mit den Reichthümern des Staatsarchives sind diese Sammlungen freilich nicht zu vergleichen, doch konnten manche Lücken desselben daraus ergänzt werden. An den verschiedenen Stellen brachte der Vf. in Venedig 48 Relationen über Rom zusammen, die älteste vom Jahre 1500; 19 für das sechzehnte, 21 für das siebzehnte Jahrhundert, eine beinahe vollständige Reihe, mit einer grofsen Menge wissenswürdiger, aus unmittelbarer

Anschauung hervorgegangener, mit dem Leben der Zeitgenossen verschwundener Notizen. Der reichste Quellenvorrath war natürlich in Rom zu suchen. War es aber, sagt der Vf., zu erwarten, dafs man hier einem Fremden, einem Andersglaubigen, in den öffentlichen Sammlungen freie Hand lassen würde, um die Geheimnisse des Papstthums zu entdecken? Es wäre vielleicht so ungeschickt nicht, wie es aussieht, denn keine Forschung kann etwas Schlimmeres an den Tag bringen, als die unbegründete Vermuthung annimmt, und als die Welt nun einmal für wahr hält." Indessen wurde dem Vf. hier die Freiheit, die er sich gewünscht hatte, nicht gewährt; dagegen öffneten sich ihm andere Sammlungen von grofsem Werthe. Die vornehmen Familienhäupter, welche an der Spitze der öffentlichen Geschäfte standen, behielten immer einen grofsen Theil der Staatsschriften, die sich während ihrer Verwaltung angesammelt hatten, in ihren Händen, und hinterliefsen sie ihren Familien als immerwährenden Besitz, den man dann auch in der Folge zu erweitern und zu ergänzen suchte. Der Vf. hatte das Glück, viele dieser Sammlungen unter denen die Barberini'sche die reichste von allen, die Corsini'sche gleich von Anfange mit der meisten Umsicht und Auswahl angelegt ist, zuweilen mit unbeschränkter Freiheit, zu benutzen, und gewann daraus eine unverhoffte Ausbeute der schätzbarsten Materialien aller Art; und bei weitem zum gröfsten Theile noch ganz unbekannt, besonders schätzbar für den ganzen Verlauf des siebzehnten Jahrhunderts, aus welchem man von Rom bisher so wenig Zuverlässiges wufste.

Unterstützt durch ein so reiches und ergiebiges Material, konnte der Vf. die zu seiner Aufgabe gewählte neuere Geschichte des Papstthums nicht nur in bedeutender Vollständigkeit darstellen, sondern die ungemeine Masse des Stoffes nöthigte ihn sogar bei der Verarbeitung desselben zu einer gewissen Beschränkung. Es war ihm nicht darum zu thun, durch eine leidenschaftliche, aus Vorliebe oder Widerwillen hervorgehende Darstellung einen gewissen augenblicklichen Eindruck hervorzubringen; auch nicht in ein ausführliches, kirchliches oder lokales Detail einzugehen; er hielt sich vornehmlich an das, wodurch abgesehen von aller religiösen und politischen Zu- oder Abneigung die Geschichte des Papstthums immer ihre Wichtigkeit behält, nämlich seine weltgeschichtliche Entwickelung und Wirksamkeit; und hier ergiebt sich, bei einem tieferen Eindringen in die Geschichte des Papstthums, die Ueberzeugung, dafs die päpstliche Herrschaft keineswegs so unwandelbar war, wie man gewöhnlich annimmt, und wie ihre entschiedenen Verehrer sie gern darstellen; dafs sie vielmehr, abgesehen von den Grundsätzen, welche ihr Daseyn bedingen, und welche sie nicht aufgeben kann, ohne sich dem Untergange zu widmen, von dem Gange der Weltbegebenheiten nicht weniger, als jede andere Macht, bis in ihr innerstes Wesen berührt worden ist, und da

durch in ihren Principien und Bestrebungen, vor allem aber in ihrem Einflusse, grofse Veränderangen und Umwandlungen erfahren hat, in denen sich ein Theil der gesammten Weltentwickelung reflektirt, und welche daher für den unparteiischen Beobachter das vornehmste Interesse hat, nicht allein in Zeiten einer unbezweifelten Herrschaft, sondern noch mehr in solchen, wo das Papstthum, von aufsen gefährdet und erschüttert sich aufs neue befestigte und ausbreitete, endlich aber doch einem abermaligen Verfalle entgegen ging. Von diesem Gesichtspunkte aus wollte der Vf. die Geschichte der Päpste auffassen, und es ist nicht zu verkennen, dafs er dies mit eben so viel Umsicht als Unparteilichkeit ausgeführt hat, ohne die einseitige Vorliebe für das Papstthum, die wir bei so vielen neuern Geschichtschreibern als einen krankhaften Charakterzug der gegenwärtigen Literaturperiode wahrnehmen, und die man bei einem Schriftsteller, der sich aus freier Wahl mit der Geschichte des Papstthums beschäftigt, jam ersten zu fürchten geneigt seyn möchten; aber auch ohne demselben sein gegründetes historisches Recht zu versagen. Durchgängig aber leuchtet, auch ohne ausdrückliche Absicht des Vfs., der von ihm dargestellten Geschichte, und nur um so deutlicher, je tiefere Blicke die neugeöffneten Quellen gestatten, der Grundcharakter des Papstthums hervor, der zugleich der Grund aller seiner Fortschritte, so wie seines Verfalles ist, nämlich die Vermischung der kirchlichen und der weltlichpolitischen Richtung. Bei weitem der gröfste Theil der Thätigkeit, in welcher wir die Päpste und ihren Hof erblicken, ist rein weltlichen, politischen Gegenständen gewidmet, und wo wir sie auch auf die Angelegenheiten der Kirche gerichtet finden, da stehen diese entweder mit der Politik in der engsten Verbindung, oder jene Beschäftigung wird bald wieder durch weltliche Händel unterbrochen. Es ist nicht schwer einzusehen, wie diese weltliche Richtung des Oberhauptes der Kirche zwar dessen Macht und Anschen bis auf einen gewissen Grad erhöhen und befestigen, aber zugleich auch den natürlichsten Anlafs geben musste, die Kirche selbst als ein rein politisches Institut zu betrachten, und wie diese verkehrte Ansicht nur dazu dienen konnte, sie selbst in ihrem Innern zu untergraben.

anus

Der Vf. hat den Inhalt seines Werkes in acht

Bücher vertheilt, deren vier im ersten, drei im zweiten, und das letzte, nebst einem Anhange, im dritten Bande enthalten sind.

Erstes Buch. Einleitung. (S. 1-128.) In dem ersten Kapitel dieses einleitenden Buches, Epochen des Papstthums überschrieben, holt der Vf. etwas weiter aus, als es vielleicht zu seinem eigentlichen Zwecke durchaus nöthig war, denn er beginnt mit dem Eintritte des Christenthums in die Welt, und dem Verhältnisse desselben in dem Römischen Imperatoren - Reiche, aus welchem, wie die christliche Hierarchie überhaupt, so insbesondere das überwie gende Ansehn des römischen Bischofs hervorging.

Von da geht er durch die Gefahren, welche nach dem Umsturze des weströmischen Reiches dem Christenthume überhaupt und der römischen Kirche insbesondere von verschiedenen Seiten drohten, zu dem innigen Anschlusse des Papstthums an das Fränkische Reich über, der für die Entwickelung des ersteren von der wichtigsten und entschiedensten Bedeutung war, kommt dann auf das Verhältnifs zu dem deutschen Kaiserreiche, und weiset sehr gut nach, wie und aus welchen Ursachen in diesem unter manchen Umgestaltungen der Sachen und der Ansichten die eigentliche selbstständige Ausbildung der Hierarchie erfolgte. So kurz sich der Vf. in dieser So kurz sich der Vf. in dieser Schilderung falst, so erscheint er doch auch in dieser Kürze reich an richtigen Blicken und treffenden Bemerkungen, die wir aber, um nicht schon bei der Einleitung zu ausführlich zu werden, nicht einzeln hervorheben können. Näher zur Sache führt hierauf die Angabe der Gegensätze des vierzehnten und funfzehnten Jahrhunderts. (S. 33 u. f.) Der Vf. findet diese vorbereitet, zuerst durch die allmählich in ihrer Eigenthümlichkeit erwachenden National- Interessen, die fast überall mit der kirchlichen Macht in Opposition traten; doch ist es hier etwas zu stark und allgemein ausgedrückt, wenn der Vf. (S. 35.) sagt:,, eine Nation nach der andern fühlt sich in ihrer Selbstständigkeit und Einheit; von keiner höheren Autorität will die öffentliche Gewalt mehr wissen; in den mittlern Kreisen finden die Päpste keine Verbändeten mehr; ihre Einwirkungen werden von Fürsten und Ständen entschlossen zurückgewiesen;" denn wäre dies wirklich in solchem Grade und Umfange der Fall gewesen, so würde nicht zu begreifen seyn, wie das Papstthum überhaupt sich noch bestehend und wirksam erhalten konnte, und der Vf. führt ja weiterhin selbst noch manche Umstände und Thatsachen an, welche jenen allgemeinen Ausspruch sehr einschränken und zum Theil aufheben; ferner in dem grofsen Schisma und dessen Folgen, die, auch nachdem die Einheit und Autorität des Papst thums wieder hergestellt war, doch bedeutende Veranderungen in den herrschenden Gesinnungen zum Nachtheil des päpstlichen Einflusses hinterliefsen, und mittelbar in den weltlichen Mächten ein oft glückliches Streben erweckten, einen nicht geringen Antheil der kirchlichen Rechte und Befugnisse, z. B. die Ernennung zu kirchlichen Würden u. dgl., um welche vormals die Päpste so sehr geeifert hatten, an sich zu bringen. Das zweite Kapitel, die Kirche und der Kirchenstaat im Anfange des 16. Jahrhunderts, knüpft sich unmittelbar an den Schlufs des vorigen an; denn da die Päpste die Schmälerung oder Theilung so mancher ihrer geistlichen Gerechtsame nicht verhindern konnten, so dachten sie dagegen um so mehr auf die Vermehrung ihrer weltlichen Macht, und so tritt uns zuerst die Erweiterung des Kirchenstaates, hauptsächlich unter Julius II., entgegen, von welcher die Verweltlichung der Kirche zwar unzertrennlich, doch keineswegs in dem vorliegenden Zeitraume, wenn sie auch in ihm besonders sichtbar

werden musste, begründet war; denn schon in früheren Jahrhunderten, und von der Zeit an, wo kirchliche Aemter und Würden zu weltlicher Macht und weltlichem Einflusse führten, mochte dieser auch selbst in einzelnen Fällen heilsam wirken, mufste es dahin kommen, dafs man die Kirche als einen Gegenstand weltlichen Strebens betrachtete und in den Dienst weltlicher Angelegenheiten herabzog, wie uns auch die Geschichte unwidersprechlich berichtet. Eben aus dieser Verweltlichung der Kirche entwickelte sich nun zwar eine geistige Richtung in der Literatur und den Künsten, die allerdings dem Geiste einen höhern und freieren Schwung gab, aber der Kirche aufzuhelfen um so weniger im Stande war, als sie selbst einen durchaus unkirchlichen und unchristlichen Charakter annahm, und in Italien, am Sitze des Papstthums, in den äufseren Formen des römischen Kirchenthums eine durchaus heidnische Gesinnung emporbrachte. „Man darf nicht glauben, (heifst es S. 72) diese Gesinnung sey nur Wenigen eigen gewesen oder verheimlicht worden. Erasmus ist erstaunt, welche Gotteslästerungen er anzuhören bekam; man suchte ihm, einem Fremden, aus Plinius zu beweisen, zwischen den Seelen der Menschen und der Thiere gebe es keinen Unterschied." —,,In Rom gehörte es zum guten Tone der Gesellschaft, den Grundsätzen des Christenthums zu widersprechen. Man galt, sagt Bandino, nicht mehr für einen gebildeten Mann, wenn man nicht irrige Meinungen Yom Christenthum hegte. Am Hofe sprach man von den Satzungen der katholischen Kirche, von den Stellen der heiligen Schrift nur noch scherzbaft; die Geheimnisse des Glaubens wurden verachtet." Ganz entgegengesetzter Art war die Opposition in Deutschland, wo ähnliche Studien, wie die, von welchen man in Italien ausging, eine geistliche Richtung nahmen, die indessen, wenn auch von einer andern Seite und auf einem andern Wege, doch ebenfalls der herrschenden Kirche entgegen trat. Und so (S.76) führte die Entwickelung des Jahrhunderts jenseit und diesseit der Alpen zu einer Opposition wider die Kirche. Jenseit hing sie mit Wissenschaft und Literatur zusammen; diesseit entsprang sie aus geistlichen Studien und tieferer Theologie. war sie negativ und ungläubig; hier war sie positiv und gläubig. Dort hob sie den Grund der Kirche vollends auf; hier stellte sie denselben wieder her. Dort war sie spöttisch, satirisch, und unterwarf sich der Gewalt; hier war sie voll Ernst und Ingrimm, und erhob sich zu dem kühnsten Angriff, der je auf die römische Kirche geschehen. Dafs dieser Angriff sich gerade an den Mifsbrauch des Ablafshandels anknüpfte, gilt dem Vf. nicht für zufälligsondern sowohl von Seiten des Angegriffenen als des Angreifenden für die tiefste innere Nothwendigkeit. Hier sind wir nun zwar bei der grofsen das Papsttham so heftig erschütternden Bewegung selbst angekommen; da aber die politische Richtung des päpstlichen Hofes auch auf sein Verbalten zu dieser nicht ohne Einfluss blieb, so bilden den Inhalts des dritten Ka

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pitels: Politische Verwickelungen; Zusammenhang der Reformation mit denselben. In diesem Kapitel macht der Vf. besonders auf einige geschichtlich bedeuten de, und doch sonst meistens übersehene Umstände aufmerksam: namentlich, dafs die Angriffe fremder Mächte auf Italien, welche dieses Land lange Zeit hindurch zum allgemeinen Kriegsschauplatze machten, zum Theil von den Päpsten selbst herbeigeführt wurden, indem diese in den innern Febden Italiens die Auswärtigen herbeiricfen, um mit ihrer Hilfe sich über die andern Staaten Italiens zu erheben, wofür sie dann freilich auch die nachtheiligen Folgen dieses fremden Einflusses in Italien zu tragen hatten; ferner, wie die mit dem päpstlichen Stuhle in politischen Streitigkeiten befangenen Fürsten gern kirchliche Oppositionen zu ihrem Vortheil zu benutzen suchten (so Karl VIII, die des Savonarola in Florenz), wie auch Maximilian 1. schon bei Luthers erstem Auftreten an eine künftige mögliche Benutzung des selben in diesem Sinne dachte, und wie Leo X. eben hierdurch bestimmt wurde, sich mit Karl V. zu verbinden, um diesen von der in Deutschland erwachten Bewegung zu trennen, und letztere vielmehr mit seiner Hilfe zu unterdrücken; wobei der Vf. besonders den Umstand hervorhebt, dafs das Bündnifs, welches Leo X. im Jahre 1521 mit Karl V. zur Eroberung Mailands schlofs, von demselben Datum ist, wie die Achtserklärung Luthers. Bei weitem die wichtigste Partie dieses Kapitels ist aber die Regierung Papst Clemens VII. Wie dieser Papst, nachdem er früber durch die von ihm empfohlenen Mafsregeln dazu mit gewirkt hatte, die österreichisch - spanische Macht in Italien zu begründen, nun, als er sich von dem Kaiser nicht genug berücksichtigt glaubte, seine Politik än derte, und die Macht Spaniens durch Aufregung der innern Kräfte Italiens wieder zu stürzen suchte, aber eben durch die unglückliche Wendung, welche der von ihm begonnene Krieg nahm, die Uebermacht Spaniens nur noch mehr befestigte und die eigen thümliche Gröfse Italiens für eine lange Zeit vernichtete; wie durch die Entzweiung des Papstes und des Kaisers den deutschen Angelegenheiten gegenüber die seltsamsten Verwickelungen entstanden, indem der Kaiser, bei dem die bisherige Rücksicht auf den Papst wegfiel, seitdem er sich mit diesem in offenem Kriege befand, zuerst sich nachsichtiger gegen die deutschen Protestanten zeigte, und dadurch die Fortbildung der Reformation in Deutschland begünstigte, und auch nach dem Friedensschlusse mit dem Papste doch keineswegs auf die gewaltsamen und blutigen Mafsregeln, welche der Papst ihm anrathen liefs, einging, sondern vielmehr die dem päpstlichen Hofe jederzeit und Besonders unter den damaligen Umständen sehr

widerwärtige Idee eines Conciliums ergriff; der Papst hingegen, um sich aus der Verlegenheit, in welche die Forderung eines Conciliums ihn versetzte, zu retten, nicht nur sich an Frankreich anschlofs, sondern auch, um die Uebermacht des Kaisers in Schranken zu halten, die Verbindung des Königs von Frankreich mit den deutschen Protestanten guthiefs und insgeheim unterstützte, so dafs er mit derselben Partie, die seinem kirchlichen Interesse geradeswegs entgegen stand, und auf dem kirchlichen Gebiete von ihm mit tödlichem Hasse bekämpft wurde, doch gleichzeitig durch politische Interessen vereinigt war, durch Förderung eben dieser politischen Interessen, (z. B. die Wiederherstellung des Herzogs von Würtemberg) aber zugleich die kirchliche Ausbreitung der Refor mation begünstigte; wie diese politischen Verwickelungen überhaupt die falsche, unhaltbare Stellung, in welcher sich das Papstthum, in Folge der Verflechtung geistlicher und weltlicher Interessen, befand, immer anschaulicher hervortreten liefsen, und ihm einen Verlust nach dem andern zuzogen; dies alles wird, zwar kurz, aber wahr und einleuchtend, zum Theil auf den Grund ganz neu ans Licht gezogener Quellenschriften, geschildert.

Zweites Buch. Anfänge einer Regeneration des Katholicismus. (S. 129-232.) Dieses Buch beginnt mit den Analogien des Protestantismus in Italien, d. h. den auf literarischem Wege entstandenen Anregungen, durch welche in Italien ähnliche wie die der Reformation in Deutschland zum Grande liegenden Ideen zur Sprache kamen. Eben als es unter Leo X. der Ton der Gesellschaft geworden war, das Christenthum zu bezweifeln, zu leugnen, erhob sich in geistreicheren Männern, in solchen, welche die Bildung ihrer Zeit besafsen, ohne sich an dieselbe verloren zu haben, eine Rückwirkung dagegen." Noch zu Leo's X. Zeiten stifteten einige ausgezeichnete Männer in Rom zu gemeinschaftlicher Erbauung ein Oratorium der göttlichen Liebe. Nach der Eroberung Roms fand sich ein Theil dieser Gesellschaft in Venedig wieder zusammen. Ihre Richtung, ohne durch den Protestantismus veranlasst zu seyn, war diesem gleichartig; besonders tritt als ihre Grundlage dieselbe Lebre von der Rechtfertigung, wie sie Luther verkündigte hervor. Diese Lehre verbreitete sich, ganz wie eine literarische Meinung, über einen grofsen Theil von Italien, und es konnte nicht unterbleiben, dafs sie zur Mitsbilligung mancher anderen Lehren, Gebräuche und Gewohnheiten der herrschenden Kirche führte, obgleich ihre Urhe ber an eine faktische Trennung von dieser Kirche, oder auch nur an eine Herabsetzung der Autorität des Papstes nicht dachten.

(Die Fortsetzung folgt.)

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Unter

(Fortsetzung von Nr. 1.)

nter Paul III. kamen einige dieser Männer, vorab der Venezianer Contarini, sogar in das Cardinalscollegium, und veranlafsten hier die Versuche innerer Reformen und einer Aussöhnung mit den Protestanten. So wenig die letzteren, gegen alles was von Rom ausging verstimmt, den auf Befehl jenes Papstes ausgearbeiteten Reformations - Entwurf einer besondern Achtung würdigten, so lag doch eine aufserordentliche Bedeutung darin, dafs man in Rom selbst das Verderben der Kirche anerkannte. Da besonders Contarini sehr freimüthig gegen die Mifsbräuche der Kirche sprach, und sie von demselben Standpunkte aus, wie Luther, nämlich auf den Grund der evangelischen Rechtfertigungslehre, bestritt, während auf der andern Seite auch die Protestanten nur ungern und zögernd sich von der Einheit der Kirche losrissen, so war man einer Aussöhnung näber als jemals, und wenn irgend, war sie nur auf diesem Wege möglich. Am gröfsten war die Hoffnung hierzu bei dem Regensburger Gespräch im Jabre 1541, we eben jener Contarini als päpstlicher Legat erschien. Wie wenig aber der Papst selbst gegen seinen Legaten ohne Mifstrauen war, zeigt sich schon aus der beschränkten und unklaren Instruction, die er demselben ertheilte (S. 158). Schon hatte man sich über einige der wichtigsten Lehrpunkte verglichen, als die Einmischung der Politik alles wieder vereitelte. Franz I. in Frankreich konnte es nicht ertragen, den Kaiser mit den protestantischen Ständen Deutschlands in gutem Vernebmen, und hierdurch an der Spitze der geistigen Bewegung von ganz Europa zu sehen, und seine Richtung fand in Rom um so mehr Anklang, aks hier die Furcht überwog, durch Zugeständnisse in der Lehre, auch den politischen Einflufs des Papstthums vermindert zu sehen. Es ist bekannt, dafs man bisher

am meisten, und mit wenigen Ausnahmen selbst von protestantischer Seite geneigt war, das MifslinFreunde heizumessen; unser Vf. aber, der den Zugen des Regensburgischen Gesprächs einem Mangel an Nachgiebigkeit auf Seiten Luthers und seiner stand der Dinge genauer als irgend einer vor ihm durchforscht hat, sagt (S. 167):,,Man übertreibt die Gerechtigkeit, wenn man die Schuld hiervon den Protestanten allein oder auch nur hauptsächlich zuschreibt." Vielmehr war es der Papst, der seinem eignen Legaten entgegen arbeitete; und durchaus von gar keiner Nachgiebigkeit wissen wollte. Eine unausbleibliche Folge von diesem Mifslingen des äufseren Strebens jener gemässigt - reformatorischen Tendenz innerhalb der römischen Kirche, war es, dafs auch sie selbst allmählig sich wieder verlor und einer entgegengesetzten Richtung weichen musste. Wirksamer wurde das, ebenfalls aus dem Gefühl des Verderbens der geistlichen Institute hervorgehende, aber auf einen ganz andern Weg hinführende Aufkommen neuer Orden. Hier liefen gerade die Richtungen Deutschlands und Italiens am merklichsten auseinander. Beiderseits war man mit dem Bestehenden unzufrieden; aber während man dort das Mönchthum ganz auflöste, suchte man es hier zu verjüngen, und die Reformen dieser Art traten zu dem Protestantismus in den schärfsten Gegensatz. Weniger wirkten die Congregationen regulirter Kleriker (unter denen besonders die Theatiner gleichsam eine Verjüngung des Instituts der Brüder de communi vita, unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen), als Ignatius Logola, dessen Leben und Stiftung ausführlich besprochen werden. Ehe der Vf. die Folgen dieser Stiftung, die ihrem Stifter selbst unerwartet seyn mufsten, (,, aus den phantastischen Bestrebungen Ignatio's hatte sich eine vorzugsweise praktische Richtung entwickelt; aus seinen ascetischen Bekchrungen ein Institut, mit weltkluger Zweckmälsigkeit berechnet," S. 194) weiter entwickelt, erwähnt er die ersten Sitzungen des tridentinischen Conciliums, wozu der Papst, nach langer Zögerung, endlich den für ihn günstigen Moment gefunden hatte, und zeigt, durch welche Mittel es auf diesem Concilium dahin gebracht wurde, nicht nur die Lehren der Reformatoren, sondern auch die gemäfsigteren Ansichten einiger Mitglieder des Conciliums, unbedingt zu verwerfen, jede Vermittelung unmöglich zu machen, und alle bisher angefochtenen Lebren und Gebräuche

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