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ALLGEMEINE

THEOLOGIE.

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TÜBINGEN, b. Osiander: Streitschriften zur Ver-
theidigung meiner Schrift über das Leben Jesu
und zur Charakteristik der gegenwärtigen Theo-mythischen
logie, von Dr. David Friedrich Strauss u. s. w.

Als

(Beschlufs von Nr. 96.)

Is eine neue polemische Abtheilung werden die theol. Studien und Kritiken aufgeführt, und jene wird eröffnet mit einem Sendschreiben an Hn. Dr. Ullmann. Der Vf. rühmt den gemäfsigten und echt liberalen Ton der Beurtheilung seines L. J. in dem bezeichneten Journale. Ueber den doppelten Standpunkt, den die Theologie zu nehmen habe, den rein wissenschaftlichen und den religiös kirchlichen, wird zuvörderst verhandelt. U. behauptet, beide dürfen nicht in Conflikt gerathen, Wissenschaft und Kirche seyen gegenseitig vermittelnd, sich durchdringend, jede habe ihr unbestrittenes Recht auf Bestand und Achtung. Dagegen behauptet Hr. Str., dafs, wenn die wissenschaftliche Theologie sich vor der Kirche zu geniren babe, dieselbe bisweilen sich selbst aufgeben müsse. Sodann folgt die Anforderung an Str., dafs das Buch als ein nur den Gelehrten interessantes, den Laien aber leicht gefährliches, lateinisch habe geschrieben werden sollen. Hiergegen sucht sich Hr. Str. zu rechtfertigen, indem er auf die Unmittelbarkeit des Glaubens hinweiset, die auch den Laien zu Gebote stehe: es dieneten die zum Theil populären Gegenschriften dazu, solchen Schaden zu verhiten. Auch würde, angenommen, dafs das Buch in der Sprache der Gelehrten geschrieben, doch das Resultat desselben gar bald durch deutsche praktisch religiöse Zeitschriften unter das Volk gekommen seyn. (In letzterem Falle würde doch aber nicht der Vf., sondern andere, die Schuld der Verbreitung tragen.) Der Titel,, Leben Jesu" statt,, Kritik des L. J." enthalte keine Unwahrheit, noch weniger sey eine buchhändlerische Spekulation darunter verborgen, um recht viele Leser anzuziehen. Denn alle Data des L. J. seyn in dem Straufsischen Buche enthalten. Der Inhalt sey negativ kritisch, im vorzüglichen, beinahe ausschliefsenden Sinne; allein der Vf. behauptet, dafs sich bei der dermaligen Sachlage vorerst nicht viel Positives habe geben lassen. Die Darstellung, heifst es ferner, sey, gleichmüthig", weder tragisch im Schmerze über das Verlorengegangene, noch auch frivol oder spöttisch; dagegen wird bemerkt, dies sey aber eben der rechte Ton der wissenschaftlichen Darstellung, die als solche weder

A. L. Z. 1838. Zweiter Band.

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traurig noch heiter, sondern nur rubig seyn dürfe. und Auslegung. Der Aeufserung: die Elemente der Bitterer Hohn gelte nur menschlicher Auffassung mythischen Auslegung seyn in der vorhergegangenen Evangelien - Literatur enthalten, nur das Consequente der Durchführung sey Strauss's Verdienst, wird von dem Vf. entgegengesetzt: die schärfere des Mythischen in der heidnischen und in der evanBestimmung des Mythus, so wie die Unterscheidung gel. Geschichte ist in der zweiten Auflage nachgeholt. Das Verhältnifs der Idee zur Geschichte ist in der Hegelschen Partie der gegenwärtigen Streitschriften erörtert. Echtheit der Evangelien sind ebenfalls in der erneuerDie äusseren Zeugnisse für die ten Auflage berührt, erscheinen aber ohne die Unterstützung der inneren Gründe als nicht genügend. Die Feststellung der Grenzen zwischen dem Kanonischen und Apokryphischen ist allerdings nur in einigen Winken angedeutet. Der Gegner sagte ferner: darin gefehlt, dafs das Mythische auf zu Vieles übergetragen werde, der reine oder philosophische Mythus sey sche Geschichte mit einem plus des Historischen von vom historischen Mythus zu unterscheiden, die mythider eigentlichen Geschichte mit blos einzelnen sagenhaften Beimischungen. Die evangelische Geschichte kenne nur das Symbol, nicht den Mythus; möge liche Mythus lediglich ein ethisches, der aufserman aber letzteres zugeben, so habe doch der christchristliche ein physikalisches Interesse. Einiges Sagenhafte, Unbestimmte, Unklare sey in der evangel. Geschichte zuzugeben. Hierauf wird erwiedert: Einiges zugegeben, etwa am Anfange oder am Ende des L. J., sey die Möglichkeit, nicht die Nothwendigkeit des Mythischen auch an anderen Theilen dieser Geschichte zugegeben. Die Prüfung müsse es jedesmal im Einzelnen ausmachen. Das plus oder minus stelle sich dann heraus. Darüber, dafs Paulus ein klares Zeugnifs für die Wahrheit der evangel. Geschichte, besonders der Auferstehung, ablege, ist schon oben gehandelt worden: gleiches gilt von der Existenz der Kirche, als dem lebendigen Beweise der Wahrheit. Christus war kirchenbildend, die Kirche war christusbildend; beides ist gegenseitig. Christi Geist mufs erst die geschichtliche Masse der Evangelienüberlieferung beseelen, ohne diesen Geist ist sie wenig nütze. — Persönlichkeit, der That, der Geschichte werde im geiEndlich beifst es: Die Bedeutung der stigen Leben verkannt, das Allgemeine, die Idee, die weitschichtige Menschheit führe zu nichts. Dagegen: der Hegelsche Pantheismus behauptet die Individualität, die wesentliche Wirklichkeit des Geistes, gegen

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noch,, frivole Aeufserungen und unwürdige Scherze" in dem Straufsischen Werke, wovon dasselbe bisher andere Gegner freigesprochrn haben.

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Das Sinnreiche, Bedeutungsvolle im Leben eines bedeutenden Mannes, sagt der Gegner, darf nicht ohne gewichtige Gründe vermindert und heruntergezogen werden; eben so wenig das Concrete und Anschauliche; dafs darin von Hn. Str. oft zu weit gegangen, darin geben wir Hn. U. gegen ersteren vollkommen recht. Doch erkennt Str. in Christo die gröfste religiöse Persönlichkeit, mit vielen anderen, nothwendig dazu gehörigen Elementen, namentlich mit dem Elemente der Thatkraft, zu welchem von Weitem die Analogie des thierischen Magnetismus gegeben ist. Doch ist die Schranke zwischen dem Glaublichen und Unglaublichen festzuhalten; etwas Undenkbares kann nicht zugegeben werden; wie grofs auch die Macht des religiösen Geistes über den Organismus sey. Zu dem Undenkbaren zählt Str. die Wasserverwandlung und Brotvermehrung. Die mythische Erklärung sey aber in diesem Falle besser, als das non liquet, oder das dahin gestellt Seynlassen, da man es doch zu keiner geschichtlichen Erklärung bringen könne.

Es folgen nun einige schwankende Aeufserungen, dafs die evangel. Geschichte eine religiöse sey, die man anders zu behandeln habe, als die profane; dafs man die Kritik nicht zu weit treiben dürfe, dafs das Gotteswürdige und Welthistorische des Christenthums sein Aufserordentliches gleichsam entschuldige, dafs (und dieses hauptsächlich) die evangel. Geschichte einen moralischen Glauben verlange u. s. w., worüber von Str. beachtenswerthe Gegenbemerkungen gemacht werden, besonders über den Unterschied des Allgemeinen und Besonderen. Auch hebt er den alten Spruch hervor: ich glaube an die christl. Lehre ungeachtet der Wunder, und dafs der Gottesmensch ohne die wunderhaften Anhänge fast noch reiner erscheine. Im Ganzen lässt sich indefs nicht verkennen, dafs Hr. U. öfter zum Ziele getroffen, öfter auch sich unbestimmt und unsicher ausgedrückt hat.

Das Heft schliefst sich mit einigen Bemerkungen über die Recension des L. J. von Hn. Dr. J. Müller. Letzterer geht viel weiter, als Hr. U., in den Behauptungen, dafs das ursprüngliche religiöse Gefühl volle Beachtung verdiene, dafs die Anforderungen des Gemüths unabweisbar seyen, und dafs ein logisch dialektischer Procefs sie nicht ungültig machen könne. Die bereits von Steudel gemachten Einwürfe werden grofsentheils wiederholt, aber noch mehr in der Schwebe gehalten, so dafs die Widerlegung dem zertrennenden Verstande hier leichter wurde. Hr. M, findet, wohl zu sehr ketzerrichtend,

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Rec. eilt zum Schlusse, dem er noch einige Bemerkungen beifügt: Das Straussische Werk ist unstreitig ein Extrem, aus einer Zeitrichtung mit Nothwendigkeit hervorgegangen, aber darum weder wissenschaftlich durchaus haltbar, noch in kirchlicher Hinsicht von Segen, Gelehrsamkeit, bedeutendes Talent, grofser Scharfsinn und glänzende Darstellungsgabe sind dem Vf. nicht abzusprechen. Die grofsen Gaben des Vfs., sein Witz, seine durchdringende Verstandesschärfe, seine detaillirte Veranschaulichung der evangelischen Facta hätten, wenn sie eine mehr vermittelnde Richtung genommen hätten, nicht allein dem Standpunkte des Glaubens, sondern auch der Wissenschaft erspriefslichere Dienste geleistet. Seine Verhandlungen mit den Gegnern in dem Buche sowohl als den Streitschriften sind stets von Interesse, belebend, unterhaltend; eine jugendliche Energie und Frische belebt alles, was er schreibt. Aber man mufs wünschen, dafs der Vf. künftig weniger antithetisch, als thetisch und auferbauend sich aussprechen möge. Was das Verhältnifs positiver philosophischer Systeme zu dem (jetzt so vielfach verlästerten) gesunden Menschenverstande betrifft, so erinnern wir den Vf. an eine Autorität, die derselbe gewils achten wird: nämlich Göthe's in dessen Gesprächen mit Eckermann, 11, S. 55. 56, wo er sagt:,, Ich habe im Schubart zu lesen fortgefahren; er ist freilich ein bedeutender Mensch, und er sagt sogar manches sehr Vorzügliche, wenn man es sich in seine eigene Sprache übersetzt. Die Hanptrichtung seines Buches geht darauf, dafs es einen Standpunkt aufserhalb der Philosophie gebe, nämlich den des gesunden Menschenverstandes; und dafs Kunst und Wissenschaft, unabhängig von der Philosophie, mittelst freier Wirkung natürlicher menschlicher Kräfte, immer am besten gediehen sey. Dies ist durchaus Wasser auf unsere Mühle. Von der Philosophie habe ich mich selbst immer frei erhalten, der Standpunkt des gesunden Menschenverstandes war auch der meinige, und Schubart bestätiget also, was ich mein ganzes Leben gesagt und gethan habe. Das Einzige, was ich an ihm nicht durchaus loben kann, ist, dafs er gewisse Dinge besser weiss, als er sie sagt, und dafs er also nicht immer ganz ehrlich zu Werke gebt. So wie Hegel zieht auch er die christliche Religion in die Philosophie herein, die doch nichts darin zu thun hat. Die christliche Religion ist ein mächtiges Wesen für sich, woran die gesunkene und leidende Menschheit von Zeit zu Zeit sich immer wieder emporgearbeitet hat; und indem man ihr diese Wirkung zugesteht, ist sie über alle Philosophie erhaben und bedarf von ihr keiner Stütze."

KIEL, in d. Universitäts- Buchh.: Der Kampf aus. dem Glauben, und die religiösen Parteien unsrer Zeit. Von Ludwig Pelt, Dr. u. Prof. der Theo

zia Mogie,b Eine vermitt Ande Betrachtung!" Veranluist durch die zwede Ausgabe von Stranfs Le ben Jesu und von v. Ammonis Fortbildung Ues - Christenthums zur Weltreligion. 1837. T12 S. 85 -197(12gGr.) to ban no

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welche die Véráülüššlupiżu dër £dBandlung erfiutern folgt diese unter sechs Namerd vertheilt, naml. I Die Glavenschbach unsrer Zelt II. Symptome dieser Schlaffheit im Glaubenskampfe der Gegenwart. H Die Parteien in der Kirche und der wahre Glaube. IV. Vermittlungsversuche von Seiten der Philosophie. V Nothwendigheit des Kampfs VI. Christliche Gestalt des Glaubenskampfes

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Friede ist ein köstliches Wort und eine noch köstlichere Sache, und der Sprach des Apostels St viel an Euch ist u. s. w. hat eine ernste Bedeutung. en Können wir nur dem Vf. nicht beistimmen in Auch lehrt der flüchtigste Blick in die christl. Kir chengeschichte, dafs das Glück Einzelner und gan- den hochgesteigerten Vorwiirfen, welche er der gezer Gemeinen durch den unseligen Streit der Par- genwärtigen Zeit macht, genwärtigen Zeit macht, dafs die ganze Grundteien seinen Untergang fand. Gleichwohl kann es richtung derselben die ehemals eine gläubige war, ohne Kampf nicht abgehen, wo es die Heiligthümer als eine mehr ungläubige erscheint, die nur noch der Menschheit gilt. Nur dem Strebenden wird Wahrheit zu Theil, und die Bewegung, die ein Be- hauptet, dafs sie gern glauben möchte, wenn sie nur von dass jetzt könnte " so wollen wir nicht behaupten jeber Hemmungen zu'alberwinden und Hindernisse noch so viel, als ehemals geglaubt werde; allein es zu beseitigen gesucht und ist, weil ohne dergleichen dürfte auch weniger auf die Menge der geglaubten Unvollkommenheiten die Welt the War, auch nie Sätze, dls auf die Grinde ankommen, auf denen der recht zu Ruhe gekommen. Bei den Verhandeln 'Rin' Glaube berubt, und dafs endlich so mancher verderbund her hands auch immer Vérmittler gegeben.bit liche Aberglauil den Fortschritten der Civilisation denen der Vf. vorliegender Schrift selbst sagt, ihr gewichen ist, wer möchte diefs nicht vielmehr für Schicksal sey gewesen,,és keiner Seite recht zu ma- Gewinn achten! Die Bestrebungen der Gegenwart chen." Rec. glaubt dem Vf. um so mehr dasselbe sind allerdings vorzugsweise auf materielle InteresSchicksal seines Unternehmens prophezeiben zu müssen gerichtet; warum sollte sich aber damit nicht gesen weil er nicht unparteiisch dabei zu Werke geht rade ein echt christliches Streben nach klaren Beund einer Philosophie das Wort redet, welche nun griffen über christl. Glauben und Leben und einem und nimmermehr das Heil der christlichen Welt ver- entsprechenden Verhalten verbinden können? Zeigt wirklichen wird, obwohl sie den Schlüssel zu aller doch die Erfahrung hinlänglich, dafs überall, wo weil tüchtige und sittlich achtbare Lehrer mit Lehrweisdie von ihm begünstigte Partei ihres Gegners schon heit für jenen Zweck thätig sind und den religiösen so weit mächtig geworden zu seyn wähnt, dafs es, Glauben in richtigem Verhältnifs zu der unaufhaltda dieser schwach und abgelebt sein sieches Leben sam fortschreitenden Zeitbildung angemessen zu gebald von selbst aufgeben werde, keines Vermittlens stalten streben, echt christlicher Glaube mit seinen Früchten herrlich erblihet. mehr bedürfe.

weis ist von lebenskräftiger Entwickelung, hare darin den Zusammenhang mit der Wahrheit be

Weisheit zu besitzen vermeint; zugleich aber a

Die beiden auf dem Titel genannten Werke, die durch zwei rasch auf einander folgende Auflagen bewiesen, wie sehr sie die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen in Anspruch genommen, bewogen Hn. P. zu seiner vermittlenden Betrachtung. Ammons Werk ist meistentheils in den theologischen Cirkeln geblieben; das Straussische hingegen, mit seinem von Schleiermacher adoptirten Titel,, Leben Jesu schien eine Schrift zu seyn, nach welcher auch der Laie zu greiAber nur fen sich für berechtigt halten durfte. Theologen von Profession waren im Stande dasselbe mit Waffen gründlicher Wissenschaft zu bestreiten. In der Art, wie das Buch aufgenommen und theilweise in der Art, wie gegen dasselbe gekämpft worden ist, findet nun der Vf. zunächst den Vorwurf der Glaubensschwäche unsrer Zeit begründet. ,,Aengst lich verpallisadirt und verklausulirt das ungläubige Geschlecht alle äussern und innern Zugänge auch zum redlichen Zweifel an der Wahrheit, als fehlte es derselben an aller Kraft, sich selbst Geltung zu verschaffen: es behandelt die Wahrheit wie eine schwächliche Pflanze, die man durch eine fibergesetzte Glasglocke und durch alle möglichen Vorsichtsmafsregeln schützen miisse, damit sie nicht erfriere."Nach einigen einleitenden Bemerkungen,

Rec. kann daher keinesweges in das gehaltlose Geschwätz und die lauten Klagen über Versunkenheit der Zeit in Glaubensschwäche und Glaubensmangel einstimmen. Dagegen könnte man eher das S. 24 bei Gelegenheit der Straufsischen Schrift gefällte Urtheil sich gefallen lassen:,, Es erscheint in der That auch für die Kir-. che als ein Gewinn, den sie aus dieser neuen Erscheinung ziehen wird, dafs viele Zweifel, die bisher im Dunkeln schleichend, einzelne, Gemüther verwirrten und unwiderlegt blieben, nun bestimmt gefafst und concentrirt vorliegen; so dafs sie widerlegt, oder wofern etwas Wahres sich in ihnen findet, genützt werden können." Allein, dafs er den Kampf vom historischen Gebiete, wo es sich um historische Thatsachen handelt, auf das philosophische versetzen will, können wir eben so wenig billigen, als seine Annahme, dafs die Polemik, die den historischen Standpunkt nicht aufgeben will,, nur als ein Symptom von Glaubensschwäche betrachtet werden. könne.

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Bei der oft einseitigen Schilderung der verschiedenen theologischen Ansichten der Kirche hätte der christliche Rationalismus Wohl eine sorgfältigere und ausführlichere Auseinandersetzung seines We sens und seiner Gestaltungen verdient. Hr. P. sagt:

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Das Wesentlighe im Rationalismus ist unstreitig, dafs er die Quelle der Religion, durch was für äufse re Vermittlung sie auch hervorgerufen werden möge, in der menschlichen Vernunft findet. Hier wäre es gerecht und angemessen, gewesen, die Eigenthümlichkeit des Rationalismus weiter auszuführen, nach welcher eine Offenbarung Gottes durch eine Reihe göttlicher Veranstaltungen von ihm gläubig anerkannt und der Vernunft, dieser Gottesgabe, das unveräusserliche Recht vindicirt wird, die göttliche, den Menschen menschlich geoffenbarte Wahrheit von dem zu sondern und zu läutern, was der unvollkommenen Zeithülle angehört. Mit der sonderbar ausgedrückten Erklärung,,,nicht eher sey der Rationalismus für überwunden zu halten, als bis er gesiegt, d. h. bis die Wahrheit, die unleughar in ihm liegt, in die Entwickelung der kirchlichen Theologie aufgenommen worden", bezeichnet er gerade das Ziel der rationalen Bestrebungen, von welchen sich Spuren selbst bei den lautesten Gegnern des Rat. nicht verkennen lassen. Um so auffallender ist es, dafs Hr. P. hinterher in das oft vernommene irrationalistische Geschwätz von ,, Verknöchern, Erstarren oder Ableben" des Rationalismus einstimmen konnte, mit welchem ja allem echt wissenschaftlichen Streben überhaupt das Garaus gemacht werden wir de; wie denn die bedeutendsten Erscheinungen im Gebiet der Theologie fortwährend vom Rationalismus ausgehen.

Die Ueberschrift von Nr. III verspricht mehr, als gegeben wird: Die Parteien, heifst es dort, und der wahre Glaube. Für diesen scheint aber die Mittheilung etwas kärglich ausgefallen zu seyn, und wenn gegen Ende des Abschnitts (S. 57) gesagt wird, ,, eine erspriefsliche Polemik werde nicht gelingen, wenn lebendige und gründliche Einsicht nicht mit festem Glauben verbunden sey; ohne diesen im Geiste und in der Wahrheit gegründeten Glauben sey die Geschichte nicht verständlich; der Glaube gebe Kraft der Selbständigkeit und Fähigkeit auch die Wahrheit fremder Auffassungen in ihrem ursprünglichen Sinne aufzunehmen": so weils Rec. nicht, was der Vf. mit diesen Redensarten will, da die Erkenntnifs und Würdigung fremder Auffassungen wohl eine Sache des gewandten Geistes ist, der auch fremde Ansichten leicht durchschaut, aber nimmermehr des Glaubens, der recht wohl eine subjective Festigkeit haben soll, aber mit dem kritischen Eindringen in den ursprünglichen Sinn fremder Wahrheit nichts zu schaffen hat. In Nr. V lernen wir, von welcher Philosophie der Vf. die neue Geistestaufe der christlichen Kirche erwartet. Dies ist keine andere, als die Hegel'sche, welche den schwankenden, nach Wahrheit dürstenden Gemüthern die Gewissheit gegeben, dafs es noch denkende Männer, ja tiefere Geister gebe, die auf der Höhe der Zeit ständen und behaupteten, durch Wissen im sihern Besitze der Wahrheit zu seyn" und damit die Zweifel verscheucht und der Wahrheit neues Ver

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trauen erworben habe. Auch meint er den Beweis für das dieser philosophischen Schule einwohnende Verständigungs- und Ausgleichungsmoment daraus zu führen, dafs verschiedene Theologen, von denen Billroth, Kleinert und Usteri genannt werden, zu dem Systeme derselben übergegangen seyen. Wie manches philosophische System hat aber nicht weit zahlreichere und viel bedeutendere Anhänger gefunden, und ist dessen ungeachtet dem Absterben nicht entgangen. Bei dem Einandergegenüberstehen der verschiedenen Ansichten ist nun ein Kampf eben so nothwendige Folge als Vermittlungsversuche Bedürfnifs sind; und diese letzten werden, so hofft Hr. P., wofern nur der Glaubenskampf in christlicher Gestalt auftritt, das freilich jetzt noch fern liegende Ziel der Vereinigung näher rücken. Christus, sagt er, hat uns das Vorbild zur rechten Führung des Glaubenskampfes gegeben. Er hatte im Gegensatze zu dem Judenthume überhaupt und zu den verschiedenen Parteien in demselben insbesondere die göttliche Wahrheit darzulegen und die Irrthümer, welche sich gröfstentheils an Mifsverstand des A. T. und zugleich an sittliche Verkehrtheiten anschlossen, zu widerlegen oder doch unschädlich zu machen. Dies that er im Allgemeinen mehr durch positive Darstellung der Wahrheit und Berufung auf das Gewissen oder das richtige Gefühl, als durch eigentliche Widerlegung mit Gründen; wo Gründe erscheinen, sind sie meistens nur in einigen treffenden Worten niedergelegt, welche mehr dazu dienen konnten, auf den richtigen Standpunkt hinzuführen, als einen eigentlichen Streit über den Gegenstand einzuleiten; und dies ist der wahre Charakter der religiösen Wirksamkeit." Allerdings! der kirchliche Friede wird, nach unserm Dafürhalten, vornehmlich dadurch vermittelt werden, dafs man sich weniger ein Geschäft daraus mache, das Trennende auszusprechen, als die Vereinigungspunkte, besonders in religiöspraktischer Hinsicht, hervorzuheben. Diefs Hervorheben der praktischen Seite des Christenthums zu Behuf einer Verständigung und Vereinigung der theologischen Parteien ist unendlich mehr werth, als ein Vermitteln durch eine Philosophie, die von den Wenigsten begriffen werden kann und die mit ihrer Schulgelehrsamkeit, womit sie sich vornehm,, in die Mitte unserer Zeit hingestellt", bald genug das Schicksal ihrer Vorgängerinnen theilen, d. h. von einem neuen Meister auf die Seite geschoben werden wird. Dagegen wird das Christenthum mit dem Kerne seines festen prophetischen Wortes bleiben und gelten und wirken und beseligen von Geschlecht zu Geschlecht; vorausgesetzt dafs Christenthum und Religion überhaupt nicht einseitig als Sache des blofsen Verstandes oder der Speculation oder auch des blofsen Gefühls, sondern echt rational als Sache des ganzen innern Menschen im harmonischen Zusammenwirken seines Denkens, Fühlens und Wollens nach den Bedürfnissen der Zeit behandelt und aufgefasst wird.

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Neueste Predigt Literatur.

(Beschlufs vön Nr. 76.)

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enn die drei zuletzt genannten Prediger ihrem theologischen Standpunkte nach auf der Seite einer vernunftmässigen Auffassung des Christenthums stehed, so treten die soil

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scheint, als kenne Hr. R. nur einen Hessischen Rationalismus, von dem freilich Rec. nicht weifs, in wie weit er verkümmert sey oder nicht; davon also und noch von manchem Andern abgesehn, wovon Rec. immer absieht, wenn er Predigten hört oder liest, welche einen ähnlichen Ton anstimmen, wie diese, so haben wir in ihnen in keiner Beziehung

Zeugnisse von Christo de SSEL, b. Krieger ersch. etwas Ausgezeichnetes gefunden und möchten den

Vf., wenn sich ein gedrungen
ser Weise zu reden und dem ζῆλος οὐ κατ ̓ ἐπίγνωσιν
nicht widerstehen kann, u. A. an die oben ange-
führte Major'sche Sammlung verweisen, aus welcher
er wenigstens lernen könnte, wie man alsdann mit
etwas mehr Geist zu Werke gehen mufs; oder er
mag sich hinwenden zu der neuesten kleinen Samm-
lung von

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KIEL, in d. Universit. Buchhandl. e.: Harms: die heilige Passion. In acht während der Fastenzeit 1837 gehaltenen Predigten. 1838. 109 S. 8. (12 gGr.)

ten, gehalten in der Unterneustädter Kirche zu Cassel von E. Rausch, 1837. 150 S. 8. (16gGr.) in ganz entgegengesetzter Weise auf. Denn der Vf. erklärt in der Vorr., die Sprache des Evangeliums (des hyperorthodoxen Pietismus?) sey in seinem Vaterlande unter dem langjährigen Drucke eines verkümmerten (sic) Rationalismus der. grofsen, Mehrzahl so fremd geworden, dafs man dem christlichen Prediger entgegenrufe, was die Athener dem Paulus A. G. 17, 19. 20. Zwar sey der Rationalismus in der Wissenschaft (?) als überwunden anzusehn; um so mächtiger trete er aber dem ebristlichen Prediger unter dem Volke entgegen, weil er dann die Denn obgleich Hr. H. selbst offenherzig erklärt, Theologie eines jeden natürlichen Menschen sey. er fühle wohl, dafs diese Predigten andern früher Davon hätten die religiösen Bewegungen der letzten von ihm gehaltenen nachstehen; obgleich der Leser Jahre Zeugnifs abgelegt und auch er, der Vf., sey auch hier, wie in seinen späteren Sammlungen öfter, davon nicht unberührt geblieben. Man babe über sich wohl abgestofsen fühlen mag durch die, wir seine Predigten die verschiedensten Urtheile gefällt können es nur so nennen, affektirte Alterthümlichund so habe er denn das Bedürfnifs gefühlt, offen keit und Incorrectbeit der Sprache: so beweisen sie darzulegen, was er predige, um dadurch die Prü- doch, dafs ihr Vf. im Wesentlichen noch immer der fung, ob es mit dem lauteren Worte Gottes und den Alte ist und auch den zu erbauen vermag, der sich symbolischen Büchern der protestantischen Kirche auf einem von dem seinigen verschiedenen theologiübereinstimme, von welchen abzuweichen der Vf. schen Standpunkte befindet. Die Passion wird in mindestens für sehr bedenklich halte, zu erleichtern. ihnen dargestellt als ein Pfeiler, auf welchem die Abgesehn dayon, dafs die protestantischen Sym- christliche Kirche steht; als eine offene Thür, die bole, wenn sie so ganz allgemein genannt werden, zum Eintreten lockt; als eine Freistätte vor allen nicht einmal unter sich übereinstimmen und dafs der Anläufen und Anfechtungen; als ein Kämmerlein, Vf., wenn er von diesem Tribunale gerichtet wer in welchem die Seele ihre schönsten Erlebungen bat; den sollte, in Hessen absolvirt werden könnte, wäh- als ein Kissen, das Haupt darauf zu legen und zu rend er in Sachsen condemnirt würde und umge- sterben; als ein Engelgeleit durch's Leben, wie es kehrt; abgesehn von der leeren Tirade, der Ratio- Jedermann braucht und als eine Union. Die erste nalismus sey in der Wissenschaft überwunden, da Predigt enthält eine vorläufige Betrachtung über die ja echte Wissenschaftlichkeit nur auf einer rationa- Hauptbegriffe im Thema der fünf folgenden. Daher len Basis existiren kann, während von andern Sei- scheint der Vf., selbst in diese symbolische Weise ten her noch ganz vor Kurzem das lächerliche Ge- sich mehr und mehr hineinlebend, erst später auf schrei gehört wurde, diese Ausgeburt der Hölle habe in Vatke's biblischer Theologie und in dem Leben Jesu von Strauss erst recht culminirt, so dafs es fast

den Gedanken gekommen zu seyn, in ibr auch eine sechste und siebente binzuzufügen. Die fünfte der ganzen Sammlung wurde von einem Hrn. Batemann

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