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hat er dabei vermifst, und zwar gerade Dasjenige, worauf sich des Vfs. Methode am meisten zu Gute that: Begründung einer festen Ueberzeugung, Nothwendigkeit oder Nachweisung des Warum der Erscheinungen. Vielmehr ist ihm das Ganze wie ein Gedicht vorgekommen, oder wie einer Aneinanderreihung von Einfällen, von Meinungen, für die, gleichsam gelegentlich, mancherlei artige bestätigende Betrachtungen angeführt werden, aber durch welche doch in keiner Art eine sichere Feststellung gewonnen werden kaun. Wir erklären uns hierüber näher.

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Der Vf. betrachtet den Geist als ein sich Entwickelndes; so auch Rec., welcher es für durchaus ungenügend hält, in der Psychologie nur die Produkte der psychischen Entwickelung zu charakterisivielmehr müssen diese bis zu ihren tiefsten Gründen hin verfolgt und aus diesen lebendig konstruirt werden. Dabei ist Rec. auch darin mit dem Vf. durchaus einstimmig, dafs die darzustellende Entwickelung,, die ewige Bewegung," oder die ewige Geschichte der Seele seyn müsse, d. h. wie sie allen Erscheinungen des Menschen, unter allen Völkern und zu allen Zeiten, wesentlich ist. Aber Rec. hat immer geglaubt, was ewig geschehe, das müsse doch auch irgendwann geschehen; und in dieser Art hat er die Entwickelung der menschlichen Seele in seinen Schriften dargestellt: die psychischen Processe und Gesetze, welche heute noch die gleichen sind, wie vor Jahrtausenden, und eben so nach Jahrtausenden die gleichen seyn werden. Aber so ist es in der Darstellung des Vfs, nicht: denn aus der Gattung und dem Allgemeinen werden ja niemals Seele und Leib, und aus Seele und Leib niemals der Tod oder der Geist.

Nun bewahrt sich freilich der Vf. ausdrücklich hiegegen durch die Erklärung (S. 17 ff. und 23 ff.), dafs er nicht die zeitliche Entwickelung darstellen wolle. Aber was denn sonst?

Der Vf. beruft

sich auf die ewigen Wahrheiten der Geometrie, z. B. dafs der Kreis gleiche Radien habe. Aber in diesen ist von einem wesentlichen Zusammen die Rede, während wir es hier mit einem wesentlichen Gesche ken zu thun haben, welches, wenn es der Wahrheit gemäfs dargestellt werden soll, eben als Geschehen, d. h. als Zeitliches dargestellt werden mufs. Auch kann sich der Vf. dieser Anforderung gar nicht entziehen; vielmehr mufs er von Anfang bis zu Ende seine Darstellung in Ausdrücken geben, die sich auf das Zeitliche beziehn, und lediglich in solchen Aus drücken, Da lesen wir von ,, Fortgebn" und von zu etwas kommen" und von anfangs" und,,sie sind nicht mehr," sie stehn nicht mehr in diesem Verhältnisse" u. s. w.; kurz, wir haben durchgängig Wörter, die nicht anders, als zeitlich verstanden werden können, und die gleichwohl durchgängig etwas Unzeitliches bezeichnen sollen, d. b. also einen durchgängigen Widerspruch zwischen der Sprache and den Gedanken, oder vielmehr zwischen diesen und denjenigen Gedanken, welche der Sprache zum

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Grunde liegen. Man wird freilich von vielen Seiten Rec. für einen Barbaren erklären, der sich nur nicht in die spekulative Anschauung hineinfinden könne, welche gerade in dieser Erhebung des Zeitlichen zu einem Unzeitlichen ihr Wesen habe. Aber Rec. hat sich in allem seinem Denken so an Klarheit und Bestimmtheit gewöhnt, dafs er das Widersprechende in keiner Art für vernünftig und wahr gelten lassen kann, und also die Grundanschauung dieser sogenannten philosophischen Spekulation als durch und durch nebelhaft und durch nebelhaft und unwissenschaftlich anklagen muls. Die Verhältnisse, welche sie zum Grunde legt, die Processe, die sie eintreten läfst, existiren und geschehn nirgends und niemals; und so haben wir denn von Anfang bis zu Ende blofse Hirngespinnste: in Folge dessen selbst die Resultate, welche mit dem Wirklichen übereinkommen, wenigstens nicht als wirklich gerechtfertigt auftreten, sondern proble matisch bleiben.

Diese Unbestimmtheit und Willkürlichkeit zeigt sich in allen Momenten der Konstruktion. Die Anthropologie soll (wie angegeben worden ist) zwei verschiedene Endpunkte haben, die aus der gleichen Ausgleichung des gleichen Gegensatzes hervorgehen: den Tod und den Geist. Aber der eine von diesen ist ein zeitlicher: denn der Tod ist wirklich nach dem Zusammenseyn von Leib und Seele, der andere steht zu dem Bisherigen in der (durchaus unzeitlichen) Beziehung der höheren Vollkommenheit. Wir haben also hier ebenfalls dieses Schwanken und Schweben zwischon Zeitlichem und Unzeitlichem. Betrachten wir ferner die mit einander in Gegensatz gestellten Begriffe, so haben wir zwischen dem Allgemeinen und Besonderen einen rein logischen Gegensatz, zwischen Leib und Seele, wir wissen nicht recht, ob einen reellen, oder einen ideellen, oder wie es der Vf. darstellt, einen ideell-reell begründeten, aber auf jeden Fall einen grundverschiedenen von den yorigen: denn von einem logischen Verhältnisse findet sich hier auch nicht der schwächste Schein. Gleichwohl soll dieses Verhältnifs mit jenem in derselben Reihe der dialekte schen Entwickelung liegen; und so werden also alle Verhältnisse, welche die bisherige philosophische Betrachtung mit grofser Mühe geschieden, und mit dem vollsten Rechte auseinandergehalten hat, wieder wild durcheinander geworfon. Aber, was noch wichtiger ist, woher nun die Begriffe selbst, welche in dieser oder in jener Art mit einander in Gegensatz gestellt werden? Man kann nicht antworten: aus der Vernunft. Denn deren Natur und Inhalt ist ja bekanntlich das Bestrittenste von Allem bis auf den heutigen Tag, so dass sie noch immer von jedem Philosophirenden anders bestimmt wird. Ueberhaupt aber möchte kaum eine andere Antwort möglich seyn, als aus als aus der gewöhnlichen Sprache: welche auch der Vf. in der That überall mit der gröfsten Sorgfalt untersucht. Aber woher bat denn nun diese ihre Bagriffe? Es möchte wieder keine andere Antwort möglich seyn, als aus - der Erfahrung, und aus derjenigen Erfahrung, wie sie dem Vorstellen des

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gewöhnlichen Lebens offen gelegen hat, und von dem Denken des gewöhnlichen Lebens verarbeitet worden ist. Nun ist freilich diese Erfahrung eine sehr reiche (durch Millionen, welche dazu zusammengearbeitet haben, angesammelte) und dieses Denken ein sehr vielfaches und vielfach verbessertes (von diesen Millionen hat gewissermalsen fortwährend Einer den Anderen kontrolirt); und insofern lässt sich sehr viel durch Sprachanalysen lernen; aber dessen ungeachtet ist jene Erfahrung unstreitig eine ungenaue und unvollständige, und das Denken, welches sie verarbeitet hat, ein oberflächliches: da ja doch im Verkehr des gewöhnlichen Lebens, durch welchen und für welchen die gewöhnliche Sprache gebildet worden ist, das Interesse und die Thätigkeit des Erkennens gar sehr hinter tausend anderen Interessen und Thätigkeiten zurücktreten. Bei der Anwendung der in dieser Art gegebenen Begriffe für die Wissenschaft also muss man überaus vorsichtig seyn; und namentlich ist gerade in Hinsicht derjenigen Begriffe, welche auf tiefer liegende geistige Verhältnisse gehn, in keiner Art eine angemessene Bildung zu erwarten. Der Bemerkung dieses Uebelstandes hat man sich nun freilich von jeher, auch bei der sogenannten philosophischen Spekulation, nicht entziehn können; vielmehr beständig diese Begriffe, ehe man sie für die Konstruktion anwandte, erst verbessert und zurechtgestellt. Aber dies ist gerade das пowτov vedos, welches besonders durch Kant von Neuem wieder festgestellt worden ist, und seitdem höchst verderblich auf die ganze Entwickelung der deutschen Philosophie eingewirkt hat, dafs man sich einbildet, durch diese Verbesserung und Zurechtstellung der oberflächlichen und falschen Begriffe (welche doch bekanntlich von Jedem anders vollzogen wird) und durch die darauf gegründete Konstruktion aus blofsen Begriffen, etwas Vollkommneres gewinnen zu können, als durch die sorgfältige und treue Auffassung der unserer Wissenschaft vorliegenden unendlich reicheren und innerlicheren Erfahrungen, und eine auf der Grundlage dieser eingeleitete neue Begriffbildung.

(Der Beschlufs folgt.)

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96

che vor einer grofsen Zahl bekannter Aerzte und den Mitgliedern einer Commission angestellt, welche die Akademie der Wissenschaften zur Untersuchung der dahin gehörigen Erscheinungen ernannt hatte. (Siehe Foissac rapports et discussions de l'academie royale de médécine sur le magnetisme animal.) Einen dieser Somnambulen (einen jungen Mann Namens Paul) besuchte auch Broussais, der sehr wenig geneigt war, an diese Erscheinungen zu glauben. Er hielt dem Somnambulen die Augen zu, zog einen Brief aus seiner Tasche und gab ihm diesen in die Hand; dieser las sogleich:,,Kriegsministerium, die ersten Worte des Briefes. Broussais überrascht, verlangte Tinte und Papier, schrieb hier einige Zeilen und übergab sie dem magnetisch Schlafenden, welcher sie sogleich las. Broussais übergab dieses Billet dem Dr. Foissac, um es, wie er sagte, als ein Document des Sieges über seinen Unglauben zu bewahren. Die Beobachtungen über die beiden somnambulen jungen Männer Paul und Cazot wurden von 76, zum Theil sehr berühmten Aerzten, wie Marc, Cloquet, Broussais u. s. w. gemacht, welche auch alle die Protocolle hierüber unterschrieben.

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Traume, in Krankheiten, in der Nähe des Todes, in In einem eigenen Abschnitt ist das Hellsehen im der Contemplation und das der Propheten zusammengestellt. Allerdings sind diese verschiedenen Zustände verwandte Formen des Hellsehens, indessen doch auch in mancher Hinsicht verschieden und wir hätten daher gewünscht, der Vf-hätte sich die Mühe genommen, uns zu zeigen, in welchen Punkten sie divergiren. So z. B. scheint der Traum durch eine eigene symbolische Sprache mit der Prophetensprareiche Schubert gezeigt hat, während die Sprache der che Verwandtschaft zu haben, wie schon der geistSomnambulen mehr der Sprache im Wachen ähnlich ist und sich nur zuweilen der Bilder, und zwar Bilder, die immer wiederkehren, wie z. B. die Schutzgeister, bedient u. s. w.

Ein zweiter Theil des Werkes giebt uns einen sehr interessanten historischen Ueberblick des ganzen Gebietes des Lebensmagnetismus. darin eine genaue Bekanntschaft mit der Geschichte Der Vf. zeigt der Israeliten, Indier, Griechen und Römer, der nordischen Völker und des Christenthums. Er hat in dieser Beziehung noch nicht benutzt worden wasich historische Quellen zu öffnen gewufst, die bisher ren und hat dadurch sein Buch auf eine Weise bereichert, die die Lecture desselben doppelt anziehend macht. Bei der Geschichte der Gricchen und Römer schichte des Somnambulismus aus dem Alterthum, in scheint er des geistreichen Wolfs Beitrag zur Gedessen Miscellanea maximam partem litteraria, Hal. Magdeb. 1802, nicht benutzt zu haben, eine Abhandlung, die ihm noch manchen Stoff zur Ergänzung dargeboten haben würde.

Hbm.

ALLGEMEINE LITERATUR

PHILOSOPHIE.

Januar 1838.

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-

uch jene Begriffe (wie gesagt) sind ihren letzten Gründen nach, aus den Erfahrungen heraus gebildet, aber aus ungenauen und oberflächlichen, und vermöge eines unwissenschaftlichen Denkens; und dennoch soll die Konstruktion aus ihnen heraus, oder aus ihnen, wie sie aufs Gerathewohl verbessert sind, die höchste wissenschaftliche Nothwendigkeit geben?! Selbst diejenige Nothwendigkeit, welche man in dieser Art wirklich erlangt, läfst sich doch nicht anders erreichen, als indem man (insgeheim und unbewufst) schielende Blicke auf unsere jetzige Erfahrung wirft. Und die Nothwendigkeit sollte nicht eine höhere seyn, welche durch die volle Auffassung eben dieser Erfahrung mit gerade hin auf sie gewandtem, angespanntem Blicke erworben werden kann?

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Man betrachte die vom Vf. mit einander in Gegensatz gestellten Begriffe:,,Natur und Geist," Natur und Freiheit.' Dem Denken der gewöhnlichen Sprache gemäfs stehn sie allerdings mit einander in einem gewissen Gegensatze. Aber eine tiefer eingehende Verarbeitung unserer jetzigen Erfahrung zeigt uns, dafs diese Gegensätze nur eingebildete sind. Das Wesen des Menschen besteht vielmehr darin, dafs er eine geistige Natur hat, welche sich in derselben Art, wie die ganze übrige Natur, nach unwandelbaren Naturgesetzen entwickelt, nur eben nach geistigen; die aber, als solche, derselben Nothwendigkeit unterliegen. Und eben so existirt auch der Gegensatz zwischen Freiheit und Nothwendigkeit nur für die oberflächliche Verarbeitung einer oberflächlichen Erfahrung. Der Mensch ist wesentlich frei, und hierin besteht seine gröfste Hoheit; aber diese Freiheit bildet sich und wirkt nach nothwendigen Naturgesetzen, ja ist überhaupt nicht anders, als unter deren Voraussetzung, vernünftiger Weise denkbar. So zeigen sich die Gegensätze, von welchen der Vf. ausgebt, für ein tieferes Denken als durchaus nichtig. Nun kommt freilich auch in der dialektischen Entwickelung des Vfs. etwas Aehnliches heraus, Aber nur etwas Aehnliches, und was

4. L. Z. 1838. Erster Band,

ZEITUNG

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die Hauptsache ist, welches, als aus abstrakten Kombinationen unvollkommener Begriffe gebildet, in Hinsicht seiner Realität durchaus problematisch dasteht. Wo es sich um die Bestimmung des Realen handelt, giebt es durchaus keine andere Nothwendigkeit, als in der Begründung auf Erfahrung. Alles Warum mufs zuletzt ebenfalls auf Erfahrungen zurückführen; und wenn es sich statt dessen auf Begriffe beruft, so schiebt es nur eine mangelhafte Erfahrung an die Stelle derjenigen vollkommneren unter, welche wir im Interesse der wahren Wissenschaft fordern müssen.

Dies führt uns hinüber zu einem anderen wichtigen Punkte. Nach dem Vf. (S. 22 ff.) soll die Bewegung des Gegenstandes von der niederen Stufe zur höheren nicht von aufsen hervorgebracht seyn, sondern seine eigene, welche aus seinem Wesen hervorgeht, und darin besteht, dafs der Gegenstand nothwendig die in ihm liegenden Bestimmungen heraussetzen mufs. Prüfen wir dies nun an der Erfahrung, so zeigt sich die Entwickelung allerdings in dem Wesen oder in der Natur des Gegenstandes nothwendig bedingt, und es ist durchaus falsch, wenn man z. B. (wie in früheren Zeiten vielfach geschah, und zum Theil noch geschieht) die Seele als eine tabula rasa darstellen will, auf welcher sich die Gegenstände ohne ihr Zuthun beschrieben. Vielmehr ist die Seele von Anfang an bei allen ihren Vorstellungen, Empfindungen u. s. w. (selbst bei denen, welche am meisten den Charakter des Leidendlichen an sich tragen) wesentlich aktiv, und entwickelt nur, was durch ihre Natur und deren Entwickelungsgesetze prädeterminirt ist. Aber eben so ist auch auf der anderen Seite die Annahme des Vfs. mit der Erfahrung im Widerspruch, dafs die Entwickelung lediglich aus dem Innern des Gegenstandes heraus, ohne alles Zuthun des Aeufseren erfolge. Vielmehr zeigt sich überall: sie erfolgt nur unter den dem Gegenstande natürlichen Umgebungen, und indem diese dem Gegenstande geben, oder in ihn hineingeben, was er für seine Entwickelung bedarf. Fehlen diese ganz, so stirbt sein Leben ab; sind sie ungünstiger gegeben, so verkümmert er, oder er artet aus u. s. W.; kurz, ist auch seine Entwickelung wesentlich eine selbstthätige und innerlich bestimmte, so ist sie doch auch eben so wesentlich abhängig vom Aeufseren und durch dieses modificirt. Hinauf bis zum Geistigsten, welches wir kennen, giebt es kein Werden aus nichts, sondern was über Dasjenige hinaus, was der Gegenstand innerlich war, in demselben geworden ist, Das mufs er N

irgendwie von Aufsen erhalten haben. Jede Darstellung der Entwickelung also, die von diesen äusseren Verhältnissen abstrahirt, ist eine unwahre: gerade eben so, wie diejenige, welche die innere Selbstthätigkeit unbeachtet läfst; und namentlich mufs sich jene Einseitigkeit (wie auch die Erfahrung an unseren spekulativen Systemen nur zu augenscheinlich lehrt) in praktischer Beziehung als höchst verderblich erweisen: indem wir ja doch nur vermöge der genauesten Berücksichtigung der äufseren Verhältnisse förderlich auf die Entwickelung einzuwirken im Stande sind,

Auch in dieser Beziehung also können wir diese dialektische Entwickelung nur als ein Spiel des Witzes und Scharfsinns: als ein spekulatives (logisches) Gedicht, als einen Begriffsroman gelten lassen. Gegensätze, oder was allenfalls in dieser Art dargestellt werden kann, finden sich überall in der Welt; und geschieht ihre Auswahl und Zusammenstellung (wie es mit der des Vfs. im hohen Grade der Fall ist) mit Gewandtheit und Geschick: so wird sich das spekulative Kunstwerk recht artig ausnehmen und mit Wohlgefallen lesen lassen. Sein einziger Fehler ist nur, dafs es Wissenschaft seyn, dafs es eine allgemein-gültige Erkenntnifs geben will in einer Form der Auffassung, welche wesentlich Sache der individuellen Willkür und des individuellen Geschmackes ist, und worin daher Jeder ein gleiches Recht hat, sich die Sache nach seinem Gefallen zurecht zu legen. Dies hat auch die Erfahrung unserer Tage so unzweifelhaft bestätigt, dafs es kaum zu begreifen ist, wie noch jemand an diese philosophischen Spekulationeu glauben kann. Nicht nur, dafs, mit denselben Versicherungen der Allgemeingültigkeit und Dauer für alle Zukunft, innerhalb eines halben Jahrhunderts der Kant'schen Philosophie die Fichtesche, und dieser die Schellingsche, und dieser, neben einer Unzahl von anderen Tochterphilosophien die Hegelsche gefolgt ist, und zwar so, dafs jede folgende die vorangegangene, und eben so umgekehrt jede vorangegangene die folgende der Unwahrheit angeklagt hat: wir haben schon eine zweite Edition der Schellingschen, die der früheren kaum ähnlich sieht, und überdies neuerlich eine ,,nachhegelsche" Philosophie erhalten, welche, indem sie ebenfalls die,, dialektische Bewegung" zur Grundform ihrer Konstruktion macht, dadurch zu ganz anderen, ja zum Theil direkt entgegengesetzten Resultaten gelangt. Ist dies nicht noch allgemeiner und vielfältiger geschehen unter den Schülern Hegel's, so möchte dies nur daraus abzuleiten seyn, dafs die Mehrzahl derselben bis jetzt nicht den Muth und die Phantasie dazu gehabt hat. Aber Phantasie und Willkür ist diese Konstruktion durch und durch; und wir haben also neben der,, ewigen Geschichte," zu deren Wesen es gehört, niemals und nirgends zu geschehen, eine „, ewige Wissenschaft, der es wesentlich ist, ephemer zu wechseln: wie man denn auch schon (zum schlechten Spiele eine gute Miene machend) geradezu auf die Entwickelung der

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philosophischen Systeme dasselbe Verhältnifs angewandt hat, dafs es in ihrer Natur und Wesen liege, ins Unendliche hin eines das andere aufzuheben! Das Schlimmste aber ist bei der Sache, dafs uns auf diese Weise so viele der besten Köpfe verloren geben, welche im Dienste der wahren wissenschaftlichen Methode das Trefflichste hätten leisten können; und da unter diesen der Vf. eine ausgezeichnete Stelle einnimmt, so scheiden wir von ihm, wenn wir uns auch auf das Entschiedenste gegen seine Methode und Schule erklären müssen, doch mit warmer Hochachtung vor seinen individuellen Talenten. Fr. Ed. Beneke.

MATHEMATIK.

LEIPZIG, b. Volkmar: Lehrbuch für den gesammten mathematischen Elementar - Unterricht an Gymnasien, höhern Bürger- und Militär-Schulen. Bearbeitet vom Professor Dr. Mart. Ohm. Mit einer Figurentafel. 1836. VI u. 222 Seiten. 8. (20 gGr.)

Der hohe Preis der in drei Bänden, jetzt in der zweiten Auflage erschienenen Elementar- Mathematik des Vfs. hatte wiederholt den Wunsch und die Aufforderung an Ha. O. hervorgerufen, dafs dieser sich entschliefsen möge, aus jenem gröfseren, auch für Selbstlernende bestimmten Werke einen Auszug zu machen, der etwa auf den sechsten Theil des Raumes und Preises zurückgebracht wäre. Da jedoch ein blofser Auszug dem Vf. unzweckmässig erschien, eigene Lehrerverhältnisse, welche das Daseyn eines kurzen Lehrbuches wünschenswerth machten, und endlich die Aufforderung seiner Vorgesetzten hinzukamen, so entschlofs er sich, zwar nicht zur Aufertigung jenes Auszuges, aber doch zur Bearbeitung eines eigenen selbständigen Buches an dessen Statt. Es umfafst alle Lehren der Elementarmathematik, vermeidet aber alle ausführliche Behandlung derselben, und zeigt gleichsam dem Lehrer nur den Weg, den er zu nehmen hat. Dabei kommt es denn auf zweierlei hauptsächlich an: einmal darauf, dafs der Lehrer eine klare Einsicht in das ganze Lehrgebäude gewinne, was durch Consequenz und Strenge des Vortrages möglich gemacht wird, und dann, dass das minder Wichtige von dem Wichtigeren streng geschieden und ausgeschlossen werde, wobei jedoch allzugrofse Kürze nicht Unverständlichkeit herbeiführen darf. Der Vf. hat seine Aufgabe vollkommen gelöst, und damit für diejenigen einem lange gefühlten Bedürfnisse abgeholfen, welche seinem Systeme beim Unterrichte zu folgen gewohnt waren. Wir geben nun eine Uebersicht des Inhaltes, und verbinden damit einige Proben der Darstellungsweise des Vfs. Th. 1: Arithmetik und Algebra. A. Die Lehre von den unbenannten Zahlen. Cap. 1: Vom Addiren und Subtrahiren. Von der Null, und von dem additiven und subtractiven Ausdruck, S. 3-9. Kurz zwar, aber klar erklärt der Vf. §.8 das Wesen

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ten Potenzen, Wurzeln und Logarithmen, S.59–76.
Der Beweis des binomischen Lehrsatzes ist hier nur
angedeutet, während er als Anhang des Buches erst
vollständig gegeben wird, wo die Combinationslehre
schon vorgekommen ist. Bei der Ausziehung der
Quadratwurzel und Cubikwurzel war zu bemerken,
dafs der Rest nach vorgenommener Subtraction von
2ab+b2 kleiner seyn müsse als 2(a+b)+1, und
resp. als 3 (a+b)2+3(a+b)+1. In der Lehre von
den Logarithmen wäre wohl kurz die Verwandlung
der natürlichen in Briggische zu zeigen gewesen. In
§. 77 giebt der Vf. zwei Wege an, auf denen ein Lo-
garithme, z. B. der Briggische, von 347 berechnet
werden könnte. Der eine besteht in der wiederhol-
ten Interpolation des arithmetischen und geometri-
schen Mittels, der andere ist folgender: „Da näm-
lich log. 3472+ ein echter Decimalbruch ist, so
kann man schreiben: log. 347-2++100+1000+...
Es ist aber nach dem Vorigen:
347=102++180+1000+..

β

der entgegengesetzten Gröfsen: ,,Eine Differenz, wie 0-b, die zum Minuenden die Null hat, schreibt man gewöhnlich blos so: b, und denkt sich die Null als Minuend noch hinzu. Ebenso schreibt man + b und versteht darunter die Summe 0+b, deren einer Summand die Null ist. Solche Ausdrücke, wie +b, b, nennt man additive und subtractive, b selbst heifst ihr Glied. Sie sind blos Stellvertreter von Summen und Differenzen" u. s. w. Cap. 2: Vom Multipliciren und Dividiren. Von den Brüchen. Von den positiven und negativen Zahlen. Reelle Zahlen, S. 10-23. Anhang: Anhang: Von den Verhältnissen und Proportionen, S. 24-26. Cap. 3: Von den PotenWurzeln und Logarithmen im Allgemeinen, S. 26-32. Als einen Beweis von der mathematischen Schärfe heben wir Folgendes hervor. Nachdem nämlich der Vf. die hauptsächlichsten Gesetze über Potenzen, Wurzeln und Logarithmen aufgestellt hat, sagt er nun im §. 33: Ganz genau so, wie in (§. 6 und 15) mufs nun auch hier untersucht werden, ob die vorstehenden Gesetze blos specielle Gesetze der ganzen Zahlen, oder allgemeine Gesetze der Operationen sind. Sind sie das letztere, so kann man sie überall und unbedingt (also auch auf völlig unbekannte Ausdrücke) anwenden, ohne dafs es nöthig wäre, sich um die Bedeutung der einzelnen Buchstaben zu bekümmern. Weil wir aber vorher aufser der absoluten ganzen Zahl, auch noch die Differenz ganzer Zahlen (die positive und negative ganze Zabl, und die Null) und auch noch den Quotienten zweier Differenzen ganzer Zahlen erhalten haben, mit denen wir nun zu rechnen haben; so müfsten wir hier zuerst wieder die Bedeutung der Potenz ab u. s. w. für den Fall erweitern, dafs a und b nicht gerade ganze Zahlen, sondern, schon allgemeiner, Differenzen ganzer Zahlen sind. Dann aber müfste genau und sorgfältig untersucht werden, ob dieselben Gesetze für diese jetzt erweiterten Potenzen, Wurzeln und Logarithmen noch gelten, oder welche davon als allgemeine Gesetze keine Anwendung finden dürfen. Wäre dieses geschehen, dann müfste man die Potenz ab u. s. w. auch noch für den 10, und potenzirt das Resultat mit 2, 3, 4, 5, 6, Fall erweitern, dafs a und b nicht gerade blos Diffe- 7, 8, 9, bis man wieder mehr als 1,098 erhält; der renzen ganzer Zahlen, sondern noch allgemeiner, nächst kleinste dieser Exponenten (der übrigens dasQuotienten aus zweien Differenzen ganzer Zahlen mal 4 ist) wird nun statt y gesetzt; man dividirt dann sind, u. s. W......." Cap. 4: Von den bestimmten mit 101 d. h. 101 oder 1,0965 auf jeder Seite weg, Zablen. Gemeines Ziffern - Rechnen. Von den Decimalbrüchen, S. 32-42. Cap. 5: Einige Eigen- und erhält 1,0001 10100, u.s. W. u. s. W. $ schaften der bestimmten Zahlen. Primzahlen, Theiler. Vielfache. Kettenbrüche, S. 42- 53. Auf eine leichte Weise lehrt der Vf. vermittelst der Ket

tenbrüche, wenn zwei Zahlen, z. B. 47 und 89 gege

ben sind, Vielfache derselben zu finden, die nur um 1 von einander unterschieden sind, sowie Vielfache dieser beiden Zahlen zu finden, so'dafs, wenn r irgend eine gegebene ganze Zahl ist, 1. 47x-89y=r, oder II. 89x-47y=r, oder auch III. 89x"+47y" =r wird. Cap. 6: Practische Regeln und Uebungen in der Ziffern- und Buchstaben-Rechnung, S. 53-59. Cap. 7: Der binomische Lehrsatz. Von den absolu

В

Ꮄ .

10

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= 102.10.10. 10 10. u. s. w. u.s. W., also, wenn man auf jeder Seite mit 102 dividirt 3,47 = 10.10. 10 10. u. s. w. u. s. w. Man berechnet sich nun 10 oder 10, oder√√10, und potenzirt solche Zahl nach und nach mit 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, bis man bemerkt, dafs man mehr als 3,47 hat. Dies ist bei der 6ten Potenz der Fall. Also nimmt man = 5, berechnet (10) oder 10 3,162327, und dividirt die vorstehende Gleichung auf jeder Seite damit, so dass man

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1,098 =

= 101%%% 101000 11. S.

=

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erhält. Nun berechnet man sich 10

10 10

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net man nun 10'

1000

W.

100

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oder 10 oder

10 10.10

Berech

1000

oder 10 oder√√√√10, und potenzirt man das Resultat mit 2, 3, 4, 5 u. s. w., so sieht man sogleich, dass d = 0 seyn mufs, weil 10 oder 10 schon mehr ist als 1,0001. Auf diese Weise könnte man fortfahren und log. 347-2,540... mit immer mehr Decimalstellen finden." Freilich gehört, wie auch der Vf. bemerkt, dieses Verfahren nur noch der Geschichte der Mathematik aber immer bemerkenswerth.

an,

bleibt

Cap. 8: Auflösung

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