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fessor der Physik dieses oder jenes Experiment, so würde man darüber schon längst keinen Zweifel mehr begen.

Es ist sehr wahrscheinlich, dafs diese Erscheinungen nur die Glieder eines grofsen Ganzen, einer geheimen, aber natürlichen Magie sind, wovon sich, wie die Geschichte lehrt, die Spuren durch alle Zeiten und Völker verfolgen lassen und noch Rudimente in den Träumen, Ahndungen, Visionen, dem zweiten Gesicht u. s. w. vorhanden sind. Wie sich einst durch geläuterte physikalische Ansichten die Chemie aus der Alchemie herausbildete und sich das eigentliche Wissen von dem Aberglauben schied, so läfst sich auch hier hoffen, dafs früher oder später eine solche Scheidung vorgehen, und sich die organische Physik, mit Zurücklassung aller abergläubischen Vorstellungen, das Wahre und Brauchbare vindiciren werde. Zuvörderst aber dürfte es genügen, alle dahin gehörigen Beobachtungen genau zu sichten und zu prüfen, sich in den Besitz einer vollkommenen Phänomenologie zu setzen, bevor man sich an die Erklärung derselben wagt; denn noch ist nicht Alles durch wiederholte Versuche und Beobachtungen constatirt, auch sind wohl noch nicht alle Mittelglieder gefunden, die zu einem allgemeinen Ueberblick erforderlich sind. In dieser Beziehung wäre es sehr wünschenswerth, wenn man den thierischen Magnetismus nicht wieder in unverdiente Vergessenheit kommen liefse, wie es schon einmal nach Messmer's Auftritt der Fall gewesen ist, und wenn Männer, die dazu den erforderlichen Beruf und die nöthige Zeit haben, sich ferner des wenngleich mühseligen Geschäfts unterziehen wollten, den einmal betretenen Weg weiter zu ebnen. Der Gegenstand ist zu wichtig, um ihn ganz fallen zu lassen und es ist sehr zu bedauern, dafs Kieser's Archiv für den thier. Magnetismus eingegangen ist, an welchem man wenigstens ein Magazin für die verschiedenen zerstreuten Beobachtungen hatte, die hie und da gemacht werden, und von denen sich wohl jetzt manche, zum Nachtheil der Sache, verlieren dürften. Die Resultate dessen, was bereits vorliegt, hat Hr. Passavant sorgfältig gesammelt und in dem vorliegenden Buche in einen zweckmäfsigen Rahmen gefafst, so dafs es schon in dieser Beziehung als eine der brauchbarsten Schriften über unseren Gegenstand gehalten werden müfste, wenn es auch sonst nicht durch manche geistreiche Ansichten und wissenschaftliche Betrachtungen ausgezeichnet wäre. Der Vf. zeigt sich darin als keinen Schwärmer und Enthusiasten für die Sache, sondern als richtigen Beobachter und Denker, der überall die rechte Mitte zu halten weifs. Mit Recht ist daher auch sein Buch unter den vielen über den thier. Magnetismus erschienenen Schriften einer besonderen Auszeichnung würdig gehalten worden und wird sich auch in dieser neuen, viel bereicherten Auflage

wieder Freunde erwerben.

Der Vf. beginnt seine Untersuchungen mit der Betrachtung der allgemeinen Naturkräfte. Ihm ist

die Materie der allgemeine noch indifferente Körperkeim, aus dem die einzelnen Körper, durch innere Lebensthätigkeit der Materie different werdend, hervorgehen. Die Materie ist selbst nur als ein Product von Kräften anzusehen. Eine todte Materie, die nur von aufsen, durch Einwirkung von Kräften, die nicht in ihr liegen, bestimmbar wäre, ist nur ein Abstractum, denn es giebt nichts in der Welt obne innere Thätigkeit, ohne Leben im weiteren Sinne des Wortes. Die allgemeinen Naturpotenzen, wie Licht und Wärme, Electricität und Magnetismus, sind als Bewegungen, als Prozesse, entweder in dem den Körper durchdringenden Aether, oder in der materiellen Substanz der Körper selbst und als Modificationen eines allen zum Grunde liegenden Princips anzusehen. Diese allgemeinen Naturkräfte sind die Ursache aller oder wenigstens der meisten Qualitäten der Körper. Auch die organischen Kräfte sind ihm nur Modificationen jener allgemeinen Naturkräfte. Er sucht durch Thatsachen zu beweisen, dals ein inniger Zusammenhang zwischen der Lebenskraft und den verschiedenen Naturpotenzeu_statt findet, daf's namentlich viele Thätigkeiten des Organismus nur Modificationen jener allgemeinen Potenzen sind, welche Potenzen das individuelle Lebensprincip nach seinen Zwecken beherrscht und umändert. Die Wechselwirkung, in welcher die Organe und die organischen Systeme unter sich stehen, gleicht der Wirkungsweise der Imponderabilien. Eben so ist der Bezug des Organismus mit der Aufsenwelt, wo dieser nicht blos mechanisch ist. grofsentheils durch diese vermittelt; eine Wechselwirkung der Imponderabilien mit dem ihnen verwandten Nervenagens. Gegen diese von vielen neueren Physiologen angenommenen Ansichten liefse sich Manches einwenden. Manche organische Thätigkeiten sind zwar allgemeinen Potenzen ähnlich in der Erscheinung, so z. B. die Erzeugung des Lichts, der Wärme und Electricität, stehen aber doch immer unter ganz anderen, eigenthümlichen Gesetzen, als diese. Nie wird man z. B. aus den Gesetzen der Wärme erklären können, wie das Blut unter dem Aequator so gut, wie an den Polen immer gleichen Wärmegrad behält. Manche organische Prozesse, z. B. die Zeugung, die Reproduction verlorengegangener Theile, die Absonderung u. s. w. lassen ohnehin alle Analogie der Art verschwinden; denn die Auffindung eines auch hier waltenden Polaritätsgesetzes und das Parallelisiren desselben mit dem der Electricität oder des Magnetismus bedünkt uns wie der Vergleich des Pulsirens eines lebenden Herzens mit dem Picken einer Taschenuhr. Beides sind Bewegungen, aber wie himmelweit verschieden sind sie ihrer Ursache und ihrer Art nach! Man wendet freilich ein, dafs sich organische Thätigkeiten und Potenzen der allgemeinen Natur nur ähnlich, nicht gleich, dafs erstere nur Modificationen der letzteren seyen, wir aber meinen, dafs ein Wort nicht immer eine Erklärung ist, dafs da wo die Sache dunkel bleibt, das Wort nicht aushilft.

Von der lebensmagnetischen Kraft. Dem Vf. lichkeit, der Nerventhätigkeit mit den Imponderabizufolge erhebt sich die organische Kraft im Thier- lien, namentlich; mit der Electricität, kann selbst reich zur Nervenkraft; die Nerven sind das Organ, unter gewissen Bedingungen der Nervenäther auf durch welches das Thier Empfindung bat und auf entfernte lebendige und leblose Dinge einwirken. Reize reagirt. Wo einmal ein Nervensystem vor- Hierauf wendet sich der Vf. zur Beantwortung der handen ist, ist es, wenigstens im gesunden Zustan- Frage, durch welche Menschen, bei welchen Indide, das alleinige Substrat für die Empfindung und viduen, und in welchen Krankheiten die lebensder alleinige Erreger der animalischen Bewegungen. magnetische Kraft vorzugsweise als Heilmittel anzuAllein die Nerventhätigkeit vermag über ihr Organ wenden sey. Ungenügend scheint uns dabei die Behinaus zu wirken. Statt ihre Wirkung am Nerven- stimmung, dafs Krankheiten, die in einer nicht noronde, wo die Empfindung entsteht, zu beschliefsen, malen Thätigkeit des Nervensystems bestehen, sich überschreitet sie diese Grenze und übt unmittelbar zunächst dafür eignen. Es läfst sich freilich nicht einen Einfluss auf nähere und fernere Gegenstände leugnen, dafs das Nervensystem in vielen Krankheiaus. Hierin liegt dem Vf. die natürlichste Erklä- ten eine Rolle spielt, die man nicht zu den eigentlirung aller (?) lebensmagnetischen Erscheinungen. chen Nervenkrankheiten zählt und in soferne lassen Die Nervenkraft wirkt, gleich den Imponderabilien sich wohl auch die guten Erfolge der lebensmagnetiauch in einer gewissen Entfernung, wobei die zwischen Behandlung in solchen Krankheiten auf Rechschenliegenden Medien, wie die Luft, ihr als Leiter dienen. Ob die Nervenwirkung an ein feines Substrat gebunden ist, welches die palpable Nervensubstanz durchströmt, oder ob ihr eine blofse Thätigkeit zum Grunde liegt, welche im gewöhnlichen Falle eine Bewegung im Nerven erzeugt, und die umgebenden Medien des Organismus zu Leitern machen kann, ob es mit andern Worten einen Nervenäther giebt, oder eine blofse Nervenkraft, bleibt unentschieden, jedoch erklärt sich der Vf. für die erstere Ansicht. Die lebensmagnetischen Wirkungen haben aber einen sehr grofsen Umkreis. Sie erstrecken sich von den tiefsten animalischen Aeufserungen bis zu den höchsten Seelenwirkungen, welche; sich durch die Nervenkraft aufsern. Daher ist die Dignität dieser Wirkungen so äusserst verschieden. Viele Lebensäufserungen der niedern Thierwelt lassen sich durch dieselbe erklären. Das organische Princip dient hier dem Triebe, dem Instinkt. Die höchsten Momente geistiger Thätigkeit, der unmittelbare Einflufs, den begeisterte oder energische Menschen ausüben, finden eben hier ihre Erklärung. Das organische Princip dient bier dem freien Willen. Es giebt drei verschiedene Stufen der lebensmagnetischen Thätigkeit, eine rein organische, der eigentlich thierische Magnetismus, die nicht durch Organe vermittelte Wirkungsweise, wie wir sie bei allen Wesen beobachten; eine geistige, wo diese organische Thätigkeit der Intelligenz und dem Willen gehorcht; und endlich eine höhere geistige, wo der Mensch zum freien Leiter göttlicher Kräfte wird, und dadurch eine höhere Weltordnung anticipirt.

Der Lebensmagnetismus als Heilmittel. Der Vf. bezeichnet als Organe, durch welche die lebensmagnetischen Wirkungen vermittelt werden, die Hand und das Auge, ferner den Odem und den Speichel, zeigt aber auch, wie nicht immer bestimmte Organe oder organische Stoffe dazu nöthig sind, sondern unter gewissen Umständen schon die Nähe eines Menschen besonders auf Personen, die für dergleichen Eindrücke sehr empfänglich sind, solche Wirkungen äussern kann. Ja, bei der grofsen Aehn

nung ihres Einflusses auf das Nervensystem nehmen; allein an einer genaueren Bestimmung ihrer Wirkungssphäre fehlt es uns noch ganz. Dafs der thier. Magnetismus vorzugsweise wirksam in sogenannten Nervenkrankheiten ist, stützt sich wohl lediglich darauf, weil man ihn vorzugsweise in diesen Krankheiten anwendete, und es steht noch sehr in Frage, ob sich nicht sein heilsamer Einflufs in andern, von diesen, dem Charakter nach ganz verschiedenen Krankheiten eben so und noch mehr bewähren würde. - Wir übergehen, was der Vf. von den wohlthätigen Folgen des magnetischen Einflusses, namentlich dem dadurch bewirkten Schlaf, den Nachtheilen desselben bei verkehrter Anwendung und von dem magnet, Baquet sagt. Bei Gelegenheit des letzteren gedenkt er auch der sogenannten sympathetischen Curen, namentlich deren, die dem Einflufs des Mondes zugeschrieben werden. Sollte sich nicht endlich durch genaue Versuche ermitteln lassen, was an dieser, so tief im Volksglauben gegründeten Sache Wahres sey? Rec. kann sich bis jetzt weder dafür noch dagegen entscheiden, indem er zwar Warzen, Ueberbeine, Brüche u. s. w. bei der sympathetischen Behandlung hat heilen sehen, den gleichen Erfolg aber auch ohne alle Anwendung von Heilmitteln, als Wirkung der Naturheilkraft, wahrgenommen hat. Er mufs ferner bemerken, dass er einigemale bei freilich bedeutenden Balgge schwülsten gar keinen Erfolg von diesen Curen gesehen hat.

Allgemeine Betrachtungen über das Wesen der Ekstase. Das Hellsehen erklärt der Vf. sehr sinnreich als eine erweiterte Thätigkeit des innern Sinnes, der sich zum äufsern Sinn entwickelt. Wenn man die verschiedenen Sinnesthätigkeiten als Modificationen eines Centralsinnes annimmt, so läfst sich ebensowohl ein intensiv wie extensiv gesteigertes Wirken dieses Centralsinnes als ein solches der besonderen Sinne denken; ein Hellsehen durch den Ursinn und durch die eigenthümlich modificirten Sinne. Das erste könnte man dann nicht mehr im eigentlichen Sinne ein Sehen oder Hören nennen, sondern ein über diesen Modificationen des Empfindungsver

ven, der einen ununterbrochenen Fortgang von Gehirn oder Rückenmark zu den äufseren Theilen hat, ganz das Empfindungsvermögen, und den blos empfindenden Nerven geht vielleicht nur darum das Bewegungsvermögen ab, weil sie sich nicht zu Muskeln begeben. Bei einigen Thieren wird der Sehnerve, bei andern der Riechnerve durch Zweige des fünften Hirnnerven ganz oder gröfstentheils ersetzt; und es giebt einige, die sehr empfindlich gegen das Licht sind, ohne Augen zu haben.

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mögens stehendes Vernehmen, das aber seiner Natur nach mit dem höchsten, freiesten Sinne, dem Lichtsinne, die gröfste Aehnlichkeit haben mufs. Daher denn alle Ekstatische in der Regel ihre innere Thätigkeit als ein Schauen bezeichnen und von einem inneren Lichte reden. Eine von dem Vf. beobachtete Hellsehende sagte wiederholt aus, sie sähe, wie von ihrem Hirn aus beständig Licht nach allen Nerven ausstrahle. Wenn ein solcher Lichtstrahl unmittelbar von ihrem Gehirne zu einem äufseren Gegenstande gehe, so erkenne sie dadurch diesen Gegenstand Hellsehen im magnetischen Schlafe: Der Vf. im Hellsehen. Durch diese Erklärung begegnet der Vf. dem gewöhnlichen Einwurf, dafs kein anderes geht hier zur Betrachtung der wichtigsten ErscheiOrgan, aufser dem Auge, sehen könne, weil es keinungen des Somnambulismus und der Ekstase über, wie sie durch den Einflufs des Lebensmagnetismus ne optischen Apparate habe. Es ist daher ohne in neuerer Zeit hervorgerufen wurden, indem er sie Zweifel ein etwas zu vorschnelles und eines sonst selbst unter folgende Classen theilt: 1) veränderte sehr scharfsehenden und von uns hochgeachteten Physiologen nicht würdiges Urtheil, wenn Johannes Empfindung; 2) Erinnerung und Voraussehen; 3) geMüller in seinem Handbuche der Physiologie, 1. Bd. Unter der ersten Rubrik erzählt derselbe die besteigerte Mitleidenschaft; 4) höheres Bewulstseyn. S. 753 sagt:,, Welcher gebildete Arzt möchte wohl an solche Mährchen glauben, wie an das Lichtem- kannte, der Akademie der Wissenschaften von Clogrube bei den sogenannten Magnetischen? Die Fin- len Zustand versetzt, nicht das geringste Zeichen pfinden und Sehen mit den Fingern, mit der Herz-quet zu Paris mitgetheilte Geschichte einer Operation, wobei die Kranke, zuvor in den somnambuger und die Herzgrube sind erweislich und factisch von Empfindung zu erkennen gab. Keine Bewegung keiner Lichtempfindung fähig (jeder Fall, der das Gegentheil bei einem Magnetischen zeigen soll, ist zeigte sich weder in den Gliedmafsen, noch in den arger Betrug); aber selbst wenn diese Theile' das Gesichtszügen; keine Veränderung im Athmen, noch arger Betrug); aber selbst wenn diese Theile das in der Stimme; eine Gemüthsbewegung war auch Vermögen der Lichtempfindung hätten, so würden nicht einmal im Pulse wahrnehmbar. Der Vf. ersie nicht sehen, nicht die Gegenstände unterscheiden klärt die Unempfindlichkeit der Kranken aus einer können, denn dazu gehören optische Apparate." Ein Zurückziehung des Nervenäthers von den NervenenSehen, wie das mit den Augen, ist es freilich nicht, den, wodurch dann der Nerve selbst nicht mehr als wodurch die Somnambulen die Gegenstände in ihrem Conductor des äufseren Reizes dienen könne. Rec. Schlafe wahrnehmen, aber die Frage ist, ob es nicht hat ähnliche Erscheinungen gesehen. So z. B. konnnoch Wahrnehmungen giebt, die nicht auf dem ge- te er einer Somnambulen in einem bewufstlosen Zuwöhnlichen Wege, durch die Sinnesorgane, vermit stande während des magnet. Schlafes, Nadeln ziemtelt werden. Wodurch findet der Hund auf viele lich tief unter die Nägel der Finger einstechen, ohne Meilen Weges und durch Flüsse schwimmend, das dafs sie die mindeste Spur von Schmerz verrieth. verlorene Eigenthum seines Herren, wodurch die Eben so konnte derselben, ungeachtet sie im WaBrieftaube ihre Heimath, der Storch und die Schwal- chen eine grofse Furcht vor dem Aderlassen zeigte, be ihr Nest wieder? Aber auch noch andere analoge im mag. Schlafe eine Venasection am Arme gemacht Erscheinungen sprechen für die Wahrheit unseres und eine Fontanelle auf die Brust gesetzt werden. Phänomens. Wir finden," sagt Carus (vgl. Ana- Trotz dieser eigenen Beobachtungen scheint ihm aber tomie 2. A. 29),,, dafs geathmet werden kann ohne eine vollkommene Negation aller Empfindungsfähig Lungen, dafs Ernährung, Wachsthum und Secretion keit bei einer so bedeutenden Operation, wie die Abvor sich gehen kann ohne Kreislauf der Säfte, dafs nahme einer Brust, im somnambulen Zustande, wobei Erzeugung statt findet ohne getrennte Geschlechter übrigens, wie der Berichtserstatter meldet, vollu. s. W., warum sollten wir dann zweifeln, dafs sen- kommene Klarheit der Gedanken bestand, eine reine sibles Leben ohne eigentliche Nerven, Bewegung oh- Unmöglichkeit. Lieber möchte er das Phänomen aus einer durch diesen Zustand gesteigerten Willenskraft erklären. Bei allem Dem bleibt aber die Sache höchst merkwürdig.

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ne wahre Muskelfasern bestehen könne?" Ferner

sagt Treviranus (Ersch. d. organ. Lebens I, 41): "Es findet ohne allen Zweifel eine Verschiedenheit in den Functionen der verschiedenen Nerven statt. Aber dabei mufs doch in ihnen die Anlage vorhanden seyn, einer des andern Stelle in grofsem Grade erşetzen zu können. Es fehlt keinem Bewegungsner

Ein nicht minder merkwürdiges, zur Geschichte der Wünschelruthe gehöriges Factum theilt der Vf. aus Zeidler's Pantomysterium, Halle 1700, mit. (Der Beschlufs folgt.)

ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG

PHILOSOPHIE.

Januar 1838.

HALLE, b. Schwetschke u. Sohn: Leib und Seele nach ihrem Begriff und ihrem Verhältnifs zu einander. Ein Beitrag zur Begründung der philosophischen Anthropologie von Dr. Johann Eduard Erdmann, Prof. der Phil. zu Halle. 1837. VIII u. 133 S. gr. 8. (16 gGr.)

Der Vf. der vorliegenden Schrift zeichnet sich un

ter allen Schülern Hegel's sehr vortheilhaft aus durch
ein eifriges Streben nach Klarheit und Lebendigkeit
der Darstellung. Mit vollem Rechte erklärt er sich
in der Vorrede gegen Diejenigen, welche Undeut-
lichkeit für ein Verdienst und eine barbarische Spra-
che voll undeutscher Wendungen für das eigentliche
Idiom der philosophischen Spekulation halten. Un-
serer philosophirenden Jugend drohe keine gröfsere
Gefahr, als die, Unverstandenes aufzunehmen, und
sich mit unbestimmten verworrenen Redensarten zu
begnügen. Im Gegensatze hiermit habe er sich Po-
pularität zum Gesetz gemacht, und könne dieses
Bestreben nur dann für zu weit gehend anerkennen,
wenn dadurch der strengen Consequenz Abbruch ge-
than wäre.
Dabei bedient er sich der Sprache
mit grofser Gewandtheit; und seines Gegenstandes
so vollkommen Herr, dafs er von jedem Punkte der
Untersuchung aus das Ganze, in seinem organischen
Zusammenhange, klar und scharf überblickt, weifs
er das Darzustellende zugleich durch erläuternde Pa-
rallelen aus anderen Wissenschaften und durch tref-
fende Sprachanalysen in ein so helles und anspre-
chendes Licht zu setzen, dafs von dieser Seite nichts
zu wünschen übrig bleibt.

Wir nehmen zuerst einen allgemeinen Ueberblick über den Inhalt des Buches. Der Vf. geht aus von dem Gegensatze der rationalen Psychologie und der empirischen. Beide seyen ungenügend: indem bei jener der Reichthum der Entwickelung (doch unstreitig das Interessanteste) verloren gehe, bei dieser die Einheit. Wir müssen das Eine wie das Andere festhalten; aber freilich scheint es ein Widerspruch, dafs der Geist zugleich ein Einfaches und ein Mannigfaltiges sey. In der That würde das auch widersprechend seyn, wenn der Geist, ein Ding, ein Seyendes, d. b. ein Fertiges, Abgeschlossenes wäre. Aber dies ist er nicht: er ist ein sich Entwickelndes; und wenn er auch in dieser Entwickelung ein anderer wird, oder ein in sich Unterschiedenes, so ist er doch zugleich der mit sich Identische, weil,, alle Bestimmungen von ihm selbst gesetzt sind." Seine ver

schiedenen Vermögen sind (S. 16),,nur Entwicke-
Die Entwicke-
lungsstufen des Einen Geistes."
lung aber, welche die Geisteslehre, als eine philoso-
phische Disciplin, darzustellen hat, ist nicht die Ent-
wickelung in der Zeit, die Psychologie keine Nach-
erzählung der Geschichte der Seele; sondern ihre
Aufgabe ist, zu zeigen, warum die Seele sich gerade
so entwickeln mufs: sie soll,,die ewige Bewegung”
darstellen, diejenige,,, welche in ihrem Wesen liegt,
und von ihrem Wesen nicht zu trennen ist," oder
(wie es der Vf, an anderen Stellen, im Anschliefsen
an den bekannten Sprachgebrauch seiner Schule, be-
zeichnet) die ewige Dialektik" ihres Gegenstandes,
wie sie hervorgeht aus einer Entzweiung, welche auf-
gehoben, aber in der Aufhebung erhalten, und zu ei-
ner höheren Stufe erhoben wird. Nachdem dar-
auf der Vf. (S. 23-29) den Unterschied dieses Ver-
fahrens von der genetischen Betrachtung und der
geo-
metrischen Methode bestimmt hat, geht er zu seiner
eigentlichen Aufgabe über, und bezeichnet den Be-
griff des Geistes vorläufig als,,Negation der Natur,
d. h. Freiheit." Die Natur ist der Gedanke, der
sich äufserlich geworden ist (der entäufserte), und
eben deshalb mit einem Widerspruche behaftet; das
Wesen des Geistes ist das,, In-sich-seyn oder Bei-
sich - seyn, d. h. die Freiheit;" die ganze Entwicke-
lung des Geistes hat das Ziel, sich frei zu machen.
Die höchste Entwickelungsstufe aber, zu welcher
sich der Gedanke in der Natur erhebt, mufs eine
Weise seiner Erscheinung seyn, die sich nicht mehr
innerhalb der Natur findet, sondern der zunächst hö-
heren Stufe angehört, oder die erste, d. b. niedrigste
Gestalt des Geistes geben. Insofern muls sich auch
die Geistesphilosophie in ihrer Entwickelung auf die
Naturphilosophie stützen, und den Anfang machen
mit dem von dieser entlehnten Lemma: das Höch-
ste, wozu es die Natur bringt, ist das Lebendige,
und das Höchste, wozu es in der Sphäre des Leben-
digen kommt, ist der Gattungsprocefs." In diesem
nun stehn sich die Gattung und das Exemplar einan-
der gegenüber, die sich heide Eines auf die Kosten
des Anderen zu befriedigen suchen, aber beide das
Gegentheil produciren, und zwar in einem progressus
in infinitum. Der unendliche Progress aber,, kommt
(S. 54) nur dort, aber dort auch immer zu Stande,
wo zwei Entgegengesetzte als gleich berechtigt er-
scheinen, und man, weil man sie nicht zugleich fas-
sen kann oder will, alternirend den einen, und dann
den anderen Faktor festhält. Mit anderen Worten,
der unendliche Progrefs ist immer die Forderung,
Entgegengesetztes als identisch zu setzen; und die

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Identität des Entgegengesetzten ist die Wahrheit jedes unendlichen Progresses, auf die er, als auf seine Wahrheit, hinweis't." Diese Identität nun besteht darin, dafs „, das Allgemeine im Einzelnen zu sich selbst komme, darin seiner bewusst werde, und das Einzelne im Allgemeinen bei sich bleibe, oder darin sich selbst wisse." Dies ist aber nichts Anderes, als Dies ist aber nichts Anderes, als der Begriff des Geistes. Der Vf. sucht dies (Seite 63 f.) wenigstens an einer Form des Geistes, an dem Selbstbewusstseyn oder dem Ich, anschaulich zu machen. Diese Form aber (fährt er fort) liegt uns für jetzt noch fern: der Geist muls anfangs noch mit der Natur behaftet oder verflochten erscheinen, d. h. so, dafs das Allgemeine und Einzelne einerseits zwar unterschiedene Momente, andererseits aber zu einer untrennbaren Einheit mit einander verbunden hat. In diesem Verhältnisse nun stehn der Leib und seine Seele, und,, der Geist erscheint also, weil seine Natürlichkeit ihn verhindert, sogleich als Geist zu erscheinen, zuerst als die Einheit eines Leibes und einer Seele, d. h. als natürliches menschliches Individuum." Leib und Seele sind keineswegs, wie man es am gewöhnlichsten fafst, zwei Verschiedene, deren Verbindung irgendwie Problem werden könnte, sondern sie sind Correlata, die nothwendig zusammengehören, so dafs Eines nicht ohne das Andere existirt: untrennbare Faktoren, die sich gegenseitig voraussetzen. Die Seele ist,, die innere Bestimmung, der innere Zweck des Organismus, d. h. die einfache Allgemeinheit, durch welche die einzelnen (Organe) ihre Bestimmung erhalten;" der Leib,, die Verwirklichung oder Bethätigung des Zweckes oder der Seele," sein Organ,,die Realität der Seele." Daher sich denn auch (S. 92 ff.) die rein psychologische Betrachtung auf der einen, und die anatomische Betrachtung auf der anderen Seite mit,, einer unwirklichen, nie und nirgend existirenden Abstraktion' beschäftigen. Die letztere betrachtet nicht den Leib, sondern das Cadaver, d. h. was Leib (lebendig) war, aber durch Kunst (2) zu etwas Todtem gemacht worden ist. Der Vf. setzt darauf seine Ansicht noch mehr ins Licht, indem er ihre Verhältnisse zu der gewöhnlichen Ansicht, zum Okkasionalismus, zur Hypothese von der prästabilirten Harmonie, so wie zu den Lehren Spinoza's und Leibnitzens entwickelt. Am engsten schliefst sie sich den beiden letzten an. Spinoza (sagt der Vf.) hat Recht darin, dafs Leib und Seele eines und dasselbe sind (die Seele nur die Idee oder der Zweck dieses bestimmten Organimus); er hat Unrecht nur, inwiefern er die Verschiedenheit lediglich in den Betrachtenden, in die Auffassung setzt, so dass sie für das Ding selbst gleichgültig ist, da vielmehr das Eine Ding, der Geist, die Nothwendigkeit hat, sich in diese beiden Formen zu dirimiren oder darin zu manifestiren. Dort ist das Ding weder Leib noch Seele, hier das Eine sowohl als das Andere. Bei Aristoteles nun findet sich, im Vorzuge vor Spinoza, auch die rechte Scheidung zwischen ihnen; und er fehlt nur darin, dafs nach ihm der denkende vous von aufsen hinzukommen soll,

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und nicht als die Einheit der beiden Momente gefafst wird, in die er auseinandertritt. - Im Folgenden berührt dann der Vf. die bekannte Frage nach dem Sitze der Seele. Dieser ist nirgends, oder auch überall, d. h. sie ist als der immanente, Alles durchdringende Zweck des Leibes das Allgegenwärtige, wogegen das Aufser - einander der einzelnen Organe keine Bedeutung mehr hat, und welches eben deshalb dem ganzen Organismus immanent ist. Hierdurch wird es jedoch nicht ausgeschlossen, dass ein Organ in gewisser Beziehung der Seele wesentlicher sey, als ein anderes; und in dieser Hinsicht hat die Seele so viele verschiedene Sitze, als es Organe giebt, oder auch als ihr Funktionen zukommen; daher es denn auch gar nicht zu leugnen ist, dafs mit der Zerstörung eines Organs auch ein Theil der Seele zerstört wird. Ďurch alle diese Betrachtungen nun ist die Begriffbestimmung für die philosophische An thropologie vollständig gewonnen. Sie bildet (S. 128) den ersten Theil der philosophischen Geisteslehre: denjenigen, welcher,, die nothwendige Entwickelung des mit der Natürlichkeit noch behafteten Geistes, oder, was dasselbe heifst, die dialektische Entwickelung des Geistes, sofern er sich noch als natürlich zeigt, darzustellen hat." Es fällt daher Alles aufserhalb ihrer, was es mit der Natur allein, wie sich in ihr noch nicht der Geist zeigt (den vitalen Erscheinungen), zu thun hat, und eben so Alles, was einen rein spirituellen Charakter an sich trägt (Selbstbewufstseyn, Willen, Gewissen). Das Ende der Anthropologie wird gebildet durch das Aufführen der Differenz zwischen den Faktoren des Geistes. Dieses ist innerhalb der Sphäre der Natürlichkeit in dem Indifferentwerden von Leib und Seele, d. h. im Tode gegeben, der eben darin besteht, dafs sie gegen einander gleichgültig werden: nicht mehr auf einander einwirken, und nicht mehr gegen einander reagiren. Im Tode erreicht die Seele eben so wohl ihr Ende, als der Leib. Auf der anderen Seite aber wird dadurch gerade der Geist über ihr Ensemble hinausgetrieben zu der wirklichen Identität des Allgemeinen und Einzelnen, zu dem Bewusstseyn oder dem Ich: der ersten Erscheinungsform des von der Natürlichkeit befreiten Geistes, und deren Betrachtung daber nicht mehr in die Anthropologie gehört.,,Weil der Geist, der eigentlich Identität beider ist, als Differenz erscheint, deswegen mufs erstlich das Aufhören der Indifferenz zur Erscheinung kommen, oder das Individuum aufhören, andererseits mufs die eigentliche Bestimmung des Geistes zur Erscheinung kommen, und sich also zeigen, dafs der Geist nur als Individuum aufhören mufs, als Bewusstseyn aber, wie vor, so nach dem Aufhören des Individuums ist; und so sind denn für den Einen Endpunkt der Anthropologie zwei Werthe gewonnen.

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Dies ist das Grundgerüst von des Vfs. dialektischer Entwickelung. Wir haben schon oben bemerkt, wie er dasselbe ansprechend zu bekleiden gewulst habe; und deshalb hat Rec. diese Schrift mit vielem Interesse und Vergnügen durchgelesen. Nur Eins

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