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ALLGEMEINE

LITERATUR ZEITUNG

April 1838.

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Der

(Fortsetzung von Nr. 64.)

er Homerische Katalog zeigt uns Griechenland als ein stark bevölkertes, mit zahlreichen, wohlgebauten, von starken oft cyklopischen Mauern umgebenen Städten erfülltes Land, ein Volk, welches

durchaus nicht mehr im Zustande der ersten Kind

heit gedacht werden kann, da die geordnete Staatseinrichtung, die Künste des Krieges und Friedens hinlänglich einen schon vorgerückten Culturzustand beurkunden. Hochgeehrt war bei ihnen der Sänger, der die Thaten der Vorfahren besang und dieselben den Enkeln überlieferte; lebendig erhielt sich in den Familien die Ueberlieferung von den Grofsthaten der Ahnen, so dafs der Vater dem Sohne die Ermahnung mitgab: stets tapfer zu seyn und sich würdig zu zeigen seiner Väter. Mag auch der Sänger manches verschönert und geändert, die Familienüberlieferung (welche da nur um so stärker ist, wo das Mittel schriftlicher Aufbewahrung fehlt) manches abund zugethan haben, immer treten die Heroen als Menschen mit menschlicher Gestalt und Gesinnung auf. Der ganze Zustand des Homerischen Volksund Familienlebens mufs 'nothwendig die Wirkung einer vorhergegangenen Ursache seyn und als solche erscheinen uns die Heroengeschlechter mit ihren wenn auch ausgeschmückten, erweiterten oder zusammengezogenen Thatenkreise. Alle symbolischastrologisch-allegorischen Gebilde hätten eben so wenig ein Staatsleben begründet, als die tiefsinnigsten naturphilosophischen Schemen im Stande sind, eine cyklopische Mauer zu bauen. Wie sehr aber dergleichen höhere Anschauungen bei unsern Landsleuten zur Mode gehören, kann man daraus sehen, dafs selbst der derbe ehrenfeste Siegfried unserer Heldensage dem Verhängnisse nicht entgangen ist, sondern ebenfalls allerlei lästige allegorisch-symbolische Verrichtungen übernehmen mufs. Wenn aber demnach auch bei allen Ausschmückungen immer ein gewisser historischer Stoff bleibt, so treten doch unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen, sobald es sich um chronologische Feststellung handelt. Dieses Element geht bei der Sage aus leicht begreiflichen Gründen in der Regel verloren.

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Die Pelasger in Italien werden kurz abgchandelt, ohne ein tieferes Eingehen und ohne neues Resultat.

II. Leleger (S. 34.), welche der Vf. für einen Zweig der Pelasger hält, in Lokris, Euböa, Megaris, Lakonien und Messene, Kleinasien und den Inseln, sie verschwinden nach und nach vor den Hellenen, deren Hörige sie werden, wefshalb Eratosthenes sie zu den ausgestorbenen Völkern rechnet. III. Kaukonen im Westen des Peloponnes; finden ebenfalls ihren Weg nach Asien. IV. Dryoper; ihre Genealogieen führen alle auf Pelasgischen Ursprung. Aoner. Temmiker. Hyanten.

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Hellenen. Nach dieser kurzen Uebersicht der frühesten Stämme gehen wir nun zur Betrachtung der Hellenen über, welche den Beginn ihrer Macht mit Deukalion bezeichnen. Die Abkömmlinge Deukalions bis zum Trojanischen Krieg sind uns auf folgende Art überliefert." (Folgt die Stammtafel.) So geht Clinton von den Urbewohnern Griechenlands zu den später herrschenden Stämmen über, ohne sich in tiefere Untersuchungen über das Verhältnifs der hellenischen zur pelasgisch-lelegischen Bevölkerung einzulassen. Zwar kommt er später noch einmal auf diesen Punkt zurück; aber auch hier ohne tiefer ein-, zudringen. So unangenehm ein solches Umgehen schwieriger Fragen auch seyn mag, so findet es doch genügende Rechtfertigung in dem Plane des Verfassers, der keine Untersuchungen über die Urgeschichte des Griechischen Volkes beabsichtigte, sondern nur eine Prüfung und Zusammenstellung der chronologischen Elemente. Die Tabelle, welche S. 40 bis 41 übersichtlich die hellenischen Stammeshäupter in genealogischer Folge von Japetus, Prometheus, Deukalion und dessen Nachkommenschaft darstellt, könnte zu manchen Betrachtungen und Einwürfen Anlafs gehen. Zwar ist der rastlose Fleifs und die unendliche Mühe nicht zu verkennen, welche erforderlich waren, um eine so zahlreiche in so vielen Zweigen herablaufende Familie auf eine Art zusammenzustellen, dafs sie sich wenigstens in die Möglichkeit einer Zeitrechnung füge. Allein 1) hat Clinton manche Linien ganz ausgelassen (eine jede neubinzukommende Linie vermehrt aber begreiflicherweise die Schwierigkeit.). 2) Hat er alle Verschwägerungen und sonstige synchronistische Incidenzpunkte übergangen, welche doch eben am augenfälligsten bei der Ausführung darthun, dafs diese Genealogieen sich hartnäckig aller Berechnung entziehen. 3) Vermifst man bei

Aufstellung dieser Tabellen die so nothwendige Kritik; indem Clinton dieselben zwar nach den Zeugnissen der Alten zusammengesetzt hat, aber auf die Art, dafs er von einem jeden eben nur das nahm, was sich am leichtesten fügte und dadurch die allerverschiedenartigsten Elemente zu einem monstrosen Ganzen vereinigte, ein Verfahren, welches durchaus nicht gebilligt werden kann. Trotz dem aber zeigen sich noch auffallendere Erscheinungen; es werden nämlich sämmtliche Linien bis auf den Trojanischen Krieg herabgeführt (nur einige um ein oder zwei Generationen weiter), so dafs alle Heroen, welche vor Ilium fochten, in Einer Linie stehen. Da fällt es denn gleich sonderbar auf, dafs z. B. zwischen Aeolus und Patroklus drei Generationen sind; eben so viele zwischen Aeolus und seinen Nachkommen Philoktet, Protesilaus und Eurypylus; dagegen zwischen Aeolus und Alkmäon sechs, zwischen Aeolus und Askalaphus sieben Generationen. Dieses scheint für eine chronologische Tabelle eben kein günstiges Verhältnifs zu seyn. Wir haben übrigens hier aufser dem Hauptstamme der Aeoliden, die Nachkommenschaft des Dorus und Xutbus, die Lokrische und Böotische Fürstenfamilie durch Amphiktyon, das Aetolische und Elische Königshaus, die beiden letzten indefs von zweifelhafter Abstammung, wenn sie auch durch die Protogenia an Deukalion geknüpft werden. Ueber Deukalion selbst aufsert sich der Vf. (S 42) auf folgende Weise: „Er ist Sohn des Prometheus, Prometheus Bruder des Atlas; dieser aber herrschte in Arkadien (wo die Pelasger uransässig); Prometheus selbst wohnte im Peloponnes; die Begleiter Deukalions waren Kureten und Leleger, also Pelasgischen Stammes; it seems, then, that Deucalion, the reputed founder of the Hellenes, may himself be traced to a Pelasgic original."

Als Beleg eines Mifsgriffes in Folge der oben erwähnten unterlassenen Kritik führen wir noch S. 50 not. g. an; hier heifst es: Der Krieg des Herkules gegen Neleus, den Nestor bei Homer II. X1,690 fgg. erzählt, soll veranlafst worden seyn, weil Neleus nach Apollodor- ihm die Sühnung wegen des Mordes des Iphitus verweigert habe; dieses stimme aber nicht mit Od. XXI, 14, aus welcher Stelle man sebe, dals Iphitus später gelebt habe. Diese Ergänzung der Homerischen Erzählung durch Apollodor ist schon von vorn herein ein Fehlgriff; Clinton hätte ganz einfach angeben sollen, dafs Apollodor Ansichten hineintrage, die Homer gar nicht kenne; ihm ist im allgemeinen religiöser Cultus im strengen Sinne des Worts ganz fremd, und namentlich findet sich von heiligen Lustrationen bei ihm keine Spur, wie Clinton ja selbst (Einltg. S. XIV.) nach Lobeck richtig bemerkt. Freilich wird man gerade bei diesen Untersuchungen nur allzuleicht in die Skylla gerathen wo man die Charybdis vermeiden will, immer aber scheint das Verfahren das gefährlichste, wenn man die verschiedenartigsten Trümmer mehrerer Gebäude zur Reconstruction Eines benutzen will. Da

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indef's Clinton in den in Bezug auf Quellen sehr reichhaltigen Noten die betreffenden Stellen der Alten mit ziemlicher Vollständigkeit gesammelt und in extenso mitgetheilt hat, so kann man doch mit anerkennendem Danke das Material benutzen, auch wo man mit dem im Texte vorgetragenen nicht einverstanden seyn kann.

Sehr oft tritt Clinton polemisch gegen K. O. Müller auf; namentlich erklärt er sich auch entschieden gegen die Ansicht dieses gelehrten Forschers, die freilich auch anderwärts den stärksten Widerspruch gefunden hat, über das Verhältnifs der Jonier zu den in Attika ureinwohnenden Pelasgern. Die Widerlegung der Dor. I. S. 237 fg. vorgebrachten Gründe verdient alle Beachtung.

Da Clinton bei seinen Untersuchungen so oft auf die Grundlage der Homerischen Gesänge zurückkommen mufs, so ist sehr zu bedauern, dafs er der Frage: ob wir in denselben eine Darstellung des Zeitalters des Trojanischen Krieges oder des Dichters haben? aus dem Wege gegangen ist; und doch mufste sie nothwendig von wesentlichem Einflusse auf den Gang der ganzen Untersuchungen seyn. Dieses ersieht man z. B. aus des Vfs. Darstellung von der Besitznahme Böotiens durch die Böoter, welche nach Thucyd. I, 12. erst im 60. Jahre nach Trojas Eroberung erfolgte, da doch im Homerischen Katalog schon ganz Böotien im Besitze der Böoter ist. Diese einzige Bemerkung hätte den Vf. schon auf eindringende allgemeine Forschungen über diesen Gegenstand führen sollen; der von Clinton eingeschlagene Weg, um der sich hier aufdrängenden Schwierigkeit auszuweichen (S. 67, e. folgg.), wird schwerlich von vielen betreten werden. Gelegentlich kommt Clinton einigemal auf die von uns berührte Frage; so widerlegt er z. B. S. 362, 9 die Ansicht Mitfords, als habe Homer vor der Rückkehr der Herakliden gelebt, und sagt bei dieser Veranlassung (S. 363): in reply to all this it may be said, that some of these things are omitted because the poet describes the manners of the Trojan times, and not the customs of his own. Nicht ganz übereinstimmend mit dieser Ansicht aufsert er sich S. 381, not. 1.: Some of the differences observed in the two poems (Ilias und Odyssee) may be attributed to the difference of the subjects; the one describing war, the other domestic life. The author of the Iliad adapts the manners to the age which he describes; the poet of the Odyssey more naturally introduces the luter manners of his own time. Den Beweis für die Behauptung bleibt er schuldig. Uebrigens enthält gerade der Theil des Werks, wo von den Verhältnissen Thessaliens zu Böotien die Rede ist (S. 68), mehrere schöne Notizen.

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Die Dorer werden von S. 69 an sehr kurz abgehandelt, und zwar, was zu verwundern, fast ohne Berücksichtigung Müllers, den er freilich auch bei Orchomenos nicht benutzt hat. Ueberhaupt bemerkt

man leicht, dafs er von den Hülfsmitteln, welche das Ausland bot, ungemein spärliehen Gebrauch macht; nur auf Clavier und Raoul Rochette wird oft Rücksicht genommen; dagegen scheint er die Forschungen Petit Radels (Examen analytique etc. Paris. 1827.), die doch mit den seinigen so ganz zusammenfallen, gar nicht gekannt zu haben.

Von S. 72. folgt die Darstellung des Hauses der Danaiden immer mit Hauptrücksicht auf Chronologie. Dafs hier besonders Herkules in Betracht kom me, versteht sich von selbst, und man wird gern zu gestehen, dafs hier geleistet sey, was mit Billigkeit verlangt werden kann; denn man wird hier ebenso wenig eine Entwickelung der allmählig sich bildenden Herkulesfabel, als ein Eingehen in das Mythologisch-symbolische erwarten. Ein Hauptpunkt ist auch hier Tlepolemos mit seiner Rhodischen Niederlassung. Bei der Wichtigkeit dieses Gegenstandes, der bei den Partheistreitigkeiten der neueren Zeit so verschiedenartig aufgefasst und benutzt worden ist, dürfte es nicht unzweckmäfsig seyn, hierbei einige Augenblicke zu verweilen. Ueberhaupt hat der Homerische Katalog von neuern Kritikern manche Anfechtung zu erdulden gehabt; but these charges, sagt Clinton S. 378, for the most part amount only to a general suspicion founded upon the nature of this part of the Iliad, and upon the supposed facility with which insertions might be made. Er hätte hierbei noch besonders hervorheben sollen die angebliche Nationaleitelkeit der Griechischen Völkerschaften, welche alle mit ihren Stammeshäuptern im Kataloge aufgeführt seyn wollten. Freilich eine sonderbare Eitel keit der Einwohner von Syme, ihren Nireus ver ewigt zu sehen! Besonders hat man Anstand genommen, die von den Inseln des Aegäischen Meeres, von Rhodus, Kos, Karpathus, Syme, herkommenden Fürsten aufzunehmen, ohne jedoch den Kretensern nur die mindeste Schwierigkeit zu machen; und doch sind gerade die von jenen Inseln (mit Ausnahme von Rhodus) Kommenden diejenigen, welche durch Einschwärzung am wenigsten gewonnen hätten. Sehr richtig bemerkt Clinton a. a. O.: One or two instances are recorded, as that in the time of Solon; and, if others had been attempted, we should probably have heard of them. Nor is the catalogue such as to justify the suspicion. We may assume the space between Lycurgus and Solon as the period within which, from the extended fame of the Iliad, the national vanity might desire to be commemorated. But the catalogue celebrates few of those who then had the ascendancy in Greece. It contains for the most part the names of extinct or exiled or conquered dynasties, of those who had either retired to distant settlements, or had been reduced to bondage at home, while the chief sway in

Greece was now in other hands.

Betrachten wir nun insbesondere mit unbefangenem Auge die Stelle bei Homer II. II, 653 fgg., so wird wohl nicht leicht in Abrede gestellt werden

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können, dafs hiernach Tlepolemos in Argos geboren. und ergogen hier den Likymnios erschlug, die Schiffe zimmerte und mit dem hier gesammelten Volke nach Rhodus auswanderte. Den Mord des Likymnios verlegt Pindar Ol. VII. nach Tiryns; auf Argivischem Grund und Boden kennt Pausanias (II, 22, 8.) dessen Grabmal. Nach allen diesen Umständen ist mit Unbefangenheit durchaus nicht anzunehmen, dafs Tlepolemos anderes Volk mit sich geführt habe, als Argivische Pelasger. Diejenigen, welche ihm sogleich Dorier mitgeben, sehen sich genöthigt, den Katalog der Rhodier für ein untergeschobenes späteres Machwerk zu erklären. Dor. 4, 108 fg.:,,der mythische Held Tlepolemos Daher sagt Müller komme von Argos, wie die geschichtliche Colonie, nicht genöthigt als von Rhodos kommend anzusehen; nur früher. Den Tlepolemos II. V. sey man aber der später gedichtete Katalog der Rhodier gebe keinen Grund dazu." (Vergl. auch Aeginet. p.43.) Doch wird gleich darauf gefulst auf,,die Angabe, dafs Tlepolemos Kolonie sich dreifach sondert nach den Stämmen des Volkes, woraus sehr deutlich hervorgehe, dafs man sich ihn immer als dorischen Fürsten dachte." Für die Behauptung späterer Dichtung des Rhodischen Katalogs ist weiter kein Grund vorhanden (der vom 670. Verse hergenommene kommt kaum in Betracht) als- ist er echt, so konnte Tlepolemos keine Dorier führen; nun aber soll. (nach jener Meimang) Tlepolemos Dorier geführt haben; folglich ist der Katalog nicht echt. Einmal angenommen, er aus Rhodus vor Troja gezogen - dort war er gewils sey erst später hinzugedichtet und Tlepolemos nicht (11. V.), woher kam er also? Der gewaltige Heraklide, s te péyaç tɛ, (628) machte den Krieg gewifs nicht als Freiwilliger, sondern als Heerführer mit. War aber der Katalog eine spätere Interpolation, so fragt sich, von wem soll dieselbe herrühren? War er ein späteres Machwerk, so ist schon von vorn herein anzunehmen, dafs der Fälscher, welcher in Argos die Dorier vorfand, dem Tlepolemos Dorier mitgegeben haben werde. Ein besonderes Interesse die Rhodische Kolonie des Tlepolemos in den Homerischen Katalog einzuführen können wir nur bei den späteren Rhodiern oder den Peloponnesischen Herakliden voraussetzen; beide aber konnten ihrem Stammesstolze nur in dem Falle geschmeichelt fühlen, wenn Tlepolemos Dorier führte; da er aber nach jener Stelle unzweifelhaft Argivische Pelasger führt, was für ein Grund der Interpolation bleibt da denkbar? Also gerade die Art der Abfassung des Katalogs der Rhodier spricht auf das stärkste dafür, dafs er nicht eine spätere Dichtung, sondern vollkommen echt und alt sey. Höchstens kann man zugehen, dafs der letzte Vers, der aber ohne Einfluss auf die Hauptfrage ist, späterer Zusatz sey; nothwendig ist aber auch dieses Zugeständnifs nicht.

Was die dreifache Eintheilung betrifft, so kann toixù any dev zatagvladóv (668) kaum anders gefalst werden, als 655 dià Toiya xooμndértes, weil

sie die drei Städte, Lindos, Ialysos und Kamiros, bewohnten. Wie gefährlich aber das Spiel sey, aus gewissen Zahlenverhältnissen geschichtliche Folge rungen ziehen zu wollen, ist schon von andern deutlich genug gezeigt worden. Es fehlt namentlich in dieser Untersuchung selbst angenommen, dafs die dreifache Eintheilung der Rhodier auf einer Stammverschiedenheit beruht habe der Beweis, dafs nur die Dorier die Dreitheilung gehabt hätten; vor der Hand kann nichts weiter zugegeben werden, als dafs auch die Dorier sie hatten. Die Dreitheilung der Tlepolemischen Rhodier nöthigt uns indefs keinenfalls, mit Müller zu einer chronologischen Inconsequenz oder einem Anachronismus unsre Zuflucht zu nehmen; die mythische Geschichte von Argos selbst begründet dieselbe schon hinlänglich; denn wir finden hier lange vor der Ankunft der Dorier eine Dreitheilung des Reichs, und man wird es viel leicht nicht für ganz verwerflich halten, wenn man sich die drei Könige in Argos neben einander auf die Verschiedenheit dreier Stämme beruhend denkt, eine Verschiedenheit, welche auch Homer (II. II, 563) durch die drei Argivischen Häuptlinge angedeutet haben könnte. War nun demnach Argos in drei Herrschaften oder Stämme getheilt (die gerade nicht genealogisch verschieden zu seyn brauchten), und sammelte Tlepolemos, wie Homer dieses erzählt, in Argos seine Kolonisten, so ist durchaus nichts auffallendes dabei, nichts was uns an die Dorier zu denken nöthigt, wenn diese drei Stämme auch in der Kolonie sich gesondert hielten und sie ihre Städte bauten τριχθὰ καταφνλαδόν. Uebrigens ist diese Dreitheilung eines Staates keineswegs so unerhört wie Pausanias (II, 18, 4) meint, und eben so wenig aus schliefsende Eigenthümlichkeit der Dorier, wie andere anzunehmen scheinen. Man findet sie auch in dem vordorischen Trözen (Pausan, II, 30, 8) und in Elis (Pausan. V, 1, 7. 8.).

Es dürfte selbst nicht ganz ungeeignet seyn, gegen die ursprüngliche Eintheilung der Dorier in drei Stämme Zweifel zu erheben; denn wenn wir auch in späterer Zeit überall bei den Doriern die Hylleer, Pamphylen und Dymanen finden, so sind wir dadurch doch keineswegs berechtigt, diefs auf eine ursprüngliche Einrichtung zurückzuführen; ja diese Eintheilung scheint überhaupt nicht älter seyn zu können, als die Zeit wo die Herakliden in die engere Verbindung mit den Doriern traten; deun wie konnte es Hylleer geben vor Hyllus? Sollte man aus dem letzten Umstande nicht schliefsen dürfen, die Dorier seyen eigentlich nur in zwei Stämme zerfallen, die Pamphylen und Dymanen, als deren Repräsentanten in der alten mythischen Sprache die beiden Söhne des dorischen Stammesfürsten Aegi.

mios erscheinen, (vgl. Clinton S. 109, e.) während die Hylleer späterhin, das heifst nach den Eroberungskriegen des dorischen Volkes, der vornehmste Stamm, ursprünglich gar nicht dorisch, sondern vielleicht achäisch gewesen sey n könnte, und sich erst von der Zeit an als dorisch geltend machte, wo die Herakliden in engster Verbindung und an der Spitze des dorischen Bergvolkes ihre Macht im Peloponnes begründeten. Dafs aber der fremde Stamm der vornehmste wurde, darf eben so wenig befremden, als dafs in Trözen die Pelopiden den Vorrang erhielten vor den eingebornen Landesfürsten (Pausan. II, 30, 8). Da man übrigens in dieser Untersuchung ein so grofses Gewicht auf Zablenverhältnisse gelegt hat, so darf man wohl auf die dorische Tetrapolis am Oeta verweisen, welche Andron, wie Strabo X, 476 mit dem Ausdruck der Misbilligung anführt, zu einer Tripolis machte. Wäre die Dreizahl bei den Doriern ursprünglich so hoch in Ehren gewesen, so würden sie gewils auch bei der Zahl ihrer Städte Rücksicht darauf genommen haben, wie wir diefs bei den Ioniern in Europa und Asien sehen; und wie viel mehr müfste diefs bei den Doriern der Fall seyn, wo man ja drei abgeschiedene Stämme annehmen soll!

Clinton übergeht alle diese Fragen mit Stillschweigen und beschränkt sich auf folgende Aeufserung:,, Die Begleiter des Tlepolemos mögen Abentheurer aus verschiedenen Staaten gewesen seyn; aus Homer geht hervor, dafs er aus Furcht vor den andern Kindern des Herkules geflohen sey, und sich dem Zuge gegen Troja anschlofs, an welchem jene keinen Theil nahmen. Er hat sich also von den übrigen Herakliden abgesondert, und aus diesem Grunde mag er aus Argos ausgegangen seyn und Argiver unter seinen Begleitern gehabt haben. Darunter mögen auch manche Dorier gewesen seyn, und die dreifache bei Homer erwähnte Eintheilung deutet an,

dafs er seinen neuen Staat nach dem Muster der Dorier bildete, bei denen die Eintheilung in drei Stämme üblich war." (S. 79.) Eine gewifs sehr ungenügende und in sich selbst zerfallende Darstellung! Wenn die Dorier wirklich damals schon die Eintheilung ihrer Staaten nach drei Stämmen in Gebrauch hatten, so wär diefs sehr natürlich, eben weil sie in drei Stämme zerfielen. Wie sollte aber Tlepolemos auf diesen Einfall gekommen seyn, Er, dessen Begleiter aus Abentheurern verschiedener Völker bestanden haben sollen, gen auch einige Dorier darunter gewesen seyn? Und das zu einer Zeit, wo die Institutionen des dorischen Bergvolks durchaus noch nicht zu der Berühmtheit gelangt waren, welche dieselben später auszeichnete, nachdem sie erst im Peloponnese, besonders Sparta, ihre Ausbildung erlangt hatten. (Der Beschlufs folgt.)

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April 1838.

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on S. 80 an folgt das Haus des Pelops, von S.85 Kadmus und seine Nachkommenschaft. Das Unsichere und Bodenlose aller genauen Berechnungen in dieser Periode, welches sich freilich überall deutlich genug herausstellt, kann man besonders bei dem Thebanischen Königshause sehen. Die Parische Chronik setzt den Kadmus 310 Jahre vor den Trojanischen Krieg; Eusebius an einer Stelle 273, an eiDer andern 247 Jahre vor d. Trojan. Krieg. Clinton meint, alle diese Angaben seyen unverträglich mit den Ueberlieferungen von Kadmus und seinen Nach kommen. Er argumentirt so:,, Wir haben gesehen, Wir haben gesehen, dafs Eteokles im ersten Thebanischen Kriege fiel, ohngefähr 30 Jahre vor der Trojanischen Periode. Zwischen Kadmus und Eteokles waren vier Zeugungen, Polydor, Labdakus, Laius, Oedipus; von diesen waren der zweite und dritte minderjährig unter der Obhut desselben Vormunds; Laius ward erschlagen, Eteokles fiel in der Schlacht. Wir können demnach auf den Zeitraum zwischen der Ankunft des Kadmus und dem Tode des Eteokles nicht mehr als ein Jahrhundert rechnen, wonach Kadmus gegen 130 Jabre vor d. Trojan. Krieg zu setzen wäre, und die ses Jahr wird von Kastor bei Eusebius angegeben. S. 85. Alle diese Berechnungen haben in der Hauptsache keine andere Unterlage als eben die Genealogieen, und da sehen, wir denn, dafs ein Chronolog die Zeit der Ankunft des Kadmus auf 310, der andere aus denselben Prämissen auf das Jahr 130 vor dem Trojanischen Kriege setzt, macht bei 300 Jahren eine Differenz von 180 Jahren. Petit-Radel setzt die Geburt des Kadmus in das Jahr 350 vor d. Trojan. Kr.; er wäre demnach als Vierziger nach Griechenland gekommen; die Geburt des Eteok les setzt er in das Jahr 90 vor d. Trojan. Kr.; er wäre also in einem Alter von 60 Jahren geblieben. Zwischen der Geburt des Kadmus und der des Etcokles aber hat Petit- Radel 260 Jahre, oder zwischen der Ankunft des Kadmus und dem Tode des Eteokles 280. In der That ein wenig erfreuliches Resultat! An sich hat ohne Zweifel die Clintonsche Berechnung die grössere Wahrscheinlichkeit; aber alle diese Zeitbestimmungen scheitern, sobald man die Synchronismen mit in die Berechnung zieht, und doch ist es unmöglich die

Genealogie irgend einer Familie losgerissen für sich zu betrachten.

Es folgen S. 88 fgg. die Arkadischen Könige; dann von S. 92 Folgerung aus den vorhergehenden Untersuchungen. Hier setzt der Vf. ziemlich ausführlich, doch ohne tiefere Forschung, die Ansicht auseinander, Pelasger, Leleger, Dryoper, Aonen gehörten zu demselben Hauptstamme, zu welchem die Hellenen; die Pelasgische Sprache war der Aeolische Dialekt. Die für letzteres vorgebrachten Gründe und die Widerlegung der Gegengründe sind von der Art, dafs sie vollkommen befriedigen können. Ueber den Ursprung der Pelasger, über den Ham, Japhet, Poleg, über die Zuverlässigkeit der Mosaischen Völkertafel ist Clinton (und zwar mit Recht) ganz kurz, aber doch noch zu lang; in Deutschland wenigstens dürften nicht viele Geschichtschreiber mehr auf dem rechtgläubigen Standpunkte steben, um Moses in einer solchen Untersuchung als an inspired writer anzuführen.

Wir kommen nun zum zweiten Abschnitt der in diesem Bande behandelten Periode, von der Eroberung Troja's bis zur Jonischen Wanderung oder der Bevölkerung der Kleinasiatischen Küste durch Jonische Kolonieen. (S. 99 fgg.) Clinton bebandelt seinen Gegenstand in der Ordnung, (oder vielleicht richtiger Unordnung), dafs er zuerst von den Aeolischen Kolonieen, dann von der Rückkehr der Herakliden, ferner von den Jonischen Kolonieen (alles dieses mehr Aufzählung mit reicher Materialsammlung, als eigentliche Forschung, mit Ausnahme jedoch der chronologischen Momente), endlich von der Epoche des Trojanischen Krieges spricht. Es scheint sonderbar, dafs davon erst hier die Rede ist; allein diese Anordnung ist im ganzen Gange der Untersuchung begründet. Die Chronologie der Griechischen Geschichte zerfällt nämlich in zwei von einander gänzlich unabhängige Perioden. Die erste, die mythische Zeit umfassend, hat zum Bestimmungspunkt den Trojanischen Krieg und man rechnet aufwärts und abwärts von demselben nach Generationen oder hiernach reduzirten Jahren. Diese Periode schliefst mit der Jonischen Wanderung nach Kleinasien, d. h. 140 Jahre nach dem Trojanischen Kriege. Die zweite Periode, in welcher die beglaubigte Zeitrechnung ist, beginnt mit der ersten gezählten Olympiade, der des Koröbus, im Jabre 776 vor Chr. Zwischen diesen beiden Perioden liegt aber ein Zeitraum von unbestimmbarer Länge, indem sich die Zeit zwischen dem niedrigsten Punkte der ersten Periode (=Jonische Wanderung) nnd dem höchsten der zweiten

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