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ALLGEMEINE LITERATUR ZEITUNG

April 1838.

BIBLIS CHE LITERATUR. 1) TÜBINGEN, gedr. b. Osiander: Ueber das Zeitalter Obadja's Von Dr. G. F. Jäger, Prof. zu Tübingen. 1837. 52 S. 4.

2) KÖNIGSBERG, b. Bornträger: Obadiae prophetae oraculum in Idumaeos, huius populi historia perscripta, et versionibus antiquissimis commentariisque tam patrum eccl. quam interpretum recentium adhibitis, in linguam latinam translatum et enucleatum a C. L. Hendewerk, theol. Licent, et philos. Doct. in acad. Albertina, 1836. XXII u. 153 S. 8. (1 thl.)

Hr.

1) r. Jäger hatte schon in den Jahren 1823 und 1827 in zwei Programmen de ordine prophetarum minorum chronologico gehandelt und einen Auszug davon in der Tübinger theologischen Zeitschrift Jahrg. 1828 H. 2 gegeben. Diese seine frühere Untersuchung betraf nur die vorexilischen unter den kleinen Propheten, nämlich: Joel, Amos, Hosea, Micha, Nahum, Zephanja und Habakuk. Von Obadja wurde damals vorausgesetzt, dafs er, wie das die herrschende Meinung ist, erst nach dem Untergange des judäischen Staates geschrieben. Eine nähere Untersuchung aber führte den Vf. auf das Resultat, dafs Obadja vielmehr in frühere Zeit, nämlich zunächst nach Joel und noch vor Amos, also zwischen 800 und 790 vor Chr. zu setzen sey. Und dies ist es, was er in vorliegendem Promotions - Programme der philosophischen Facultät zu Tübingen nachzuweisen sucht. Da ist denn zuerst nöthig geworden, das Verhältnifs des Obadjanischen Orakels gegenüber dem entsprechenden Orakel des Jeremia (Cap. 49, 7 ff.) von neuem in Betracht zu ziehen und für jenes den Character der Originalität, für dieses den der Imitation darzuthun. Dies mufste dem Vf. leicht gelingen, denn in Bertholdt's (und Theiner's) Beweisführung für das umgekehrte Verhältnifs jener beiden Stücke liegt ein leicht zu erkennender Cirkel, und Credner's und Hitzig's Argumentationen beruhen gleichfalls auf leicht zu beseitigenden Stützen. Die scheinbarsten Gründe für diese Ansicht hat v. Cölln aufgestellt in dieser A. L. Z. 1828. E. B. Nr. 16 (vgl. dessen bibl. Theol. I, 55). Dies ist Hn. J. entgangen, aber es hält nicht schwer, auch die dort vorgetragenen Einwürfe zu widerlegen. Nun findet Hr. J. vor allem, dafs Jeremia das Orakel gegen Edom schon vor Jerusalem's Zerstörung gesprochen, und um so mehr also Obadja das seine, da es das

Vorbild des erstern ist. Hr. J. stützt sich auf die Stelle Jerem. 49, 12, wo er übersetzt: „Siehe, die, welchen es nicht gebührt zu trinken den Kelch, werden trinken, trinken" u. s. w. an int bezieht sich offenbar, wie Hr. J. meint, auf die Zukunft, also: (die Juden) werden (erst noch) den Kelch trinken d. b. So schliefst Hr. J. Gottes Strafgericht erfahren. Allein dagegen erheben sich folgende Bedenken. Einmal zugegeben, dafs die Beziehung auf die Juden aufser Zweifel sey: wie, wenn Jeremia etwa sagen wollte: Siehe, die, welchen es nicht gebührt (oder: gebührte) zu trinken den Kelch, sie sollen ihn trinken (oder auch: sie trinken ihn), und du willst frei ausgehen? Hr. J. wird zugeben, dafs diese Erklärung grammatisch eben so viel für sich hat als die seine. Dafs er diesen Gebrauch der Futur-Form kennt, hat er selbst in Anm. 27 S. 21 gezeigt._So konnte sich aber Jeremia auch nach Jerusalem's Zerstörung ausdrücken. Und warum könnte er nicht, wenn er damit auch wirklich auf die Zukunft deutet, das Schicksal der nach Aegypten geflüchteten Juden im Auge gehabt haben? Dann hätte Jeremia dies Orakel kurz vor dem Zuge des Nebukadnezar nach Aegypten, im 4ten oder 5ten Jahre nach Jerusalem's Zerstörung gesprochen, wie ja die beiden nächst vorhergehenden Orakel gegen Moab und Ammon vermuthlich in dieselbe Zeit fallen. Denn es ist gewils mifslich, wenn der Vf. annimmt, dafs alle diese Orakel von Cap. 46 bis 49, 33 in die Zeit gehören, in welche das erste derselben ausdrücklich gesetzt wird (46, 2), nämlich in's 4te Jahr des Jojakim. Und wenn gar Cap. 25 etwas beweisen sollte, so müfste auch das Stück über Elam (49, 34 ff.) dabin gehören, da Elam dort so gut genannt wird wie Edom, Moab u. s. w., und doch gehört es nach der Aufschrift in das erste Jahr des Zedekia. Und ist denn endlich in obiger Stelle die Beziehung auf die Juden durchaus nothwendig? Hr. J. giebt selbst S. 17 Anm. 19 die Möglichkeit zu, dafs der Sinn,,im Allgemeinen" sey: die Edomiter hätten solch Schicksal vor allen andern Völkern verdient! Hiernach könnte man auch erklären: die Völker, die es nicht so wie du verdienen, den Kelch zu trinken, die werden ihn trinken, und du wolltest dem entgehen? Indessen scheint uns die Beziehung auf die Juden allerdings vorzüglicher.

Doch der Vf. will seine Ansicht auch durch Obadja's Text allein schon bewährt finden. Sein Verhalten ist aber hier meistens ein blos negatives. So sucht er den Eindruck, den Obadja's Orakel, besonders Vs. 11 und 16, fast unwillkürlich auf den

Leser macht, dafs man nämlich die Beziehung auf ches einwenden, sie könnte ohnedies auch bestehen, die letzte Katastrophe des judäischen Staats darin wenn Obadja nach Jerusalem's Zerstörung gesprofindet diesen Eindruck sucht der Vf. dadurch zu chen. Aber eben so wenig sind die gegen die Schnurneutralisiren, dafs er alles, was dahin wirkt, allge- rer'sche Erklärung S. 27 aufgestellten Einwürfe vermeiner und unbestimmter auffafst. Allein es kann mögend, dieselbe zu vernichten. Denn dafs die Juerstlich von der prophetischen Rede nicht verlangt däer gerade auf Jehova's heiligem Berge (oder beswerden, dafs sie ausdrücklich historische Details ser: um dieses beiligen Berges willen) den Leidensvorführe, da im Gegentheil eine blos oratorische kelch geleert, ist bei der angenommenen Situation Andeutung an der Stelle ist, zumal wenn es sich, gewifs kein leerer Zug. Auf den zweiten Theil des wie hier, um ein Factum handelt, welches wie mit Vergleichs braucht man diesen Zusatz gar nicht ausbrennender Schrift dem Publicum des Propheten in's zudehnen, obwohl auch dies, wenn man nur y Bewusstseyn geschrieben ist. Wenn aber, zweitens, durch wegen erklärt, nicht ganz unpassend seyn Obadja zur Bezeichnung der Sache sich einiger Aus- dürfte. Damit fällt dann auch des Vfs, dritter und drücke bedient, die schon ein älterer Prophet (Joel) vierter Einwurf weg. Vs. 17 (und 18) aber, wo der zur Schilderung ähnlicher Verhältnisse verwendet Vf. die Voraussetzung der noch nicht erfolgten Verhat, und die ein späterer Schriftsteller, der Chro- nichtung Jerusalem's findet, enthalten vielmehr die nist nämlich, sich abermals erborgt, um sie bei wie- Weissagung, die ja öfter auch von andern Propheder anderer Gelegenheit anzubringen, so folgt daraus ten ausgesprochen wird, dafs nach den göttlichen noch durchaus nicht die Identität der gleichartig ge- Strafgerichten eine Zeit kommen soll, wo die Bürschilderten Verhältnisse oder auch nur ihre Zeitnähe. ger der beiden zerfallenen Reiche Ephraim und Juda Und so haben also die S. 20 angezogenen Parallelen in Einigkeit den Glanz der Davidischen Periode dieser Art weder Zug noch Schwere genug für die zurückführen werden. In dem schwierigen 20. Verse Beweisführung des Vfs. Eben so vergeblich dünkt nimmt der Vf. die Israeliten nicht für Büruns das Streben, die so inhaltsschweren Worte des ger des nördlichen Reichs im Gegensatz zu abw7, 12ten, 13ten und 14ten Verses des Obadja in's All- sondern diesem letztern ungefähr gleichbedeutend, gemeine und Leere herabzuziehen. Freilich ist ja nämlich für Judäer, und nach statuirt er die gewifs, dafs Juda auch vor seiner politischen Ver- Ellipse von, welches sich aus nb von selbst nichtung schon manchmal seinen Tag gehabt, aber ergeben soll. Er übersetzt demnach:,,Und die Gewo wäre ein solcher (NB. als Factum) geschildert fangenen jener Schaar von Söhnen Israels, die die als,,der Tag des Bruder's Edom's, der Tag seines Canaaniter (scil. weggeführt) nach Sarepta, und die Unglücks, der Tag seines Verderbens" ( Gefangenen Jerusalem's, die in Sepharad: die wer(77 1 Vs. 12 und dreimal Vs. 13!)? Der Vf. den die Städte des Süden's besitzen." Allein jene i führt S. 23 f. fünf Plünderungen Jerusalems vor, wo- Ellipse bleibt immer hart, und dafs hier ein Gegenvon aber die beiden letzten nach seiner Ansicht vom satz der beiden Reiche beabsichtigt sey, darf man Zeitalter des Obadja gar nicht in Betracht kommen theils aus dem doppelt (sich gegenüber) gesetzten dürfen und von den erstern dreien sich zwei (unter, theils aus der in Vs. 18 ganz deutlich gegebeJoram und Amazja) nur auf den Bericht der Chronik stützen und, da sie in den ältern Geschichtsquellen übergangen werden, wohl wenigstens nicht so aufserordentliche Data gewesen, so dafs fast nur die Eroberung durch Sisak unter Rehabeam übrig bleibt. Und welche Rolle spielte denn damals Edom dem judäischen Reiche gegenüber? Die Stütze, die der Vf. in dem allgemeinen Ausdruck Vs. 15 zu gewinnen sucht, entzieht er sich zum Theil selbst wieder (S. 25), und man darf sich schon darum nicht darauf stützen, weil damit wirklich die Allgemeinheit des Strafgerichts bezeichnet werden soll und weil überdies vielleicht der Prophet die specielle Bezeichnung der mächtigen Oberherren, der Chaldäer, absichtlich vermied, wie z. B. in ähnlicher Lage der Verfasser der Stelle Jes. 24, 21. Bei Vs. 16 kann der Vf. die Schnurrer'sche Erklärung, welche an auf die Judäer bezieht, natürlich für seine Ansicht nicht gebrauchen, er giebt daber folgende: denn, wie ihr (Edomiter) getrunken d. b. Strafe erduldet haben werdet wegen (5) meines heiligen Berges (d.i. wegen der Mifshandlung meines Volkes, meiner Stadt), so werden alle Völker trinken etc. Sprachlich lúfst sich gegen diese Erklärung nichts Erhebli

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nen Entgegensetzung von Jakob (d. i. vorzugsweise Juda, vgl. Nah. 2, 3) und Joseph mit hinlänglicher Sicherheit schliefsen. Bei Joel (4, 1. 2) ist die Sachlage eine andere und selbst der Ausdruck verschieden. Der Parallelismus aber hat bekanntlich bei den Propheten eine freiere Form, was der Vf. selbst einmal zu Gunsten seiner Ansicht geltend macht, und er läfst sich hier allerdings anders reguliren, als der Vf. gethan. - Am meisten steht nun aber, wenn man das Einzelne in Betracht zieht, der 18. Vers der Meinung des Vfs. entgegen, und er findet ihn selbst so widerstrebend, dafs er die Behandlung desselben bis zuletzt aufspart, gleich als sollte das ganze Gewicht der voraufgegangenen Demonstrationen dieser schwächsten Stelle zu Hülfe kommen. Die Bedenklichkeit, als könne dieser Vers mit Vs. I und 7 in Widerspruch stehen, widerlegt der Vf. sogleich selbst S. 41. Dem 19. V. aber widerspricht er nur bei der Erklärung, die der Vf. giebt, indem er ihn so auffafst: „Der Süden (Judäa's) soll Edom erobern, die Niederung (als Theil Juda's) soll Philistäa, und Benjamin soll Gilead erobern." Vielmehr mufs man n durch mit, sammt übersetzen. Der Sinn ist: Israel wird (nach seiner Restitution) den Süden sammt

(dem angrenzenden) Edom und die Niederung sammt Philistäa besitzen und nicht minder Ephraim und Samarien und Benjamin sammt Gilead (wird Israel besitzen). Diese Erklärung fordert der 18. Vs. und sie ergiebt sich zugleich aus der Situation des Orakels, welches eben in eine Zeit fällt, wo weder der Süden noch die Niederung, noch auch die Gebiete Ephraim und Benjamin und Gilead mehr im Besitz der Israeliten waren. Die Uebriggebliebenen von Israel, sowohl die vom judäischen als die vom ephraimitischen Reiche sollen dann, wenn die Zeit der Restitution kommt, einer rings zehrenden Flamme gleich, wieder Platz greifen in dem ihnen zugehörigen Gebiete, aus welchem sie vertrieben worden (Vs. 18). Dals aber Haus Jakob und Haus Joseph Vs. 18 nur Ein Subject seyen, bemüht sich der Vf. vergeblich durch Vergleichung von Jes. 10, 17 darzuthun.

So scheint uns denn auch die Beweisführung aus den letzten Versen nicht hinreichend zu seyn, um die andere Ansicht zu widerlegen. Aber die Anerkennung räumen wir dem Vf. sehr gern ein, dafs er die Aufgabe, die er sich gestellt, mit Fleifs, Kenntnifs und Sorgfalt, ja wir fügen hinzu, mit einigem Glück behandelt hat, sofern seine Argumentation nicht ohne Scharfsinn ist und so viel Consequenz hat, dafs sie wenigstens die herrschende Ansicht aus ihrer sichern Ruhe schrecken und sie zwingen wird, sich zu waffnen und zu wahren, was nur zu tieferer Begründung der Wahrheit führen kann. Die letzte Partie der Abhandlung zeigt nun noch, wie Obadja mehrfach von Joel, und nicht so von Amos abhängig ist, woraus dann eben, wie schon oben bemerkt, seine Stellung zwischen diesen beiden Propheten gefolgert wird, eine Folgerung, die nur dann allenfalls gestattet seyn könnte, wenn der vorangehende negative Beweis sichern Bestand hätte.

In den zum Theil sehr ausführlichen Anmerkungen, 77 an der Zahl, giebt der Vf. manche gute Erörterung einzelner Stellen sowohl des Obadja als anderer biblischer Bücher, sie zeugen von sorgfältiger Beobachtung des hebräischen Sprachgebrauchs und von strenger Handhabung der Grammatik, wiewohl Rec. mehreres anders ansieht, als der Vf., z. B. die Etymologie von S. 23, die Stelle Hiob 6, 13 S. 38 u. anderes. Bei Anm. 9, wo den Edomitern und Themanitern die Weisheit oder vielmehr der Ruf ihrer Weisheit bei den Hebräern abgesprochen wird, möchte die nicht berücksichtigte Stelle I. Kön. 5, 10, sowie die Wahrscheinlichkeit eines ironischen Seitenblicks bei Obad. 8 nach Analogie von Jes. 19, 11 f. zu bedenken seyn. Die Schreibung Aposiop ö sis S. 38 ist wohl Druckfehler.

2) Wenn wir es bei der Schrift Nr. 1 mit ausführlicher, aber consequenter und öfter scharfsinniger Durchführung einer neuen Hypothese zu thun hatten, so enthält dagegen der früher erschienene Commentar des Hn. H. nur zu viel altes und abgelebtes Material, welches den Leser, dem es um das Verständnifs des behandelten Textes zu thun ist, um so mehr stört und zerstreut, je breiter, abgerissener

und schwerfälliger auch die stilistische Fassung ist, in welcher die Darstellung des Vfs. sich bewegt. Einem guten Theile nach liegt diese Schwerfälligkeit in den zu häufig eingestreuten oft sehr langen wörtlichen Anführungen aus anderen, nicht blos lateinischen, sondern auch griechischen und deutschen Büchern. Vieles davon hätte der Vf. in seinen eignen Vortrag verarbeiten sollen, da das wörtliche Herübernehmen solcher Stellen oft gar nicht nöthig war. Den zweiten Anhang hat der Vf. geradezu in deutscher Sprache geschrieben, weil er gegen Hitzig's deutsch abgefafsten Commentar zum Jesaia gerichtet ist. Doch wir wenden uns zum Inhalte selbst. Die Vorrede enthält zweierlei, etwas über die Auslegung der hebräischen Propheten überhaupt, und eine Declamation über die hebräischen Tempusformen. Jenes ist fast nichts als Polemik gegen Hitzig, der sich dagegen leicht selbst vertheidigen wird, wenn er es der Mühe werth hält. Das Gerede aber, welches den Gebrauch der Tempusformen betreffen soll, ist ein leidiger Versuch, in diesem der Grammatik und Exegese so wichtigen Puncte die alte Confusion wieder auf den Thron zu setzen. Es ist betrübend, zu sehen, wie Hr. H. trotz der philosophischen Studien, auf die er sich etwas zu gute zu thun scheint, hier seine ganze stumpfe Seite herauskehrt, um den specifischen Unterschied der beiden hebräischen Tempusformen wo möglich völlig zu ignoriren und zu leugnen, indem er den Satz aufstellt, dafs jene beiden Formen promiscue gebraucht und „proprie et primitus" ohne allen Unterschied gesetzt worden seyen. Rec. würde es für verlorene Mühe achten, wenn er hier allen Ernstes auf Widerlegung der lückenhaften und oberflächlichen Behauptungen des Vfs. eingehen wollte, da wohl jeder Kenner darin einverstanden ist, dafs man vielmehr darauf bedacht seyn müsse, die gewonnenen sichern Resultate vom Gebrauch jener beiden Formen weiter zu führen und im Einzelnen noch näher zu bestimmen. Wir geben dem Vf. nur das eine zu bedenken, dafs ja allerdings die semitische Tempus- und ModusBildung (letztre erkennt er selbst wenigsters in dem sogen. Futurum figuratum an S. XVI) auf ganz anderem Boden gewachsen ist, als die der indischeuropäischen Sprachen, und dafs daher letztere für die Eigenthümlichkeit der ersteren keinen Maafsstab abgeben kann. Sie mufs vielmehr als selbständige Sprachbildung aus sich selbst begriffen, die derarti gen Formen müssen aus ihrer eignen Natur entwickelt werden. Man mufs sie analysiren und reconstruiren, um zunächst ihrer natürlichen Bedeutung auf die Spur zu kommen; dann lässt sich weiter sehen, wie der Usus diese Grundbedeutung in Anwendung gebracht, und wie weit er sie ausgedehnt hat. Durch solche gewissenhafte Erforschung der Sache möchte sich ergeben, dafs jene Formen weder ausschliesslich für den Ausdruck der modalen Bestimmungen noch der temporalen sich gebildet haben, sondern beiderlei Verbältnisse gemeinschaftlich umfassen, indem sie sich nach einem allgemeineren

Princip in dieselben theilen, so dafs die eine (das Perfect) mehr die Sphäre des Objectiven und Factischen, die andere (Imperfect oder Futurum) mehr die des Subjectiven, des vom Subject erst noch Ausgebenden, des Werdenden und des nur Möglichen beherrscht. Der Vf. versuche doch nur einmal z. B. im 15. Verse bei Obadja die beiden Formen umzudrehen, und er wird inne werden, dafs jene Unterscheidung nicht aus der Luft gegriffen ist. Doch eine vollständigere Darlegung der Sache nach der Ansicht des Rec. ist hier nicht am Orte, wir wenden uns daber wieder zu dem Vf., und bemerken nur zugleich noch, dafs derselbe gelegentlich auch über andere syntactische Fragen ein gleich stumpfes Urtheil abgiebt. So nennt er S. 73 das Vay consecutivum ein commentum grammaticorum. Ueber die Präpositionen giebt er eine wunderliche Ansicht S. 83 fg. Vgl. auch S. 116 Note. In der Einleitung wird zuerst eine Geschichte der Edomiter geboten. In dem Verzeichnifs der betreffenden Vorarbeiten fehlt van Iperen's Schrift, Gesenius Einl. zu Jes, 34, und Winer's Artikel im Reallexicon. Die geschichtlichen Data selbst sind vollständig genug zusammengestellt. Hierauf redet der Vf. von den biblischen Orakeln gegen die Edomiter überhaupt. Man könnte hier erwarten, dafs diese Orakel sowohl nach Verschiedenheit der jedesmaligen Zeitumstände, unter welchen sie gesprochen wurden, als nach der Eigenthümlichkeit der einzelnen Propheten, die sie gesprochen, näher characterisirt würden; aber solcher Art findet man eben nichts hier, sondern, aufser der Aufzählung der Stellen, nur etwas über das Motiv dieser meist sehr animosen Orakel. Es wird aber dasselbe nicht so ohne weiteres in den Nationalhafs gesetzt, sondern in ein höheres Bewufstseyn der Propheten von der Strafwürdigkeit jenes treulosen Brudervolkes der Hebräer. Und allerdings ist wohl die prophetische Entrüstung, sofern sie auf einem höheren moralischen Bewufstseyn ruht, mit dem gemeinen Volkshasse nicht zusammenzuwerfen, obschon sich beide in dem Nationalgefühl begegnen. Die beiden letzten Paragraphen der Einleitung handeln von Obadja selbst und seinem Orakel. Ueber seine Lebensverhält nisse werden alle talmudischen und patristischen Quisquilien vollständig erwähnt. Vom Inhalt des Obadjanischen Orakels giebt der Vf. eine folgerechte Entwickelung, knüpft daran die Behauptung der Originalität desselben im Verhältnifs zu Jerem. 49 und nimmt sie gegen Credner's Einwürfe in Schutz. S. 19 in der Anm. stellt der Vf. gegen Tarnovius die unklare Behauptung auf,,,dafs der Name nicht aus und, sondern aus

tig, dafs als letzter Theil eines Namens immer ohne Mappik geschrieben wird und dieses nur steht, wenn als Gottesname aufser der Composition gebraucht wird. Aber dieses ist darum doch eben so gut aus verkürzt wie jenes, und mit noch hörbarem (Jah) steht zwischen und (Ja) mitten inne.

Undeutlich ist uns auch, wenn S. 25 gesagt wird, die Authentie des Obadjanischen Orakels d. h. doch seine wirkliche Abkunft von Obadja habe eine Stütze in der Zahl der zwölf kl. Propheten, wie auch darin, dafs es von Jeremia benutzt sey. Das eine wie das andere beweist ja aber nichts mehr und nichts weniger, als dafs das Orakel seit der Zeit, wo man zwölf kl. Propheten zählte und seit Jeremía es benutzte, wirklich existirt hat, und es liegt darin durchaus kein Beweis dafür, dafs das Orakel „,ab Obadia propheta pronuntiatum" ist; denn trotz jener Umstände könnte es von irgend einem anderen Propheten aus der Zeit vor Jeremia seyn, da letztrer den Obadja nicht nennt und Hr. H. auch die Ueberschrift des Orakels, die den Obadja als Verfasser bezeichnet, für unecht hält.

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Der Commentar selbst ist sehr breit und ausführlich gerathen. Er ist, wie schon bemerkt, mit einer Fluth von wörtlichen Citaten aus früheren Interpreten ausgestattet mit den bis zum Ueberdrufs wiederkehrenden Formeln,,Theodoretus scite dicit, ,,Theiner quidem dicit," ,,ita iam Tarnovius dicit," vir doctus pergit" u. s. w. Dabei lässt sich der Vf. etwa in der Art und Weise der Rosenmüller'schen Scholien, nicht selten auf Widerlegung veralteter Ansichten ein, die längst beseitigt waren, oder er discutirt Dinge, welche auf die Erklärung des Obadja keinen wesentlichen Einfluss haben, so dafs der Leser, durch allerlei Nebensachen hin und her geworfen, von der Hauptsache oft abgezogen und zerstreut wird. So wenn der Vf. gleich bei der Ueberschrift lange Expositionen über und giebt, die nicht einmal recht begründet sind. soll auf die innere, auf die äufsere Anschauung gehen (?). Die Propheten sollen diesen Unterschied gekannt, aber nicht befolgt haben! S. 35. 2 soll nicht von ausgegangen seyn, da ja auch in dem phönicischen Advic keine Spur des Suffixes sey, weil Hesychius es simpel durch xúpos erklärt! S. dagegen Gesenius Monum. phoen. p. 400. So wird auch im Fol genden fast zu jedem Worte irgend etwas bemerkt, damit der Leser ja nicht zu dem Bewusstseyn komme, als könne er selbst etwas aus dem Texte ersehen ohne Hülfe des Commentar's. Der Uebelstand ist um so drückender, da Hr. H. bei jedem Verse auch eine Uebersetzung beifügt, die oft schon allein hinreicht, um seine Auslegung zu erkennen. (Der Beschlufs folgt.)

-zusam יְהוָה und den ersten Buchstaben von עובר

mengesetzt sey, weshalb Mappik nicht im stebe und daneben auch vorkomme." Es ist rich

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ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG

April 1838.

BIBLISCHE LITERATUR.

1) TUBINGEN, gedr. b. Osiander: Ueber das Zeitalter Obadja's. Von Dr. G. F. Jäger u. s. w. 2) KÖNIGSBERG, b. Bornträger: Obadiae prophetae oraculum in Idumaeos, a C. L. Hendewerk etc. a C. L. Hendewerk etc.

(Beschluss von Nr. 60.)

mit unsrem Namen. S. darüber Beer in dieser A. L. Z. 1838. Nr. 5. S. 38. Im Uebrigen hat Rec, seine Ansicht von diesem 20. Verse des Obadja schon oben angedeutet.

Doch Rec. würde unbillig seyn, wenn er neben den Schattenseiten, deren dieser Commentar freilich viele darbietet, nicht auch der gelungenen Partien gedenken wollte. Da verdient dann vor allem Anerkennung das Bemühen des Vfs., überall den Zusammenhang und innern Fortgang der Rede nachzuweisen, worin er öfter Genügendes leistet. Na

rn. Hs. Auslegung ist an einigen Stellen gewagt, verfehlt, zuweilen geschmacklos, wie wenn er Vs. 7 die allerdings schwierigen Wortementlich ist die wahre Disposition der VV. 5 und 737 erklärt: panem tuum convertent in insidias contra te." Das soll den Sinn haben: Iidem homines, quos nunc Idumaei proventu suo alunt omnique victu adiuvant, haec alimenta tunc in insidias convertent. Passender erscheint auf alle Fälle die Erklärung, die sich auf Ps. 41, 10 stützt und welcher der Chald., Syr., Symm., Theodor. Mops. u. Neuere folgen, wonach noch von dem kurz vorhergehenden abhängig gemacht wird. Der Vf. wendet dagegen zweierlei ein, dafs dann durch und (2) angeknüpft werden müfste und dafs w für commensalis tuus nicht vorkomme. Aber das erstere ist mindestens nicht nothwendig und das letztere hat bei der Menge von ähnlichen Ausdrucksweisen gewils nichts auf sich. Vs. 11 nimmt der Vf. mit Rosenm. u. A. für . Er beruft sich auf Gesenius Lehrg. S. 386, wo aber nicht diese Form, sondern und ähnliche aufgeführt werden, in welchen wegen des starken eine naheliegende Contraction eingetreten. Unsere Form ist sicher Perfect Pi. von T. Das schwierige bub Vs. 13 soll nach dem Vf. für Nun stehen, so dafs ein quaeso, obsecro darin liege. Das müfste aber heifsen -. Sehr unglücklich beruft sich der Vf. auf Exod. 12, 9, WON allerdings hinter dem Verbum steht, aber nicht das Bittwort ist, sondern crudum heilst! Vs. 16 wird mit dem Chaldäer in doppeltem Sinne genommen, das erste Mal von Trinkgelagen, das zweite Mal vom Taumelkelch. Diese Meinung hat Jäger S. 26 richtig gewürdigt. Dagegen ist derselbe S. 40 geneigt, mit Hn. H. als Appellativ zu fassen und v diaoлoog zu erklären, so dafs

ein Quadrilitterum wäre von mit vorschlagendem oder aus dem syrischen limes und zusammengeschoben. Rec. hält es fort und fort für ein Nomen proprium und erinnert hier an die ingeniöse Combination der Keilschrift - Gruppe cprd

6, gegen die masoretische Verstheilung, gut ent-
wickelt, dagegen das bp, welches seit Schnurrer
Viele mit Vs. 10 verbanden, dem neunten Verse
glücklich vindicirt S. 78, Vs. 16 richtig auf-
gefafst (fort und fort, nämlich bis die Reihe herum
gegangen, bis sie alle getrunken haben, alle gestraft
sind), Vs. 16 mit einigen Auslegern durch
et absorbebunt erklärt. Dem 18. Verse giebt der
Vf. die rechte Beziehung, auch Vs. 19 ist richtig
angesehen. Zu den gelungneren Abschnitten gehört
auch Appendix I. de parallage elliptica, ein Gegen-
stand, den schon Glassius nicht übel behandelt und
dessen Beachtung gar mancher Stelle Licht bringt.
Er meint damit den Fall, der besonders in der
Poesie und bei den Propheten oft vorkommt, dafs
der Ausdruck für Einen Gedanken in zwei oder
mehrere parallele Glieder des Verses vertheilt wird,
so dafs keins derselben ohne das andere den Ge-
danken vollständig enthält, sondern nur alle in
ihrer Zusammenfassung. Aufser den vom Vf. be-
handelten Beispielen, die auch Rec. meistens schon
beachtet hatte, gehören dahin Jes. 5, 5, 11, 12, 18,
6. 43, 6. Ps. 20, 4. Spr. 10, 14. Zach. 9, 17 u. a.
Nur zweifeln wir, ob diese poetische Partition
gerade auch in der Stelle Obad. 20, um derent-
willen jener Excurs beigegeben wurde, in der Weise
statt findet, wie der Vf. meint.
Er erklärt näm-
lich diesen Vs. wie folgt:
Et exul nobilitas (b) ista filiorum Israelis (dispersa)
(Possidebit) quae (fuerunt) Cananaeorum ad Sar.
Et exules Hierosolymitani dispersi (8)
Possidebunt (Cananaeam) cum (s) urbibus me-
ridionalibus.
Rec. betrachtet dagegen nur als das beiden

usque,

Versgliedern gemeinsame Verbum, nimmt die letzten
Worte von an als Object und findet übrigens
in den beiden Gliedern die oben schon angedeutete
Entgegensetzung der beiden Reiche, deren einem,

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