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tistraussischen Schriften in den Göttinger Anzeigen, mit denen er vollkommen übereinstimme; die Einlei tung aber dringt nur noch darauf, die in dem christlichen Bewusstseyn liegende Totalanschauung von Jesu bei der Betrachtung des Einzelnen zu gebrauchen, um dasselbe nicht mifszu verstehn und wohl gar in die Karrikatur zu verzerren, sondern im Gegentheil die allgemeine Idee von ihm durch das Zusammenhalten mit der lebendigen Erscheinung genauer zu bestimmen, zu entwickeln und zu reinigen. In der That bedauern wir, dafs der Vf., von dem hinsichtlich der beregten Punkte gewifs ausgezeichnete zu sammenhängendere Erörterungen zu hoffen waren, dieselben so mehr bei Seite geschoben und erst in dem Verlaufe des Werkes meist in den Anmerkungen Data zur Begründung dessen geliefert hat, was sich ihm nach S. 7, Anm. I als Resultat über die Beschaffenheit der Quellen der evangel. Geschichte ergab. Dieses Resultat kömmt darauf hinaus, dafs die evangelische Geschichtschreibung nicht von dem Streben ausging, eine zusammenhängende Darstellung des Lebens oder der öffentlichen Wirksamkeit J. im Ganzen zu geben, vielmehr bildete sich zuerst ein Kreis von Ueberlieferungen einzelner Scenen daraus, welche theils mündlich fortgepflanzt, theils in schriftlichen Denkwürdigkeiten niedergelegt wurden. Das Letzte erfolgte bei der Verbreitung des Christenthums unter den Hellenen, wo so viel geschrieben wurde, bald und höchst wahrscheinlich benutzte schon Paulus dergl. Denkwürdigkeiten. Aus einer Zusammenstellung solcher einzelnen Ueberlieferungen entstanden die drei ersten Evv. Das des Matthäus rührt in dieser Form nicht vom Apostel her, wenn gleich eine von ihm verfafste Zusammenstellung in hebräischer Sprache demselben zum Grunde liegt. Ganz anders entstand das vierte Evangel., dessen Johanneischen Ursprung der Vf. mit Rücksicht auf die neuesten Einwürfe später gelegentlich vorzüglich dadurch zu rechtfertigen sucht, dafs es weder einen Verf. von alexandrinischer Bildung verrathe (S. 371, Anm. u. a. a. O.), noch das Bestreben, auf Kosten der Wahrheit und Einfalt Jesum durch freie Dich tung über die Gebühr zu verherrlichen. Beides, das Bild von Christus wie es in der Ueberlieferung der apostolischen Kirche in einzelnen dem Gedächtnisse sich leicht einprägenden Zügen sich darstellte, und das Bild von ihm, wie es in der unmittelbaren Anschauung des vertrauten Jüngers sich ausprägte, mufs mit einander verglichen werden, um das rechte Ganze zu gewinnen, und in der Uebereinstimmung beider Theile zu Einem Ganzen wie an einzelnen kleinen auf einander hinweisenden Zügen lässt sich die Zusammengehörigkeit beider Theile erkennen. Vergleicht man dann damit die weiteren Bemerkungen bei den einzelnen Punkten, so ergiebt sich, dafs N. im Allgemeinen dem Lukas theils wegen des pragmatischern Zusammenhanges theils wegen der gröfseren Anschaulichkeit und unmittelbareren Ursprünglichkeit den Vorzug vor der so Manches verschiebenden Redaktion des Matthäus zu geben geneigt ist, wo

durch er dann in's Besondere oft in Gegensatz mit de Wette tritt. S. 228, 236, 238, 339. Markus aber schöpft ihm aus Quellen, welche einzelne kleinere Züge und Aussprüche lieferten zur genaueren Darstellung und Charakteristik.

Dürfte sich gegen diese Ansicht von den evangelischen Berichten nun freilich hald mancher Widerspruch erheben aus Gründen, die sich bei derartigen Gegenständen schon aus der subjektiven Verschiedenheit ergeben, mit welcher Jeder zur Betrachtung und Beurtheilung der Quellen herantritt und aus dem gröfseren oder geringeren Einflusse, den hierbei selbst das Gefühl äufsert, so dafs in Beziehung auf sie niemals eine vollkommene Einigung möglich seyn wird, so versucht doch N. nicht jene Kunststückchen der älteren, hier und da auch neuerlich wieder so keck hervortretenden Harmonistik, um die verschiedenen Berichte jedenfalls in Uebereinstimmung zu bringen. Wer so unbefangene Vorstellungen hat von der Wirksamkeit des heil. Geistes auf die Apostel, dafs er zugiebt, derselbe habe unbeschadet ihrer in der Volksund Zeitbildung wurzelnden Eigenthümlichkeit in ihnen gewohnt (394 Anm.) und es sey keinesweges sein Geschäft gewesen, sie vor Irrthümern in den Zeit- und Ortsangaben, vor Vermischung des nicht Zusammengehörigen, vor Verwechselungen der Namen und dergl. zu bewahren; wer den hin und wieder nothwendig tribenden Einfluss der Ueberlieferung bei diesen und auch noch wichtigeren Dingen anerkennt (vgl. z. B. S. 155, Anm. 2 über die beschränkte Auffassung der Begriffe arm, hungern, trauern in den Stellen aus der Bergpredigt bei Lukas) und mit einer oft wahrhaft wohlthuenden Geistesfreibeit das Wesentliche im Auge zu behalten sucht, kann sich Nichts darauf zu Gute thun wollen, Differenzen auszugleichen und durch gezwungene Hypothesen dem Leser Sand in die Augen zu streuen. Nichts desto weniger schien uns der Vf. eine solche Ausgleichung bisweilen noch mit zu grofser Aengstlichkeit zu versuchen und zu viel darauf zu geben, offenbar im Gegensatz zu der neuesten Kritik, welche sich gerade recht geflissentlich auf die Abweichungen und Widersprüche warf, um durch das willkürlichste Manipuliren und Uebertreiben derselben sogar den Kern der evangelischen Geschichte zu zerstören. Aus demselben Gegensatze erklärt sich zum Theil wohl der Widerwille des Vfs. gegen alles Mythische in der evangelischen Geschichte. Er hält es S. 27, Anm. 2. mit dem christlichen Bewufstseyn wie mit dem Charakter der Quellen für durchaus unvereinbar. Er verweist den Mythus in eine Zeit, wo die unbewufste Poesie das ganze Leben beherrsche und dás Bewusstseyn des Geistes ein noch verschlossenes und unentwickeltes sey. In der Epoche aber, wo sich die evangelische Ueberlieferung gebildet, gehe die Entwickelung des reinen geschichtlichen Elementes in dem Bewusstseyn voran; die reine Auffindung des geschichtlich Gegebenen enthalte das Erhabenste und Tiefste, aber einer krankhaften in Uebertreibungen sich gefallenden Phantasie genüge das Erhabene nicht

alle

und so bilden sich als Verfälschung des Geschichtlichen mannichfache durch willkürliche Dichtung geschaffene Karrikaturen. So in den apokryphischen Evangelien mit ihren mährchenhaften Ausmalungen S. 36, Anm. 2 u, a, a, 0. Ohne nun hier darüber streiten zu wollen, ob der Vf. den Begriff des Mythus nicht zu willkürlich beschränke; ohne überhaupt auf das Wort etwas zu geben, glauben wir doch, die wirklich unbefangene Kritik werde nicht umbin können, zwar nicht reine ganz aus der Luft gegriffene Erdichtungen, wohl aber Erweiterungen und Verherrlichungen von etwas Geschichtlichen auch im Kreise der evangel. Ueberlieferung für möglich zu halten und zuzugestehn. Der Vf. selbst giebt jene Der Vf. selbst giebt jene Möglichkeit zu, wenn er z. B. S. 640, Anm. 2 erklärt, es habe sich unter Voraussetzung von irgend etwas Thatsächlichen aus der in das Bewufstseyn aufgenommenen Idee von der Eröffnung des Allerheiligsten durch Christus die Erzählung von dem Zerreifsen des Vorhanges im Tempel Matth. 27, 51 herausbilden können. Und wenn er eben dort über den offenbar sagenhaften Zug von den Todten, die aus den Gräbern gekommen und Vielen erschienen seyn sollen, stillschweigend binweggeht; wenn er dasselbe Stillschweigen beobachtet über die Engelerscheinungen in der Geburtsgeschichte, auf dem Oelberge, am Grabe und bei der Himmelfahrt, so scheint dies doch darauf zu führen, dass er darin gleichfalls Ausmalungen und Verherrlichungen anerkennt, die sich mit dem übrigen geschichtlichen Charakter der Quellen noch recht wohl vereinigen lassen und deren Aufgeben das christliche Bewufstseyn nicht alterirt.

den Endpunkten eingeschlossen ist, mufs sie, bei aller Freiheit, mit der gröfsten Besonnenheit zu Werke gehn, um weder der Wahrheitsliebe der Berichterstatter noch weniger aber der Persönlichkeit dessen zu nahe zu treten, von dem der Geschichtschreiber ein möglichst anschauliches und zusammenhängendes Bild entwerfen will. Sie mufs festhalten, dass gerade das mythische Element selbst auf etwas Höheres und Göttliches in der Person Jesu führt und nimmermehr allein oder nur vorzugsweise aus den messianischen Ideen des jüdischen Volks erklärt werden kann. Es mufs zu dem Bestreben, zu sichten das Bestreben zu verbinden, oder, wie der Vf. es nennt,,,zusammen zu schauen" hinzukommen. Dem Einen wird, denn auch hier sind die Gaben und darum auch die Tendenzen verschieden, mehr dieses, dem Andern mehr jenes gelingen; der Eine wird Manches auf sich beruhen lassen, wo der Andere zu einem positiven Ergebnifs zu kommen meint; ja Diesem wird sich Einzelnes als Produkt der unwillkürlich verherrlichenden Ueberlieferung darstellen, während Jener bis in die kleinsten Züge feste historische Wahrheit sieht. So natürlich und nothwendig daher immer wieder neue Bearbeitungen des Lebens J..sind man wird sich dennoch, wenn nicht sich die schlimme Consequenzmacherei und unduldsame Rechthaberei einmischt, immer mehr darüber auch wissenschaftlich wieder verständigen, was als ein für Alle probehaltiges Ergebuifs übrig bleibt, um den wesentlichen Grund des christlichen Glaubens positiv gesichert zu wissen, wie dann darauf, obschon von einer entgegengesetzten Seite her, die Schriften von Paulus- und in ihrer Weise gewils mit bedeutendem Erfolge- hinarbeiten. Der Vf. selbst will von seinem Standpunkte aus dazu nur einen Beitrag liefern, indem es (Vorr. S. X) in dem Verhältnisse zu dem gegenwärtigen Stande der neutestamentlichen Exegese, der biblischen Kritik, den Untersuchungen über die Bildung des Kanons eines neuen Anfangs bedürfe. Sein Unternehmen will nur eine der Vorarbeiten seyn für eine neue Epoche dieses Theils der Geschichtschreibung.

Wie weit dürfen wir aber hier gehen, ohne das letztere in seinen wesentlichen Elementen zu gefährden, die Person Jesu durch,, idealistische Gespenidealistische Gespensterseberei" (S. 32) zu einem nebelhaften Schattenbilde zu verflüchtigen oder so in's Gewöhnliche herabzuziehn, dafs er zu dem dürren Gerippe eines blofsen jüdischen Lehrers zusammenschrumpft, und die evangelischen Berichte zu einer Kette von Mährchen zu machen, von allerlei theils ganz guten Sittensprüchen, theils halbverstandenen, theils geradezu erdichteten Reden durchflochten? Das Daseyn der apostolischen Kirche einerseits und der Anfang des apostolischen Zeugnisses andrerseits bilden die äufsersten festen Endpunkte, von welchen die Kritik ausgehn mufs, um das, was innerhalb derselben liegt, zu prüfen. Führt diese Prüfung zu einem Ergebnisse, wie z. B. die Straussische Ansicht von der Auferstehung, bei welchem es ohne die wunderlichsten und abgeschmacktesten Voraussetzungen unmöglich ist, die Existenz der ersten Gemeinde zu erklären, so ist sie Unkritik. Hebt sie auf der andern Seite den Unterschied zwischen den auf jenem Zeugnisse beruhenden Berichten und dem, was darüber hinausliegt, wie die Geburts- und Kindheitsgeschichte, auf, so wird sie es gleichfalls. Bei dem aber, was von diesen bei-getheilt.

Die Methode der geschichtlichen Darstellung, welche er befolgt, ist diese. Nach der Geburts- und Kindheits- Geschichte Jesu, von welcher er aber ohne einen weitern Grund anzugeben, nicht nur die Geburtsgeschichte des Johannes sondern auch das Verhältnifs der Maria zur Elisabeth ganz ausschliefst, wiewohl doch Beides in der evangel. Ueberlieferung in ziemlich enger Beziehung zu der Geburt Jesu steht; nach Betrachtungen über den Gang seiner Bildung, worin die Ansicht, als sey dieselbe aus einer der unter den Juden vorhandenen Schulen und Sekten hervorgegangen, treffend zurückgewiesen wird, und über sein Leben bis zu seiner öffentlichen Wirksamkeit, folgt der Abschnitt über die Vorbereitung der letztern. Sie wird in die objektive und subjektive (Die Fortsetzung folgt.)

ALLGEMEINE

THEOLOGIE.

LITERATUR-ZEITUNG

April 1838.

HAMBURG, b. Perthes: Das Leben Jesu Christi in seinem geschichtlichen Zusammenhange und seiner geschichtlichen Entwickelung dargestellt von Dr. August Neander u. s. w.

U

(Fortsetzung von Nr. 57.)

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nter der Rubrik einer objektiven Vorbereitung wird Johannes der Täufer, Jesu Weihe durch seine Taufe und Beider Verhältnifs zu einander dargestellt, letzteres gleich nach seinem ganzen Umfange, mit Erwägung der Sendung der Johannesjünger aus dem Kerker und der übrigen Aussprüche Christi über den Täufer; eine der vorzüglichsten Partieen des Buches. Die subjektive Vorbereitung umfafst die Versuchungsgeschichte, deren Wirklichkeit der Vf. fallen läfst, ohne ihr die in ihr liegende Wahrheit, jedoch mit Ábhaltung des Sündhaften von Jesu, zu nehmen, aber auch ohne die schwierige Frage zu erledigen, wie die Geschichte zu der Objektivität umgebildet werden konnte, deren Charakter sie in der evangelischen Ueberlieferung handgreiflich an sich trägt. Daran schliefst sich zuvörderst die Darstellung der öffentlichen Thätigkeit Jesu nach einem sachlichen Zusammenhange. Ueber den Plan Jesu im Allgemeinen. Ob der Begriff des Planes überhaupt auf ihn angewandt werden könne. Zweck desselben: die Gründung des Reiches Gottes in der Menschheit S. 105. Ideale und reale Seite in der Idee S. 114 f. - Verhältnifs derselben zu ihrer alttestamentlichen Form, namentlich über die Beobachtung des Gesetzes vom christlichen Standpunkte und was unter der Auflösung desselben zu verstehen sey; wiederum sehr umfassende und tief eingehende Untersuchungen die eigenthümliche Umgestaltung der Idee des Messias und die Bedeutung der Bezeichnungen Gottes- und Menschensohn, so wie das Verhältnifs beider Ideen zu einander. Die Mittel, welche Christus zur Realisirung seines Planes anwandte. Seine Lehre, Grundsätze für die Lehrweise; die Bergrede; die Parabeln, welche, nach Darlegung ihres Wesens im Allgemeinen in die vom Entwickelungsgange des göttlichen Reiches, von der Gesinnung für die Theilnahme daran, von der Berufung dazu, von der Wirksamkeit in ihm u. s. w. classificirt und einzeln durchgegangen werden; der Lehrvortrag nach dem johanneischen Evangelium, mit manchen trefflichen Bemerkungen über den Gegensatz zwischen diesem und den synoptischen Evangelien; die Accommodation in dem Unterricht J. und seine Anwendung alttestamentlicher Stellen. Von den Aposteln und ihrer Berufung und Bildung,

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Als den andern Hauptzweig der Thätigkeit Jesu betrachtet dann der Vf. die Wunder, zunächst im Allgemeinen und dann im Einzelnen, so dafs er von den Krankheitsheilungen und unter diesen wieder von der Heilung der Dämonischen anfangend zu den Todtenerweckungen und den Beweisen der Wundermacht über die Natur fortgeht, in dieser Anordnung wie bei der Behandlung des Stoffes selbst überall eine apologetische Tendenz verfolgend.

An die sachliche Darstellung schliefst sich erst die chronologische dergestalt, dafs nach der Erledigung einiger Vorfragen, welche weiter unten (S. 430 ff.) in einer langen Anmerkung über das streitige Fest Joh. 5, 1., das der Vf. für das Purimfest hält, ihre Ergänzung findet, zunächst die öffentliche Wirksamkeit Jesu bis zum feierlichen Einzuge in Jerusalem in acht verschiedenen Abschnitten und zuletzt die Leidens- und Auferstehungs-Geschichte bis zur Enthebung J. von der Erde beschrieben wird.

Unverkennbar hat nun diese Anordnung des Stoffes gar manches Unangemessene. Ist es doch, als sey jene Eigenthümlichkeit der Evangelien, vermöge deren das eine die verwandten Lehrstücke und Thaten J. mehr nach ihrer Aehnlichkeit zusammenstellt, während das andere sie mehr nach der Zeitfolge ordnet, bei ihr zum Vorbilde genommen und nur consequent durchgeführt. Dabei aber mufs nothwendig die höhere Einheit der Darstellung, welche die Massen mit fester Hand bewältigen und die lehrende Rede, die ja gerade bei J. immer in den concreten Umständen ihren Anknüpfungspunkt und ihre bestimmte Beziehung findet, mit ihnen verbinden, 80 wie das Faktum an das, was ihm vorgeht wie an das, was ihm folgt, anschliefsen soll, zum Theil verloren geben. Es kann nicht fehlen, dafs so Zusammengehöriges zu weit ans einander gerissen und eine Menge von Wiederholungen herbeigeführt wird. Wechsel von J. bewegtem Leben löst sich im ersten Theile in eine Einförmigkeit auf, welche ermüdend genannt werden könnte, wäre der Gegenstand an sich nicht zu erhaben. Im zweiten dagegen läuft dasselbe oft wieder zu schnell an dem straff angezogenen chronologischen Faden ab. Nur die Streitreden und die, übrigens meisterhaft gelungenen, Entwickelungen der Selbstverkündigungen im vierten Evangelium gewähren Ruhepunkte auch für die Betrachtung des mehr das innere Leben erschliefsenden Bildes. Dennoch könnte man natürlicher Weise fragen, warum nicht auch sie unter der Lehrthätigkeit im ersten Theile stehen, um so mehr, da sie dieselbe nach einer neuen Seite hin auf ganz eigenthümliche

Der

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Weise charakterisiren. Man könnte es umgekehrt befremdlich finden, wefshalb die Heilungen von Petri Schwiegermutter, die der blutflüssigen Frau und die der Tochter der Kananiterin in den chronologischen Theil verwiesen sind. Endlich könnte man hier und da an einer gewissen Ungleichheit in der Behandlung Anstols nehmen, welche bei unwichtigeren Punkten länger verweilt, über wichtigere oder doch sehr streitige dagegen zu flüchtig hinwegeilt, wie über die auch von Strauss wieder so scharf angefochtenen Widersprüche in den Berichten von den Jüngern und Frauen, welche zum Grabe gehen, und über die ganze Geschichte mit der Wache an dem selben, deren gar nicht gedacht wird. Bedenken wir aber, welche Schwierigkeiten die chronologische Anordnung hat und wie Mancher an ihr schon gescheitert ist bei dem Versuche, sie zum Grunde zu legen und Alles an der möglichst rechten Stelle und unter den rechten Gesichtspunkten einzureihen; erwägen wir, dafs doch auch jene sachliche Zusammenstellung besonders dann, wenn es gilt, gewisse Punkte, wie die Wunder, sofort bis in's Einzelne zu verfolgen, ihre Bequemlichkeiten darbietet und wird es ferner dem Vf. ein Leichtes seyn, die übrigen Inconvenienzen bei einer gewifs bald zu erwartenden zweiten Auflage zu entfernen: so dürften die Mängel in der ganzen Anordnung doch wieder in einem milderen Lichte dastehn. Der neue Anlauf, welchen der Vf. zu einer Arbeit nimmt, die nach den Gewaltstreichen der neuesten Kritik Vielen nur ein Wälzen am Steine des Sisyphus geworden zu seyn schien, konnte, wie erfolgreich und kräftig er auch in vieler Beziehung ist, eben nur ein Anlauf seyn und mufete nach dem Schicksal der menschlichen Dinge bei einem plötzlich wieder so spröde gewordenen Stoffe zu manchon Uebelständen in formeller Bezie hung führen.

sich durchzuarbeiten und sich von andern Mitstreitern möglichst unabhängig zu halten gesucht, um desto selbstständiger dazustehn. Hat dies allerdings vielleicht eine gewisse Einseitigkeit zur Folge gehabt, so prägt sich seine Eigenthümlichkeit in dem Werke nur um so schärfer und vollständiger aus und offenbart bei tiefer, ungeschminkter Frömmigkeit die reinste, völligste Hingebung an den Gegenstand und ein rücksichtsloses Aussprechen dessen, was sich ihm im eifrigsten Forschen, von gediegenem umfassenden Wissen getragen, als wahr herausgestellt hat, Weniger, um an einzelnen Punkten die Kritik zu üben, als um durch Hervorhebung derselben Standpunkt und Tendenz des Werkes noch näher zu be zeichnen, diene das Folgende.

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Bei der Geburts - Geschichte giebt der Vf. zu, dafs hier keine solche Genauigkeit zu erwarten sey, wie bei dem, was von den Aposteln als Augenzeugen berichtet werden konnte. Man müsse, meint er, das Wesentliche festhalten und es auffassen im Zusammenhange mit dem, was in der Idee von Christus nothwendig gegründet sey. Als Kern der Ueberlieferung liege dann vor (S. S), dafs die Geburt J. unter Umständen erfolgt sey, welche die gewöhnliche Form menschlicher Ursächlichkeit ausschliefsen und eine andere, ein unmittelbares schöpferisches Wirken, an deren Stelle voraussetzen lassen. Wolle man dies leugnen, so behalte man nur zwei Auswe ge. Entweder man betrachte in jenen Ueberlieferungen Alles als mythisch, ohne irgend eine geschichtliche Grundlage, oder man nehmer etwas zum Grunde liegendes Thatsächliches an, woran der Mythus sich angeschlossen. Der ersteren Ausicht widerstrebe durchaus die einfache Erzählung des Matth., welche dies Thatsächliche enthalte, dafs Joseph durch die vor der Zeit entstandene Schwangerschaft der Maria an ihr irre wurde. Bei der zweiten Annahme Dazu kommt noch die polemische Beziehung, müsse Etwas vorausgesetzt werden, was jedem reli welche doch nicht umgangen werden konnte. Der giösen Gefühl, jeder gesunden theistisch-teleologiVf. hat ihr meist die Anmerkungen eingeräumt. Er schen Auffassung der Weltgeschichte widerstrebe verliert sich dabei bisweilen in ziemlich weitläuftige und was, wenn sich möglicher Weise Etwas der Art Digressionen oder bespricht Gegenstände, die besser hätte annehmen lassen, gewifs früher von Jesu Feinin den Text verflochten wären. Allein auf der an- den benutzt worden seyn dürfte. Wir können das dern Seite enthalten diese Noten auch wieder einen Letztere zugeben. Wir geben auch zu, dafs ein Mywahren Schatz der feinsten und scharfsinnigsten Be- thus, wie er nach der erstern Ansicht angenommen merkungen, welche oft mit einem berrlichen Blicke wird, keinesweges ohne Weiteres parallelisirt_werlange bestandene Schwierigkeiten lösen oder doch den darf mit den sonstigen Mythen der alten Welt auf die Punkte hindeuten, auf welche es bei ihrer von Jungfraugebornen u. s. w. (S. 10 u. 15 f.). Wir Lösung ankommt. Es liegen in ihnen Ausführungen urgiren ferner das Schweigen des Johannes nicht als und Winke, die für die Exegese, die neutestament- Instanz gegen das Thatsächliche. Wir halten endliche Kritik und biblische Theologie von der gröfsten lich die Erzählung für etwas Anderes, als für eine Wichtigkeit sind und welche auszubeuten man nicht gutrirte Nachbildung der Erzählung von der Geburt unterlassen wird. Die Polemik ist in der Regel sehr Isaak's, Simson's und Samuels. Aber wenn Chrigemässigt, nie unwürdig und oft besonders darin stus vermittelst des Eindrucks, den seine ganze Er glücklich, die Hyperkritik mit ihren eignen Waffen scheinung und Wirksamkeit hervorbrachte, für das zu schlagen. Vgl. z. B. S. 328 u. 330. Dafs aber der christliche Bewusstseyn so oder doch ähnlich dastand, Vf. auch von seinem Gegner zu lernen nicht ver- wie ihn Joh. 1, 14 ff. zunächst offenbar vom geistigen schmäht und es offen gesteht, zeigt S. 197, Anm. Standpunkte schildert, so wäre es doch wohl zu erUebrigens ist auf Literatur überhaupt wenig, auf klären, wie nun auch auf die Art seiner Geburt ein wurde nommen. Man sieht, N. hat den Gegenstand für unwillkürliche Verkörperung der Idee in geschicht

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licher Form eine Auffassung sich bildete, welchen denn auch über das irdische Daseyn Christi nach seisofern der geschichtlichen Basis ermangelnd, die Ernet Auferstehung überhaupt manches Dunkel verscheinung des Göttlichen in der Menschenwelt dar breitet ist, so ist doch eine solche Thatsache in dem stellte in sinnlicher Weise und in gewisser Hinsicht Zusammenhange des cbristlichen Glaubens eben so nur um so mehr für die Macht jenes Eindrucks zeu- gewifs, als seine Auferstehung, welche ohne dieselbe gen würde. Zum Wesentlichen in dem christlichen nicht in ihrer wahren Bedeutung erkannt werden Jener Zug kann. Denn wenn wir sie in ihrer wahren BedeuBewulstseyn gehört das jedoch nicht. vom Irrewerden des Joseph an der Maria konnte sich tung auffassen, können wir uns ja nicht denken, dafs aber bei der weitern Ausbildung dieser Auffassung diese Wiedererscheinnng Christi nur den Ueberleicht in die Ueberlieferung hineinfinden, die dann gangspunkt zu seinem bald darauf erfolgten Tode Die Auferstehung Christi von dem Luk. 1, 34 ausgesprochenen Gedanken aus gebildet haben sollte. kann im Zusammenhange des christlichen Glaubens ging und, die Ehe des Joseph und der Maria vorausnur als Anfangspunkt eines über die Macht des Togesetzt, des Irrewerdens zu ihrer innern Ergänzung fast eben so bedurfte, wie nach einer andern Seite des erhabenen unvergänglich persönlichen Daseyns der Engelerscheinung zur weitern Ausschmückung. aufgefasst werden und daher kann darnach nur ein vom Tode wesentlich verschiedener übernatürlicher Der Einwurf, dafs die Erzeugung des Mythus von einer jungfräulichen Geburt des Messias dem jüdi- Austritt aus dem irdischen Naturzusammenhange geDiese Gründe von mehr dogmatischen Standpunkte fern gelegen habe, theils wegen dacht werden." der ihm eigenthümlichen Achtung vor der Ehe, theils scher Art sucht er dann noch zu verstärken durch die weil der Messias ein gewöhnlicher, durch nichts Ue- Bemerkung, dafs die Auferstehung auch im psychobernatürliches ausgezeichneter Mensch habe seyn sol- logischen Zusammenhange des Entwickelungsganges len (S. 10), wird, was das Letztere betrifft, schon der Apostel ihre Bedeutung verliere, wie eine andurch die Idee von der Präexistenz des Messias be- dere als übernatürliche Enthebung aus dem irdischen deutend entkräftet und der Vf. selbst dürfte sich hier Daseyn', wenn ein Tod darauf gefolgt sey. In diemit dem, was er S. 80 bei einer andern Gelegenheit sem Falle hätte die Auferstehung den Jüngern durchtiber diese Idee bemerkt, im Widerspruche befinden, aus nicht die Grundlage des Glaubens an ein ewiges das Erste aber ist sehr prekär, da sich's ja nicht mehr Leben werden können. Ihr Glaube, der sich an der vom jüdischen, sondern vom christlichen Standpunkte Wiederbelebung und Wiedererscheinung Jesu aufhandelt, der, von der Vereinigung des Göttlichen und gerichtet, hätte nothwendig wieder sinken müssen Menschlichen in Jesu ausgehend, durch die im Uebri- und einen heftigen Stofs erleiden, weil er dann wieder gen so zart und rein gehaltene Symbolisirung dersel- wie ein gewöhnlicher Mensch vor ihnen gestanden haUnmöglich hätte sich in ihnen die ben in der übernatürlichen Geburt die Achtung vor ben würde. der Ehe so wenig zu verletzen glaubte, als es etwa in Ueberzeugung bilden können von der Erhöhung seinem Sinne lag, die Ehelosigkeit zu empfehlen. Christi, welche mit so grofser Entschiedenheit in ih ren Schriften geltend gemacht werde und nicht blos Gerade der Umstand aber, dafs die ebionitische den jüdischen Standpunkte am nächsten verwandte An- der Bericht des Lukas, auch was Johannes sage vom sicht die Geschichten von der übernatürlichen Geburt Hinaufsteigen Jesu zu seinem Vater, setze in ibrer abwies, würde am Schlagendsten für die hier in Fra- Ueberzeugung, die Thatsache seiner übernatürlichen ge kommende Verschiedenheit zeugen. Die Gründe, Enthebung von der Erde eben so nothwendig voraus, welche N. gegen die von der Stellung der Verwandten als für diese Ueberzeugung die Annahme eines J. ausgehende Bestreitung dieser Geburt beibringt Ausganges aus dem irdischen Leben in der gewöhnS. 11 f., dürften, Alles erwogen, vgl. auch S. 34, lichen Form des Todes dadurch ganz ausgeschlossen Ja wenn auch Keiner der apostolischen nicht genügen, eben so wenig wie die Bedeutung, die werde. er in dem Namen,,Jesus" findet. Der letztere deu- Schriftsteller von einer solchen sinnlich wahrnehmtet, wie er selbst sagt, höchstens auf eine „,irgendwie" baren Thatsache Etwas erwähnt hätte, so müsse aus erregte messianische Erwartung hin, auf besondere ihren Aeufserungen über jene Erhöhung geschlossen göttliche Fügungen", welche auf das, was durch ihn werden, dafs sie unter irgend einer Form eine solgeschehen sollte, vorbereiteten (S. 17), keinesweges che übernatürliche Enthebung vorausgesetzt hajedoch auf eine übernatürliche Geburt. Und so glau- ben und so entspreche dem Anfangspunkte von ben wir dann, die Erzählung von der letztern auch Christi irdischer Erscheinung der Ausgangspunkt. nach des Vfs. Expositionen noch immer in das Gebiet S. 655. 56. jener Verberrlichungen verweisen zu können, welche sich bei dem, der die Welt erlösen sollte, um seinen Eintritt in dieselbe legten, so jedoch, dafs die Idee von Christus, wie sie der Vf.S.71, 435, 530 zusammenfafst, im Allgemeinen dabei unverkümmert bleibt. Aehnliches gilt uns von der Himmelfahrt. N. sagt in Beziehung auf sie: Wenn gleich wir uns nun von der besondern Art und Form dieser Erhebung Christi von der Erde keine klare (oder wohl besser gar keine) Anschauung machen können, wie

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Können wir nun schon diese psychologischen Gründe nur zum Theil gelten lassen, indem z. B. das Hinaufsteigen bei Joh., womit doch wohl Joh. 20, 17. gemeint ist, nicht nothwendig von einer solchen übernatürlichen Enthebung zu verstehen seyn dürfte und der Glaube der App. doch schon zu sehr belebt und zu fest gegründet gewesen zu seyn scheint, als dafs er den Stofs, der ihm in Ermangelung derselben nach dem Vf. gegeben worden wäre, nicht hätte überwinden sollen; wird er uns auch selbst zugestehn, dafs

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