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ALLGEMEINE LITERATUR ZEITUNG

März 1838.

VERMISCHTE SCHRIFTEN. HAMBURG, h. Perthes, Besser u. Mauke: Russische Denkmäler. In den Jahren 1828 und 1835 gesammelt vom Domherrn Meyer u. s. W.

(Beschlufs von Nr. 54.)

fsen sich (II. 208-241) Notizen zur Geschichte der russischen Militär- Kolonien. Wer mit russischer Geschichte und Cultur befreundet ist, wird hier manches Bekannte finden; neu dürften aber die letzten Schicksale ihres Gründers, des Grafen Araktschejeff seyn, der seit dem 1. December 1825 aus dem Staatsdienste entlassen war. Noch in seiner Verbannung vermochte er aus Blutdurst und um den Mord seiner

Einer besonderen Aufmerksamkeit hat Hr. Meyer den Concubine zu rächen über sechs und dreifsig Perso

öffentlichen Denkmälern und Gebäuden gewidmet und überall historische Erläuterungen hinzugefügt, wie über die Reiterstatue Peter des Grofsen, das Standbild Suwarow's, die Statue Kutusow's und Barclay's de Tolly, die Alexanderssäule, dieKasan'sche und Isaakskirche und die übrigen Kirchen, die Akademie der Wissenschaften, das Arsenal, die Admiralität, das Bergbau-Institut, die kaiserliche Bibliothek, die Theater und viele andre mehr. Wir glauben kaum, dafs Hr. Meyer hier ein Gebäude von Wichtigkeit vergessen hat. Ebenso ausführlich hat er die kaiserlichen Schlösser, den Winterpalast, die Eremitage, den Taurischen Palast, den Michaelowskischen Palast, den Palast Anitschkoff und sehr anmuthig die Lustschlösser Pawlowsk, Zarskoë - Selo, Katharinenhof, Peterhof, Alexandrina, Gatschina, Strelna, Oranienbaum beschrieben und sich dadurch um diese Oerter, die so oft genannt und nie recht gekannt sind, wirklich verdient gemacht. Des Verfassers Geschicklichkeit in Entwerfung und Ausmalung von Landschaften und schönen Gegenden zeigt sich vorzüglich bei der Schilderung der sogenannten Garteninseln (I. 258-296) und der Umgegend des Festlandes, Kresnoje Selo, Ochta, Perzola, Ischora und andern theils anmutbigen, theils historisch wichtigen Plätzen (I. 296-321).

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Nicht minder anziehend sind Hn. Meyer's Schilderungen von Moskau. Die Reise nach der alten Czaarenstadt versinnlicht zugleich die Art des russischen Post- und Fuhrwesens, dann folgt die Beschreibung der äussern und innern Stadt, des Kreml's, des Klosters Troitza's, der kaiserlichen Lustschlösser und der Umgegend von Moskau, mit vielen eingestreuten Bemerkungen über Kunst, Architektur, Jugenderziehung und bedeutende Persönlichkeiten, wie den General Gouverneur Golizyn, den Staatsrath Fischer und besonders den Archimandriten Platon (II. 1-145). Bei Grofs-Nowgorod erhalten wir zuerst eine geschichtliche Einleitung, dann die Beschreibung der Stadt, der Kirche der heiligen Sophia und des Korsunschen Thores, des Klosterpalastes des heiligen Jurii und der übrigen Stadttheile, Daran schlie

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nen seiner Dienerschaft, die er für mitschuldig hielt, die Knutenstrafe zu verhängen dafür war auch sein Grabgesang das Jubelgeschrei des unter den Schlofsfenstern versammelten Volkes. (II.237-240.) Kunst und Literatur in ihren verschiedenen Verzweigungen entgehen der Aufmerksamkeit des Verfassers nicht. Die russiche Literatur, die Journalistik, der schmachtende Zustand des Buchhandels, die Strenge der Censur, die verschiedenen Unterrichts- und Erziehungsanstalten, namentlich das Fräuleinsstift, das Findlingshaus, das technologische und orientalische Institut, alle werden gleichmässig beschrieben, und der grofsen Verdienste der verstorbenen Kaiserin Maria Feodorowna auf das Ebrenvollste gedacht. Bedeutende hier eingreifende Persönlichkeiten, wie den Greis Klinger (II. 311-314), den AdmiralKrusenstern (S. 315 — 318) und vor allen den ausgeichneten Finanzminister Cancrin (S. 318-327), schildert er mit Treue und Lebendigkeit.

Eine Fahrt nach Altfinnland führt im letzten Abschnitte des Buches die Leser aus der Grofsrtigkeit und dem Glanze der Städte in die noch grössere Erhabenheit der Natur an den Katarakt Imatra,, gegen welche die Wasserfälle und Kaskaden der Schweiz und Italiens, die auch wir einst sahen, zurücktreten müssen" (II. 369). Dabei wird auf der Villa Nicolai-Monrepos eingekehrt und der deutschen Litetur aus den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bei Gelegenheit des Dichters Nikolai (er schrieb sich aber,,Nicolay") eine verdiente Berücksichtigung gewidmet.

Eine ganz besondre Wichtigkeit erhält Hn. Meyer's Schrift noch durch seine höchst anziehenden Mittheilungen über die Persönlichkeit des jetzigen russischen Kaisers Nikolaus I. Der Edelmuth dieses ausgezeichneten Fürsten, seine Milde, seine Festigkeit, sein schöner Familiensinn, seine Liebe zu ALlem, was zum Wohl des russischen Volks beitragen kann, tritt in vielen Zügen hervor, die uns Hr. Meyer als wohlunterrichteter Gewährsmann aus den höhern Zirkeln sowohl als aus dem Munde des Volks mittheilt. Wir sehen den Kaiser

bald in der Mitte der Seinigen, die liebenswürdige Gemahlin und die fröhlich aufblühenden Kinder zur Seite (I. 291. 367. II. 246), bald in frommer Andacht bei der Abend parade seiner Truppen (I. 291), bald in heiterm Gespräch mit Künstlern (I. 198), oder in treuherzigem Scherze mit Kleinbürgern und Landleuten (I. 365 und II. 250-252), dann aber auch wieder mit Festigkeit und Heldensinn in der Cholerazeit unter die empörten Schaaren tretend (I. 51), mit edler Selbstbeherrschung ein ausgesprochenes, kränkendes Wort gegen einen verdienten Officier zurücknehmend (II. 252), oder mit den schmeichelhaftesten Lobsprüchen die Unentbehrlichkeit seines geschickten Finanzministers anerkennend (II. 327), während er die Majestät des kaiserlichen Ansehens vollkommen gegen die Arroganz des Prälaten Foty zu Nowgorod zu behaupten verstand (11. 178). Alle diese Erzählungen tragen so sehr das Zeichen unverstellter Wahrheit, dafs wir, da sie an diesem Orte zu lang sind, um mitgetheilt zu werden, aufrichtig wünschen, es möchten die gelesensten Journale Deutschlands auch in dieser Beziehung von Hn. Meyer's Buche Kenntnifs nehmen.

Ueber Petersburg und Moskau konnte des Verfassers Urtheil, da er in beiden Städten so viele Gastfreundschaft und Liebe erfahren hatte, natürlich im Ganzen nicht tadelnd oder hämisch ausfallen. Aber Manches, was ihm nicht gefiel, hat er für den Kundigen verständlich genug angedeutet und ein Schweigen ist oft auch ein Urtheil,

Gegen Druckfehler hat sich Hr. Meyer in einer Schlufsnote hinlänglich verwahrt. Wir wollen darüber und über die mitunter falsch geschriebenen griechischenen Ausdrücke (wie etwa I. 138. 'Erdion st. 'Etage) nicht mit ihm rechten, eher wohl über den Namen des bekannten Orientalisten Frähn, den Hr. Meyer Th. L. S. 182. und 183. Phräne geschrieben hat. Noch müssen wir eine Unrichtigkeit im Th. II. S. 352. rügen. Es heifst dort, dafs „, Schiller durch heimliche Flucht von Stuttgart nach Mannheim sich der ihm drohenden Gefangenschaft auf der Felsenburg Hohen Asperg entzogen habe." Sollte aber Hn. Meyer unbekannt geblieben seyn, dafs ganz andere Motive, der Trieb nach Freiheit, und nach einer dichterischen Laufbahn, so wie auf der andern Seite der auf das Höchte gestiegene Widerwille gegen die dienstlichen Beschäftigungen und Beschränkungen Schillern zur Flucht aus Stuttgart veranlafst haben? Diese Motive waren ja schon vor dem Erscheinen von Streicher's werthvollert, Schrift: Schiller's Flucht von Stuttgart nach Mannheim (Stuttgart, 1836) nicht ganz unbekannt und sind durch die daselbst auf S. 75-80 mitgetheilten Details vollkommen bestätiget worden.

GYMNASTIK.

DRESDEN U. LEIPZIG, b. Arnold: Zwölf Lebensfragen, oder ist das Glück eines cultivirten und wohlgeordneten Staates allein durch eine gere

gelte geistige Erziehung zu begründen, oder mufs nicht unbedingt auch die physische damit verbunden werden? Zur Beherzigung gestellt und anatomisch - physiologisch beleuchtet für Jeden, welchem das Wohl der künftigen Geschlechter wahrhaft am Herzen liegt; von Johann Adolph Ludwig Werner, Lieutenant von der Kön. Sächs. Armee, Director eines gymnastischen Instituts u. s. w. 1836. XV u. 96 S. gr. 8. (14 gGr.)

kranken Menschen, der es bald mit diesem, bald mit Unsre Zeit gleicht in mancher Beziehung einem jenem Heilmittel versucht, ohne gründlich gesund werden zu können, weil er nicht den Muth hat dasjenige Mittel anzuwenden, welches ihm allein zur dieser Vergleich an Missionsgesellschaften, Vereinen schnellen Heilung verhelfen könnte. Es liefse sich mischen Vereinen, Kleinkinderverwahrschulen und anzur Verbreitung frommer Schriften, allerhand ökonound doch nicht die gewünschte Wirkung auf die Zudern Erscheinungen, die an sich alle vortrefflich sind, friedenheit und das Glück der Menschen haben, durchhaben es jetzt nur mit der Pädagogik zu thun, wo führen, wenn dazu hier der Ort wäre. Wir aber Neues versucht, anscheinend zum Heile der lieben man denn vor allen Dingen gern experimentirt und studierenden Jugend, oft aber nur zu gröfserer Glorie des Erfinders angeblicher Universal-Recepte. Da hat man nun die Jacotot'sche Methode gepriesen, terrichtes als vor allen nothwendig ausgeschrien, andre haben die Einführung des wechselseitigen Unwieder andre wollen nur in Realschulen die wahre Bildung des künftigen Geschlechtes erzielt wissen, andre preisen als den wahren Anfänger einer verendlich versuchen es mit der Gymnastik, und deuten nünftigen Pädagogik den Doctor Lorinser, andre unverholen genug an, dafs dem Geiste das eigentliche Heil durch den Körper kommen müsse, während der Geist den Körper beherrsche. man bisher geglaubt hat, dass in den meisten Fällen Zu den letzten gehört auch der Verfasser vorliegender Schrift.

Ref. ist gewils von der hohen Wichtigkeit körperlicher Uebungen für die Jugend auf das lebhafteste überzeugt, wie es schon vor ihn Peter Frank, Gutsmuths, Passow, Thiersch, Niemeyer, Fr. Jacobs, Kirchner, Koch und andre mehr gewesen sind, er hat es auch stets als einen Vorzug solcher Anstalten angesehen, wo, wie z. B. in den Franke'schen Stiftungen zu Halle, seit langer Zeit und lange vor Jahn's Turnwesen - gymnastische Uebungen in einer gewissen Ordnung eingeführt waren, ohne weder dadurch Seiltänzer noch athletische Kämpfer zu bilden. Ref. ist ferner vollkommen überzeugt, dafs die Gymnastik in unsern Schulanstalten nicht verabsäumt werden dürfe, dafs sie, wie es in einer Verordnung des schlesischen Consistoriums vom Jahre 1816 hiefs,,,ein wesentlicher Gegenstand der allgemeinen Volksbildung ist und dafs es zur vollkommnen Bildung der Menschen gehört, nicht in Schlaffheit

and Weichlichkeit erfunden zu werden, sondern auch
seiner leiblichen Kraft vertrauen zu dürfen, und dafs
wir das kunstvolle Gebilde, womit der Schöpfer un-
sern Geist umgeben hat, auch in seiner eigenthümli-
chen Schönheit und Tüchtigkeit vor ihm darstellen
müssen." Bei dieser unsrer Ansicht können wir
aber doch nicht umhin, den Titel der vor uns liegen-
den Werner'schen Schrift (ohne uns jetzt bei der
schlechten Fassung desselben aufzuhalten) für etwas
marktschreierisch zu erklären, und den Inhalt nicht
ganz im Einklange mit der vielversprechenden An-
kündigung. Denn nicht wenige Stellen sind aus Pet.
Frank's, Koch's und andern medicinisch-diätetischen
Büchern entlehnt, viele andre Stellen bieten nichts
Neues, so dafs sich eigentlich die Summe des Gan-
zen nur auf Folgendes beschränkt: Hr. Werner hat
längst bekannten Wahrheiten ein neues Kleid ange-
zogen und die Neigung des Zeitalters zu Aenderun-
gen und Neuerungen dazu benutzt, das Amt, dem er
sich einmal gewidmet hat, möglichst zu empfehlen,
nicht ohne Ungerechtigkeit gegen das Bestehende und
nicht ohne Unkenntnifs früherer Verhältnisse, wo-
hin wir besonders die häufige Ermahnung rechnen,
dafs die Philologen, die,, sich fürchten eine griechi-
sche und lateinische Stunde zum Besten der Gesund-
heit zu opfern", sich doch die naturgemässe Erziehung
der Griechen und Römer zum Muster nehmen möch
ten. Als ob diese grade auch für unsre Zeit passen
müfste! Wir haben ja die Periode des Hellenismus
durchgemacht und wie jeder Gebildete weifs, ohne
sonderlichen Gewinn für vaterländische Sitte und
Tugend.,,Wir müssen vielmehr", um des trefflichen
Jacob's Worte zu gebrauchen,,,eine solche Erziehung
haben, die unsrer Zeit und der Verfassung unsrer
Staaten angemessen ist: dann wird uns auch Gott
das Uebrige verleihen und deutsche Mannhaftigkeit
mit hellenischer Tugend wetteifern können." (Verm.
Schrift. III. 182.) Diese Erziehung wird wesentlich
durch gymnastische Uebungen befördert, aber ihre
eigentlichen Grundpfeiler sind Frömmigkeit, gute
Sitten, Arbeitsamkeit, Sparsamkeit, Vaterlands-
liebe und Gehorsam gegen die Gesetze. Wo diese
Elemente vorhanden sind, wird auch ein riistiges
Geschlecht in den Schulen grofs gezogen werden.
Die Lebensfragen, die sich Hr. Werner zur
Beantwortung gestellt hat und wobei wir seine gute
Absicht, die grübelnde Verfeinerung des Jahrhun-
derts, die Treibhausähnliche, gleichsam durch Kü-
bel beengte Erziehung, die stubensieche Verweich-
lichung und städteatmosphärische Verkrippelung
zu bekämpfen, keinesweges verkennen wollen, sind
nun folgende: 1),,Welche Nachtheile werden im
Allgemeinen durch die physische Erziehungsweise
vermieden und welche Vortheile erlangt"? Wahre,
jedoch nicht neue Bemerkungen. 2) Welche sind die
Ursachen, wodurch die so häufig überhandnehmende
Engbrüstigkeit, schiefe Körperhaltung und ähnliche
Uebel herbeigeführt werden, und wie sind sie zu er-
kennen"? Nach F.A. Schmidt's Rathgeber bei dem
Schief- und Bucklig werden" bearbeitet, eine nütz-

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liche Abhandlung, liche Abhandlung, "deren Lecture um so mehr zu empfehlen ist, da jenes Buch wohl nur sehr selten in die Hände von Pädagogen kommt. 3),,Welchen Einfluss haben die Verkrümmungen auf die Gesundheit des Körpers und des Geistes." Gute medicinische Rathschläge. 4),,Welche Mittel stehen jedem Lehrer zu Gebote, ohne grade förmlichen gymnastischen Unterricht nehmen oder ertheilen zu dürfen, angehende Verwöhnungen des Körpers zu unterdrücken, um den häufigen Vorwürfen der Eltern zu begegnen." Für erfahrene Lehrer nicht neu und von verständigen Aufsichtsbehörden, namentlich in Volksschulen, auch bereits angewendet. Aber Hr. Werner hat hier, wie öfters, nicht berücksichtigt, dafs der gute Wille oft an localen Hindernissen scheitert und dafs der Staat nicht alle, ihm etwa für Unterrichtszwecke zu Gebote stehende Mittel, blofs zu gymnastischen Uebungen zu verwenden hat. Dasselbe gilt von der fünften Frage, wo der Vf. ein gymnastisches Landes - Institut, eine besondre Aufsichtsbehörde, eigne Unterrichtsplane, besondre Aerzte, ausführliche Prüfungen u. dgl. von Seiten des Staats angeordnet wissen will. Hier sind Hn. Werner's Plane wirklich zu ausschweifend und seine Vorschläge zu methodisch. Grade, dafs die Jahn'sche Turnkunst - mit der übrigens Hr. Werner, der sich mehr an Gutsmuth's anschliefst, seine Gymnastik durchaus nicht verwechselt wissen will sich so abgeschlossen hinstellte und Dinge in ein System bringen und zu einem Zwange machen wollte, die man sonst nur aus freier Lust geübt hatte, hat derselben bei vielen, sonst wackeru und vorurtheilslosen Männern geschadet. 6),,Welchen Nutzen gewährt die Gymnastik für den Krieger und welche für den Gewerbestand?" Wieder gute, wenn gleich nicht neue Bemerkungen. Aber Hr. Werner hätte doch, als Militär, auch nicht verschweigen sollen, dafs viele Schlachten siegreich mit solchen Soldaten gefochten sind, die nur die gewöhnliche körperliche Ausbildung gehabt hatten, und dafs namentlich der Gedanke, für König und Vaterland zu streiten, auch die schwache Kraft und den ungeübten Körper gestählt habe. Wir wollen dabei den Nutzen gymnastischer Uebungen als Vorbereitung für den Kriegs- und Felddienst nicht bestreiten, wenn nicht dieser Dienst selbst in Staaten, wo ein Jeder zum Kriegsdienst verpflichtet ist, an sich schon eine vortreffliche gymnastische Uebung abgiebt. Was über den Nutzen für den Gewerbstand gesagt wird, finden wir recht practisch und namentlich für polytechnische Anstalten, wo sehr oft weder Religions- noch gymnastischer Unterricht Statt findet, sehr anwendbar. 7),, Sind Leibesübungen ein nothwendiger Theil weiblicher Körperbildung." Wird bejahet. In der folgenden achten Frage ist die mässige Anwendung des Tanzens als wohlthuend für die Gesundheit bezeichnet und in einer lesenswerthen Uebersicht und medicinischen Belehrung das Nachtheilige der Uebertreibung geschildert, wie sich in der zehnten Frage der Vf, auch gegen das Reiten der Frauen und Jung

frauen mit allem Recht erklärt. Man wird dazu nicht ohne Vergnügen einige Bemerkungen am Schlusse des zweiten Theils von Varnhagen von Ense's Denk würdigkeiten und Vermischten Schriften vergleichen. 10),,Wie kann ein Lehrer in Hinsicht des Anstandes erfolgreich auf seine Zöglinge wirken." Ohne eigentlich practischen Werth, mehr blofse Worte. 11),,Welchen moralischen, politischen und pädagogischen Nutzen gewähren Spiele"? Blofs das Gewöhnliche und dazu ziemlich weit ausgeholt. Neue, zweckmässige Spiele giebt Hr. Werner hier nicht an, hat aber kurz zuvor eine Sammlung von 360 Spielen zur Ausbildung des Geistes und Kräftigung des Körpers herausgegeben, die nicht ohne Beifall aufgenommen sind. Er erwähnt auf S. 50 gewisse gymnastische Feierlichkeiten in seinem Institute zu Dresden, deren nähere Beschreibung hier vielleicht nicht unpassend gewesen seyn würde. 12),, Auf welche Weise ist der jetzt so sehr zunehmenden Entartung der Jugend, welche schon frühzeitig zu Verbrechern wird, entgegenzuarbeiten." In der Beantwortung dieser Frage kommt das Wort Gymnastik gar nicht vor und wir sehen also wirklich nicht ab, was Hr. Werner mit seinen, zwei Seiten füllenden Tiraden über eine Sache sagen will, deren Wichtigkeit allerdings die ernste Berücksichtigung verdient, welche sie bei erleuchteten Staatsmännern, wohlgesinnten Geistlichen und thätigen Menschenfreunden gefunden hat.

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Ein Jeder, welcher sich mit Meteorologie beschäftigt und dabei nicht blofs die monatlichen oder jährlichen Mittel, also die mehr klimatischen Elemente aufsucht, sondern der vielmehr die einzelnen Witterungserscheinungen von Tage zu Tage verfolgen will, wird bei dieser Untersuchung stets durch den Mangel an gleichzeitigen Beobachtungen aufgehalten. Während in früheren Zeiten die Academien und gelehrten Gesellschaften häufig meteorologische Tagebüicher in ihren Denkschriften hekannt machten, ist dieses jetzt weniger der Fall und auch die Zeitschriften für Physik können wegen des Reichthumes anderweitiger Gegenstände hierauf nur sehr wenig Rücksicht nehmen. Stets sieht sich der Meteorolog bei Arbeiten dieser Art genöthigt, die auf Kosten von Karl Theodor gedruckten Mannheimer Ephemeriden zu benutzen; sehr schwierig wird es ihm aber, aus neueren Zeiten, wo er selber beobachtet hat, die Witterungserscheinungen in entfernten Gegenden kennen zu lernen, Rec, hat dieses sehr häufig em

pfunden, da dasjenige, was in öffentlichen Blättern mitgetheilt wird, im hohen Grade fragmentarisch ist, eine solche Mittheilung der Beobachtungen, wie sie unter den Astronomen stattfindet, ist aber bei den Meteorologen noch nicht Sitte geworden. Obgleich in den letzten Jahren mehrere Versuche gemacht worden sind, ein Journal zum Mittelpunkte dieser Verhandlungen zu machen, so machten doch hier die Abhandlungen einen verhältnifsmässig zu grofsen Theil aus und meteorologische Tagebücher wurden in zu geringer Zahl gegeben. Rec. ging deshalb schon seit Jahren mit der Idee um, eine ähnliche Sammlung herauszugeben, als die Mannheimer Ephemeriden, es sind auch des Versuchs wegen mehrere Bogen der letzteren abgedruckt worden, um ungefähr die Kosten des Unternehmens kennen zu lernen, diese waren aber in Verhältnifs zu dem jedenfalls geringen Absatze so bedeutend, dafs keinem Buchhändler oder Gelehrten zugemuthet werden konnte, den Verlust zu decken. Aus diesem Grunde mufs ein Jeder, welcher sich für den Gegenstand interessirt, dem Russischen Ministerium seinen Dank dafür sagen, dafs es nicht nur an verschiedenen Punkten mit genau verglichenen Instrumenten Beobachtungen anstellen läfst, sondern dafs es auch die nöthigen Druckkosten zu diesem Unternehmen hergiebt. Möge nur der Eifer der Beobachter und Herausgeber nicht erkalten!

Dieses Heft, welches Rec. vor mehreren Wochen durch die Gnade des Russischen Ministeriums erhielt, bildet nach dem Umschlage das erste des ersten Bandes. Es enthält aufser der Einleitung die Beobachtungen in Petersburg und Tafeln zur Herleitung des Dampfgehaltes der Atmosphäre aus den Beobachtungen des Psychrometers. In der Einleitung werden die Instrumente und Beobachtungsmethoden, so wie die nöthigen Reductionen beschrieben, besonders verweilt der Herausgeber hier bei der Herleitung der magnetischen Neigung, über welche wir ihm bekanntlich mehrere treffliche Untersuchungen verdanken, welche er ausführlicher in Poggendorff's Annalen der Physik bekannt gemacht hat. Eben so spricht er sehr ausführlich über das Psychrometer. Er macht in Betreff auf dieses Instrument eine Bemerkung, welche Rec. hervorheben zu müssen glaubt: Je dois ailleurs avouer, que les observations psychrométriques exécutées selon la méthode de M. August (quoiqu'elle soit la meilleure que l'on connaisse) ne me paraissent pas comporter une très grande exactitude, à l'hiver surtout; j'ai vu plusieurs fois, dans cette saison, le thermomètre, dont le reservoir est couvert de mousseline, indiquer une plus haute température, que le thermometre libre; et à l'été, deux psychromètres placés l'un à coté de l'autre, donnent souvent des resultats différens, lorsqu'il existe une petite différence dans la figure des reservoirs et dans la finesse du tissu de mousseline, qui les recouvre (p. 7).

(Der Beschlufs folgt. )

ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG

März 1838.

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Rec. hat beide Erfahrungen ebenfalls sowohl in

den Ebenen von Deutschland, als auf den Alpen gemacht, darnach ist jedoch der erste Uebelstand bei weitem wichtiger, als der zweite, denn die kleinen Ungleichheiten scheinen bei einer gröfseren Zahl von Beobachtungen zu verschwinden, wofern man nur keine zu grofsen Thermometerkugeln anwendet; ihm scheinen diese Differenzen nicht gröfser zu seyn, als diejenigen, welche man zwischen mehreren neben einander hängenden Thermometern, namentlich im Sommer bemerkt, welche ebenfalls in Folge schwaeher Lufströme oder kleiner Verschiedenheiten in der Strahlung momentan um mehrere Zehntel eines Grades abweichen können, so jedoch, dafs bald das eine, bald das andere etwas höher steht. Den ersten Uebelstand hat Rec. ebenfalls häufig bemerkt, und wenn er wegen der allgemeinen Milde der letzten Winter die Thatsache auch nicht bei so grofsen Kältegraden gesehen hat, als der Herausgeber, so glaubt er doch annehmen zu müssen, dafs die Ursache davon theils in der Art der Befeuchtung, theils in der Dicke der Eisrinde liegt. Es scheint dem Rec. nach seinen Erfahrungen durchaus nothwendig, das Thermometer im Winter wenigstens eine Stunde vor der Beobachtung anzufeuchten und häufig reicht selbst diese Zeit nicht aus. Der Grund scheint darin zu liegen, dafs das Wasser noch nicht vollständig gefroren war, und dafs die Wärme, welche beim Gefrieren frei wird, das Thermometer etwas erhöht. Rec. bat daher die Erscheinung am häufigsten in der Nähe des Gefrierpunktes beobachtet.

Die Beobachtungen selbst gehen vom 1. Julius 1835 bis 30. Junius 1836, sie sind von 8 Uhr Morgens bis 10 Uhr Abends alle zwei Stunden gemacht, und es werden zuerst die Beobachtungen des Barometers in halben Linien des englischen Zolles und auf 13° R. reducirt gegeben, darauf folgen die Temperaturen in Graden R. nebst dem Drucke der Dampfatmosphäre, und zuletzt die Winde nebst der Beschaffenheit des Windes. Dürfte Rec, in Betreff auf

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richtung unbequem.

die Anordnung des Druckes einen Wunsch ausspre-
chen, so wäre es der, dafs sämmtliche zu derselben
ten neben einander ständen.
Stunde gemachte Beobachtungen an allen Instrumen-
Zwar erleichtert die
vom Herausgeber gewählte Trennung die Ueber-
sicht über den Gang der einzelnen Instrumente, aber
wenn man die sämmtlichen Erscheinungen zugleich
übersehen und mit den an anderen Orten statt gefun-
denen vergleichen will, dann ist die gewählte Ein-
Rec. hat diese Vergleichung
mit den gleichzeitig beobachteten Angaben der In-
strumente in Mailand, Paris, London und verschie-
denen Orten Deutschlands vorgenommen, so interes-
sant jedoch auch mehrere dieser Resultate zu seyn
scheinen, so würde eine Angabe derselben hier zu
weit führen, er empfiehlt einem jeden aber diese Ar-
beit, welcher die grofsen Bewegungen der Atmo-
sphäre will kennen lernen. Dagegen erlaubt sich
Rec. einige andere Folgerungen aus den Beobach-
tungen mitzutheilen. Zuerst zeigt sich hier die be-
kannte tägliche Ebbe und Fluth des Luftdruckes noch
ziemlich bestimmt; nach dem Herausgeber ist der
Unterschied zwischen dem Maximum am Morgen und
dem Minimum am Abende etwa 3,02 Millemeter.
Rec. hat die Barometerstände in Pariser Linien aus-
gedrückt und aus den täglichen Bewegungen des
Quecksilbers die folgende Gleichung hergeleitet:
Bn=336,"6294+0,03537 sin (n. 15°+125°5′)

+0,02529 sin (n. 30° +147°3′)
+ 0,00317 sin (n. 45° +270°)

wo die Stunde vom Mittage gezählt wird und Ba den zugehörigen Barometerstand bezeichnet. Leiten wir daraus die Wendestunden und die Extreme her, so finden wir

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Minimum um 53 Uhr Maximum um 10 Uhr = Minimum um 15 Uhr 1= Maximum um 213 Uhr Die Zeiten sind also noch nahe eben so als in andern Gegenden, denn die Abweichungen rühren unstreitig davon her, dafs die Messungen bei der Kleinheit der Bewegungen nicht hinreichend lange fortgesetzt sind, um alle Anomalien zu entfernen. Der Unterschied zwischen dem mittleren Maximum und dem mittleren Minimum beträgt darnach 0,059. Nach einer Gleichung, welche Rec. aus einer grofsen Anzahl Messungen hergeleitet hat, würde derselbe

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