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brachte. Vergl. 2 Makk. 2, 13. Neben dieser pa- nen des jeremianischen Textes erweisbar: die palälästinensischen Ausgabe entstand nun zur Zeit Zeit stinensische und die ägyptische. Jene ist vermuthAlexanders d. Gr. um 330 noch eine ägyptische, lich die ältere, mag aber im Laufe der Zeit einzelne weil jene nicht allgemeine Billigung fand. Der Ur- Erweiterungen erfahren haben, diese die jüngere. heber derselben folgte meistens dem Texte der vom Sehr weit darf man indefs die letztere nicht herabVerfasser der Bücher der Könige veranstalteten, noch rücken, weil die Juden in der späteren Zeit sich uicht bedeutend corrumpirten, Ausgabe; benutzte aber schwerlich erlaubt haben, mit Schriften aus der heiauch Exemplare der älteren, vielleicht von Jeremia ligen Vorzeit so willkürlich umzugehen. Wir müsselbst in Aegypten gemachten Edition; aus dem ma- sen jedoch hier abbrechen, obwohl wir über die Ansoretischen Texte, den er kannte, entlehnte er nur sicht des Vfs von der Entstehung des jeremianischen wenig. Diese ägyptische Ausgabe, welche den äl- Orakelbuches, welche viel zu complicirt und künstteren Text bei Weitem reiner erhielt, als die palä- lich ist, als dafs sie ansprechen köunte, ferner über stinensische, ist dann von den LXX ins Griechische die zu häufige dem Literaturwesen des Alterthums übersetzt worden. nicht entsprechende Annahme wörtlicher Entlehnungen von einzelnen Kleinigkeiten, z. B. Formeln und Redeweisen, aus schriftlichen Quellen statt aus dem Gedächtnisse, endlich über seine Hypothesensucht (jetzt,, positive Kritik" genannt) noch Manches zu bemerken hätten.

Auf eine umständliche Beurtheilung dieser nicht ohne Scharfsinn durchgeführten Ansicht können wir, wir blofs zu einer Anzeige der vorliegenden Schrift beauftragt, nicht eingehen und beschränken uns daher auf eine allgemeine Bemerkung. Es kann nicht bezweifelt werden, dafs die LXX nicht unsern masoretischen, sondern einen andern hebr. Text übersetzt haben und dafs mithin die jeremianischen Weissagungen in einer zwiefachen Recension bei den Juden in Umlauf gewesen sind. Aber es kann bezweifelt werden, dafs der Text der LXX der reinere und ältere, der masorethische der verderbtere und jungere sey. Denn das Mehr des letzteren im Vergleich mit jenem, was Hr. M. als später interpolirte Zusätze angesehen wissen will, kann auch, Einzelnes natürlich abgerechnet, ursprünglich jeremianisch seyn, da Jeremia bekanntlich breit und weitschweifig schreibt, und es sich leichter erklärt, wie ein Ueberarbeiter jeremianischer Orakel Ueberflüssiges wegzulassen und somit den Text abzukürzen sich bewogen finden konnte, als wie er es über sich gewinnen konnte, den ohnehin breiten Stil durch entbehrliche Zusätze noch breiter und schleppender zu machen; ein Fall, der obenein in der biblischen Kritik keine Parallele haben möchte. Darnach wäre dann der alexandrinische Text als ein vielfach verkürzter zu betrachten. Wenn Hr. M. sich für seine Hypothese auf die Uebereinstimmung der LXX zu Jer. 52 mit dem hebr. Texte von 2 Kön, 25 beruft und hier wie dort den älteren jeremianischen Text findet, so thut er daran sehr unrecht. Denn die LXX a. a. O. stimmen ebenso oft mit dem hebr. Texte von Jer. 52 gegen den von 2. Kön. überein (vergl. V. 4. 7. 9. 10. 11. 12. 14. 19. 20. 25. 34.), als sie mit diesem gegen jenen harmoniren. Wollten wir also auch zugeben, was wir nicht thun, dass 2 Kön. 25 ein Fragment des älteren jeremianischen Textes sey, so könnten wir doch vom Urtexte der LXX zu Jer. 52 nicht dasselbe zugeben. Es bleibt daher nur die Annahme übrig, dafs die LXX auch Jer. 52 den uns nicht weiter bekannten hebr. Text übersetzt haben, der ihnen von den Weissagungen Jeremia's vorgelegen hat, wofür noch der Umstand spricht, dafs sie oft von beiden hebr. Texten (2 Kön, 25 und Jer, 52) abweichen und dafs manchmal auch alle drei Texte unter einander disharmoniren. Demnach sind blofs zwei Recensio

In Betreff der schriftstellerischen Weise hätten wir gewünscht, dafs Hr. M. andere namhafte und sehr achtbare Gelehrte mit mehr Anstand und Mä(sigung behandelt hätte. Er schreibt p. 15: Von Bohlen insulsam explicationem proposuit etc, dann: Pariter ridiculum est, quo subsidio mper Maurer nostro loco succurrere voluit etc. p. 33: Quum de his rebus (nämlich über den in vorliegender Schrift behandelten Gegenstand) apud recentiores criticos nil nisi vanas futilesque invenerimus coniecturas etc. Sebe Hr. M. zu, dafs man seine Conjecturen, die weit zahlreicher sind, als die seiner Vorgänger zusammen, nicht auch unbegründet finde! Noch stärker und absprechender lässt sich Hr. M. p. 44 also vernehmen: Falsissimum quidem est, quod nuper de hoc vaticinio (Jer. 50. 51.) statuerunt Eichhorn, von Kölln (so schreibt der Vf. fälschlich für von Coelln und p. 43 ebenso falsch Hubigant für Houbigant), de Wette, Gramberg et Maurer, qui a Jeremia scriptum esse id negant; cuique enim dicendi rationis Jeremiae propriae tantum mediocriter gnero (!) et gravitati argumenti e scriptoris indole sumti rite examinandae atque intelligendae non omnino (!!) impuri, facile persuadetur etc. - Der Stil des Vfs ist etwas unbeholfen und schwerfällig, auch nicht überall rein und richtig. So haben z. B. salvare f. servare p. 40 und minare f. minari p. 8 keine Auctorität und gegen die Consecutio Temporum ist gesündigt p. 8, wo es heilst: Graecum interpretem studuisse, ut sensum -accurate expresserit so wie: Factum est, ut proprietates in sua versione plerumque

reddiderit.

HALLE, b. Kümmel: Ueber die Vernachlässigung der Hermeneutik in der protestantischen Kirche, Fon F. H. Germar, Doctor der Theologie und Hofprediger (in Augustenburg). 1837. 66 S. 8. Mit Recht klagt der Vf. dieser Schrift über die Vernachlässigung der Hermeneutik in unsern Tagen, und leitet daraus die Mängel und Verderbnisse der

jetzt gangbaren Theologie her. Die Theologie der Die Theologie der Protestanten ruht auf der b. Schrift, soll es wenig stens, folglich ist es von der allergröfsten Wichtigkeit, dafs die Schrift nach richtigen Grundsätzen erklärt werde. Eben daran fehlt es aber jetzt sehr, und es ist zu bedauern, dafs neben der kaum übersehbaren Menge von Commentaren besonders über n. t. Schriften, so selten eine Schrift zur wissenschaftlichen Erörterung der Hermeneutik erscheint, Hr. Dr. Germar hat sich seit 17 Jahren den Anbau und die von ihm nöthig geachtete Umbildung dieser Wissenschaft sehr angelegen seyn lassen; seine Schriften zur Empfehlung der panharmonischen Interpretation des N. T. sind bekannt und auch in der Allgem. Lit. Zeit, besprochen worden. Den beharrlichen Eifer zur Förderung einer wirklich beiligen Sache, das Streben, der Wahrheit, wie sie dem Vf. einleuchtet, Eingang zu verschaffen, obgleich damit bisher wenig ausgerichtet ist, wird jeder Unbefangene rühmend anerkennen, wenn er gleich des Vfs, Ansicht nicht zu theilen vermag, ja selbst ihre Richtigkeit in Zweifel ziehen muss.

Hr. Dr. Germar findet (S. 13) das Hauptübel der jetzigen Hermeneutik darin, dafs man es zum Gesetze macht, die Beantwortung der drei Fragen 1) was der Schriftsteller sage, 2) ob es richtig sey und 3) wie man über den Auctor urtheilen soll nicht blos als verschiedene, sondern gänzlich von einander getrennte und auf einander folgende Geschäfte zu betrachten, wovon nur das erste dem Interpreten als solchem zukommt. Die panharmonische Erklärung macht auch die Beantwortung der zweiten und dritten Frage zur Pflicht des Auslegers. Sie scheidet den Urheber eines in der Schrift gegebe nen Gedanken von dem Referenten desselben. Was der eigentliche Urheber der in Rede stehenden Aeufserung damit habe sagen wollen, will sie ermitteln und hitet sich, des wahren Autors Meinung mit der in der Darstellung des Ref. ihm beigelegten zu verwechseln (S. 35). Weiter untersucht sie, ob der wahre Auctor einer Aeufserung das Richtige sagen konnte und wollte. Je grölser das Zutrauen zu der intellectuellen und moralischen Beschaffenheit des Auctors ist, desto länger mufs man alle Mittel der Auslegung anwenden, in den von ihm gebrauchten Worten,, einen dem Wahren und Richtigen angemessenen Sinn zu finden" (S. 37). Einem Christgläubigen, der diesen Namen verdienen soll, ist es von vorne berein entschieden, dafs Christus nur Wahres hahe sagen können und wollen. Folglich mufs in allen Acufserungen des Herrn Wahrheit enthalten seyn, und Gedanken, welche Gottes unwürdig und der Menschheit nachtheilig sind, dürfen einem Christen niemals für den klaren Inhalt der Aussprüche Christi gelten (S. 38). Kein Gedanke, welcher der wahren Religion und Allem, was damit zusammenhängt, widerspricht, darf als der von Christus durch seine Aeufserungen beabsichtigte angesehen werden, folglich kann nur eine rationale Interpretation auf den Namen einer christlichen Anspruch ma

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chen, und unchristlich ist, wie fromm es auch klingen mag, etwas Gottes Unwürdiges und der Menschheit Nachtheiliges für eine Offenbarung Christi auszugeben" (S. 50).

Es liegt am Tage, dafs gerade das umgekehrte Verfahren eingeschlagen werden mufs. Was der Vf, zum Principe, von welchem die Auslegung ausgehen müsse, macht, mufs vielmehr als Resultat des richtig ausgelegten N. T. erscheinen, wenn der Glaube an Christum als der Weg, die Wahrheit und das Leben, wissenschaftlich begründet seyn soll. Weil ich in den Reden und Aussprüchen Jesu durchgängig Wahrheit finde, sagt der Gläubige, darum ehre ich ihn als das Licht der Welt. Wer mit der Voraussetzung, nur Wahres könne im N. T. gesagt werden, an die Erklärung desselben geht, macht sich augenscheinlich einer Petitio principii schuldig und ist zur rechten Erklärung der b. Schrift in dieser Befangenheit eben so unfähig, wie jeder andere, der mit irgend einer andern Voraussetzung an dieses Geschäft geht, etwa a priori annimmt, das System seiner Kirche, Schule, Partei müsse nothwendig in der Schrift vorgetragen werden. Was gesucht worden ist, hat man, nach Turretins bekanntem Ausspruche, auch immer in der Bibel gefunden.

Wenn die ältern Theologen die geläuterten religiösen Begriffe des N. T. schon in dem Alten fanden, wenn die Harmonieenschreiber überall Harmonie in den Berichten der Evangelisten herstellten, so verfuhren auch sie nach dem Principe der Panharmonie. Die hobe Achtung vor der h. Schrift, die durchweg vom h. Geiste eingegeben sey, leitete sie bei diesem Verfahren und machte ihnen die gewaltsamsten Proceduren, um hier etwas Gotteswürdiges in den Text hinein zu bringen, dort einen Widerspruch des einen bibl. Schrifstellers gegen den andern hinwegzuschaffen, zur unerlafslichen Pflicht. Die Penzenkufer u. a. brachten durch Panharmonie die Kantische Gottes- und Sittenlehre in das N. T. Ausgemacht war es ihnen, nur diese Lehre enthalte Wahrheit, sey also die Wahrheit. Mufste demnach nicht alles aufgeboten werden, die einzig wahre Lehre auch dem N. T. zu vindiciren, da es ja aufserdem alle Ansprüche auf fernere Geltung verloren haben würde? Die neulich von Strauss (Streitschriften 1.) meisterhaft in ihrer Nichtigkeit dargestellte sogenannte gläubige Exegese ist auch eine panharmonische, denn sie geht von dem Grundsatze aus, nur Wahres und Gotteswürdiges könne die h. Schrift enthalten und findet daher überall das Wahre, was ihr ein Wahres ist. Und so fürchten wir, dafs auch der von uns sehr hochgeachte Hr. Dr. Germar dem Texte oft Gewalt thun würde, wenn er einen Commentar über ein bibl. Buch schriebe. Schon in dieser kleinen Schrift finden wir Belege dazu. So erinnert er S. 39, dafs man bei dem Worte,,sprechen" doch keinesweges immer an hörbare Laute zu denken habe. Er führt Gellerts Worte an: Gott spricht zu uns durch den Verstand — und setzt hinzu:,, mufs also auch Bileams Esel nothwen

dig mit Worten sprechen, um bei seinem Herrn die Gedanken hervorzubringen, oder zu bestätigen, die sich schon vorber bei ihm regten?" Was hierauf zu antworten ist, hat Straufs a. a. O. schon gezeigt.

Nein, die grammatisch historische Interpretation, oder, wie Rec. zur Vermeidung des Mifsverstandes lieber sagt, die philologische wird sich immer als die einzig zulässige bewähren, und die Beurtheilung und weitere Ausdeutung der mittelst dieser Interpretation in der Schrift gefundenen Behauptungen kann nicht eigentlich Sache des Auslegers, als solchen, seyn, wenn unsere Commentare über die Bibel nicht zugleich Handbücher der Dogmatik, Moral u. s. w., oder auch Postillen werden sollen. Wohin es führe, wenn die Grenzlinie des Interpres nicht streng gehalten wird, zeigen uns manche mit tiefseynsollenden, frömmelnden, neuevangelisch verdammenden Geschwätz angefüllten dicken Commentare der neuesten Zeit. Was der geehrte Vf. S. 16 ff. gegen die philologische Erklärung einwendet, kann Rec. durchaus nicht billigen. Dort wird von Erklärern der strengphilologischen Schule gesprochen, deren Grundsatz es sey: der Sprachgebrauch allein solle über den Sinn entscheiden. Wir gestehen, dafs solche Ausleger uns völlig unbekannt sind, und wir hier Hrn. Dr. Germar einer Uebertreibung zeihen müssen. Sagt er uns doch (S. 20 ff.) selbst, dafs nach den Statuten der philolog. Erklärung auch der Zusammenhang (Context) nicht unbeachtet bleiben dürfe, dafs (S. 24) die unklaren, oder undeutlichen Stellen eines Schriftstellers nach den klaren und deutlichen erklärt werden müssen, dafs der Geist, nicht der Buchstabe über den Sinn entscheide (S. 26), dafs der Interpres bei Aufsuchung des wirklichen Sinnes seines Schriftstellers sich mit seinem Denken, Gesinntseyn und Fühlen in seinen Auctor versetzen, ganz unparteiisch und unbefangen seyn, in seinen Text nichts hineintragen solle (S. 29). Allerdings verlangt die philologische Interpretation dieses alles und noch manches andere von dem Vf. nicht Angegebene. Mit welchem Rechte wird ihr also der Vorwurf gemacht, dafs sie den Sprachgebrauch allein entscheiden lasse? Keinesweges, sondern alles, was in den Forderungen der Panharmonie wahres liegt, macht sich die philologische Interpretation zu unverbrüchlichem Gesetz.

Das S. 19 f. Gesagte ist gewil's nicht geeignet, die Lobredner der philologischen Interpretation, wie der Vf. beabsichtigt, ad absurdum zu führen. Er fragt nämlich, wie es doch komme, dafs noch kein Ausleger der strengen grammatischen Schule in dem Ausspruche Jesu: oxera vis, ôti ovdeìs dúἔρχεται νύξ, ὅτι οὐδεὶς δύ Patai éppúscoa einen klaren Beweis gefunden habe, καται εργάζεσθαι dafs hier alle Unsterblichkeit geleugnet werde, da doch ein Zustand ohne alle Wirksamkeit und Thätigkeit, von welchem hier Jesus als von einem ihm

bevorstehenden spreche, kein Leben zu heifsen verdiene? Darüber darf man sich nun aber nicht wundern. Denn der philologische Interpret den Zusammenhang der Stelle, die Absicht des hier Sprechenden, das, was von den Ueberzeugungen Jesu Sprein Betreff unsers Zustandes nach dem Tode aus dessen anderweitigen Aeufserungen im N. T. völlig klar vorliegt, beachtet, so kann er unmöglich auf jenen Gedanken kommen: und wenn ein die Worte Mifsverstehender darauf käme, so würde eben die philologische Interpretation durch Anwendung der, von Hrn. Dr. Germar, wie wir ohen gesehen haben, selbst angeführten Statuten dieser Schule ihn bald zurecht weisen.

Noch viel weniger dürfte die S. 20 angeführte Anecdote, die der Vf. für besonders schlagend zu balten scheint, gegen die philologische Interpretation beweisen. Die Kaiserin Katharina II. gab den Befehl, dafs einem gewissen N, N. die Haut abgezogen und diese ausgestopft werden solle. Der Beauftragte begab sich zu dem Herrn dieses Namens, der begreiflicher Weise, jedoch Anfangs ohne Erfolg, gegen diese unbegreifliche Gransamkeit protestirte. Endlich gelang es ihm, Aufschub zu erlangen; und so ergab sich, dafs ein damals gestorbener Lieblingsbund der Kaiserin, welcher diesen Namen führte, gemeint sey. Da bemerkt nun der Vf.: „, unstreitig wäre der Unglückliche nach der reingrammatischen Interpretation und ihren Behauptungen von gegebenem Sinne, von der Macht des Buchstabens u. s. w., besonders aber nach dem saubern Gesetze, dafs die Kritik der Gedanken und des Auctors den Interpreten als solchen gar nichts angehe, mit vollem Rechte geschunden worden.

Wir erlauben uns, anderer Meinung zu seyn. Der Ausrichter jenes Allerhöchsten Befehls war vielmehr der erbärmlichste philologische Interpres. Aus jedem Compendium der Hermeneutik, selbst aus dem schlechtesten, hätte er lernen können, dafs es die Cardinalfrage bei Erklärung eines jeglichen Satzes sey, von welcher Person oder Sache in dem vorliegenden Falle geredet werden? Diefs mufs mit Anwendung aller nur irgend vorhandenen Mittel zur möglichsten Klarheit und, wenn es angeht, zur unumstöfslichen Gewissheit erhoben werden. Anstatt also sofort zu einem Manne mit Namen N. N. zu laufen, um ihn die Haut abzuzichen, würde jener Ausrichter, hätte er nur etwas philologische Schule habt, sich eine authentische Erklärung über den N. N. erbeten haben. War diese ihm gegeben, so kam ihm blos zu, dafs er thue nach der Kaiserin Gebot, denn Allerhöchste Befehle sind für die, welche sie vollziehen sollen, eben so wenig ein Gegenstand der Kritik, als es dem Interpreten eines Auctors, als solchem, zusteht, die Gedanken seines Schriftstellers zu kritisiren.

(Der Beschlufs folgt.)

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ALLGEMEINE

JURISPRUDENZ.

LITERATUR - ZEITUNG

März 1838.

MÜNCHEN, b. Fleischmann: Das römisch-deutsche Recht der Compensation, mit Hinblick auf einige besondere in Deutschland geltende Gesetze und Statuten, dargestellt von Dr. Ferdinand Hartter. 1837. XÍ u. 259 S. gr. 8. (1 Thlr.)

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enn Rec. über diese Schrift ein Gesammturtheil, auch nur in den Hauptbeziehungen derselben abgeben soll, so gesteht er, dafs er sich in einiger Verlegenheit befindet. Denn es finden sich in derselben neben recht gelungenen Ausführungen, und namentlich neben der rühmlichst zu erwähnenden Einleitung, Zeichen der Ignoranz von solcher Stärke, dafs eines neben dem andern kaum möglich erscheint. Rec. wird zu diesem Urtheile Belege geben. Was zuvörderst die Benutzung der Literatur anbetrifft, so zählt der Vf. die specielle Literatur von der Compensation mit ziemlicher Vollständigkeit auf, bei Erwähnung der Systeme dagegen (S. 36) beschränkt er sich mit Ausnahme von Weber und Glück auf die älteren. So erscheinen nun auch von neuern berühmten Namen in den sehr reichlichen Citaten an entscheidenden Punkten z. B. Mühlenbruch, Savigny, Martin und Linde fast nie, nur Thibaut zuweilen, desto öfter aber Lauterbach, Stryk und Brunnemann. Nur von seinen bayerschen Landsleuten hat der Vf. so leicht keinen vergessen.

Anbelangend den Inhalt, so hat der Vf. eher zu viel hineingezogen, als etwas Wesentliches übergangen. Der este Abschnitt, welcher das materielle Recht enthält, ist jeden Falls der bessere, und namentlich dem zweiten, der das formelle Recht, d. b. die prozessualischen Momente entwickelt, überlegen. Von dem Krugschen Buche sagt der Vf. in der Vorrede S. V.,, es sey ihm erst sehr spät zur Vorlage gekommen, als er seine Darstellung schon beendigt gehabt;" dennoch wird es sehr häufig von Anfang herein citirt und benutzt. Der Verf. beginnt übrigens seine Entwickelung nicht, wie Krug, mit dem Einflusse der aequitas auf die Entstehung der C., sondern er geht vom historisch - prozessualen Standpunkt aus.

Im Ganzen kann die geschichtliche Entwickelung nicht als verfehlt betrachtet werden. Hat auch aus der frühern Zeit Roms Manches natürlich nur wahrscheinlich gemacht, und nicht zum Beweise erhoben werden können, so ist es mindestens gut combinirt.

Der Vf. leitet den Ursprung der Compensation bei den Römern von dem Ab- und Zuschreiben

(Scontriren) der Mensarien in die Calendarien oder Codices her, wobei sie natürlich auf den Literalcontract beschränkt war. Die Frage, wie die Compensation als ein rechtlicher Vertheidigungsgrund von allgemeinerer Bedeutung sich ausgebildet habe,

sucht er mit vielem Geschick und überall Stattfindender Benutzung der Literatur aus der Geschichte des römischen Processes nachzuweisen. Mit dem Formularprocefs schuf, der Praetor ein neues Vertheidigungssystem und Material des Beklagten, und zugleich, wie zwischen Civil- und prätorischen Klagen, efnen Gegensatz nach dem positiven Grunde für jenes. Ipso iure wirkte hier jeder Umstand, der schon nach dem Civilrechte Schutz gegen die Klage gab. In Ansehung der Wirksamkeit der prätorischen Schutzreden war zu unterscheiden, ob sie einer Civil- oder prätorischen Klage entgegengesetzt wurden. In jenem Fall war eine wahre Exceptio a regula iuris stricti vorhanden; im letztern nicht, denn sie war nicht erforderlich, sondern der Vertheidigungsgrund wurde hier ex aequitate et officio iudicis gewürdigt; die Wirkung war gleich. Prozessualische Folge hiervon war nun, dafs die wahren Exceptionen in die Formel aufgenommen und also in iure allegirt werden mussten, denn ohne diese hätte sie der Richter nicht beachten dürfen, während es mit der auf civilrechtlichem Grunde beruhenden Vertheidigung, und der prätorischen gegen prätorische Klagen gerade umgekehrt war; denn bier bedurfte es überall keiner Instruction auf Ausnahmen (Exceptiones), weil der iudex das schon ex officio beachten musste. Mit dem Formularprocefs mufsten hierin bedeutende Aenderungen eintreten. Seitdem schon das Edictum perpetuum durch ein Set in die Reihe der Gesetze getreten war, waren die aus der aequitas hervorgegangenen Normen keine Nothbehelfe, keine Exceptiones a regula iuris stricti Romani, sondern integrirender Theil des R. Rs. geworden. Von nun an hiefs aber Exceptio die Vertheidigung des Beklagten im Allgemeinen. Aus diesen Prämissen ergiebt sich §. 2. die Folgerung von selbst, dafs die Compensation im Procefs I) ipso iure, 2) ope exceptionis (so drückt sich der Vf. noch aus), 3) officio iudicis ex aequitate Berücksichtigung finden konate. Nach der Katastrophe des Edicti perpetui kam der Satz auf: nihil interest, ipso iure quis actionem non habeat an per exceptionem infirmetur (Tr. 112. de R. J.). Jede Vertheidigung des Beklagten trat von Rechtswegen ein, (das will Paulus Tr. 21. de Comp. sagen: id, quod invicem debetur, ipso iure compensari); denn nun gab es keinen bestimmten

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Termin mehr zur Vorschützung der Exc. compensationis, sondern es war dies ohne Unterschied bis zur Endsentenz erlaubt.

Weniger beifällig ist schon das aufzunehmen, was der Vf. im §. 3. über das materielle Recht entwickelt, und namentlich über den Gegenstand der Klagen und der Verurtheilung. Nicht nur mischt er hier die Zeugnisse aus verschiedenen Zeiten unter einander, sondern er versteht auch mehrere auffallend unrichtig. So glaubt er nämlich, dass, da die Urtheilsformel streng auf den Klagegegenstand gerichtet war, in Folge der auf den Klagegegenstand selbst gerichteten petitoria formula, seitdem diese aufgekommen, die Verurtheilung auch auf andere Gegenstände als Geld habe gerichtet werden können. Dem liegt ein gänzliches Verkennen der Natur der petitoria formula und des iussu de restituendo zum Grunde; dieser war ja nicht die eigentliche Sentenz, sondern nur ein Versuch, die Streitsache ohne condemnatio pecuniaria abzuthun, vergl. Zimmern röm. Procefs §. 65. und Sintenis in der Zeitschrift Bd. X. Nr. II. Ebenso irrig ist die Vorstellung vom all mählichen Verschwinden der (biernach vermeintlichen) strengen Grenzen zwischen dinglichen und persönlichen Klagen, nach einigen gänzlich mifsverstandenen, und aus dem Zusammenhang gerissenen Worten in Tr. 6. de R. V. (Dies will in der Zusammenstellung der Klagen: vestimenta nostra esse, vel dari oportere, nichts weiter sagen, als dass sowohl bei der R. V. als einer Klage auf dare eines vestimento (also ex obligatione), die genaue im principio der Stelle gedachte Bezeichnung des letztern geschehen müsse, - zum Klagegrunde gehöre, wie wir jetzt sagen.)

Darum ist nun auch die Folgerung falsch, dafs jetzt erst, wegen der gleichsam substituirten Obligation, bei Realklagen Compensation möglich geworden sey. Denn erst Justinian führte sie ganz allgemein für alle Klagen ein.

Der §. 4. beschäftigt sich mit der Compensation aus deutschrechtlichen Quellen, weiset deren Existenz nach, bemerkt, dafs mit dem Eindringen des R. Rs. dessen Grundsätze zur Norm wurden; doch entstanden grofse Anstände durch den Procefs, wovon in der zweiten Abtheilung mehr.

Aus dem §. 5. der von Gesetzen und der Literatur (s. o.) handelt, ist vorzüglich die Auslegung der aequitas ius compensationis introduxit, zu bemerken, wonach die Billigkeit als eigenthümliche bedeutungsreiche Quelle verworfen, und aequitas für prätorisches Recht erklärt wird.

Hier sind auch noch diejenigen Particularrechte u. 8. w. angeführt, auf welche der Verf. laut des Titels Rücksicht nimmt.

Die erste Abtheilung ist nun dem materiellen Recht gewidmet, und behandelt, nach der Erklärung des Namens der Compensation (§. 6.), deren Begriff und Wesen (§. 7.), von ihrem Unterschied von andern Rechtsinstituten (§. 8.), ihrer Stellung im System, (§. 9.) den Rechtssubjecten, (§. 10-21.)

dem Rechtsgrund der Leistungen (§. 22-38.), dem Gegenstande der Rechtsansprüche, die dabei zur Sprache kommen (§. 39-50.), den Wirkungen der Abrechnung (§. 51-56.), und dem Verzicht darauf (§. 57. 58.). Hier findet sich Genauigkeit und Reichhaltigkeit im Einzelnen.

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Beachtenswerth ist die Ansicht über ihr Wesen, dafs die Comp. zum Zweck der Herstellung des Vermögensverhältnisses, welches durch die wirkliche gegenseitige Leistung Zweier bezielt worden, vom Gesetz selbst als fictio iuris angeordnet zu erklären sey. Sonach sey das Aufhören des Rechts durch sie eine civilrechtliche Erscheinung gleich dem Erlöschen durch Verjährung u. s. w. Die richtige Definition laute demnach dahin: C. sey die iuristische Fiction der Rechtsrealisirung, wenn zwei Personen zu gleichen gegenseitigen Leistungen verbunden sind. Die Nr. 4. S. 45. gedachte Deductio in Stellen, wie Tr. 38. de H. P. und Tr. 48. de R. V. ist nichts anderes, als die C. selbst, und heifst ja in der letztern Stelle auch so. Für die Stellang im System will der Verf. die C. als das Erlöschen wechselseitiger Rechtsverhältnisse, obne Rücksicht auf den Rechtsgrund, der dinglicher oder persönlicher Natur seyn kann, am Ende der Vermögensrechte, also der Verjährung beigefügt und angereiht wissen. In der Lehre von den Rechtssubjecten würden §. 17. und §. 16. auch wohl §. 21. besser in §. 11. verflochten worden seyn, statt abgesondert zu werden. In §. 22. will der Vf. die C. bei dinglichen Klagen nach C. ult. de Comp. in einem viel ausgedehnterm Sinne verstanden wissen, als es bisher von den Juristen angenommen worden, welche bekanntlich hier allemal dingliche Foderungen, (Mühlenbruch Pand. §. 471.) voraussetzen, d. h. auf Entschädigung gerichtete, mögen sie die verloren gegangene Hauptsache vertreten, oder Nebenprästationen betreffen. (s. Hasse im Archiv Bd. VII. S. 181.) Der Verf. erinnert nun, dafs dann nicht mehr von Realklagen die Rede seyn könne, sondern jenes Personalklagen seyen; und dafs Justinian den Satz der Ausdehnung der C. auf dingliche Klagen so allgemein aufstelle, dafs fortan gar kein Unterschied zwischen der Abrechnung bei persönlichen und dinglichen Klagen Statt finden solle, und dies selbst als eine Ausdehnung des bisherigen Rechts bezeichne. Deshalb dürfe man sich auch nicht wundern, dafs es in dem ganzen Umfang unserer Quellen an Beispielen dazu feble, da es ja neueres Recht sey. Daher sey der Maasstab der Beurtheilung der C. in Realklagen der Doctrin überlassen. Zur Erläuterung führt der Vf. an dem A. wird eine Rolle Geld entwendet. Sein Gläubiger bringt sie vom Dieb an sich, und opponirt dem die Münzen Vindicirenden die Einrede der Compensation. Ferner: A. hat als Eigenthümer ein Pferd zu fodern, das B. besitzt. Dieser hat aber von A., ex testamento dessen Erblassers C., als Legatar,, ein Pferd zu fodern, und erklärt excipiendo, jenes behalten zu wollen." - Hierbei mufs nun freilich gleich bei geringem Nachdenken der Zweifel

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