Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

ten erschallen und auch zu ihm in seine fast ländliche Oase mit wunderlich schmetternden Tönen dringen, wieder hervortreten und in den Kampf sich mischen. Die Frucht dieses Schrittes sind die vorliegenden kleinen Schriften. Consequenz lieben wir alle und in der That, bis zum Aeufsersten consequent ist unser Schuderoff in der neuesten Schrift, und darum läfst er es nicht daran fehlen, umbekümmert darum, dafs der Feind bereits in sein Land mit überschwemmenden Schaaren eingebrochen ist, den Krieg in das Herz des feindlichen Landes zu spielen und dort mit allen Waffen eines grofsartigen Ingrimms sich fest zu setzen. Rec. hat somit den allgemeinen Eindruck wiedergegeben, den die Schuderoff'sche Schrift auf ihn gemacht hat, und verfehlet nicht, nunmehr einige Details zu geben.

Jedenfalls hat der Vf. die Scheidung durch die Distinction des Titels zwischen,, Kirchenrecht" und ,,Religionsphilosophie" genau genug angegeben. Das Recht ist in der neuesten Zeit so fluid geworden, dafs gar vieles darunter sich reihen läfst; und die Philosophie ist von jeher die willige Magd gewesen, die jede Zumuthung sich gefallen liefs. Wir rechten deshalb mit dem Trefflichen nicht über den subjectiven Bestimmungsgrund, nach welchem er die einzelnen Einer seiner Decade von Aufsätzen jenem oder dieser zugewiesen haben mag. Die kirchenrechtliche Tendenz in den ersten vier Abhandlungen:,, über Kirchenpolizei; noch ein Wort für Presbyterien und Synoden; Versuch zur Beantwortung einiger in das Kirchenrecht einschlagenden Fragen; Etwas über Hrn. Dr. Bretschneider's Aphorismen in der A.K. Z.", ist unverkennbar; so wie, abgerechnet einige besondere Färbung, die Gegenwart und Umgebung dazu gethan haben mögen (z. B. S. 10), die alte, kräftige, freisinnige Ansicht unsers Schuderoff ganz unverrückt and unverändert auf dem Kampfplatze erscheint; und in der in einer tiefen, grofsartigen Wehmuth geschriebenen Vorrede spricht sich eine Trauer über den Verfall der protestantischen Kirche aus, die ihrem Wesen nach wohl die Männer aller Parteien theilen, für die aber auch jeder von ihnen eine besondere Kleidung, um sie für sich zu bezeichnen, gewählt hat. Wir wissen es, dal's Sch. immer bemüht gewesen ist, von der Peripherie des kirchlichen Lebenskreises aus das Centrum zu gewinnen, aber eben darum mit jenen, die auf dem umgekehrten Wege den genannten Kreis zu construiren suchten, wenigstens im Mittel in scharfem Kampfe zusammentreffen, und überhaupt von einem solchen, dem seinigen vollkommen entgegengesetzten Streben alles Schlimme fürchten musste, was für ihr auf diesem Gebiete über haupt denkbar war. Sein Feldgeschrei konnte nicht füglich ein andres seyn, als das alte: timeo Danaos et dona ferentes! und so vermuthete er selbst hinter jedem Zugeständnisse und jedem Annäherungsversucho der Gegner nur eine List und einen versteckten Verrath der guten Sache. Vor- und Umsicht ist freilich des kämpfenden Feldherrn wie des einzelnen Kämpfers erste Tugend neben der Tapferkeit und vom Feind, hat man einmal einen solchen sich gegen

[ocr errors]

über gestellt, mufs man natürlich nur das Schlimmste überall befürchten. Ganz derselbe ist Schuderoff auch auf seinen diesmaligen Streifzügen ins feindliche Gebiet, und dafs er darum dem Feinde auch nicht das Geringste durchgehen läfst, versteht sich von selbst, so wie es natürlich ist, dafs er fortführt, auch unschuldige Vorräthe der Feinde, wenn er sie nicht als gute Beute mit fortführen kann, zu zerstören. Wir wundern uns deshalb nicht, wenn er gegen Baret, Agendenzwang und Kirchenordnung der Gegner in einer Weise zu Felde zieht, bei der ihm selbst am Ende weder Cultus noch Kirche, noch Gremeinschaft hinlänglich gesichert erscheinen dürfte; enthalten uns jedoch Einzelheiten anzuführen, da die ganze erste Hälfte des vorliegenden Buchs sie überflüssig darbietet, und bemerken nur noch, dafs man dem gewandten, wackern Streiter nur mit Lust zusehen kann, hat man ihm einmal den Kampfplatz eingeräumt. Etwas hermaphroditisch ist die fünfte Gabe: über Anbetung (Adoration) als besondern Theil der Liturgie, während die übrigen Abhandlungen ihren Platz auf dem Gebiete der Religionsphilosophie, in der zugegebenen weiten Bedeutung dieses Wortes mit dem besten Rechte einnehmen. Aber freilich nur auf einem etwas veränderten Kampfplatz finden wir denselben Kämpfer bier wieder. Es ist dieselbe Wurzel, aus welcher sein Kampf für die Kirche hervorgegangen ist, die ihm auch auf dem Gebiete der eigentlichen Theologie Kampflust und Kraft dazu darreicht. In dem alten und eben jetzt mit Heftigkeit geführten Kriege des theologischen Idealismus und Realismus hat, wie schon bemerkt, unser Vf. einmal die Partei des ersten ergriffen und für sie kämpft er auch in den übrigen fünf Abschnitten unsers Buchs, wie freilich einem entschiedenen Kämpfer gebührt und geziemt, und vielleicht sogar mit noch etwas gröfserer Unerbittlichkeit und Schärfe, wie sie dem Wosen eines im Felde ergrauten Streiters eben ganz angemessen seyn möchte. angemessen seyn möchte. Wohl mag man ein gewisses Schaudern nicht unterdrücken können, wenn man sieht, wie der Streiter in vermeinte Heiligthümer blos deshalb, weil sie dermalen im Besitz des Feindes sind, die Brandfackel wirft; es geht dies in der Feldschlacht einmal nicht anders, und jedes Besitzthum des Gegners, wenn es nicht in das eigne verwandelt werden kann, mufs iu Feuer aufgehen, damit in alle Wege seine Kraft geschwächt werde, mag es immerhin seyn, dafs dasselbe wieder aufgerichtet werden mufs, wenn der Sieg errungen und die Eroberung des feindlichen Landes vollendet ist. Freilich wird von dem ver beerenden Fufstritt des Kämpfers auch hier manches ehrwürdige Palladium, das der Feind entgegenstellt, eben weil es des Feindes ist, niedergetreten. Paulus, Luther, die ganze alte Kirche - sie müssen dem Feinde entrissen werden oder können so wenig, als die Aphrodite der Ilias dem Schwerte des Diomedes, dem Angriffe des kühnen Streiters entgehen. Wir verweisen jeden, der eine in diesem Sinne wirklich höchst prägnante Episode im grofsen Zeit

kriege betrachten will, auf die Worte über Versöhnung, Gnade und Vergebung S. 127-150.

[ocr errors]

Der zweite Streiter Hr. Pf. Wagner, hat einen Einzelkampfengagirt mit seinem Schul- und Jugendfreunde, dem jüngst erst von Dorpat nach Königsberg versetzten Dr. Ernst Sartorius. Die Schrift des Letztern: Die Lehre von Christi Person und Werk in populären Vorlesungen vorgetragen, von welcher bereits 1834 die zweite Auflage erschienen ist ein längst bekannter und vielfältig bestrittener Erisapfel, dem der Vf. seitdem noch manche ähnliche Frucht hat nachfolgen lassen -mufs das Streitobject hergeben und Vorlesung vor Vorlesung, Behauptung vor Behauptung ringt der Rationalist Wagner mit dem supranaturalistischen, oft irrationalen Goliath Sartorius. Wie sein Gegner in Einseitigkeiten und Zweideutigkeiten ausschweifet, so folgt nun er selbst, nicht das Geringste schuldig bleibend, jenem mit mehr als jugendlicher Gewandtheit nach und bietet allerdings mehr tiraillirend, doch in der Kampfeslust mit jedem geschlossenen Kämpfer im härtesten Schlachtgewühl wetteifernd, alles auf, um den Feind nicht nur wehrlos zu machen, sondern, wo möglich, das letzte Herzblut ihm zu entziehen. Die Sartorius'sche Schrift und ihr transcendentes Streben ist schon längst gewürdigt worden und so brauchen wir über das Einzelne der Wagner'schen Befehdung uns nicht weiter auszulassen, die jeden Schlag des Gegners nicht nur mit gleichen Schlägen zu vergelten sucht, sondern auch nicht darauf achtet, wie mitunter auch wohl eine Blüthe und Blume des Kampfplatzes niedergetreten und zerstört werden möchte. Wir weisen z. B. auf einige Hauptpartien des Kampfes hin, S. 192-195. über Sünde und Genugthuung, S. 208. von Tetzel und dem schlimmeren Ablafskram des protestantischen Papstthums, S. 213. von Luther und dem Lutherthume, S. 222. von der Taufe, S. 232. vom Abendmahle.

In Nr. 3. ist allerdings alles viel milder, zugleich aber auch in viel geringerem Grade anregend und festhaltend. Die meisten dieser Miscellen sind schon theilweise in Zeitschriften abgedruckt und dadurch bekannt geworden. Der Vermittler mit dem Schwerte wird selbst Streiter und da er eben als solcher die Hinneigung zu der einen Partei nicht verleugnen kann, so, wird nur die Frische und Lebendigkeit seines Kämpfens durch die Rücksicht, die er der eingenommenen Stellung wegen den Gegnern schenken mufs, geschwächt und der billigste Zuschauer kann ein gewisses erkältendes Gefühl von Halbheit und Flachheit bei seinem Anblick nicht von sich abwehren. Hr. Feldmann gehört zu den Besseren dieser Art, aber dennoch vermag er mit seinen 15 Aufsitzen dogmatischen, homiletischen und allgemeineren Inhalts die Aufmerksamkeit wenig zu fesseln, und indem er zwiefacher Einseitigkeit und Consequenzmacherei sich bedienen muls, um seinen Standpunkt mit dem Schwerte zu behaupten, so neutralisirt in der Regel das Interesse an der einen das an der andern und gegenüberstehenden, und zum eigentlichen

Kampfe kommt es bei ihm nur da, wo ein Ueberschwanken zu freisinnigern Ansichten sich geltend macht. Das Interesse kann schwerlich durch die neuen Wortbildungen:,, sich bekennzeichnen, Anwarter, vermeidlose, gedenklich, Biblicität" u. s. w. gesteigert werden, so wie die graue Ausstattung des Buchs durch den Verleger fast abstolsend zu nennen ist.

LEIPZIG, b. Scheld u. Comp.: Weihgeschenk für deutsche Jungfrauen, in Briefen an Selma über höhere Bildung, von Ch. Oeser (Wer? Wo?) 1838. IX u. 406 S. 8.

[ocr errors]

Wie

Ein im. Ganzen sehr wohl gelungener Versuch, auf eine fafsliche Weise ästhetische Bildung dem weiblichen Geschlechte zugänglich zu machen und einer häufigen Verbildung in Hinsicht des Geschmacks entgegen zu wirken. Wenn gleich Rec. Einzelnes auf andere Weise oder ausführlicher dargestellt wünschen möchte, so ist doch die Wahres, Gutes und Schönes mit sittlichem Ernst trefflich einende Tendenz des Vf's höchlich zu loben; so wie sein Streben, statt der seichten, oder überschwenglichen, bald frivolen, bald mystischfrömmelnden Poesie, welche jetzt so oft statt echter Geistesnahrung ausgeboten wird, die mit eben so lebendiger Auffassung als ansprechender Wahrheit dargestellten Ansichten eines Lessing, Winkelmann, J. Paul, Herder, Schiller und besonders Göthe wieder geltend zu machen. mannigfaltige Gegenstände in diesen an ein junges Frauenzimmer von ihrem frühern Lehrer gerichteten 50 Briefen berührt werden, mag eine Auswahl aus dem denselben vorgesetzten Inbaltsverzeichnisse darthun: ,Von den Kräften der Seele, vom Schönen (Erhabenen, Anmuthigen, Reizenden, Artigen, Niedlichen und Hübschen), vom Schönen in der Natur, von der Kunst, vom Genie und Talent, Ernst und Scherz in der Kunst, Eintheilung der Künste, Baukunst, Bildhauerei, Skulptur, Malerei, deren verschiedenen Schulen, Musik bei den Alten und Neuern, Poesie, verschiedenen Dichtgattungen, Geschichte der ältern und neuern Poesie, besonders der deutschen, von Göthe und Schiller, Lord Byron, Schauspiel-, Tanz- und Gartenkunst, von dem wohlthätigen Einflusse ästhetischer Bildung überhaupt. Das Ganze wird durch passend beigebrachte Auszüge aus Dichterwerken, vornehmlich von Göthe, belebt. In einer ,,Nachrede" sucht der Vf. dem Tadel zu begegnen, dafs er nur einige deutsche Klassiker empfehle, andre ganz übergehe oder aus der Büchersammlung junger Mädchen selbst verweise, und dafs er besonders die trefflichen Romane, Gedichte und Dramen der neuesten Literatur übersehen habe. Wer indefs erwägt, dafs der Vf. zunächst eine Anleitung zu ästhetischer Bildung für junge Frauenzimmer von 14-18 Jahren bezweckte, wird sich leicht veranlafst finden, in jenem Tadel vielmehr ein Lob zu erblicken. Auch eine gefällige äuIsere Ausstattung empfiehlt das Werk; nur hätten manche Druckfehler vermieden werden sollen.

[graphic]
[merged small][merged small][ocr errors][ocr errors][merged small][merged small]

LITERATUR-ZEITUNG

März 1838.

BONN, b. Marcus: System des christlichen Lehre von Dr. Carl Immanuel Nitzsch. Dritte, verbesserte und vermehrte Auflage. 1837. X und 356 S. gr. 8. (1 Rthl. 22 gGr.)

Rec.

ec. hat weder die erste, in der A. L. Z. No. 1 f. 1830 von einem andern Rec. angezeigte, noch die zweite Auflage dieses Buchs zu Gesichte bekommen; er konnte daher keine Vergleichung vorliegender dritten mit jenen beiden anstellen. Aber es bedurfte auch dessen nicht, um dasselbe in seiner gegenwärtigen Erscheinung beurtheilen zu können, da der Vf. in der Vorrede versichert, er habe die Pflicht gefühlt, es in seinem ursprünglichen Charakter, wo möglich, zu erhalten und nur in Gemäfsheit desselben zu weiterer Entwickelung zu führen;" welcher Pflicht er schr nachgekommen seyn wird. Dieselbe Vorrede läfst, obgleich bei der hier und anderwärts etwas gesuchten Vortragsweise des Vf's. mit einiger Schwierigkeit vorläufig errathen, welches dieser Charakter sey. S. VI und VII heifst es nämlich:,,Die Einheit der christlichen Vorstellungen fand ich in der Soteriologie, in der durch Christi Daseyn und Wirken bestimmten Vorstellung des Göttlichen und Menschlichen (im Christen, oder nur in Christo?), so dafs ich nicht in dem gnostischen (speculativ - theologischen?) Elemente (allein?), sondern in dem mit ihm zusammengeschlofsnen geschichtlichen und praktischen, also nur im Erlöser selbst den Mittel- und Strebepunkt aller Lehren anerkannte. Demgemäfs versuchte ich das theoretische und praktische Christenthum (d. h. die christliche Glaubens- und Sittenlehre) in seiner ursprünglichen Einheit und gegenseitigen Durchdrungenheit zu erkennen und darzustel len, und nahm keinen Lehrstoff auf, der nicht zur Begründung, Nahrung und Bewegung (?) des christlichen Bewusstseyns gehören, und zur Wiedererzeugung (aus diesem Bewusstseyn?) eines (durch die neuere Theologie zerstörten?) wahrhaft kirchlichen Lehrbegriffs mitwirken konnte. Endlich sollte der in der belebten (?) biblischen Vorstellung selbst wurzelnde und aus ihr sich hervordrängende, nach vereinigendem (Union, oder System förderndem?) Wissen strebende Gedanke, die christliche Bestimmtheit der allgemeinen Idee der Religion, soweit ich es vermochte, zur Entwickelung, und soweit die wissenschaftliche Einheit des heutigen (!) kirchlichen Bewusstseyns es verlangt und zuläfst, zur Vollendung gebracht werden." Es scheinen sich hieraus drei Hauptmomente des vorliegenden,,Systems der

دو

christlichen Lehre" zu ergeben; wovon das erste darin besteht, dafs die Erkenntnifs dieser Lehre einerlei sey mit der Erkenntnifs Jesu Christi, das zweite den Umfang ihres Inhalts nach dem Bedürfnisse,,des christlichen Bewulstseyns," welchem ein „, wahrhaft kirchlicher Lehrbegriff," entspreche, bestimmt, und das dritte in dem Vorsatz und Bestreben liegt, diesen Inhalt derselben als christliche Bestimmtheit der allgemeinen Idee der Religion," und,,so weit die wissenschaftliche Einheit des heutigen kirchlichen Bewusstseyns es verlangt und zuläfst," zu einem systematischen Lehrganzen auszubilden. Haben wir nun hierin den Sinn jener Aeufserungen des Vf's. richtig aufgefafst, so schwebte ihm zwar bei seinem löblichen Unternehmen, ein eben so vollständiges, als wohlgeordnetes christliches Lehrgebäude aufzuführen, allerdings der durch den n. t. Sprachgebrauch (s. z. B. Eph. 4, 20) selbst bestätigte Gedanke von der Identität des Christenthums auch als Lehre mit Jesu Christo vor; aber er hat hernach nicht nur die Materie der in solcher Identität gültigen Erkenntnifs innerhalb eines vagen sogenannten christlichen Bewulstseyns gesucht, aus welchem sich ein, man erfährt nicht, mit welchem Rechte,,wahrhaft" genannter, kirchlicher Lehrbegriff ergeben soll, sondern auch ebendieselbe Erkenntnifs ihrer Form nach gemäfs der Einheit jenes Bewulstseyns als eines angeblich kirchlichen, und sogar, wie es eben nur heutiges Tages sich darstellen soll, in ein wissenschaftliches System zu bringen sich bestrebt. Würde nicht, dem zu Folge, die Frage, auf deren Beantwortung alles klare und richtige Urtheil über die hier vorgetragene,,christliche Leire" beruht, welcher Jesus Christus es sey, dessen Erkenntnifs mit der des rechten Christenthums zusammenfalle, am Ende nur nach den heute eben geltenden Religionsbekenntnissen der Christenheit, so weit in denselben eine gewisse Gemeinschaft und Einheit anzutreffen ist, zu entscheiden seyn? Und hiefse dies nicht, die Wahrheit der christlichen Lehre von dem öffentlichen ungeprüften Christenglauben einer bestimmten Zeit allein und gänzlich abhängig machen wollen? Wie aber, wenn dem heutigen kirchlich - christlichen Bewusstseyn noch erst eine unerlafslich nothwendige Reform bevorstände, um das nach dem Worte und im Geiste des urkundlich gegebenen Jesus Christus, und hiermit erst wirklich, wahre Christenthum zu seyn? - Die Kirche ist im sechzehnten Jahrhunderte genüglich reformirt worden, die kirchliche Religion aber hat ihre Reformation allerdings noch zu erwarten, und zwar auf folgender Grundlage:

lich - kirchliche Gemeinde aber, in welcher sich überall der Theolog von dem Laien, (s. Marc. 4, 11) wie der Esoteriker des Evangeliums von dessen Exoteriker auszeichnen sollte, eignet sich zur Zeit noch die von dem Einzigen, dessen Auctorität hier gilt, geflissentlich (Matth. 13,52) empfohlene und weislichst geübte Accommodation.

Dem gemäfs müfsten unserm Ermessen nach die Grundzüge zu einem wissenschaftlich verfafsten und dargestellten Inbegriffe der echten und reinen christlichen Lehre sich gestalten, welche, so gewifs sie das Richtige und Tiefste in seiner Art enthalten, einerseits für jede künftige, nicht vorzugsweise kirchlich und apostolisch, sondern authentisch christliche Dogmatik zum Regulativ dienen, andrerseits als Correctiv für jede bereits erschienene auf solchen Namen Anspruch machende Schrift gebraucht werden können. Wenden wir sie jetzt auf das vorliegende Lehrbuch nach seiner Anlage, und nach deren Entwickelung und Ausbildung an.

Die Anlage ist in der Einleitung (§.1-58. S. 1
Aus dem ersten kürzesten Ab-

Das Christenthum als Lehre betrachtet, ist nicht, wie man gewöhnlich annimmt, Religion und Moral, welche beide wesentlich verschiedene Disciplinen sich auch nicht würden unter einem höhern Ganzen als coordinirte Theile zusammenstellen lassen. Es ist vielmehr nur Religion, aber durchaus moralische Religion, was durch die gesammte Behandlung desselben im N. T., dessen einzig gültiger historischer Erkenntnifsquelle, namentlich z. B. durch die Bergpredigt Jesu Christi und durch die vom Apostel Paulus auf dem Areopag gehaltene Rede, so wie auch selbst durch seinen charakteristischen Namen,,Evangelium,' zu Tage liegt. Vgl. insbesondere Matth. 7, 21-23 Joh. 7, 17, wo der heilige Gotteswille das tiefste religiöse Princip der Lehre Christi, ohne alle weitere Erklärung dem Moralgesetz an Inhalt gleich gilt, 1 Cor. 13, 13 und 1 Job. 3, 7. Religion setzt demnach überhaupt und an sich genommen, Moral voraus, und ist sogar auf sie gegründet, diese aber danicht wiederum durch Religion, sondern durch gegen, sich selbst, d. i. absolut, gültig; so dafs, wer, um z. B. aufrichtig im Urtheilen, Sprechen und Handeln zu seyn, einen andern, tiefern oder höhern, Bestim--117) gegeben. mungs- und Bewegungsgrund, als den moralischen, dafs es Pflicht ist, nur ernstlich sich wünscht, dadurch allein schon, nach Jedermanns Geständnis, eine unmoralische, schlechthin verwerfliche, Gesinnung zu erkennen geben würde, geschweige dann der wissentlich Lügenhafte und der Heuchler. So steht die religiöse Wahrheit durchgängig unter der moralischen; so dafs man sagen mufs: Was in einer Religionslehre der Moral widerstreitet, ist falsch, was darin mit ihr übereinstimmt und moralischen Gehalt hat, wahr, was weder diefs, noch jenes, problematisch, womit es der Gläubige halten kann, wie er will. Vermöge ihrer Absolutheit im Reiche der Wissenschaften und ihres innigsten Zusammenhangs mit der wahren Religion bietet die Moral für das dos poi, To or in der ganzen thetischen Theologie die einzige, immer noch so häufig und schnlich vermifste Befriedigung dar. Das Christenthum aber ist nicht blofse Religionslehre, sondern nach genauerer Bestimmung eine kirchliche. Denn es kann seiner, genug sam constatirten, Urgeschichte gemäls nicht bezweifelt werden, dafs der Stifter desselben, Jesus Christus, eine Kirche, d. i., ein der von ihm gepredigten Religionswahrheit zur Gründung, Erhaltung und Ausbreitung unter den Menschen ausdrücklich gewidmetes Institut, habe errichten wollen, was auch seine Apostel im Auftrag von ihm, z. B. laut Joh. 20, 21 23, kräftigst bewirkt haben; wobei sie freilich die Lehre Christi mehr in eine Lebre von Christo umwandelten, so dafs die Christologie derselben noch gegenwärtig einen integrirenden Theil des Erkenntnisses aller Kirchenparteien ausmacht. Und doch hat Christus selbst seine Kirchenherrschaft der Herrschaft der wahren, moralisch begründeten Religion in der Kirche gleich gestellt, so dafs Christus und Christenthum in so fern allerdings als identisch betrachtet werden konnten. Für jede einzelne christ

schnitte derselben,, über den Begriff und Zweck des Systems der christlichen Lehre" heben wir das Einzige, was §. 2 und §. 3 vom Verhältnisse desselben zum,, Katechismus und der unmittelbar (d. b. der vor der Gemeinde selbst behandelten) christlichen Religionslehre" gesagt ist, hervor. Es läuft diefs darauf hinaus, dafs jenes System, obgleich es als solches nur,, dem Theologen eigene," doch mit dem katechetischen und homiletischen Vortrage des Christenthums gemein habe, die christliche Glaubensund Sittenlehre,, ungeschieden;" und so gewissermassen vereinigt, darzulegen. Der Vf, scheint durch die ersten Worte dieser Periode der Theologie, welche sein Buch lehrt, vor der gemeinen Lehre in Kirchen und Schulen auch dem Gehalte nach einen entschiedenen Vorzug einzuräumen, der Verfolg aber zeigt, dafs nach seiner wahren Meinung der Unterschied beider nicht Materie und Gehalt, sondern nur Form und Methode betrifft. Ob ihm aber eine wirk. Ethik, die wir in den Grundzügen für unstatthaft erliche, systematische, Vereinigung der Dogmatik und klären mufsten, in der That gelungen sey, wird sich besonders bei der Beleuchtung des vierten und letzten Abschnitts dieser Einleitung zeigen.

[ocr errors]

Der zweite (S. 5-86 in 31 §§.) handelt von dem Stoffe der christlichen Religionslehre" und ist zu näherer Uebersicht des Wesens und Charakters der hier im Allgemeinen dargelegten Lehre des Vf's. besonders wichtig. Hr. D. N. sucht jenen Stoff in,,Religion und Offenbarung," indem er §.5 mit den Worten beginnt:,,Was Christenthum (als Lehre nämlich) sey, kann wissenschaftlich nur verstanden werden, wenn es theils in seiner Gattungsgleichheit mit andern Arten des geistigen Menschenlebens, theils in seiner Verschiedenheit von allen andern gehörig aufgefafst wird: zu jenem dient der Begriff der Religion, zu diesem der Begriff der Offenbarung." Wir wollen

hierbei nur vorläufig fragen, ob wirklich diese beiden Begriffe einander so ausschliefsen, dafs sich ihre Gegenstände als zwei wesentlich verschiedene Bestandstücke der Christenthumslehre aufführen lassen. Das ist doch allgemein bekannt und angenommen, dafs man von einer geoffenbarten Religion, mithin von einer Religion, die zugleich Offenbarung sey, schicklich reden könne. Und stellt uns nicht die Geschichte unzählige, namentlich auch öffentlich gewordene, Religionsarten auf, deren erste Lehrer als Organe göttlicher Offenbarung galten, und zum Theil noch gelten? Der Vf. scheint hier aber stillschweigend einen ihm eigenen Sprachgebrauch für das Wort,,Offenbarung" zu Grunde gelegt zu haben. Doch gewichtvoller ist die Frage, die sich uns dabei noch aufdrängt: Mufs die Lehre des Christenthums, um von allen übrigen Arten der Religion charakteristisch verschieden zu seyn, eben als eine aus Offenbarung entsprungene gedacht und geschätzt werden? Wäre sie nicht über alle Religionslehren schon hoch erhaben, wenn sie als die rein und völlig wahre, wir möchten sagen, als die Religion zur oyny, im Verals die Religion zur' oxyv, im Vergleich mit allen übrigen Arten dastände? Und wer, der das Evangelium J. Christi kennt und daneben mit der religiösen Geschichte des Heiden- und Judenthums bekannt ist, wird ihm diesen Vorzug streitig machen können? In solcher Ueberzeugung setzen wir es der Religion nach der Idee, der schlechthin so zu benennenden, gleich. Was versteht aber N. unter Religion? Sie heifst ihm nach §. 6,,eine durch die Beziehung auf Gott oder (sive) durch die bewufste Abhängigkeit von Gott bestimmte Lebensweise. So ist nun freilich das Christenthum nicht die Religion, nämlich jene ideale, welche, wie die Wahrheit, zu aller Zeit nur Eine seyn kann, sondern eben blofs eine Religion, wie jede andere, z. B. der alt - ägyptische Bilder- und Thierdienst dergleichen auch war. Jeder unbefangene Leser wird überdiefs das Merkmal des Unsterblichkeitsglaubens in dem Begriffe der Religion vermissen, welches doch in keiner Volksreligion, auch in der israelitischen, nicht gänzlich fehlt, und dessen Werth und Bedeutung, nicht etwa blofs wegen seiner Tröstlichkeit, sondern weil dasselbe eine Würde des Menschen voraussetzt, durch die allein er einer göttlichen Vergeltung fähig ist, wodurch jene Abhängigkeit von Gott erst die nöthige nähere Bestimmung erhält, keine sclavische zu seyn, überaus hoch angeschlagen werden mufs. Die grofse Aehnlichkeit ebendesselben Begriffs mit dem der Schleiermacher'schen Glaubenslehre," der so viel fältig und mit Recht angefochten worden ist, wollen wir nur beiläufig bemerken. Nach §.7 liegt die tiefste und reinste Erkenntnifsquelle der Religion in,,ei nem ursprünglichen Gottesbewusstseyn," and durch die nächsten drei §§. wird, nach vielem Hin- und Herreden, dafür entschieden, dafs dieses Bewulstseyn in seiner ersten, von nichts Anderm abhängigen, Erscheinung Gefühl sey. Die Nichtigkeit dieser Behauptung ergiebt sich u. a. schon daraus, dafs nach richtigen Principien, wie wir oben ange

[ocr errors]
[ocr errors]

deutet haben, die Moral in der Ordnung des menschlichen Erkennens über die Religion zu setzen ist, und dafs jedes auf ein ursprüngliches Gottesbewusstseyn gebauetes Religionssystem, weil dieses höchstens nur den Begriff eines seyenden, nicht des seynsollenden Absoluten darbieten kann, ohne Halt erscheint. Schleiermacher, auf welchen sich unser Vf. in seiner Theorie vom Wesen und Ursprung der Religion vorzüglich beruft, taugt hierbei schon darum nicht zu einer Auctorität, weil er das Gefühl, die angebliche Grundlage der Religion in seinen bekannten,, Reden" mit,, Anschauung," in seiner,, Glaubenslehre" mit,,Bewusstseyn," welche beide doch wesentlich vom Gefühl verschieden sind, ohne sich defshalb zu rechtfertigen, vertauscht; und was Hr. Dr. N. selbst §. 10 als mächtige und vielseitige Wirksamkeit dem Religionsgefühle zuschreibt, fällt durch die einzige anthropologische Bemerkung, dafs Gefühl im menschlichen Geiste an und für sich genommen weder Erkenntnisse, noch mit solchen verbundene Handlungen erzeugt, sondern selbst vielmehr zu seinem Erregtwerden und Wirken voraussetzt. Was §. 13-21 über die Mängel und Fehler der vor- und überhaupt nicht- christlichen Religionsarten weitläuftig und zum Theil unbefriedigend vorgetragen ist, scheint durchgängig zuletzt nur den Zweck zu haben, die stillschweigend fest ergriffene Behauptung zu rechtfertigen, dafs darch Alles, was vor und aufser der Erscheinung und dem Wirken Jesu Christi, des alleinigen Erlösers der Menschheit, als Religion angesehen wurde, weder das Böse, woran das Menschengeschlecht von jeher litt, recht erkannt, noch weniger das einzig richtige und genugsam tüchtige Mittel der Errettung von diesem Uebel aller Uebel gefunden worden sey; wodurch am Ende der Uebergang von der Abhandlung über die Religion zu der über die Offenbarung gebahnt werden sollte, in Hinsicht welcher der Vf., wenngleich nicht einen ganz neuen, doch in Vergleich mit dem gewöhnlichen, seinen eigenen Weg geht. Die Andeutung des Begriffs derselben geschieht zu Anfang des §. 23 in den Worten:,,Wenn wir die Eigenthümlichkeit des Christenthums durch den Begriff der Offenbarung ausdrücken wollen, ist erforderlich, dafs wir sie aus der Erlösung und mit ihr zu begreifen suchen." Auf allen Fall kann der Grund, Zweck, Inhalt, die Art und Weise der im christlichen Sinne gedachten Offenbarung sich nicht ohne Zuzichung des Heilsbegriffs bestimmen lassen." Gewöhnlich pflegte man bisher, (um auch diefs mit Worten des Vf's. auszudrücken)

die Offenbarung Gottes für eine göttliche (unmittelbare, neue, übernatürliche) Mittheilung gewisser, mehr oder minder übervernünftiger, Begriffe” zu erklären. Diefs ist, wie Hr. Dr. N. in der ersten A¤merk. ausdrücklich bezeugt, die Fassung der Supranaturalisten im Gegensatz der Rationalisten. Vielleicht trieb ihn zu der seinigen der Bewegungsgrund, keiner von diesen beiden theologischen Parteien anzugehören, wobei er aber dann nicht erwogen haben würde, dafs es zwischen Vernunft und Nichtvernunft

« ZurückWeiter »