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tage, in der 3. die Tage für Katholiken, in der 4. für Protestanten, in der 5. für Griechen, in der 6ten für Juden, in der 7. für Türken und in der 8. Erinnerungen aus der Geschichte; die 9. enthält die Uhren im wahren Mittage. Dann folgen für jeden Monat an jedem Tag die Länge, Abweichung, der Aufund Untergang der Sonne und des Mondes und für die Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter, Saturn und Uranus die Tage, die heliocentrische Länge, die gerade Aufsteigung, die Abweichung, der Aufund Untergang. Diese Inhaltsanzeige macht mit dem Interessanten des Kalenders bekannt.

den Nachkommen überlassen. Der Vf. geht daher schnell zur Geschichte dieses merkwürdigen Phänomens über und beschränkt sich vorzüglich auf diejenigen, von welchen viele Leser entweder Zeitgenossen oder Augenzeugen waren. Nachdem er die Nachrichten der frühesten Zeit kurz berührt hat, geht er zur Beschreibung der Erdbeben von Lima 1746, von Lissabon 1755, von Cumana 1766, von Messina 1783, von Peru 1797, von Carrakas 1812, von Catanea 1818, in Syrien und Chili 1822, in China 1834 und in Conception 1835 über und theilt die Nachrichten darüber in verständlichen Aus

Diesen Gegenständen folgen für bestimmte Mo-ziigen mit. natstage mancherlei Erscheinungen über die Planeten, welche die kleinste oder gröfste Entfernung der Erde von der Sonne; die Viertel des Mondes, die Bedeckungen und manche andere astronomische Merkwürdigkeiten enthalten. Dann findet man die EvanDann findet man die Evangelien der Katholiken, Protestanten und Griechen an den Sonntagen jedes Monates und in einer Beilage die Normatage, an welchen in Oesterreich alle Schauspiele und öffentliche Belustigungen untersagt sind, die Gerichtsferien und die Fest- und Trauertage in den einzelnen Monaten.

Der 2te Theil des Kalenders ist belehrenden Inhalts und betrifft im Besonderen die Erdbeben und Vulkane, wozu die geringe Erderschütterung vom 14ten März 1837, welche in der Gegend von Wien, wo Ereignisse dieser Art selten sind, viel Aufsehen machte, veranlafste. Die erste Untersuchung betrifft die Ursachen der Erdbeben; da sich aber hierüber nicht viel Zuverlässiges sagen läfst, so geht der Vf. blos auf die neueste Ansicht von einem Centralfeuer über, in Folge dessen im Tiefsten der Erde Steine und Metalle im beständigen Flusse sich befinden und das dahin gelangende Wasser sich schnell in Dünste auflöst, welche sich mit ungeheurer Kraft ausdehnen und die Erdrinde erschüttern. Dann geht er zur Klassifikation, zur Richtung und Dauer und zu den Vorzeichen der Erdbeben über: Er stellt das hierüber in manchen Schriften Gesagte in wohlbemessenen Auszügen zweckmässig zusammen; spricht über die Richtung und Dauer weniger, weil man darüber zu keinen zuverlässigen Resultaten gelangt ist und verbreitet sich über die Vorzeichen um so weiter, als man an dem Barometer, Thermometer, besonders an der Magnetnadel dieselben wahrgenommen haben will. Jedoch dürften dieselben weniger von uns, als von manchen Thieren, besonders von den unter der Oberfläche der Erde wohnenden am meisten gespürt werden, worüber der Vf. mancherlei Thatsachen anführt, die Interesse erregen.

Da man übrigens weder über die Ursache, noch über die mit den Erdbeben zusammenhängenden, sie begleitenden und ihnen vorausgehenden Erscheinungen etwas Bestimmtes weils, so bleibt die Theorie

Diesen Mittheilungen folgen einige sehr interessante Bemerkungen über die Vulkane; über Ursache und Entstehung lässt sich ebenfalls wenig Gediegenes sagen; daher geht der Vf. nach einigen Bemerkungen über den Sitz des Herdes, über Auswürfe, über die Vorzeichen und über Lage am Meere oder auf Inseln, zu den Vulkanen in Europa über, beschreibt dieselben kurz; nennt die Vulkane von Nord- und Südamerika und von Asien und beschliefst den Gegenstand mit der einfachen Aufzäblung der Vulkane in den fünf Welttheilen, wie sie Arago angiebt, woraus man ersieht, dafs Amerika die meisten, nämlich 61 und Afrika die wenigsten, nämlich 6 Vulkane hat und sich in Allem 163 bekannte Vulkane auf der Erde finden.

Die Bemerkungen über die Höhe der Berge in Südamerika, woraus man entnimmt, dafs der Chimborazo seit mehr als 100 Jahren durch Messungen als der höchste Berg der Erde erklärt, nicht nur dem Himalaya, sondern einigen Bergen der Cordillera's weichen mufs, aus Pentlands Untersuchungen: über die Regenmenge in verschiedenen Ländern; über die Zahl der Regentage und Intensität des Regens; über die Regenmenge in der nassen Jahreszeit zwischen den Wendekreisen; über Gröfse der Regentropfen und jährliche Regenmenge in verschiedenen Gegenden Eu: opa's, wovon sehr belehrende Tafeln und allgemeine Ergebnisse erfolgen, sind sehr interessant und machen einen sehr lehrreichen Theil des Kalenders aus. Sie sind unfehlbar aus Kämtz Lehrbuch der Berge findet man einen Auszug der sinnreichen UnterMeteorologie entnommen. Auch über das Alter der suchungen Beaumont's, deren Nachlesen sehr empfeh

lenswerth ist.

Den Beschlufs machen Angaben über Stempelbeträge, Briefpost - Aufgabe, deren Abgabe; über Fahr- und Eilpost und über Brief- und Eilwagenpost im In- und Auslande. Dann folgt auch eine Ergänzungstafel für die Brief- und Eilwagenpost und ein Verzeichnis der Gesellschafts- und Stellwagen in die Umgebung von Wien und nach einigen Provinzialstädten. Die Jahrmärkte in Oesterreich sind noch beigefügt. Papier und Druck empfehlen den Kalender nicht.

P.

ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG

Februar 1838.

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Wir

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ir billigen das Unternehmen sehr, die sämmtlichen Werke eines Dichters in geschmackvoller und treuer Uebersetzung unsrer Literatur einzuverleiben, der einmal an sich selbst als Dichter, dann aber auch vorzüglich für seine Nation und für seine Zeit von Bedeutung ist. Es haben sich dazu hier mehrere Literaten vereinigt, deren Namen zum gröfsern Theile bereits gewandte Uebersetzer bezeichnen. - Bedauern müssen wir aber, dafs die Redaction ein Hauptverdienst von solchen Sammlungen überhaupt vereitelt hat. In einer Sammlung der sämmtlichen Werke eines Schriftstellers und besonders eines Dichters erwartet man das ganze innere geistige Leben desselben, in allen seinen Phasen, im ganzen Gange seiner Entwicklung dargelegt zu sehen, indem uns die Productionen in chronologischer Ordnung vorübergeführt werden; hier aber erhalten wir Producte aus allen Perioden, wie der Zufall oder wahrscheinlich der gröfsere oder mindere Fleifs der Uebersetzer sie zum Drucke herbeiführte, und so gewinnt das Bild des Dichters in uns keine bestimmte Züge, sondern steht schwankend vor uns. Das ist aber ein eben so grofses Unrecht gegen den Leser, als gegen den Dichter, und diesem ahnete gewils eine solche Nachlässigkeit in der Behandlung seiner Werke nicht, als er an den Verleger schrieb.,, Je suis enchanté, que vous donniez à l'Allemagne une traduction réelle et complète. Les traductions faites jusqu'à ce jour me paroissent en effet insuffisantes. L'Allemagne est un des pays dont je crois le plus vivement que ma pensée toute entière soit comprise etc. Er selbst betrachtet also alle seine Werke als une pensée, als ein Ganzes, und will sie auch so aufgefafst wissen; dazu wäre aber unumgänglich nothwendig, dafs dieses in der Zeit sich entwickelnde Ganze auch nicht in sei

ner innern Organisation zerrüttet dargestellt würde. rakteristik Victor Hugo's von Adrian, deren Schlufs Die den ersten Band eröffnende Biographie und Chawir die obigen Aeufserungen des Dichters entnommen haben, sucht nun zwar allerdings diese innere Organisation wieder herzustellen, indem sie die chronologische Folge der Production en angiebt; alleineinmal genügt diefs nicht, und dann ist selbst auch diese panegyrisirende Charakteristik ein Hindernifs für uns, zum eigentlichen Verständnifs des Dichtergeistes zu gelangen. Gleich im Anfange heifst es da, um Victor Hugo nicht blofs als den ersten Dichter des jetzigen Frankreichs hinzustellen, sondern auch zu bezeichnen, dafs bei ihm von einem Kampfe mit dem sogenannten Klassicismus gar nicht die Rede sey, und man ihn durch eine solche Annahme beleidige:,, Mit Schatten kämpft unser Dichter nicht. Das, was man den Klassicismus genannt hat, gab längst den Geist auf, und wenn sein Schatten noch in einzelnen dunkeln Ecken und Winkeln spukt, reicht ein Strahl des neuen Lichtes hin, ihn zu verscheuchen. Extreme, wie die beiden Schulen, haben nie neben einander bestehen können. (Warum nicht? In Deutschland war es lange der Fall und ist es zum Theil noch, dafs antike und romantische Tendenz neben einander besteht. Ref.) —,,wie es nie zugleich Nacht und Tag seyn, wie nie auf einem verfaulten Stengel (armer Corneille! armer Racine!) eine Blume erblühen, wie man nie alt und jung zumal seyn kann. Der Genius der neuen Zeit hat gesiegt, so wie er sein, von dem jungen Sonnenlicht umflossenes Antlitz zeigte. Jugendfeuer in den Augen, der Gesundheit Rosengluth auf den Wangen, süfses Kindeslächeln auf den Lippen, Stolz, Glauben, Liebe, vielleicht die stille Wehmuth der Erinnerung in dem Herzen, trat er auf, und das öde Gespenst einer frühern, alterkranken, wollustsiechen, in Schmutz und Ueppigkeit verfaulten Zeit entfloh mit seinem scheufslichen Gefolge, der Weichlichkeit, der Frivolität, der Kriecherei, der Lüge, der Ungerechtig keit, des Unglaubens. Keine Macht der Welt wird diese unnatürlichen Gespensterwieder herauf beschwören, keine Macht der Welt wird die Fortschritte der neuen Literatur Frankreichs hemmen, denn sie hat ihre Herrschaft auf einer tüchtigen Basis, auf Wahrheit, Natur, Religion und echter Liebe aufgerichtet." Und den Beleg zu der Gesundheit Rosenglut, zu dem süfsen Kindeslächeln, zur echten Liebe und zum Glauben sollen wir in Victor Hugo's Werken finden? Nun, wir sind wahrlich keine Vertheidiger einer Zeit wie die unter Ludwig XIV. und Ludwig XV.

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in Frankreich; allein der ältere Dichtergeist unter Ludwig XIV. stand gewifs in einem Corneille und Racine, in den meisten der genannten Vorzüge des neuern Genius nach, höher, als dieser sich, wenigstens in Victor Hugo, dem Dramatiker, uns hier darstellt. Wir wollen dadurch V. Hugo's dramatisches Talent keineswegs herabsetzen, im Gegentheil halten wir dieses für ausgezeichnet; allein wir können nur die Richtung, welche es bis jetzt genommen hat, nicht billigen, und am wenigsten,, der Gesundheit Rosengluth auf seinen Wangen, süfses Kindeslächeln auf seinen Lippen" entdecken. — Victor Hugo ist schon nach seiner ganzen Richtung tiefer, doch in seiner Art der wahre tragische Kotzebue der Franzosen; Effect, gleichviel wodurch erreicht, ist auch ihm das Höchste. Die Vergleichung mit Kotzebue dem Komiker kann einen V. Hugo nicht herabwürdigend dünken, denn als solcher stand der deutsche Dramatiker auf einer bedeutenden Stufe und sucht bis jetzt noch seines Gleichen, und in künstlerischer Hinsicht steht er wohl selbst höher als Victor Hugo. Wir übergehen die übertünchte Schilderung der Emancipation der französischen Muse von den Fesseln des Hofgeschmacks und wie sie sich dem Volke in die Arme warf. Diese Emancipation vollführte, nach dem Biographen, die hochherzige französische Jugend und Hugo Victor stand an ihrer Spitze. " Die Literatur soll die Trägerin der nationalen Interessen werden; der Spiegel einer umgestalteten Gesittung, einer neuen Volkswerdung, für welche Tausende ihr bestes Herzblut hingegeben, der Ausdruck des individuellen Lebens und des volksthümlichen Colorits der neuen Generation, - das Ergebnifs einer Anschauungs- und Denkweise, die in der Eigenthümlichkeit der Zeit und des Volkes wurzelt. Natur ist ihr Losungswort, Originalität ihr Feldzeichen, Glauben und Liebe die Devise ihres Banners, ihr Gebiet das schrankenlose Weltall, die Tiefe des Menschenherzens, die Höhe des Menschengeistes, der unendliche Raum zwischen Hölle und Himmel, und alles, was davon umschlossen ist." Dief's ihr Ziel, wir lassen hier dahingestellt, ob diefs in der Gesammtheit das wahre Ziel der Poesie sey, oder ob nicht hier Elemente sich einfinden, die völlig unpoetisch sind, dieses Ziel, hofft der Charakteristiker, wird sie erreichen, da das klare Bewufstseyn, die sichere Erkenntnifs dessen, was sie soll und will, die Abgemessenheit und Ruhe, mit welcher sie sich der fortschreitenden Zeit anschliefst, zu bestimmt in den neuesten Schöpfungen, Victor Hugo's namentlich," hervortreten. - Wir achten die neuesten Strebungen V. Hngo's, besonders auch in seinen,,innern Stimmen;" müssen aber nach ihnen zweifeln, dafs er schon zum klaren Bewusstseyn und zum ruhigen bestimmten Fortschritt gelangt sey. Die Lebensgeschichte des Dichters, welche uns Hr. Adrian hier mittheilt, ist fast ganz in dem Artikel des neuesten Brockhausischen Conversations - Lexikons enthalten und es ist möglich, dafs auch dieser von ihm verfafst sey: wir erfahren hier nichts

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Neues. Darauf läfst er eine Betrachtung der Schriften des Dichters folgen um sie zu charakterisiren, und leitet diese durch eine Darlegung der hervorstechendsten Eigenschaften seiner Poesie ein, die, alles Schwulstes möglichst entledigt, darauf hinaus geht: sie schwebt zwischen Himmel und Hölle, bald zu jenem sich aufschwingend, bald in die düstern Regionen des Schreckens und Grausens, der Nacht und des Grabes hinabstürmend auf den Fittigen einer kühnen Phantasie, welche die grellsten Gegensätze verbindet und zu der sich eine lebendige und alles.belebende Anschauung, eine Seherkraft gesellt,,, wie sie ein Homer, ein Dante, Shakspeare und Lord Byron kaum in höherm Grade besessen." Die weitere Ausführung, wie diese alles belebende Anschauung nachgewiesen wird, ohne welche wir überhaupt uns eine poetische Anlage nicht denken können, übergehen wir, denn wir werden bei den vorliegenden Arbeiten des Dichters gelegentlich auf Hn. Adrians Ansichten darauf Rücksicht nehmen.

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Das erste, was uns hier dargeboten wird, ist: Der König amüsirt sich. Drama. Deutsch von 0. L. B. Wolff. Nach Hn. V. Hugo's Manier zerfällt diefs Drama in fünf Handlungen, in deren jeder verschiedene Personen auftreten, und deren jede auch ihren eigenen Titel führt. Dem Klassicismus ist insoweit nachgegeben, dafs jede Handlung den Schauplatz unverändert, jedoch gemeiniglich zwei, auch wohl drei verschiedene Orte zugleich schauen läfst, an welchen die Handlung vorgebt. Erste Handlung. Herr von Saint-Vallier. Ein Fest im Louvre, auf dem, wie der Dichter ausdrücklich angiebt, eine gewisse Freiheit herrscht, das ein wenig der Charakter einer Orgie hat, führt uns Franz I. vor mit seinem frivolen und verächtlichen Hofe. Gleich im ersten Auftreten erklärt der König einem seiner Hofleute, dafs er sein Abenteuer mit einer unbekannten Schönen, welche er, in seiner Verkleidung mit einem grau wollenen Gewande, an jedem Sonntage in der Kirche sieht und die in einem von einer Mauer umschlossenen Häuschen im cul de sac Bussy unfern dem Hotel Cossé wohnt, wo sich Abends geheimnisvoll verhüllt ein Mann einschleichet, zu Ende bringen wolle. - Sie hören kommen und der König gebietet Schweigen, denn,,Wem's in der Liebe glücken soll, der schweige. Er fordert den nahenden Hofnarren Triboulet, der diese letzten Worte gehört hat, auf zu sagen, ob dem nicht so sey, und dieser ant

wortet:

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Geheimnifs heifst die einz'ge Hülle,
Wo ein gebrechlich Liebeshändelchen
Sich sicher weifs."

Es nahen mehrere Hofleute und das Gespräch wendet sich auf die Schönheit der anwesenden Damen, unter welchen der König besonders eine, die Gattin eines anwesenden Hn. v. Cossé, preiset, die nicht undeutlich sich gern dem Könige zu Allem geneigt zeigen würde, wenn ihr eifersüchtiger Hüter sie nicht wie ein Argus bewachte, der sie selbst in die Provinz

schleppen will, worüber der König ihr mit den schmeichelhaftesten Worten seinen Unwillen bezeugt, und worüber der dicke Herr von Cossé weidlich gefoppt wird von Allen, besonders aber von dem Hofnarren Triboulet. Dieser schleudert gegen Jedermann die beifsendsten Sarkasmen und wird daher auch von Allen gehafst. Sie denken darauf sich an ihm zu rächen und willkommen ist ihnen die Kunde, dafs der Buckligte ein Schätzchen habe im Cul de Sae Bussy, wo sie sich um die Dämmerung bewaffnet einfinden wollen. Unter den so Verschworenen ist auch der Dichter Marot, der für den Vater der neueren französischen Dichtkunst gilt, und unser Dichter geht mit diesem Vater arg genug um: er erscheint hier als der Insipideste von allen den Insipiden, welche die glänzendsten Namen Frankreichs Montmorency, Montgenü und ähnliche an den Pranger stellen mit der königlichen Majestät. Da wird dem Hofnarren, der eben darauf sinnt, wem er einen Streich spielen solle, und beschliefst, es solle dem Könige selbst gelten, angezeigt, dafs ein ganz schwarz gekleideter Greis, Herr von Saint-Vallier, der Vater der berühmten Diana von Poitiers, den König sprechen wolle. Der kommt ihm gerade recht. Er war zum Tode verurtheilt wegen seines Verständnisses mit dem Connetable von Bourbon, der ein Complott gegen des Königs Leben geschmiedet hatte, und wurde von Franz dem ritterlichen Könige begnadigt, weil seine schöne und tugendhafte Tochter, wermählte Gräfin von Breyé, ihre Keuschheit als den Preis für das Leben ihres Vaters ihm opferte. Der Greis dringt ein trotz der Weigerung der Hofleute und des Königs, der zornig auf ihn zutritt, als Triboulet den König abhält und in den bissigsten Reden den tiefen Schmerz des Vaters und des Edelmanns verhöhnt unterm Beifall der Hofleute. Hr. vou Saint-Vallier läfst sich aber nicht davon abhalten, dem Könige eine ziemlich lange und etwas langweilige Strafpredigt zu halten; welche den König so erzürnt, wir müssen uns nur wundern, dafs er den geschwätzigen Greis so lange hat schwatzen lassen, dafs er ihn dafs er ihn festzunehmen befiehlt, und Triboulet lachend ausruft:,, Der gute Mann ist toll, Sire!"

Saint-Vallier (den Arm erhebend) Fluch Euch Beiden!

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(zum Könige) Sire, das ist schlecht, auf den gefallnen Löwen

Den sterbenden, noch Ihren Hund zu hetzen.

(zu Trib.) Wer du auch seyst, Knecht mit der Natterzunge,

Der eines Vaters Schmerzen du verhöhnst,
Verflucht seyst Du!

(zum Könige) Wie eine Majestät
Die andre Majestät behandelt, so mufst' ich
Von Ihnen, Sire, behandelt werden; Sie
Sind König, ich bin Vater, und das Alter
Wiegt alle Throne auf; wir tragen Beide
Auf unserm Haupte eine Krone; Niemand
Darf sie mit unverschämtem Blick betrachten.
Von goldnen Lilien ist die Ihrige,

Vou weils'rem Haar die meine; wenn die Ihre

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Ein Uebermüth'ger zu beschimpfen wagt, So rächen Sie sie selbst, Gott rächt die Andre! Diefs der Schlufs der Exposition, die in den letzten Worten etwas zu verheifsen scheint, von dem-beinahe das Gegentheil sich ergiebt. Uebrigens stellt sich uns hier ein lebevolles Bild der höfischen Sittenlosigkeit und Verworfenheit dar in der grellsten Manier; wir lernen das Terrain kennen und die Menschen, die vor uns handeln sollen, und, zwar scheinbar flüchtig, aber doch bedeutend und keck ist der Faden gleich im ersten Auftreten angeknüpft und die Hauptpersonen treten vor uns in wahrhaft schauderhafter Ironie: der liederliche König, der sich amüsirt, und sein Hofnarr, der sich gleichfalls auf seine Art amüsirt und seinen Herrn dazu als Werkzeug gebraucht, wie dieser ihn. Der Liebeshandel mit der Frau von Cossé und die Erscheinung des Herrn von Saint-Vallier sind blofse Episoden, die der Dichter fallen läfst; doch ist die letztere nicht ganz ohne tragischen Einflufs, wenn auch nicht auf den Gang des Drama, so doch auf die Stimmung, nicht etwa des Königs, nein, auf die des höher stehenden Hofnarren. Diesen hat der Fluch des greisen Vaters ergriffen und wir finden ihn in der ersten Scene der zweiten Handlung, die den Titel Saltabadil führt, im cul de Sac Boissy (S. 4 und 26 steht Bussy) an der Thür in der Mauer, welche das kleine Häuschen der Schönen aus der Kirche umschliefst, in einen Mantel gehüllt, träumerisch vor sich bin sagen und dann öfter wiederholen: „, Der Greis hat mich verflucht!" Dieser Greis aber ist ein von ihm verhöhnter Vater! — Da tritt ein Mann zu ihm in einem Mantel und bietet ihm seine Dienste an, wenn er etwa irgend Jemand aus der Welt wegwünschte, und macht ihn mit allen Praktiken seines Gewerbes bekannt. Es ist der Zigeuner und Burgunder Saltabadil, der dieser Handlung den Namen giebt. Die Scene hat Humor und macht sich auf der Bühne gewifs recht gut; allein - man begreift nicht, wenn man auch solche Person zu der Zeit gelten läfst, wie dieser gegen einen ihm ganz Fremden zu solcher gefährlichen Vertraulichkeit kommt. Für jetzt weiset ihn Triboulet ab und geht durch die Thür in der Mauer, die er behutsam öffnet und von Innen wieder verschliefst. Hier überfällt ihn die Qual der Ungestaltetheit seines Körpers und die Schmach seines Standes. Beinahe scheint es, als habe die erstere ihn verleitet, den letztern zu wählen; doch erfährt Rolle des Hofnarren zu übernehmen, die seinem Inman nicht bestimmt, was ihn dahin gebracht hat, die nern widersteht und ihn, wie er sich selbst sagt, schlecht und boshaft macht, und dadurch wird die Theilnahme, die er offenbar erregen soll, unbestimmt Er ermannt sich mit den Worund geschwächt.

ten:

Doch, was quält mich's hier? Bin ich nicht ein andrer Mensch, sobald Ich diese Schwelle überschritten habe?

Hier lafs mich diese Welt, aus der ich komme, Vergessen, hieher nichts von draufsen dringen.

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Er klopft und es tritt ein junges weilsgekleidetes Mädchen heraus, das sich freudig in seine Arme wirft. Es ist seine Tochter, die er hier vor der Verführung der Welt unter der Aufsicht einer Duenna verborgen hält. Er liefs sie früher namenlos in Chinon erziehen, doch konnte sein Herz sie länger nicht entbehren. Sie ist das einzige Angedenken einer heimlichen Liebe, die ihn mit dem einzigen Weibe verbunden hatte, dessen Herz durch das Mitleiden mit seinem Elende, seiner Mifsstaltung, seiner Verabscheuung in der er stand, gegen ihn erweicht wurde. - Er liebt sie mit der ganzen Leidenschaft, mit welcher er die andern hafst.

(Sie heftig an sein Herz drückend)

Giebt's anderswo ein Herz, das mich versteht?
Ich liebe Dich für Alles, was ich hasse.
Setz' dich zu mir. Komm, lafs uns davon reden.
Sag', liebst du deinen Vater? Da wir jetzt
So traulich bei einander, meine Tochter,
Da deine Hand in meinen Händen ruht,
Was zwingt uns denn, von Anderem zu sprechen?
Du einz'ges Glück, das mir der Himmel gönnte!
Die Andern haben Eltern, Brüder, Freunde
Das Weib, den Mann, Vasallen, ein Gefolge,
Ahnen, Verbündete, Kinder, was weils ich;
Ich habe dich nur ganz allein auf Erden.

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Er beschwört sie, doch Alles zu vermeiden, wo sie gesehen werden, oder nur eine Ahnung ihres Daseyns auf sich ziehen könnte, und will sich vorsichtig wegbegeben, kehrt aber in der Thür noch einmal um und läfst unvorsichtig die Thür offen, in welche der König, den man schon an der andern Seite der Mauer verkleidet hat herumschleichen sehen, hinter seinem Rücken hineinschlüpft. Die Duenna will erschreckt aufschreien; er aber wirft ihr eine Geldbörse in den Brustlatz, wie der Dichter ausdrücklich vorschreibt, und erkennt in Blanche Triboulet's Tochter, was ihm unbezahlbar amüsant scheint. Die Duenna ist gewonnen und entlockt der unschuldigen Blanche, die sich schon Vorwürfe macht, dafs sie dem Vater nicht gesagt hat, dafs ein Paar schöne junge männliche Augen bereits ihrer ansichtig geworden sind bei ihren acht Kirchenbesuchen und sie auf dem Rückwege zu dem verborgenen Häuschen verfolgt haben, das Geständnifs ihres Wohlgefallens an dem schönen jungen Manne und entlockt diesem dadurch ein Goldstück nach dem andern und selbst den Ring an seinem Finger eine fast burlesk durchgeführte Scene, bis Blanche erschrocken den Eingeschlichenen erblickt, der nun dringender das süfse Geständnis von ihren Rosenlippen pflückt und sich für einen armen Schüler ausgiebt, da sie vor den Herren des Hofes eine grofse Angst bezeigt. Sie gehen mit der Duenna ins Haus, um den König zu einer andern Thür hinauszulassen, weil sie Geräusch vor der Mauer hören. Hier versammeln sich die Verschworenen der ersten Handlung, welche - da einige von ihnen früher Triboulet haben einschleichen sehen Blanche für seine Maitresse halten. Sie werden von Triboulet gestört, der von Angst getrieben zurückkehrt und erschrocken auf sie trifft. Marot beruhigt ihn, dafs sie für den König die Frau von Cossé, deren Hotel mit hohen Gartenmauern den Mauern des Häuschens gegenüber steht, entführen wollen. Triboulet erklärt sich bereit dazu mitzuwirken. Marot bindet ihm eine Maske vor und darüber ein Tuch über die Augen, und stellt ihn an, die Leiter zu halten, auf welcher sie über die Mauer des Häuschens wie der Dichter vorschreibt steigen, und dann die halb nackte und geknebelte Blanche fortschleppen. Blanche wehrt sich mit fliegendem Haar und ruft ihren Vater zu Hülfe: dem sind ja aber Augen und Ohren verbunden. Er hält die Leiter, bis ihm die Zeit zu lang wird, und er endlich ahnend, dafs man ihn zum Besten habe, Binde und Maske abreifst, den Schleier seiner Tochter auf dem Boden erkennt, und die Mauer, an welcher er die Leiter hielt, und mit dem Ausruf: Weh mir! weh! der Fluch!" ohnDas heifst componiren mächtig zu Boden stürzt. und motiviren! Wenn das nicht Effect macht!

(Die Fortsetzung folgt.)

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