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zu beginnen, wenn er nicht seine Monarchenehre gänzlich aufopfern wollte, so gilt es doch für die Geschichte ganz gleich, ob in seinem Herzen dieser Freilich oder jener Grund mehr Gewicht ausübte. blieb er nachher, als das Kriegsglück zu seinen Gunsten entschied, nicht innerhalb der Grenzen seiner buchstäblichen Rechtsansprüche stehen; aber eben dadurch, dafs man es österreichischer Seits zum Kriege kommen liefs, waren ja auch die ursprünglichen Verhältnisse ganz aufgehoben, und es trat nun das Recht der Eroberungen an ihre Stelle, und man darf billig fragen: ob, im Falle dafs Friedrich unterlegen hätte, Oesterreich sich grofsmüthiger geWir finden unihn würde bewiesen haben? gen serer Seits den Unwillen der Oesterreicher über Friedrichs Handlungen auch sehr begreiflich, können ibn aber nicht wegen eines inneren Rechtsgrundes, sondern nur wegen der natürlichen Liebe für ihren Staat gelten lassen, und dabei die beleidigende, wegwerfende Weise, in der sie sich gegen den König aussprachen, nur missbilligen, die sich freilich in der Geschichte bitter gerächt bat. Wie bei allem, was selbst Friedcichs Gegner ihm zur Last legen mögen, seine Politik doch immer die aufrichtigste und grofsartigste war, und was aus ihm geworden wäre, wenn seine Gegner ihn übermocht hätten, das sieht man z. B. aus dem S. 200 mitgetheilten Plane, dein Könige Preussen zu entreifsen und es an Polen zu geben, wogegen Rufsland durch ein Stück von Polen vergröfsert werden sollte; und hierzu hoffte man (englischer Seits) die Kaiserin Elisabeth aus Gründen der Religion zu überreden! Wo war denn hier auch nur der entfernteste Schein eines Rechtsgrundes? Mit gerechter Verwunderung setzt der Vf. hinzu: Wie Vertheidiger von solcherlei Planen über die Diplomatik Friedrichs II. den Stab brechen Dafs der siebenjährige durften, ist schwer zu begreifen!" Krieg ganz allein von Friedrichs Feinden angesponnen, und er zu demselben gewaltsam, wider seinen Willen, genöthigt wurde, geht aus den vorliegen den Mittheilungen unwidersprechlich heryor. Bei dem Gleichmuthe, womit der Vf. sich von jeder absichtlichen Parteinahme entfernt hält, und blos auf das Amt eines Berichterstatters beschränkt, mufs es jeden Unparteiischen um so unwiderstehlicher überzeugen, wenn derselbe unter andern (S. 288) im Jahre 1755 findet, dafs England und Oesterreich in feindlicher Thätigkeit wider Friedrich II. erscheinen, während dieser weder allein noch mit Andern in ähnlicher Weise vorgerückt ist;" und dafs es (S. 298),, Friedrichs erster und nächster Zweck war, jeden Krieg zu vermeiden," während ein gleiches Bestreben der übrigen Mächte, nach den vorAls gelegten Beweisen, durchaus geleugnet werden muss. England (wo die Politik sich inzwischen geändert hatte) im Jahre 1756 einen Plan zur Erhaltung des Friedens macht, und Oeslerreich deshalb zur Versöhnung mit Preufsen auffordert, wozu der freigeisterische Friedrich, die Sicherstellung seiner Besitzungen vorausgesetzt, so gern die Hand geboten haben würde, erwie

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Vf. selbst erklärt an einer andern Stelle, dafs Sachsen bei einem Kriege zwischen Oesterreich und Preufsen gar nicht unbetheiligs habe bleiben können; es ist also dessen Theilnahme schon hier nach bestimmt vorauszusetzen;) und da ist es ja doch wohl ein blofser Wortstreit, ob man den Angriff unmittelbar selbst bezweckte, oder ob man es so zu drehen wulste, dafs Friedrich, zu seiner Selbsterhaltung, nicht umhin konnte, dem Angriffe zuvorzukommen, wodurch dann seine Feinde einen Vorwand bekamen, ibn als den Angreifenden darzustellen. An den feindseligen Absichten gegen Preufsen ist um so weniger zu zweifeln, als, nach S. 333, Maria Theresia von dem guten Einverständnisse zwischen den beiden Kaiserinnen (ihr selbst und Elisabeth von Russland) zu einer Zeit sprach, wo England noch mit Rufsland im Bündnisse zu stehen meinte, und Versuche zur Erhaltung des Friedens zwischen Oesterreich und Preufsen machte; nach S. 348, es gewifs ist, dafs die Schritte Oesterreichs, Behufs eines Bündnisses mit Frankreich, lange vorher beschlossen wurden, ehe von einem Vertrage zwischen England und Preufsen die Rede war; als ferner, nach S. 370, Maria Theresia, auf des Königs freundschaftliche und höfliche Anfragen,,,mit Vorsatz" nur unklare und ungentigende Antworten gab, da doch, nach des Vfs. eigner, ganz richtiger Ansicht (S. 395), wenn der Wiener Hof den entgegengesetzten Vorsatz gehabt hätte, es nur ein deutliches Wort kostete, um den Krieg zu vermeiden, und eben dar in, dafs dies Wort nicht ausgesprochen wurde,,,in Wahrheit eine Kriegserklärung lag; während für Friedrich nicht nur der englische Gesandte zeugt (S. 364), dafs er höchst aufrichtig den Frieden wünschte, sondern auch er selbst auf das feierlichste versichert (S. 386): J'atteste le ciel, que je ne connais d'au tre moyen de me tirer d'un pas aussi difficile, qu'en le prévenant; "und (S. 388): Mes ennemis me forcent de faire la guerre; je benirai le jour, qui y mettra fin;” da er, nach seinen eignen wiederholten Erklärungen und den Zeugnissen Anderer, die der Vf. verschiedentlich anführt, an Eroberungen gar nicht dachte, und der ganzen Lage der Sache nach, nicht denken konnte; und selbst während des Krieges (S. 449) sich dem Plane günstig erklärte, Preufsen und Oesterreich auszusöhnen, und gemeinschaftlich wider Frankreich zu richten. Ueberhaupt geht aus den, in diesem Buche gesammelten Nachrichten, in deren Detail wir uns nicht weiter einlassen können, unwider sprechlich hervor, dafs Friedrich Alles gethan bat, was er mit Ehren thun konnte, um den Frieden zu erhalten, dafs also auf seinem Gewissen die ungeheure Blutschuld, den verderblichen siebenjährigen Krieg hervorgerufen zu haben, nicht lastet, und der Siegspreis für dessen ruhmvolle Beendigung ihm mit um so reinerem Herzen und ungetheilterem Beifall zuerkannt werden mufs. Ob auf Seiten des Hauses Oesterreich der Wunsch der Wiedereroberung Schlesiens, den der Vf. so natürlich findet, hinreicht, einen so langwierigen, blutigen, und endlich doch fruchtlosen Krieg zu rechtfertigen, das lassen wir hier dahin gestellt seyn. Von den Ereignissen des Krieges selbst erfahren wir nur wenig; die meisten Nachrichten drehen sich um Unterhandlungen, in denen England eine sehr unrühmliche Rolle spielt, indem es den König von Preufsen, der doch grofsentheils im Interesse Englands und Hannovers den Krieg, wenigstens so weit Frankreich daran Theil nahm, führte, zu schwach unterstützte,

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dert die religiöse Maria Theresia (S. 330): Ich und der Königin den schwierigsten Lagen ihn sich selbst überliefs, und jene von Preufsen, wir sind zu einander unverträglich, und keine Rücksicht kann mich je vermögen, in einen Bund einzutreten, an welchem er Theil hat!" Ist in einer solchen Erklärung wohl mehr wahre Staatsklugheit als christliche Versöhnlichkeit zu finden? Was den wirklichen Anfang des siebenjährigen Krieges betrifft, so ist es nach alle dem, was der Vf. selbst ermittelt , schwer zu begreifen, wie er gleichwohl (S. 366) sagen hat, -kann:,,Friedrich hat nicht erwiesen und nicht erweisen können, dafs ein förmliches Angriffsbündnifs zwischen Oesterreich, Rufs land und Sachsen gegen ihn geschlossen worden; er hatte Un recht, hierauf Anfangs vorzüglichen Nachdruck zu legen "u. s. w. Zum Theil widerlegt sich diese Ansicht schon durch das unmittelbar Folgende, wo der Vf. klar ausspricht, Oesterreich babe gesucht, Friedrich zum Angriff aufzureizen,,, weil es alsdann den unschätzbaren Vortheil hatte, Russland und Frankreich für seine Zwecke benutzen zu können. Das Bündnifs zwischen diesen Mächten gegen Preufsen bestand also doch wirklich; (von Sachtsen wird dabei zwar nicht ausdrücklich gesprochen, aber der

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mangelhafte Unterstützung, über welche der bei den König anwesende englische Gesandte selbst bittere Klage führt, ihm doch gelegentlich hoch anrechnete. Den Schlufs der Nachrichten über den Verlauf des Krieges macht der Vf. (S. 528) mit den eben so schönen als wahren Worten, mit denen wir, in voller und auf. richtiger Uebereinstimmung, auch diese Anzeige schliefsen': ,,Allerdings kamen dem Könige Friedrich Ungeschick und Uneinigkeit seiner vielen Feinde, so wie oft das zu Gute, was wir in gewöhnlicher Sprachweise Zufall nennen; ihm um deswillen aber politische und Feldherrngröfse abzusprechen, gehört zu den thörichten Einfällen, womit kleine Leute grofsen Männern gegenüber sich gern breit machen. Friedrich fl. ist und bleibt die gröfste Gestalt der ganzen Zeit! Er und Preussen hatten ein weltgeschichtliches Daseyn, einen Kern ewigen Rubmes gewonnen, an welchem sich in Zeiten späterer Erniedrigung die Flammen einer siegreichen Begeisterung wieder entzün deten."

ALLGEMEINER LITERATUR

Februar 1838.

STAATSWISSENSCHAFTEN.

1) BERLIN, den 25. November 1837. Darlegung des Verfahrens der Preussischen Regierung gegen den Erzbischof von Cöln. 51 S. Text, 62 S. Beilagen. 4. (1 Rthlr. 4 gGr.)

2) FRANKFURT a. M., gedruckt b. A. Osterrieth 1837. Die Gefangennehmung des Erzbischofs von Cöln und ihre Motive, rechtlich erörtert von einem praktischen Juristen. IV u. 87 S. 8. (9g Gr.) Es ist eine der schwierigsten Aufgaben, eine An

gelegenheit der Wahrheit vollkommen gemäfs darzustellen, wenn es zu ihrer Beurtheilung gar keinen Standpunkt giebt, welcher ganz aufser dem Bereiche der Partei-Ansicht liegt. Erscheint aber auch ihre Lösung dem einen Theile gelungen; so wird der andere sie nicht dafür gelten lassen, weil die aufgestellten Gründe ibn unzugänglich finden, und er sich kaum dazu verstehen wird, dem Gegner den redlichen Willen einzuräumen, welchen die Erforschung der Wahrheit voraussetzt. Diese Beschaffenheit hat aber der hier zur Sprache zu bringende Gegenstand. Der Ref, ist deshalb im voraus überzeugt, dass mancher Leser dieser Blätter durch sie in seiner vorgefalsten Meinung sich nicht stören lassen wird. Dafs er sich zum Vortheile der Preufsischen Regierung Kufsern werde, wird jeder erwarten; denn wenn sie es ihm auch gestattete, ihr Verfahren als unzweckmäfsig darzustellen; so würde er es für Pflicht halten, zu schweigen, und nicht durch Tadel die schwierige Lage vielleicht zu vermehren, in die sie auf jein die sie auf jeden Fall in der wohlwollendsten Absicht gerathen ist. Er ist Protestant; aber er ist sich bewufst, dafs seiae religiöse Ueberzeugung ihm nicht den Gesichtspunkt verrücken wird, aus welchem der vorliegende Gegenstand allein betrachtet seyn will. Es handelt sich hier lediglich von dem Verhältnisse der katholischen Kirche in Rücksicht zweier wichtigen Zustände zum Preussischen Staate, wie es durch Gesetze, Uebereinkünfte, Herkommen, den Geist der Kirche and die allgemeine Lage der Gesellschaft in religiöser Beziehung bedingt wird. Wer diesen Standpunkt verläfst, und, wie es schon geschehen ist, von dem Standpunkte des Staats, oder von dem der protestantischen oder der römisch-katholischen Kirche aus, die Rechte des einen oder des andern Theils ganz abstrakt zur Sprache bringt, wird das in Frage gestellte Verhältnifs nicht nur verwirren, sondern läuft auch Gefahr, die Leidenschaften aufzuregen, und das ersehnte Ziel der friedlichen Ausgleichung einer

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4. L. Z. 1838. Erster Band,

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Angelegenheit, welche vorzugsweise mit Milde und hinauszuschieben. Mag denen, weche den Ausgang christlicher Liebe hehandelt seyn will, immer weiter einer ruhigen Untersuchung fürchten, daran liegen, die Leidenschaften gegen ihre Widersacher in Bewewinnen. Der Ref. hielt es daher auch für angemesgung zu setzen; die Wahrheit kann dadurch nicht gesen, der Kritik der oben angegebenen Schrift (No. 2), Preufsischen Regierung gegen den Erzbischof von welche vorzugsweise bestimmt ist, das Verfahren der Anzeige der in Berlin erschienenen Darlegung eben Cölu nach rechtlichen Principien zu beleuchten, die dieses Verfahrens voraus schicken zu müssen. Sie ist als eine offizielle zu betrachten, veröffentlicht alle zur Beurtheilung des Gegenstandes nöthigen Aktenstücke und kann daher allein als die Grundlage zur Gewinnung eines sichern Resultats angesehen werden. Ohne sie ist weder Vertheidigung noch Angriff des einen oder des andern Theils möglich, und es kann nur bedauert werden, dafs schon so viele Schriftsteller auf den Kampfplatz getreten sind, denen nur einzelne sichere Documente zu Gebote standen, die keine vollständige Belehrung geben konnten und daher zu allerlei Deutungen und zum Herbeiziehen von Vermuthungen, luftigen Schlüssen und böswilligem Gerede verleiteten.

Es sind zwei Ursachen, welche das Verfahren der Preufsischen Regierung gegen den Erzbischof von Cöln Clemens August, Freiherrn Droste zu Vischering, herbeigeführt haben: sein Verhalten in Rücksicht der gemischten Eben und sein Benehmen gegen die katholisch- theologische Facultät und das Convictorium der Universität zu Bonn. Die zu Berlin erschienene Darlegung, von welcher wir hier zunächst zu referiren haben, setzt auf eine klare Weise in ihrem ersten Theile das Verfahren des hohen Prälaten auseinander, und wir dürften glauben, unserer Aufgabe zu genügen, wenn wir aus der vor uns liegenden Erzählung die Hauptmomente auszögen und auf die Wichtigkeit derselben aufmerksam machten; allein eine nähere Hinweisung auf die Lage, worin sich der Preufsische Staat in kirchlicher und wissenschaftlicher Hinsicht befindet, scheint fast nothwendig zu seyn, um denjenigen, welche an gewissen Vorstellungen strenger Kirchlichkeit und Rechtmä fsigkeit festhalten, begreiflich zu machen, mit welchen überaus grofsen Schwierigkeiten die Preussische Regierung den verschiedenen Religionsparteien gegenüber zu kämpfen bat, und dafs es durchaus unmöglich für sie ist, den Forderungen einer schroffen Orthodoxie in allen Beziehungen nachzugeben,

Ff

Der Preufsische Staat hat sich seit den Zeiten der Reformation als ein wesentlich protestantischer entwickelt. Der gröfste Theil seiner Einwohner gehörte der einen oder der andern protestantischen Religionspartei an. Erst die spätern Erwerbungen führten ihm in Schlesien, in den früher zu Polen gehörenden Ländern und in der Rheinprovinz eine starke katholische Bevölkerung zu. Gegenwärtig findet in allen Provinzen, ja in allen Regierungsbezirken eine Vermischung der beiden Religionsparteien statt, wenn gleich ihr Verhältnifs zu einander ein sehr verschiedenes ist. Die Gesammtzahl aller Protestanten verhält sich zur Gesammtzahl aller Katholiken im Preufsischen Staate nahe wie 37 zu 23; in den einzelnen Provinzen aber auf folgende Weise, wobei wir nur bemerken, dafs die Zahlen deshalb nicht vollkommen genau angegeben sind, weil es hier mehr darauf ankam, das Verhältnifs recht anschaulich zu machen, als jede kleine Abweichung durch Häufung der Ziffern zu vermeiden: in Pommern wie 123:1, in Brandenburg wie 114: 1, in Sachsen wie 13 bis 14:1, in Preufsen wie 57: 20, in Schlesien wie 26:21, in Westfalen wie 5:7, in Posen wie 23:52, und in der Rheinprovinz wie 5: 16. Aus diesem Neben- und Durcheinanderwohnen der Anhänger zweier Glaubensbekenntnisse entsprang für sie selbst die Nothwendigkeit, sich gegenseitig zu ertragen und gegen einander die Duldung und Liebe zu üben, welche der Stifter ihrer Religion so ausdrücklich fordert, für die Preufsiche Regierung aber die Aufgabe, alle Conflicte zwischen ihnen möglichst abzuwenden und diejenigen Verhältnisse, welche dazu führen konnzum Wohle beider Theile zuordnen. Die Schwierigkeit mufste auf Seiten der Anhänger der katholischen Kirche weit gröfser seyn, als auf der Seite der andern Kirchenpartei; denn diese, wenn sie auch gleich ihr Glaubensbekenntnifs für geläuterter ansah, erkannte doch in jenen wahre Christen an, und zweifelte nicht, dafs sie durch ihren Glauben die Seligkeit erlangen könnten, während die römisch Katholischen den Protestanten entweder die Möglichkeit, durch ihren Glauben selig zu werden geradezu absprachen, oder, nach einer milderen, aber sophistischen Auslegung des Satzes: aufser der Kirche kein Heil der Sicherheit des Seligwerdens entbehrten. Ein so schroffer Gegensatz konnte sich aber nicht behaupten, wo Anhänger beider Kirchen in eine stete Berührung mit einander kamen, einander schätzen lernten, einander Wohlthaten erwiesen und durch die Bande inniger Freundschaft mit einander verbunden wurden. Wenn daber auch die Kirche selbst, und insbesondere in ihrem Mittelpunkte, die Forderung scharfer Trennung festhielt und die Benennung der alleinseligma chenden für sich in Auspruch nahm, so mufste sie doch in den Ländern einer gemischten Bevölkerung eine gelindere Praxis eintreten lassen. Ein starrer Widerstand gegen die Macht der Verhältnisse und gegen die mit denselben verwandelten Vorstellungen würde nicht nur den Frieden der Gesellschaft ge

ten,

stört, sondern auch die katholische Kirche selbst gefährdet haben. Vornehmlich aber leuchtete die Nothwendigkeit einer verständigen Nachgiebigkeit in Rücksicht der gemischten Ehen ein, die unter den angegebenen Umständen sehr häufig eintreten mussten. Und beabsichtigte etwa die Preufsische Regierung einen Vortheil davon zu ziehen? Ging sie nicht hier eben so, wie in allen andern Fällen auf Gleichstellung der beiden Religionsparteien aus? Weder durch directen noch indirecten Zwang hat sie jemals gesucht, Proselyten unter der katholischen Bevölkerung zu machen. Allerdings konnte der Papst nie ausdrücklich in die gemischten Ehen willigen. Seine Stellung zur Kirche forderte von ihm ein strenges Festhalten an der orthodoxen Kirchenlebre. A ber wenn er gestattete, dafs die Diener der Kirche da, wo die Umstände es verlangten, einen andern Weg einschlugen; so konnte er nur wollen, dafs beide Kirchenparteien nach gleichen Grundsätzen behandelt würden, nicht aber fordern, dafs die gemischten Ehen nur der katholischen Kirche zum Vortheil gereichen sollten: dies würde nichts anders geheifsen haben, als ein Verhältnifs, was die Kirche glaubte verwerfen zu müssen, zu einem Mittel der Speculation machen. Entweder also mussten die Kinder aus gemischten Ehen zum Theil dem Vater, zum Theil der Mutter folgen, wie es das Geschlecht derselben bestimmte, oder sie mufsten sämmtlich entweder im Glauben des Vaters oder der Mutter erzogen werden. Forderte dies die Gerechtigkeit von dem heiligen Vater zu Rom, so durfte der protestantische Landesherr um so weniger davon abweichen, da ihm, als besondern Beschützer seiner Kirche, oblag, ihr keine Kränkung zufügen zu lassen, und als Verwalter der Gerechtigkeit allen seinen Unterthanen mit gleichem Maafse zu messen. Oder hätte er, wenn er der katholischen Bevölkerung seines Landes in allen andern Fällen mit der protestantischen gleiche Vortheile gewährte, in diesem die wichtigsten Interessen nur nach den Wünschen von jener bestimmen sollen?! In den ältern Landestheilen hatte sich anch längst eine Praxis gebildet, wonach die gemischten Ehen hehandelt wurden, und war auch das Auskunftsmittel nicht das angemessenste, so lebten doch beide Religionsparteien in Eintracht neben einander und keinem Geistlichen, keinem Papste fiel es ein, diesen Frieden zu stören. nun aber die Rheinlande an Preufsen fielen, kam es darauf an, auch hier ein Verfahren in Rücksicht der gemischten Ebe einzuführen, welches den beiden dabei betheiligten Parteien gerecht wäre. Die Geistlichkeit mufste der Regierung die Hand bieten, und der Papst mufste jene dazu bevollmächtigen; allein da der Papst die gemischten Ehen nicht billigen durfte, so konnte er auch nur das einzuschlagende Verfahren als ein ihm durch die Umstände abgenöthigtes andeuten, und mufste es der Weisheit der Kirchenobern überlassen, mit der weltlichen Macht die weitere Ausführung zu verabreden. Dies dürfte es seyn, was in dieser so wichtigen Angelegenheit festgehalten werden mufs. Es geht daraus die ganze

Als

peinliche Lage fervor, worin die Prentsische Regierung nicht nur, sondern auch der Papst durch die Weigerung des Erzbischofs Clemens August, das Verfahren seines Vorgängers und der Bischöfe in Westfalen und am Rhein anzuerkennen, versetzt worden ist. Der Papst kann sein Breve, welches diesem Verfahren vorausgegangen ist, nicht desayouiren, aber er kann auch nicht vor der katholischen Christenheit einen Prälaten fallen lassen, welcher orthodoxer seyn wollte, als der Papst selbst, und daher dem päpstlichen Breve eine Bedeutung gab, welche vorher nicht darin gefunden war.

Ein anderer sehr wichtiger Umstand, welcher gleichfalls zu mancherlei Verwickelungen in einem Staate führen kann, dessen Bevölkerung eine in religiöser Hinsicht gemischte ist, ist das Verhältnifs der Wissenschaft zur Kirche. Die protestantische Kirche, aus der freien Forschung nach Wahrheit hervorgegangen, kann diese nicht fürchten, ja sie hat sie, ihrer eigenen Fortbildung und festeren Begründung wegen, immer in Schutz genommen, so dafs die protestantischen Staaten, von diesem Geiste belebt, vorzugsweise die Asyle der Wissenschaft und Lehrfreiheit geworden sind. Die katholische Kirche dagegen, die sich wesentlich als abgeschlossen betrachtet, räumt nur dem Papste in letzter Instanz das Recht ein, die Zweifel zu lösen, welche den kirchlichen Lehrbegriff betreffen, und knüpft so die Gewissen aller ihrer Anhänger an einen subjektiven Mittelpunkt. Dals eine consequente Durchführung dieser Vorstellung unmöglich sey, leuchtet aber von selbst ein. Wo ein Dogina vorgetragen werden soll, wo Begriffe in Beziehung auf dieses Dogma zu entwickeln sind, da mufs auch eine freie Bewegung des Geistes der Lehrer walten, durch die sie sich allein des Gedankens zu bemlichtigen im Stande sind. Selbst vorgeschriebene Lehrbücher können den Geist nicht bannen; denn sprächen sie so bestimmt durch sich selbst, dafs keine Zweifel denkbar wären, so würden sie dem Schüler unmittelbar in die Hände gegeben werden können, und es würde der Vermittelung des Lebrers nicht bedürfen. Indefs haben die protestantischen Regierungen keineswegs die Lehrfreiheit in Rücksicht der katholischen Kirche gefordert, ja sie haben, und insbesondere die Preufsische, eine Menge von Vorkehrungen getroffen, welche dazu dienen sollen, das Interesse der katholischen Kirche in Beziehung auf die Erhaltung der Reinheit ihrer Glaubenslehre sicher zu stellen. Nur mulste es ihnen daran liegen, den zu bildenden katholischen Theologen Gelegenheit zu geben, den Grad von Einsicht und Kenntnifs zu erlangen, welcher sie in den Stand setzen könnte, nicht blos durch ihr Amt, sondern auch durch ibren innern Werth die Würde ibres Berufs unter einer gebildeten Bevölkerung zu behaupten. Sie errichteten deshalb auf ihren Universitäten besondere katholisch-theologische Facultäten. Im Preussischen Staate besitzt eine solche die Universität zu Breslau und eine andere die Universität zu Bonn. Der Vortheil, welchen die Kir

che aus dieser Einrichtung zieht, ist von der gröfsten Bedeutung und sollte von ihr nicht verkannt wer den. Die deutschen Universitäten haben ihr die eifrigsten und geschicktesten Vertheidiger ihrer Lehre gebildet. Sie handelt daher offenbar weise, wenn sie sich um dieses Vortheils willen eine freiere geistige Bewegung ihrer Lehrer gefallen läfsts wenn sie nicht übersieht, dafs sie in einem Lande, in welchem nach allen Seiten hin ein so reges geistiges Streben herrscht, eine absichtliche Beschränkung ihrer Seelsorger auf einen gewissen Kreis von Vorstellungen weder auszuführen im Stande ist, noch mit Nutzen ausführen würde, wenn sie dazu im Stande wäre. Eine solche Beschränkung würde den geistlichen Stand in Widerspruch mit den gebildeten Laien erscheinen lassen, deren Bemühen um wissenschaftliche Ausbildung man keinen Zügel anlegen kann; sie würde die Seelsorger unfähig machen, die Zweifel, welche die ihrer Sorge Anvertrauten ihnen vortragen, zu heben, weil sie, auf dem Gebiete einer freien wissenschaftlichen Bewegung entstanden, auch nur denen zugänglich sind, welche dieser Bewegung folgen.

Wenn nun schon in gewöhnlichen Zeiten jene beiden Verhältnisse die gröfste Zartheit der Behandlung von Seiten des Staats und der Kirche fordern, so noch vielmehr in einer Zeit, welche uns die Gemüther in Aufregung durch die verschiedensten höZeiten mag eine wunde Stelle des Lebens mit Hülfe hern und niedern Interesen zeigt. In gewösnlichen der Gesundheit des ganzen leicht wieder geheilt werden; allein wenn das gesammte Leben leidet, wenn es an vielen Stellen zugleich blutet und fieberbaft zuckt; dann laden diejenigen eine grofse Schuld auf sich, welche zu Aerzten berufen ihre Wissenschaft nur zur Vermehrung des Uebels anwenden, und es kann sie nicht rechtfertigen, dafs die Mittel, welche sie verordnen, einer abstrakten Theorie entsprechen. In einer solchen Zeit aber befinden wir uns gegenwärtig. Die sittlichen, religiösen, rechtlichen VorVerwirrung um so mehr den Frieden der Kirche und stellungen sind erschüttert, und bedrohen in ihrer des Staats, als sie für ganz frende Zwecke zum Deckmantel benutzt werden, als die Politik die Religion und umgekehrt diese jene vorschiebt, um sich unter ihrem Schirm desto sicherer geltend za machen.

Nach diesen einleitenden Bemerkungen, die als blofse Andeutungen angesehen seyn wollen, lassen wir eine kurze Erzählung des Zusammenhangs der Umstände folgen, welche die Entfernung des Erzbischofs von Cöln von seinem Amte und aus seiner Erzdiöcese zur Folge hatten. Wir halten uns streng an die vor uns liegende Sebrift, die in ihrem ersten Theile das Verhalten des Erzbischofs in Rücksicht sowohl der gemischten Ehen, als der katholischtheologischen Facultät zu Bonn schildert, und die Schritte, welche deshalb die Preufsische Regierung that, angiebt, im zweiten aber die zum genauern

Verständnifs erforderlichen Actenstücke vorlegt.
Indefs ist der Ref. nicht der Meinung, den Lesera
die eigene Einsicht in die Schrift zu ersparen, im
Gegentheil wünscht er sie zu einer sorgfältigen Prü
fung derselben zu ermuntern, damit eins der wich-
tigsten
Ereignisse der neuesten Zeit aller Deutung
und Mifsdeutung aus Unkunde des Gegenstandes ent-
zogen werde.

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ob

Breve ibren Zweck; denn wenn der Papst auch darin die gemischten Ehen von seinem Standpunkte aus mifsbilligt, so erkennt er sie doch als gültig an, verlangt nur von den Geistlichen eine Abmahnung von denselben und eine moralische Bürgschaft gegen die dadurch der Kirche erwachsende Gefahr, erwähnt aber nichts von einem Versprechen des katholischen Theils, die zu erwartenden Kinder in seinem GlauDie Angelegenheit der gemischten Ehen. Im ben erziehen zu wollen. Nur der Umstand war mit Preufsischen Staate wurden bis zum Jahre 1815 nach den Absichten der Regierung im Widerspruche, dafs der herrschenden milderen Praxis die gemischten der Papst die Vollziehung der Trauung von einem Eben ohne Schwierigkeit getraut; aber die Bestim- vorher mit der Braut anzustellenden Examen abhän mung des Preussischen Landrechts, welche sich der gig macht. Ueber diese Bedingung ward daher noch selben im allgemeinen anschlofs, jedoch festsetzte, in Rom unterhandelt, aber sie ward nicht zurückgedafs die Söhne dem Vater und die Töchter der Mut- nommen, und im Anfange des Jahres 1834 wurden ter in der Religion folgen sollten, ward im Jahre dem Preufsischen Gesandten die alten Ausfertigun1803 aufgehoben und durch diejenige ersetzt, welche gen zurückgegeben. Jetzt kam es darauf an, die Kinder in der Religion des Vaters zu erziehen die Bischöfe sich bewogen finden würden, auf die verordnete. Nur die Beschränkung blieb stehen, päpstlichen Erlasse das mildere Verfahren in Hindafs diese Norm nicht durch Verträge, wodurch ein sicht der gemischten Ehen auch in den Gebieten in Theil den andern verpflichtet, umgestofsen werden Anwendung zu bringen, wo es bisher nicht statt gedürfe. In den neuen Erwerbungen in Westphalen funden hatte. Der Erzbischof von Cöln, Graf von und am Rhein war dies nicht der Fall. Hier berühr- Spiegel zum Desenberg, ward deshalb nach Berlin ten sich die strengeren und die milderen Ansichten berufen, und erklärte nach reiflicher Ueberlegung: ganz nahe, und während z. B. im Düsseldorfer Re-,,seiner gewissenhaften Ueberzeugung nach könne im gierungsbezirk eine gemischte Ehe ohne Bedingung Wesentlichen jetzt eine gemilderte Praxis durchgäneingesegnet wurde, geschah es in dem von Cöln nicht. gig eingeführt werden, indem die im Breve vorgeHäufige Klagen darüber riefen die Königliche Cabi- schriebenen Formen und Ermahnungen von der Fornetsordre vom 17. August 1825 hervor, wodurch die derung des Versprechens der Verlobten absehen, welDeclaration von 1803 auch auf die westlichen Lan- cher Punkt allein den offenbaren Widerspruch der destheile des Staats ausgedehnt wurde. Allein dies alten Sitte mit dem Landesgesetz verursache." Auf hatte die Folge, dafs die katholischen Geistlichen Grund dieser Erklärung ward nun ein Uebereinkomhäufig die Trauung gemischter Eben ganz verweiger- men zwischen der Regierung und dem Erzbischof ten, und dafs die Regierung sich ihrer Widersetz- geschlossen, worauf die neue Praxis gestützt werlichkeit wegen an die Bischöfe um Abbülfe wandte. den sollte, und nachdem sie des Königs Majestät geDiese aber erklärten jetzt, dafs die Anwendung der nehmigt hatte, legte sie der Erzbischof den Bischö milderen Praxis eines besondern päpstlichen Erlas- fen von Paderborn, Münster und Trier vor, die sich ses bedürfe, und dafs, bis er erfolgt sey, als rechtlicher der Reihe nach anschlossen. Die Regierung blieb Status quo nur die Zulassung des kirchlichen Aufge- den Berathungen der hohen Prälaten ganz fremd. bots und der Losscheine von den katholischen Pfar- Im August 1834 schickte der Erzbischof die Anerrern gefordert werden könne. Die Regierung ach- kennung der drei Bischöfe nach Berlin ein, und die tete zwar diese Gewissens Rücksichten, stellte es vier Bischöfe erliefsen gleichlautend ein Rundschrei den Bischöfen frei, sich mit ihren Bedenken an den ben an die Pfarrer bei Mittheilung des Breve und Papst zu wenden, versprach ihre Eingaben an den eine Weisung an die General Vicariate zum Beselben zu unterstützen und sich einstweilen mit dem scheiden der Pfarrer bei Anfragen oder bei BeStatus quo zu begnügen, aber erklärte auch ihren schwerden. Die so eingeführte Praxis erhielt sich festen Entschlufs, ihre durch die Sitte und die Um- bis zum Tode des Erzbischofs im Juli 1835 und noch stände wohlbegründete Gesetzgebung nicht ändern ein Jahr nachher ohne Widerspruch, Der Bischof zu wollen. Papst Leo XII, zeigte sich den Ab- von Trier, von welchem man eine nicht von ihm gesichten der Regierung geneigt, aber er starb schon schriebene, sondern nur unterschriebene, an seinem im Jahre nach Anknüpfung der Unterhandlungen mit Todestage abgefafste Widerrufserklärung in Umlauf ihm (1829), so dafs diese erst unter Pius VIII, ein gebracht hat, hatte noch wenige Tage vorher, nach Resultat hatten, welches in dem Breve an die Bi- dem Genusse des heiligen Abendmahls, gegen den schöfe vom 25. März 1830 und der Instruction an Papst die Ueberzeugung von der Nothwendigkeit der dieselben vom Cardinal Albani, vom 27. eben dieses eingeführten Praxis ausgesprochen. Monats, besteht. Die Regierung erreichte durch das

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(Der Beschluss folgt.)

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