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zweifeln wir bei der vorliegenden Ausdrucksweise gar nicht daran, dafs das an die erste Stelle gesetzte Glied (inter populum) jenes sey, worauf die folgenden bezogen werden, und dafs es eben darum vorauf gebe. Was nun die Bedeutung dieses ersten Gliedes betrifft, so braucht man sich nur daran zu erinnern, dafs hier ein Römer für Römer schreibt, um vollkommen überzeugt zu seyn, dafs inter populum gleichbedeutend sey mit populum Romanum, wie auch Collmann nebst Anderen voraussetzt, und wie populus in der That an mehrern Stellen heifst, wo ein Römer zu Römern spricht oder für sie schreibt. So ist grammatisch Alles in der besten Ordnung, so wird auch klar, warum hier der Singular steht, da gleich nachher nur Plurale (reges, nationes, civitates) folgen, was bei der Annahme des Vfs. unerklärt bleibt; wir haben bier einen Vertrag zwischen dem Römischen Volke und Königen sammt ihren Nationen und (sonstigen) fremden Staaten. Dem populus stehen so zwei Glieder entgegen, wovon das eine die reges nationesque, das andere die civitates peregrinae sind, und beide werden (sprachgemäfs durch ein et mit populum verbunden.,, Allein", so wird uns der Vf. (vgl. S. 47) entgegnen, ,,dadurch entsteht eine unnütze Tautologie, da Könige sammt ihren Nationen doch auch zu den fremden Staaten gehören." Die vorgebliche Tautologie würde eine unnütze oder gar unerträgliche seyn, wenn geschrieben stände cum inter populum et civitates peregrinas et reges nationesque lex convenit, weil dann der in dem Gattungsbegriffe bereits enthaltene Arthegriff unnütz nachhinken würde. Allein da Aelius Gallus begonnen hatte inter populum et reges nationesque, und da aufser den monarchischen Staaten noch mehrere Arten von Staaten zu nennen waren, so schreibt er, statt die übrigen Arten einzeln zu nennen, et civitates peregrinas, mit Recht voraussetzend, dafs seine Leser zwar nicht die eben schon genannten monarchischen, wohl aber alle anderen Staaten darunter verstehen würden. Solche gar nicht seltenen Wendungen, welche dazu beitragen das Allgemeine zu individualisiren oder neben dem Allgemeinen irgend eine wichtige Species bervorzuheben *), verdienen nicht den Namen einer Tautologie, wenigstens nicht den einer,, unnützen", obgleich mit diesem Namen allerlei Mifsbrauch getrieben wird. Wir missen uns indessen noch verwahren gegen einen anderen scheinbar wichtigen Einwurf, welchen Hr. Sell gegen diese rein grammatische Erklärung aus der Natur der Sache beibringen wird:,, dafs (S. 50) Aelius Gallus mit dem Worte Recuperatio blofs und allein ein auf Entscheidung rechtlicher Streitigkeiten der Römer mit anderen Völkern bezügliches Bundes - Schutzverhältnifs habe bezeichnen wollen, ist deshalb in keiner Weise anzunehmen, weil durch Recuperatio, der etymologischen Bedeutung nach, durchaus nichts den Römern Originelles angedeutet wird. Das Wort kommt, wie gezeigt wurde, you

recipere, bezeichnet also das Verhältnifs des Wieder- Erlangens und Empfangens, welches bei jedem anderen Volke gerade so gut vorkommen kann, wie beim Römischen." Wir könnten darauf erwiedern, ,, wie, wenn Gallus nur von den Römern und von Römischen Verträgen sprechen wollte?" Allein gerade dieser Einwurf führt den Verfasser und den Referenten in ihren Ansichten über die vorliegende Stelle des Aelius Gallus nur noch weiter aus einander. Ref. nämlich kann sich nicht bestimmen lassen, den Worten des Gallus eine solche Allgemeingültigkeit und ein solches Gewicht in der Untersuchung über die Römischen Recuperatoren zu geben, wie dieses von Sell und Collmann geschehen ist. Zuerst müssen wir darauf aufmerksam machen, dafs diese Stelle aus der dritten Hand auf uns gekommen ist. Der Rechtsgelehrte Aelius Gallus schrieb sie zur Zeit des Cicero nieder in einem Werke de Verborum (quae ad ius civili pertinent) significatione. Vgl. Heimbach: C. Aelii Galli de verborum significatione fragmenta. Lipsiae 1823. Aus ihm entnahm sie (ob ganz unverändert?) Verrius Flaccus in sein Buch de Verborum significatione, zur Zeit des Augustus, und daraus hat sie zuletzt Festus in seinen Auszug aus dem Werke des Verrius aufgenommen und uns erhalten. Es fragt sich zunächst, ob Gallus definiren wollte, was die Römer zu seiner Zeit Recuperatio und Recuperatores nannten. Wollte er das, so ist seine Definition entschieden falsch, denn auf die damaligen Recuperatoren, wie wir sie aus der Rede des Cicero pro Caccina und pro Tullio kennen, pafst sie nicht, wenigstens pafst sie nicht auf alle Arten damaliger Recuperatoren, namentlich nicht auf diejenigen, bei welchen in Rom damals die Processe Römischer Bürger über gewaltsam gestörten Besitz anhängig gemacht wurden. Sollen wir also annehmen, Gallus habe definiren wollen, was die Römer ursprünglich unter Recuperatio und Recuperatores verstanden hätten? Allein, das wäre doch nur eine ganz unerweisbare Conjectur, da uns in der Stelle selbst nichts zu dieser Annahme berechtigt. Diese Schwierigkeiten werden vermieden wenn wir annehmen (was Ref. auch wirklich thut), Aelius Gallus habe, nach der damaligen Sitte etymologisirend, angeben wollen, mit welchem Namen ein Rechtsbündnifs des Römischen Volks mi auswärtigen Staaten passend bezeichnet werden könne, nämlich so:,, Eine Recuperation ist es, wann zwischen dem (Römischen) Volke und Königen sammt ihren Nationen und (sonstigen) auswärtigen Staaten ein Vertrag zu Stande kommt, wie durch Recuperatoren Sachen zurückgegeben und wieder erlangt werden, und wie man Civil - Klagen gegenseitig anhängig macht." Wird die Stelle des Aelius Gallus auf diese Weise aufgefafst und für die Untersuchung über die wirklichen Römischen Recuperatoren beseitigt, so bleibt nichts von Bedeutung übrig was unsbewiese, dafs die Römischen Recuperatoren in der

*) Dies eben geschieht in der Stelle des Gallus, wahrscheinlich darum weil Bündnisse der Römer mit Königen die gewöhn

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altesten Zeit Bundesrichter gewesen seyen, und dafs nur die Fremden verbündeter Staaten bei ihnen ihre Processe gegen Römer oder Fremde anhängig gemacht hätten.

verbündeten Schiffs - Mannschaft aufnehmen konnte, um dadurch jeden Schein von Parteilichkeit zu vermeiden. Die Stelle beweist demnach nur, dafs wenigstens schon während der ersten Hälfte des 6sten Jahrhunderts nach Roms Erbauung in der Stadt Recuperatoren Recht gesprochen haben: denn von einem städtischen Institute entlehnte Scipio ohne Zweifel die Form des extraordinären Gerichtes, welches wir sonst niemals im Lager finden. - Einen anderen Fall erzählt Livius XLIII, 2, einen Fall der sich im Jahre der Stadt 581 ereignete. Gesandte aus Hispanien beschuldigten mehre Römische Magistrate der Erpressung. Der Senat verordnete nach Anhörung ihrer Beschwerden: cum et alia indigna quererentur (legati), manifestum autem esset pecunias captas, L. Cannleio praetori, qui Hispaniam sortitus erat, negotium datum est ut in singulos, a quibus Hispani pecunias repeterent, quinos reciperatores ex ordine senatorio daret. Hr. Sell folgert aus dieser Stelle S. 365 fgg., dafs wenigstens schon vor dem Jahre 381 das Gericht der Recuperatoren, welches ursprünglich nur die Streitigkeiten der Römer mit verbindeten Peregrinen entschieden habe, auch auf Processen zwischen Römern und Provinzialen übertragen worden sey. Wir fassen die Stelle des Livius anders. Ehe für das crimen repetundarum ein eigenes Gericht unter dem Vorsitz eines jährlich ernannten Präsidenten (eines Prätors) d. b. eine quaestio perpetua, constituirt war, was gegen Anfang des 7ten Jahrhunderts geschah, kamen diese Verbrechen zur Aburtheilung in der Regel an die Volksversammlung, d. h. dieser Procefs war eine causa publica (eine vom Volke zu entscheidende) im strengen Sinne des Wortes. Der Römische Senat aber verliefs in dem erwähnten Falle den gewöhnlichen Weg, und verwandelte die causa publica in eine privata, indem er die Gesandten nicht an die Tribut-Comitien sondern an Recuperatoren verwies. Aus Plautus, welcher einmal der Recuperatoren zu Ephesus (Bacchid. II, 3, 36), und ein andermal in Cyrene (Rud. V, 1, 2) gedenkt, läfst sich weiter nichts folgern, als dafs zu seiner Zeit (im 6sten Jahrhundert der Stadt) Recuperatoren in Rom existirten und vom Prätor für einzelne Processe ernannt wurden; es folgt daraus auch, dafs Fremde (in gewissen Processen) ibr Recht bei ihnen in Rom und gegen Römer verfolgen konnten, nicht aber dafs sie in allen Processen vor Recuperatoren erschieneu; es folgt auch nicht, dafs die Recuperatoren damals in rein Römischen Processen nicht zu Gericht gesessen haben. So schwindet uns ein Zeugnifs nach dem anderen und wir sind zuletzt auf Hypothesen oder reine Combinationen beschränkt, wenn wir den erwähnten Hauptgedanken der Schrift des Vfs, fest halten wollen. (Der Beschlufs folgt.)

Wo der Recuperatoren in einer früheren als der Ciceronischen Zeit als Richter in Streitsachen, wobei Fremde betheiligt sind, gedacht wird, da beweisen solche Stellen allerdings, dafs auch Fremde bei den Recuperatoren (in gewissen Fällen) ihr Recht verfolgen konnten, aber sie beweisen nicht, dass diese in allen ihren Processen an die Recuperatoren gewiesen waren, sie beweisen auch nicht, dafs in der älteren Zeit Römische Bürger keine Art von Processen unter sich bei den Recuperatoren ausfechten konnten. Beides möchte aber durch sie bewiesen werden, wenn sie eine Beweiskraft für die Hypothese der Hnn. Sell und Collmann enthalten sollten. Da es solcher Stellen nur wenige giebt, so wollen wir sie der Reihe nach betrachten. Zum erstenmal werden Recuperatoren als Richter erwähnt in dem Jahre der Stadt 542 (bei Sell S. 410 steht 322, gewils nur ein Druckfehler), und zwar in einer Erzählung des Livius XXVI, 48. Nach der Eroberung von Neu-Carthago foderte die Belohnung der Mauerkrone von dem Heerführer P. Corn. Scipio ein Centurio der vierten Legion mit Namen G. Trebellius, und aufser ihm ein socius navalis, genannt Sextus Digitius, beide behauptend zuerst die Mauer der erstürmten Stadt erstiegen zu haben, beide unterstützt durch eine Menge Soldaten ihrer Waffengattung. Da er nannten Scipio drei Recuperatoren, welche das Factum untersuchen und die verdiente Belohnung dem Einen der Bewerber zusprechen sollten. Der Vf, benutzt diese Erzählung als einen Beleg für seine Ansicht von der ursprünglichen Bestimmung der Recuperatoren, „ weil von den (S. 410) hier sich gegenüber stehenden Parteien die eine der Römer Q. Trebellius, Centurio der vierten Legion, und die andere S. Digitius, ein socius navalis, also ein Peregrine war. Allein die Stelle beweist weder dieses noch das Gegentheil, dafs nämlich damals Recuperatoren in rein Römischen Processen Recht gesprochen hätten denn die Mafsregel welche Scipio ergriff, war eine ungewöhnliche, und daher war auch die Bestellung eines recuperatorischen Gerichtes eine extraordinaire. Jene Streitsache hätte von einem Kriegsgerichte beim gewöhnlichen Gange der Dinge entschieden werden müssen: da dieses Gericht aber aus den Militär-Tribunen der Legionen zusammengesetzt war, so hätte sein Urtheil, da die LegionSoldaten sich des Römischen Centurio mit so vielem Eifer annahmen, leicht bestochen erscheinen können. Daber setzte Scipio für diesen Fall ein Gericht zusammen, worin er auch den Anführer der

ALLGEMEINE

JURISPRUDENZ.

LITERATUR-ZEITUNG

Februar 1838.

BRAUNSCHWEIG, b. Vieweg u. Sohn: Die Recuperatio der Römer. Eine rechtshistorische Abhandlung von Dr. Carl Sell u. s. w.

Bei de

(Beschlufs von Nr. 22.)

Dei der gegenwärtigen Beschaffenheit unserer Quellen über die Recuperatoren bleibt uns wohl nichts übrig, als ihre richterlichen Functionen, wie wir dieselben bei Cicero und in mehreren Stellen des vierten Buches des Gaius angedeutet finden, darzustellen. Cicero beschreibt die recuperatorischen Gerichte, wie dieselben in den Provinzen die Klagen der zehntpflichtigen Aratoren gegen die meistens Römischen Decumanen entschieden, in seinen Reden gegen Verres, er beschreibt die Functionen dieser Richter in Rom, wie sie nämlich Processe wegen eines gewaltsam gestörten Besitzes aburtheilten, in seinen Reden pro Caecina und pro Tullio; mit Cicero trifft Gaius im Wesentlichen zusammen. Also kennen wir die Recuperatoren des Ciceronischen und des späteren Zeitalters ziemlich genau. Daraus kann man für eine frühere Zeit Rückschlüsse und Hypothesen machen: allein anzunehmen, dafs diese recuperatorischen Gerichte, die wir allein näher kennen, eine ganz andere Gestalt und Bestimmung gehabt hätten, als die früheren und ursprünglichen, wovon wir nichts wissen, welche wir uns erst in unserer Phantasie construiren müssen, das scheint dem Rec. äufserst gewagt. Was also die Methode der Untersuchung als solche betrifft, so möchten wir der von Huschke gewählten vor der Sell'schen und Collmannschen den Vorzug einräumen, obgleich wir übrigens damit nicht behaupten wollen, dafs Hr. Sell seinen Vorgänger Huschke in mehreren Punkten nicht mit Glück bestritten habe, wie wir auch gern anerkennen, dafs die ganze Untersuchung über diese Frage der Römischen Rechtsgeschichte durch ibn wesentlich gefördert worden sey, und dafs seiner Untersuchung selbst dann noch ein Werth verbleibe, wenn sich auch zeigen sollte (was Referent jedoch und am wenigsten an dieser Stelle zu behaupten wagt; ihm scheinen nur die von Sell für seine Ansicht beigebrachten Beweise zu schwach; ob sich nicht bessere dafür finden lassen, mufs hier dahingestellt bleiben), dafs er die ganze Frage aus einem verkehrten Gesichtspunkte aufgefal'st und angegriffen habe.

Welchen Weg der Vf. eingeschlagen habe, um seinen Grundgedanken in Betreff der Recuperatoren

zu beweisen und darzulegen, haben wir im Vorigen auseinander gesetzt: über die Art, wie er seine Untersuchungen anstellt, wäre noch Folgendes zu bemerken. Besonderes Gewicht legt derselbe überall auf die Natur der Sache, welche ausbelfen soll, wo die historischen Zeugnisse fehlen oder unbestimmt und unklar sind. Allein es ist mit dieser Natur der Sache so eine eigene Sache; sie ist eine unbestimmte und incommensurable Gröfse, so dafs nicht selten der Eine dieses und der Andere jenes daraus macht. Dafs in den früheren Jahrhunderten Roms die Fremden aus verbündeten Staaten einen rechtlichen Schutz in Rom genossen, das liegt allerdings in der Natur der Sache: dafs aber über ihre Angelegenheiten ein eigenes dafür bestelltes Gericht entschied, und dafs ursprünglich einzig und allein die Mitglieder dieses Gerichtes recuperatores hiefsen, wie Hr. Sell annimmt, das liegt nicht in der Natur der Sache, wird wenigstens durch sie nicht mit Nothwendigkeit gefodert; es liegt vielmehr in der Natur der Sache, dafs die Fremden sich an dieselbeu Gerichte wenden konnten, welche den Römern unter sich ihr Recht sprachen. Seit der Zeit wo es in Rom Recuperatoren gab (solche gab es wenigstens schon mit dem Beginn des 6sten Jahrhunderts, wie aus Plautus und Livius hervorgeht), verfolgten die Fremden in solchen Angelegenheiten, welche zur Competenz dieses Gerichts gehörten, ihr Recht vor Recuperatoren, in anderen dagegen, so glauben wir, vor Richtern anderer Art. Das Alles ist der Natur der Sache wenigstens nicht entgegen.

Was die vorliegende Untersuchung des Vfs. so ungemein ausgedehnt hat, das sind nicht blos die zahlreichen Hypothesen, zu welchen er durch seine Methode und seinen Grundgedanken genöthigt wor den ist, sondern auch eine aus dem an sich löblichen Streben nach Gründlichkeit hervorgebende Weitschweifigkeit. Seine allgemeine Betrachtung und Darstellung alter Zustände weils das rechte Mafs nicht zu halten, und verliert sich bisweilen in rhetorische Declamation. Dabei sucht er keine Meinung, die der seinigen widerspricht, unwiderlegt zu lassen. Allein darin eben besteht der grofse Vorzug vollendeter Forschung und Darstellung, dafs ihre Resultate sich so bestimmt und sicher herausstellen, dafs entgegenstehende Ansichten entweder ganz übergangen oder nur eben angedeutet zu werden brauchen. Nur daraus wird begreiflich, wie Hr. Sell über die äusserst einfache Ableitung des Wortes reciperare oder recuperare. von S. 33 bis S. 43 sprechen kann. Weil Viele die

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richtige Etymologie des Wortes verfehlt haben, so glaubte er wohl, dieser Punkt bedürfe einer besondern ausführlichen Erörterung. Auch ist sein Auch ist sein Streben darauf gerichtet, recht Vieles in den Kreis seiner Untersuchung hineinzuziehen, und solche Punkte ausführlich zu besprechen, worüber auf andere Werke verwiesen werden konnte. Für Alles was gesagt wird werden viele Belegstellen beigebracht, da diese zweckmässiger doch nur für solche Behauptungen erwähnt werden sollten, welche unmittelbar zur gewählten Untersuchung gehören. So heifst es S. 119. „Nur an gleicher oder überlegener Macht seine Kraft zu prüfen, ist des wahren Mannes würdig. Der Schwache reizt nicht zur Vernichtung sondern ruft bei dem Edeln das Gefühl hervor, der Ohnmacht abzuhelfen. Und so finden wir es bei den Griechen und Römern. Aus dem Aus dem Munde der Dichter, der Redner, der Philosophen, der Geschichtschreiber erklang das Lob der Gastlichkeit und der sie Uebenden u. s. w. Der Text selbst ist hier theils überflüssig theils rhetorisch unpassend; allein noch mehr mufs man sich wundern, wenn unter demselben, wie zur Zierde, fast für jedes Wort eine Anzahl von Belegstellen erscheinen, welche gewils jeder Leser dem Verfasser gern erlassen hätte. Selbst für ganz allgemeine Sätze, an deren Wahrheit kein Mensch zweifeln kann, werden Belege beigebracht. Diese Sitte oder Unsitte fand sich früher bei vielen Gelehrten: jetzt aber gilt dieselbe als Zeichen von Mangel an Geschmack oder sie (und dieser letztere Fall ist bei Hn. Sell vorhanden) zeugt für eine fehlerhafte jugendliche Abundanz und theilweise Unreife. Eine solche jugendliche Unreife blickt auch hier und da in der eigenthümlichen Benutzung alter Nachrichten und Schriftstellen hervor. Aus vielen Beispielen wollen wir hier drei anführen. Seite 7 lesen wir:,, Auch die Römer glaubten, wie die Griechen, an die Rache des den Fremdling schützenden Jupiter hospitalis und der andern dii hospitales. Troja's Untergang, Lycaons Schicksal, Helike's Versinken in den Fluthen...mufsten nothwendig auch unter den Römern eine ängstliche Scheu verbreiten, den Fluch der schützenden Mächte auf sich zu laden." Wie, die Römer sollten sich durch die hier genannten und von ihnen entweder nicht gekannten oder gewifs wenig beachteten fabulas Graeculorum in ihrer Behandlung der Fremden haben bestimmen lassen? - Seite 19 wird zum Beweise für die überschwengliche Raubgier und Bundbrüchigkeit der Samniter die alberne Beschreibung (Hr. Sell nennt sie eine merkwürdige Schilderung), welche Florus I, 16 von diesem kräftigen Bergvolke mit rhetorischer Uebertreibung entwirft, als lautere Wahrheit hingenommen, wir meinen die Worte: populus Romanus Samnites invalit, gentem, si opulentiam quaeris, aureis et argenteis armis (die beispiellos reichen Leute! bei ihrem Ueberflufs an Gold und Silber hatten sie doch nur Kupfergeld!), discolori veste usque ad ambitum armatam, si fallaciam, saltibus fere et montium fraude

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grassantem, si rabiem ac furorem, sacratis legibus humanisque hostiis in exitium urbis agitatam, si pertinaciam sexies rupto foedere cladibusque ipsis animosiorem. Auf das sexies rupto foedere legt der Vf. bald darauf noch besonderes Gewicht; allein aus der meisterhaften Darstellung der Samnitischen Kriege von Niebuhr kann man sich leicht überzeugen, der Vorwurf gröfserer Bundbriichigkeit treffe, die Römer oder die Samniter. Seite 102 heifst es: Der kräftige Etruskerfürst Porsenna, begierig die Schmach zu tilgen, welche die Abhängigkeit von Rom seinem Vaterlande brachte, lieh den Aufforderungen der Tarquinier, gegen Rom zu ziehen, ein williges Ohr. Diesmal rettete Rom nicht seine Macht, sondern die Anerkennung seiner Tugend, welche ihm der grofsartige Mann, der feindlich gegenüber stand, nicht versagen konnte. Grofsmüthig, wie Rom einst gegen Etrurien, schliefst Porsenna ein Bündnis." Welche Tugend mag wohl darin bestehen, wenn ein Staat viele fanatische Meuchelmörder aufzuweisen hat, wie es Rom nach der fabelhaften Darstellung des Dionysius und Livius damals hatte. Plinius und Tacitus, und aus ihnen Niebuhr, zeigen besser, was damals geschehen ist. Die Stadt hat sich dem Sieger übergeben und ihm ihre Waffen schmählig ausliefern müssen. Das ist die gerühmte Grofsmuth des Etruskerfürsten! Die betreffende Stelle des Plinius führt Hr. Sell aus dessen N, H. XXXIV, 39 (14). selbst an: in foedere, quod expulsis regibus populo Romano dedit Porsenna, nominatim comprehensum invenimus, ne ferro nisi in agricultura uterentur. Dazu die Bemerkung: „Aus dieser Aeufserung sieht man aber zur Genüge, dafs, da dieses Bündnifs jeden, zu feindlichen Zwecken geübten Gebrauch einer Waffe verbot, ein Rechtsstand herbeigeführt worden war." Statt aus dieser Stelle zu ersehen, dafs die Römer ihre Waffen dem Porsenna ausliefern und künftig das Eisen nur zu landwirthschaftlichen Geräthschaften benutzen sollten, scheint Hr. Sell vorauszusetzen, die Worte ne ferro nisi in agricultura uterentur wollten nichts weiter sagen, als dafs die Römer ihr Eisen nicht feindselig gegen die Etrusker gebrauchen sollten.

Der zuletzt erwähnten Mängel würden wir gar nicht gedacht haben, wenn wir nicht überzeugt wären, dafs keiner, einmal darauf aufmerksam gemacht, dieselben leichter vermeiden werde, als ein so tüchtiger und von dem redlichsten Eifer beselter Forscher, wie sich Hr. Sell in seinem Buche überall gezeigt hat.

R.

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so wird das für mich eine erfreuliche Belohnung seyn."

von Verwaltungscollegien gewesen, von dem Jahr 1815 an, bis zu dem Jahr 1834, in welchem er (wider seinen Willen) iu den Ruhestand versetzt wurde, Direktor und Präsident des Hofgerichts zu Darmstadt, welches Mittelgericht für die Provinz Starkenburg ist. In dieser Stellung hat er sich grofse Verdienste um die Rechtspflege erworben und viel zu dem Ansehen beigetragen, zu welchem sich der Gerichtshof seit der Zeit, wo er Vorstand desselben wurde, erhoben hatte. Ref. welcher seit vielen Jahren öffentlicher Anwalt an diesem Gerichtshofe ist, kann dieses aus naher Anschauung bezeugen. Während des thätigen Geschäftslebens dieses Mannes, der auch bis zu seiner Pragmatisirung Mitglied des Staatsraths war, und so auch am Gesetzgebungswesen Theil nahm, war es ihm wohl nicht vergönnt, seinen Verdiensten als Praktiker das Verdienst literärischer Thätigkeit zuzufügen, obwohl nichts wünschenswerther ist, als wenn ein hochgestellter Praktiker aus der Mitte seines Wirkungskreises auch nach dieser Seite hin thätig ist. Die erste Mufse, die ihm seine Entlassung aus dem Staatsdienst gewährte, benutzte er zur Herausgabe seiner interessanten Schrift:,,Beitrag zur Beantwortung der Frage: Was ist Justiz- und was Administrativ- Sache? Darmstadt 1835. Ein zweites Erzeugnifs seiner Feder sind diese ,,Bemerkungen" die er, indem er sie zugleich als blofse,,Rhapsodien" bezeichnet, unter Andern mit Folgendem beantwortet hat:,, In meiner langjährigen und vielseitigen Geschäftsbahn bin ich veranlafst worden, über Vieles selbständig ernstliche Betrachtungen anzustellen und das Resultat derselben an der Erfahrung zu prüfen und zu berichtigen. Dazu kam, dafs ich in einer vielbewegten Zeit als öffentlicher Beamte, in Thätigkeit war und zum Theil auch zufällig in besondere Verhältnisse kam, die es mit sich brachten, dafs ich Kenntnifs von manchen Dingen erhielt und Manches erfuhr, wovon man im gewöhnlichen Geschäftsleben nicht immer etwas gewahr wird. Nähere Bekaunten haben mich daher auch verschiedentlich aufgefordert, Memorien zu schreiben und es möchte vielleicht der Fall seyn, dafs ich Eiuiges mitzutheilen hätte, welches nicht blos für die Geschichte der Staatsverwaltung meines Vaterlandes und der benachbarten Staaten, sondern auch in allgemeinerer Rücksicht von Interesse wäre. Dafs ich einige Bemerkungen über den Stand der Gesetzgebung und Jurisprudenz jetzt dem Publikum übergebe, ist, aufser cinem speciellen Motive, dadurch veranlasst, dafs ich hoffe und wünsche, dadurch im Allgemeinen einigen Nutzen zu stiften und meine Erfahrungen nicht blos für mich, sondern auch für andere gemacht zu haben. Stimmen die Resultate meiner Erfahrungen und Reflexionen mit Theorie und Erfahrung Andrer überein, so ist eine Bestätigung mehr für das, was Andere für richtig und Von S. 41-36 (Bem. 11-14) fafst der Vf. die zweckmälsig gehalten haben. Geben diese Bemer-,,Jurisprudenz" ins Auge, indem er besonders das kungen vielleicht Veranlassung, dafs jüngere und rü- Thema erörtert und lehrt: Dafs die theoretischen stigere Männer dadurch angeregt werden, dieselben und praktischen Rechtsgelehrten ernstlich und gezu prüfen, zu berichtigen und darauf fortzubauen, wissenhaft dabin arbeiten und sich bemühen solc,

Die Zahl der ,,Bemerkungen" beträgt 21. Von Seite I-40 (Bemerk. 1-10) findet der Leser Betrachtungen über den Zustand der deutschen CivilRechtsgesetzgebung und die vielfachen Uebel, welche dieser unvollkommene Zustand im Gefolge hat, vermischt mit Wünschen und Vorschlägen zu deren Entfernung durch eine allgemeine gleichförmige Gesetzgebung. Die Expectorationen des Vf's zeugen vom warmen Eifer für einen bessern Rechtszustand, sind aber nur pia desideria. Dieser Abschnitt der Schrift erinnert zunächst an die Schrift: Aphorismen über bürgerliche Gesetzgebung und Rechtspflege. Aus den Papieren des Vfs. von Welt und Zeit. Stuttgart 1816. Während in dieser Schrift ein scharfsichtiger und geistreicher öffentlicher Sachwalter (Advokat R. Jassoy in Frankfurt) aus gereifter Erfahrung eines bewegten Geschäftslebens Beobachtung hingiebt, finden wir in diesen ,,Bemerkungen" nahe verwandte Betrachtungen eines Mannes von reifem Alter, der vom Richterstuhl aus die, Mängel der bestehenden Gesetzgebung ganz kennen zu lernen Veranlassung hatte. Schon die Gesetzgebung, welche in der Provinz herrscht, die denSprengel des von ihm früher präsidirten Gerichtshofes bildet, läfst es an Stoff zu den mannigfaltigsten Betrachtungen nicht fehlen. In einem Dorfe dieser Provinz Starkenburg (Grofszimmern) gelten, wie er auch S. 14 bemerkt, verschiedene Statutarrechte nach den verschiedenen Strasen und man erzählt sich wunderliche Dinge von dem Hause, welches das Schicksal zu den zwei, solche Strasen verbindenden Eckhause bestimmte und zwei verschiedenen Landrechten unterwarf, so, dafs, wie die Sage geht, sich einmal ein heftiger Rechtsstreit über die Frage erhob, in welchem Theile der Eckstube das Bette des sterbenden Testators gestanden, und welchem Theile besonders der Kopf desselben als Quelle des letzten Willens, angehört habe, da man annahm, in dem einen Theile dieses Zimmers herrsche das eine Statutarrecht wonach das Testament zu Recht bestand, während in dem andern das andere Landrecht gelte, wonach der letzte Wille ungültig erschien.

Unwillkürlich wird man an die Zwil lingsbrüder Jean Pauls erinnert die Unterthanen zweier Landesherren wurden, weil die Grenze mitten durch die Wochenstube sich hinzog und die gemeinschaftliche Wiege der Neugebornen gerade darüber stand.

In einem andern Dorf, Brensbach im Odenwald, wechseln, wie der Vf. gleichfalls bemerkt, die Landrechte nach den Häusern, indem in dem einen Hause das Statutarrecht der Obergrafschaft Katzenelnbogen, in dem anderen das Erbachische Landrecht zur Anwendung kommt.

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