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ALLGEMEINE LITERATUR - ZEITUNG

Januar 1838.

Kritische Uebersicht

der

plautinischen Literatur in den letztverflossenen Jahren.

(Fortsetzung von Nr. 14.)

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könnte bei dem gröfseren Theile des philologischen Publicums das Vorurtheil eher gegen als für sie zu bestimmen geeignet seyn, in sofern sich darin eine solche Vernachlässigung der metrischen Abtheilungen und eine solche Verunstaltung vieler Worte zeigt, dafs man oft nicht weifs, ob man umbrisch oder lateinisch, geschweige denn ob man Prosa oder Verse vor sich hat, und jeder, dem es blofs um die Sache und den Sinn zu thun ist, das Stück lieber in der ersten besten noch so ungenauen Ausgabe als in dieser urkundlich treuen Copie lesen wird; auch der vetus, obschon im Ganzen, wie es scheint, correcter, bietet doch eine Menge offenbar verdorbener Lesarten dar, und in sofern hat Hr. Weise ganz Recht, dafs wer nun weiter nichts thun wollte als diese Lesarten an die Stelle unseres Vulgattextes setzen, uns gerade wie es Invernizzi beim Aristophanes durch die ungeschickte Benutzung der Ravennatischen Handschrift gethan hat, mehr zurückwerfen als fördern würde; so wenig aber darum Bekker sich hat abhalten lassen, bei seiner neuen Recension diesen nämlichen Cod. Ravennus zu Grunde zu legen, so wenig wird die Glaubwürdigkeit der Palatt. an sich durch jene Fehler erschüttert, die vielmehr gerade für die Abwesenheit jeder nachbessernden Willkür zeugen, und in sofern es sich, wie auch von der philologischen Gediegenheit beider Herausgeber nicht anders zu erwarten war, zuvörderst nur um einen äufserlich festen Ausgangspunkt bandelte, an den sie, wie ältere an den s. g. Vulgattext, ihre kritische Thätigkeit anknüpfen wollten, so können wir gleichwohl ibre Wahl nicht tadeln, deren Gesichtspunkte auch schon Schneider in dem Vorworte

veritas

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zum Truculentus so angedeutet hat: Valde corruptus hodie circumferri Plauti fabulas inter omnes constat, sed vis corruptelae plerosque fugit, qui dum aptam haud raro ad sensum et ad metrum scripturam in aliquo codice manu exarato vel in libro aliquo typis impresso vetustioribus repertam pro vera amplectuntur, eo longius eam interdum, quo aptior sit, a vera distare non intelligunt, fontis ignoratione, ad quem omnis referenda est et exigenda Plautinae lectionis iam vero eum ipsum quum temporis tum hominum injuria multis modis corrupit, ex quo fit, ut in plurimis locis conjectura niti coactus certi invenias nihil tamen qui accuratissimam fontis quamvis corrupti notitiam habeat, cum ad conjiciendi facultatem maxime juvari, immo unum sapere posse, reliquos umbrarum instar vagari necesse est. Denn dafs die beiden Palatt.,,die einzigen von der nicht interpolirten Familie sind, welche von Anfang bis Ende verglichen sind und dadurch erst den Maafsstab zur Beurtheilung der übrigen abgeben," hat Hr. Ritschl in der angeführten Abhandlung im Rh. Museum mit einer seltenen Umsicht und Belesenheit in der älteren plautinischen Literatur aufs überzeugendste dargethan, und wenn er gleich zugiebt, dafs namentlich die von Lipsius in den Lectionibus antiquis angeführten Codd. Vaticani optimi jene beiden noch an Güte zu übertreffen scheinen, so sind diese doch bis jetzt weder so vollständig verglichen noch überhaupt so zugänglich, dafs sie einem deutschen Herausgeber als Basis dienen könnten, und verrathen dabei auf der andern Seite, wo es nicht auf blofse Schreibfehler ankommt, so viele Spuren der Verwandtschaft mit den Palatt. selbst (vgl. Niebuhr's kl. Schr. S. 163), dafs ihre Güte auch diesen nur zur Empfehlung gereicht, während die jüngeren Handschriften in den wesentlichsten Stücken von ih nen abweichen; dafs diese Abweichungen aber nicht etwa auf älteren uns unbekannten Handschriften, sondern auf wirklicher Interpolation beruhen, beweist er schon aus der Vorrede des ersten Herausgebers Merula, der selbst die simplices et intactas a censoribus, quamquam mendosas den literatorum negligenti arrogantia depravatis entgegensetzt, ja er

glaubt sogar den Urheber dieser neuitalischen Recension in dem berühmten Zeitgenossen Alfons I. von Neapel, Antonius Panormitanus zu entdecken, dessen Name sich auch nach einer nachträglichen Notiz in derselben Zeitschrift B. V, S. 153 gerade in der Wiener Handschrift findet, die er bereits vorher aus inneren Gründen als einen Hauptrepräsentanten der interpolirten Familie bezeichnet hatte, und so dürfen wir es denn jedenfalls als gewils annehmen, dafs unter allen dermalen bekannten Handschriften die beiden Pfälzer nicht nur durch ihr Alter, das bis ins 11te oder 12te Jahrhundert hinaufreicht, sondern auch durch ihre Reinheit von willkürlichen Correcturen und Interpolationen allein zur Grundlage eines rationellen und urkundlichen kritischen Verfahrens geeignet sind. Der Verbesserung sind freilich auch sie nach ihrer oben angedeuteten Beschaffenheit noch in hohem Grade bedürftig und es bedarf nur eines Blicks in die von Majo 1815 publicirten Proben des berühmten Mailänder Palimpsestes, um sich zu überzeugen, wie bisweilen selbst die kühnste Conjectur noch hinter demjenigen zurückbleibt, was das classische Alterthum gelesen haben mag; wer aber deshalb behaupten wollte, dafs es räthlicher sey, sich an jene bereits durchcorrigirten Exemplare des 15ten und 16ten Jahrh. zu halten, als dieselben ab integro roben Stoffe selbst zu versuchen, der würde dadurch nur seine gänzliche Unbekanntschaft mit den Fortschritten verrathen, die auch die Conjecturalkritik seit jenen Jahrhunderten gemacht hat, und einen Rechtsunterschied zwischen jenen Zeiten und den unsrigen aufstellen, den wir um so weniger anerkennen können, jemehr sich seitdem unsere Quellen und Hülfsmittel erweitert haben; nur in sofern sich nachweisen läfst, dafs eine oder die audere ältere Ausgabe Handschriften benutzt hätte, die gleich den Palatt. zu der nicht interpolirten Familie gehörten und dabei doch feblerfreier als jene gewesen wären, treten auch diese in die Reihe der echten Quellen ein, und dafs dieses bei der Editio princeps des Merula, deren Lesarten uns jetzt durch die sorgfältige Collation von C. E. Chr. Schneider in dem Breslauer Geburtstagsprogramm von 1825 allgemein zugänglich sind, wirklich theilweise der Fall ist, hat Hr. Ritschl in der angef. Abb. S. 182 ff. gleichfalls anerkannt: doch beschränkt er es auf die sieben letzten Stücke und vermuthet aufserdem, dafs Merula in verzweifelten Stellen gleichwohl seine Zuflucht wieder zu der interpolirten Recension genommen habe, so dafs er auch in dieser Hinsicht sich zuletzt wieder auf die Palatt. als durchgehendes Fundament zurückgewiesen sah, um darauf nunmehr mittelst eigener oder fremder Conjectur das eigentliche Gebäude seiner kritischen Ausgabe zu errichten. Der einzige VorDer einzige Vorwurf, der unter diesem Gesichtspunkte Hn. R. und seinen Mitarbeiter an dieser Aufgabe Hn. Jacob treffen könnte, wäre der, die fremden Conjecturen ihrer Vorgänger zu sehr neben ihren eigenen vernachlässigt oder zu sclavisch an der handschriftli

chen Lesart der Palatt. festgehalten zu haben, obschon sie diese selbst mannichfacher Verbesserungen für bedürftig erklärten, und darauf lassen sich auch alle Ausstellungen des Hn. W. zurückführen wenn er z. B. bemerkt, dafs hier und da die Ausgaben oder der Cod. Lipsiensis u. s. w. doch besser als die Palatt. läsen, was nach dem oben entwickelten keine andere Bedeutung haben kann, als dafs hier eine fehlerhafte Stelle der Handschr. schon im 15ten oder 16ten Jahrh, auf eine Art verbessert worden sey, die auch von den neuesten Herausgebern angenommen zu werden verdient habe; doch sind diese hier wenigstens in sofern zu entschuldigen, als jene Verbesserungen der älteren Gelehrten erstens notorisch nicht immer mit derjenigen Besonnenheit und Berücksichtigung der urkundlichen Grundlagen vorgenommen worden sind, die unsere heutigen kritischen Principien verlangen, und zweitens sehr viele derselben, wie namentlich die in den Ausgaben des Pylades Brixianus, Simon Carpentarius u. s. w., die Hr. Ritschl in der angeführten Abhandlung aufs Genaueste charakterisirt hat, gar nicht einmal mehr auf dem echten Grunde beruben, sondern selbst wieder nur auf interpolirte und durchcorrigirte Texte gepfropft sind, so dafs es als ein baarer Zufall zu betrachten ist, wenn sie hier und da gleichwohl das Rechte getroffen haben, und wenn auch dem Herausgeber des Epidicus wirklich bisweilen mit Recht der Vorwurf allzugrofser und unnöthiger Eigenmächtigkeit - wenigstens im Verhältnifs zu der von ihm prätendirten Urkundlichkeit gemacht werden kann, so hat sich der Herausgeber der Bacchides nach dem eigenen Ausdrucke seines Gegners (S. 67),, auf alle mögliche Art versobanzt, dal's man ihm nicht in den Topf sehen soll, um zu untersuchen, was man wohl von ihm hinsichtlich der verschiedenen Kübnheiten, Conjecturen und Geschmacksachen zu hoffen haben dürfte, deren sich ein eigentlicher Herausgeber des Plautus doch nun ein für alle Mal nicht entschlagen kann." Während es nämlich Hn. Jacob bereits auf eine justa editio abgesehn ist, worin er den palatinischen Text nach seinen, Bothe's, und anderer Vorgänger Conjecturen emendirt und metrisch constituirt hat, in den Noten aber aufser der Angabe der handschriftlichen Lesart der Palatt., der Quelle seiner Emendationen, und des Metrums, nur hier und da eine gröfsere kritische oder exegetische Bemerkung giebt, soll Hn. Ritschl's Ausgabe nur eine Vorarbeit seyn, wo der Text blofs mit Berichtigung offenbarer Schreibfehler und Sinnentstellungen wortgetreu nach den Palatt. abgedruckt, in den Noten aber die vollständige Lect. varietas aller Ausgaben und Handschriften gegeben ist, die bei der Kritik des Plautus in Betracht kommen, und der eigentlichen Conjecturalkritik folglich kein gröfserer Spielraum als der eines beiläufigen Vorschlags in den Noten bleibt; erst in einer kleineren zum Schul- und Handgebrauche bestimmten Ausgabe, die in demselben Verlage unter folgenden Titel erschienen ist:

6) M. Atti Plauti Bacchides; ad codd. Palatt. fidem cum numerorum notatione edidit Fridericus Ritschelius, Hal, Sax. 1835. IV u. 96 S. 8. hat er um der äussern Formrichtigkeit willen, die auch nach unserer obigen Bemerkung zu pädagogischen Zwecken allerdings unerlässlich ist, den Text soweit selbständig zu constituiren sich erlaubt, als es nöthig war, um eine durchgebende rhythmische Versbezeichnung zu bewerkstelligen., und mit dieser müsste sich daher zunächst auch unsere Kritik beschäftigen, wenn es überbaupt der Zweck dieses Ueberblicks seyn könnte, dergestalt ins Einzelne einzugehen und statt einer Charakteristik eines bahnbrechenden Unternehmens eine mikroskopische Untersuchung der schon jetzt gewonnenen Resultate zu geben. Wie manches allerdings die Herausgeber beider Stücke überschn oder übereilt haben, wie sie mitunter ihren eigenen Grundsätzen untreu geworden, oder aber ihrer eigenen Meinung irrigerweise mehr als fremdem Beispiele oder Rathe gefolgt sind, haben sowohl Hr. Weise als auch noch mehr Hr. Lindermann in seiner Beurtheilung in den Neuen Jahrbb. für Philologie und Pädagogik B. XIX, S. 128 fgg. in vielen Punkten mit grofser Wahrheit dargethan, und wir könnten diese noch mit mancher Bemerkung vermebren, die allerdings den Beweis führen würden, dafs es von der Legung eines sichern und richtigen Fundaments bis zu der harmonischen Vollendung des Gebäudes noch ein weiter Weg bleibt, und wenigstens bei einem Pracht- Dome, wie es eine vollendete Ausgabe des Plautus seyn würde, der Baumeister, der den Grundstein setzt, schwerlich auch den Knopf auf den Thurm zu setzen berufen ist; damit aber ist auch dem erstern sein eigenthümliches Verdienst nicht abgesprochen, und wir dürfen uns von der Anerkennung desselben durch den Nachweis einzelner Schwächen in der Ausführung um so weniger abhalten lassen, als viele der gerigten Punkte von der Art sind, dafs wir in ihnen dem Kritiker oben so wenig wie dem Herausgeber beipflichten können. So hat z. B. Epidic. I. 1. 17 der Codex vetus nach Pareus ut illi respondi probe, der Vulgattext, den Hr. W. vertheidigt, ut illa respondeas probe; Bothe emendirt utilia responses, Hr. J. utile responde, Hr. L. ad illa responde; uns scheint der ganze Vers obne alle Personenabtheilung, die, wie Hr. L. bemerkt, erst von Camerarius eingeführt worden ist, dem Thesprio zu gehören, und so gelesen werden zu müssen :

Quid tibi vis dicám nisi quod est? Út tibi respondi, probe: so dafs Thesprio, ärgerlich über die Verdrehung, die sich Epidicus mit seiner Antwort varie erlaubt hat, derselben gleichsam erläuternd und zugleich abfertigend probe substituirt:,, wie hast du dich befunden?" Abwechselnd" So eine Abwechselung gefällt mir nicht" - Was soll ich dir anders antworten, als wie es sich verhält? wie gesagt, ganz gut," während die Aufforderung der Vulgatlesart sowohl als der Lindemannischen Conjectur für den

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leichten Conversationsstil dieser Begegnungsscene viel zu emphatisch und pathetisch ist. Auch stimmen die beiden Kritiker selbst wieder unter sich so

wenig überein, dass z. B. Hr. L. den Vers der Bacch. 1. 2, 45:

nihil moror discipulos mihi esse iam plénos sánguinis einen Nichtvers nennt und Hn. R. tadelt, dafs er ihn so in seine beiden Ausgaben aufgenommen habe, während Hr. W. meint, dafs kein Metriker daran Anstols nehmen dürfe und Hn. R. tadelt, dafs er auch nur an eine Aenderung im nihil moro gedacht habe, und so wenig wir auch hier wie in vielen andern Fällen Hn. R's Einfälle im Schutz nehmen wollen, so leuchtet doch so viel ein, dafs wir mit den Einzelheiten plautinischer Sprache und Metrik noch bei weitem nicht so sehr im Reinen sind, dafs eine Meinungsverschiedenheit oder auch ein wirklicher Verstols in dieser Hinsicht sofort Verdammungsurtheile, wie sie hier zu lesen sind, begründen könnte; am wenigsten aber durfte Hr. Weise solche Splitterrichterei üben, da er selbst in der Anfertigung einer Ausgabe des ganzen Dichters begriffen nicht nur den Schein einer gehässigen Eifersucht zu meiden, sondern auch zu gewärtigen hatte, dafs er mit demselben Maafsstabe, womit er gemessen hatte, wieder gemessen würde, und wirklich hat sein eigener Plautus, über dessen ersten Theil wir bereits berichten können:

7) M. Acci Plauti comoediae quae supersunt ; ad meliorum codicum fidem recensuit, versus ordinavit, difficiliora interpretatus est Carolus Herm. Weise. Tomus I, insunt Amphitruo, Asinaria, Aulularia, Bacchides, Capteivei, Casina, Cistellaria, Curculio, Epidicus, Menaechmi, Mercator. Quedlinburgi et Lipsiae, tyk pis ac sumtibus Godofr. Bassi. 1837. XXXI u. 446 S. 8.

gerade was die Behandlung einzelner Stellen betrifft, bereits von dem Veteranen dieser Literatur, Gottfr Hermann, in den Neuen Jahrbb. für Philologie B. XIX, S. 264 fgg. eine solche Kritik erfahren, dafs er auch in dieser Hinsicht wenigstens keinen Vorzug vor Ritschl in Anspruch nehmen kann, während er Vorarbeiten und die Sicherheit des Fundaments bewas die Methode überhaupt, die Gründlichkeit der trifft, nach dem oben bemerkten begreiflicherweise

weit hinter ihm zurücksteht. Wie er im Ganzen dabei verfahren ist, hat er selbst in der Vorrede mit so lobenswerther Offenheit dargelegt, dafs ein einfacher Auszug daraus zur Charakteristik des kritis. Werths dieser Ausgabe hinreichen wird. Zu Grunde hat er den Vulgattext von Gronov und Ernesti gelegt, über dessen Sicherheit und Urkundlichkeit es genügt auf die von Bonnell bekannt gemachten Collectaneen von Heinecke in der Allg. Schulzeitung 1829. Nr. 74 und auf Ritschl's angef. Abhandlung S. 562 zu verweisen; diesen hat er dann nach seinen Ansichten durchgehends metrisch constituirt, das Resultat dieser Arbeit darauf in Bothe's Text hineingetragen und

der Bemerkung:,,ich mufs dir auf deine Fragen Antwort geben," sagt Demänetus,,,ihr Gegenstand sey welcher er wolle"; und der ähnliche Fall ist v. 54, wo er gegen die Vulgatlesart, die in diesem Stücke auch den codex velus auf ihrer Seite hat, schreibt:

diesem Amalgama_noch schliefslich durch Vergleichung der frühern Editionen und Handschriften, die er mit der Sigla vett. d. h. veteres bezeichnet, die aber, wie oben erinnert, fast alle jungen Ursprungs und willkürlich interpolirt sind, die nöthige Glättung und Nachhilfe gegeben; je mehr aber demnach, wie er selber sagt, die Behandlung des Einzelnen ohne eigentlich objectiven und urkundlichen Grund blofs auf seinem subjectiven Geschmacke, metrischen Gefühle und sprachlichen Wissen beruhete, desto nöthiger ist es hier auch noch ein wenig in's Detail einzugehen und einige Scenen, die wir gerade auf schlagen, in dieser Rücksicht näher zu betrachten. Wählen wir z. B. die Asinaria, so finden wir hier gleich im Prolog v. 4 den Vers:

Face jam nunc tú praeco ómnem aúritúm poplum, den längst schon Linge de hiatu p. 59 fg. mit vollem Rechte so verbessert hat:

Face minc ïám tu praéco omnem aúritúm poplum, und zwar nicht blofs wegen des Hiatus in der hepbthemimerischen Cäsur, worüber noch gestritten werden kann (s. Becker de com. Rom. fabb. p. 106), sondern auch wegen der störenden Betonung, die in der Vulgatlesart auf ganz falsche Wörter fällt und die Hauptbegriffe toulos läfst; cbend. v. 10 beleidigt uns folgende Accentuation:

Dicam: huic nómen Graece Onágos fábulae,

die sich durch die Interpunctionspause nach dicam gewifs nicht entschuldigen läfst, während huic zweisilbig gelesen (wie hujic, vgl. Lindemann in den N. Jabrbb. XIX, S. 142) alle Schwierigkeit hebt, und eben so wenig können wir v. 15 die gewählte Vulgatlesart:

ut vós item alias páriter núnc Mars adjuvet mit den Foderungen der Sprache und des Geschmacks verträglich finden; warum nicht:

ut vós item álias pariter ac nunc Márs juvet, wodurch Mars an eine bekannte Stelle zu stehn kommt, der Segenswunsch mit einem Complimente verbunden wird, und die unverkennbare Härte und Mattigkeit des pariter nunc vermieden wird? Dagegen wundern wir uns billig, warum Hr. W. Act. I. Sc. 1. v. 8 nicht die Lesart der von ihm sonst so gepriesenen vett. nur mit geringer Veränderung angenommen hat:

per deûm fidém, quae quaėris júrató miki video necesse esse éloqui, quidquíd roges, statt aus eigener Willkür ein nam einzuschieben, dessen Elision durch das folgende mihi uns kaum glaublich dünkt, und das urkundliche quaeris in ein höchst müfsiges quae res zu verwandeln, wodurch noch obendrein ein sehr übellautender Alexandriner entsteht:

per detim fidém? quae rés? juráta nám mihi: denn dafs quae quaeris durch das folgende quidquid roges nicht überflüssig gemacht wird, bedarf kaum

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volo mei patris me similem, qui causá mea. weil das Pronomen in dieser Redensart bei den Alten gewöhnlich voranstehe (pronomen plerumque praeponitur antiquitus in hac locutione), als ob dies nicht zu allen Zeiten von dem Nachdrucke abgehangen hätte, der hier offenbar ganz auf patris liegt und gebieterisch volo me patris mei fodert; pater meus, wenn es einer solchen Nachweisung überhaupt bedarf, steht z. B. Epidic. V. 1, 36. Gleich nachher v. 64 u. 65 finden wir eine ganz verfehlte Interpunction:

Quamquam illum mater_arcte contenteque habet. Patres ut consueverunt, ego mitto omnia haec, und damit es nicht etwa Druckfehler scheine die Erklärung dazu: quae plerumque patres consuerunt in tali occasione facere... ea ego omnia omitto, obgleich der Sinn offenbar dieser ist:,, obschon seine Mutter ihn so streng hält, wie es sonst Väter zu thun pflegen, so verzichte ich doch ganz darauf"; oder wenn diefs vielmehr nur als Interpretationsfehler zu nehmen ist, worauf wir erst nachher kommen, begegnet uns v. 79 wieder ein ganz unrhythmischer Alexandriner, den Hr. W. so accentuirt:

60

Defridem te ego! Age, sis, tu sine pennis vola! während jedem Kenner plautinischer Metrik sein Gefühl sagen mufste was auch aus dem Accente der Rede selbst hervorgeht, dafs te nicht elidirt werden sondern einen Hiatus bilden und der ganze Vers so geschrieben werden mufs:

Defrúdem té ego! age sis sine pennis vola; ganz unnöthig ist dagegen der Hiatus v. 86 angebracht, wo Hr. W. aus den Worten:

venari autem rete jaculo medio in mari

mit Bothe und einigen jungen Handschriften rete herausgeworfen hat, Ref. aber seine zum Lucian de Hist. conser. aufgestellte Conjectur cete noch nicht zurücknimmt. Schwieriger ist die Entscheidung v. 94, wo die Vulgatlesart i, etiamne ambulas? selbst durch den vetus Cumerarii in soweit unterstützt wird, als dieser fiet ne ambula liest und damit dem ne ein urkundliches Gewicht giebt, ohne welches man am liebsten fiat, ambula lesen möchte; denn die Grobheit des Sclaven, die in der Vulg. liegt, ist hier ganz am unrechten Orte, da er im Folgenden auf einen nochmaligen Ruf des Herrn ganz prompt mit ecce antwortet; doch möchte hier vielleicht wieder ein rechtes Beispiel zu finden seyn, wie auch die Conjecturalkritik nicht sicherer fufsen kann, als wenn sie direct von der alten Pfälzerlesart ausgeht wie wenn fiet einsilbig zu sprechen und dann bene ambula zu lesen wäre?

(Die Fortsetzung folgt.)

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Januar 1838.

Kritische Uebersicht

der

plautinischen Literatur in den letztverflossenen Jahren.

(Fortsetzung von Nr. 15.)

In der zweiten Scene stofsen wir wieder V. 6 auf eine falsche Interpunction, die wir übrigens, da sie von Lambin herrührt, Hn. W. nicht zum Vorwurfe machen wollen, obschon er freilich selbst einsehen konnte, dafs nomina vestra ibi erunt capitis eine ganz unlateinische Konstruktion sey, während capitis vos perdam durch die Analogie von damnare u. dgl. hinlänglich gerechtfertigt wird; noch auffallender aber ist im letzten Verse derselben Scene die Umstellung: méo loquar modo quae solam, quoniam intus non licitum ést mihi, mit der Note:,,Vulg. meo modo loquar, sed metrum flagitat transpositionem," wo es uns gerade scheint, als ob Hn. W., der, wie wir oben sahen, an der Verkürzung von moror vor folgendem Consonanten keinen Anstofs nahm, auch in loquar dasselbe hätte zulässig dünken müssen, während wir die Verkürzung des o in modo wohl bei dem gleichlautenden Adverb, nicht aber bei dem Ablativ des Substantivs modus einräumen. Auch in der dritten Scene würden wir manches anders geschrieben haben; so V.22, wo Hr. W. liest und accentuirt

nám neque usquam fictum neque pictum, nec scriptum in poëmatis

gewifs concinner und wohllautender: nam neque fictum usquam neque pictum etc.; ferner V. 63, um die Hiatus zu vermeiden, mit angefügtem Schluss

worte:

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grediri, mori und moriri neben einander vorkommen, auch experior einmal nach der dritten flectiren und so lesen: Dignos indignos adire atque expert certumst mihi; doch haben wir uns schon zu lange mit diesen leichtern metrischen Formen aufgehalten, und wollen nunmehr auch einmal eine complicirtere Partie betrachten, wozu wir die erste Scene des zweiten Acts der Captivi wählen. Freilich hätten wir auch im ersten Acte dieses Stückes noch manches zu erinnern; um uns aber nicht zu sehr zu verweilen, wollen wir nur im Vorbeigehn der unerhörten Diärese coënam für coenam I. 2. 64 erwähnen, wo Lindemann schon ganz richtig geholfen hatte: vocátus és ad coénam, gerade wie Cas. IV. 1. 18 Camerarius Lesart incoenatum uns der Nothwendigkeit in coënam zu sprechen völlig überhebt, geschweige denn Aul. IV. 3. 3, wo Hr. W. blos meum zweisilbig zu lesen brauchte, um sich das dreisilbige coëpit zu ersparen, oder Cistell. IV. 2. 18, wo eine kleine Umstellung sed ut coepi pergam der Diäresis ein Ende macht jedenfalls reicht die genannte Scene schon allein hin, um zu zeigen, dafs durch Hrn. W. im Verhältnifs zu seinen Vorgängern wenig gewonnen und manches vielmehr wieder verdorben worden ist. Gleich V. 8, wo Lindemann liest:

Eiulatione haud opus est, óculis mulla misera cuditis die Vulgate aber multam miseriam additis darbietet, schreibt Hr. W. so:

indem er das Verbum adicitis (für adiicitis) zu dem gaben viel richtiger als Gemeinplatz einen jambifolgenden Verse zieht, der in den gewöhnlichen Ausschen Sinn für sich bildet:

Eiulatióne huud opus est; óculis múltam miseriae,

in rẻ mala animo si bono utare, ádiuvat; ja näher betrachtet hinkt sogar der Vers, indem die vier Kürzen adicitis mit dem folgenden in noch keine Dipodie bilden, und was die Redensart multam (i. e. poenam) miseriae oculis adiicere anbelangt, so können wir weder das Bild geschmackvoll noch den AusQ

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