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Franz I.

v. Frankreich

Heinrich

VIII. von

1509-47.

Die bedeutendsten gleichzeitigen Regenten waren Franz I. von Frankreic 1515-47. und Heinrich VIII. von England, zwei einander ähnliche Fürsten, die ihre ritterlichen Wesen nach dem scheidenden Mittelalter angehörten, während ihr England Liebe für Kunst und Wissenschaft, ihre weichliche Genußsucht und ihre Despoti sie an die Spitze der neuen, unter Italiens Einflüssen entstandenen Zeit stellten Franz und Heinrich bildeten in vielen Dingen einen Gegensaß zu Karl; sie ware eben so leichtsinnig, unbesonnen und rasch, wie dieser klug, umsichtig und be dächtig; der Wollust und der Frauenliebe waren alle drei ergeben, während abe die beiden ersteren sich in den wichtigsten Angelegenheiten von weiblichem Ein fluffe leiten ließen, Franz zu dem verfeinerten Hofstaate und zu dem forta zum Nachtheile des Landes herrschend gebliebenen Mätressen - Regiment de Grund legte und Heinrich sich durch seine Leidenschaft für Anna Boleyn zu Trennung der englischen Kirche von Rom fortreißen ließ, folgte Karl den Rathschlägen kluger Staatsmänner, besonders des gebildeten, klugen und umsichtigen Cardinals Granvella und seinem eigenen hohen Verstand, und bediente sich weiblicher Einwirkung nur da, wo er dadurch schneller zum Ziele kam. Für die Freiheit der Völker war es ein großes Glück, daß diese drei Fürsten, vor deren despotischem Sinn und gewaltigem Herrscherwillen weder Volks- noch Menschenrechte Geltung fanden, durch Verschiedenheit der Interessen von einer Vereinigung abgehalten, ja zu gegenseitiger Bekämpfung bestimmt wurden.

Zwischen Franz und Karl bestand eine unvertilgbare, durch die Gleichheit ihrer Bestrebungen erzeugte Eifersucht. Im stolzen Gefühl ihrer Größe und gestachelt von Ehrgeiz und Ruhmsucht, wollten beide die ersten Fürsten Europa's sein und bewarben sich daher eifrig um die deutsche Kaiserkrone, die diesen Vorzug allein verleihen konnte. Karl siegte, und seitdem suchte Franz die Macht desselben zu schwächen, indem er stets auf die Seite der Feinde trat und sie gegen den Kaiser unterstüßte. Zu diesen Feinden gehörte in erster Linie Heinrich von Albret, der Sohn jenes Königs Jean, dem Ferdinand der Katholische OberNavarra entrissen und mit Castilien vereinigt hatte (IX, 846 f.); Heinrich, mit Franzens Schwester Margaretha vermählt, bejaß nur Nieder-Navarra sammt dem Ländchen Béarn im Norden der Pyrenäen; mit Hülfe seines Schwagers wollte er nun wieder zum Besiß des ganzen Königreichs gelangen; dahin gehörten ferner die niederländischen Dynasten Karl von Egmont, welcher Geldern gegen die Vergrößerungssucht Burgunds vertheidigte, Robert von der Mark, der, um eine Verlegung seiner Gerichtsbarkeit durch den Kanzler von Brabant zu rächen, im Luxemburgischen zu Gewaltthätigkeiten schritt, und Wilhelm von Cleve, der über den Besiß von Geldern mit dem Kaiser in Streit lag; endlich die protestantischen Fürsten Deutschlands. Ja selbst mit den Türken verband sich der „allerchristlichste" König gegen seinen verhaßten Nebenbuhler, der ihm überall den Rang ablief, und bei den aufständischen Communen in Castilien glaubte der Habsburger die Hände des französischen Monarchen zu entdecken. Bei dieser Stimmung

mußte das von den Franzosen beseßte, aber von dem Kaiser als deutsches Reichslehen angesprochene Herzogthum Mailand (IX, 879 ff.), so wie Karls Betreben, das von Ludwig XI. seinem elterlichen Hause entrissene Burgund VIII, 866 ff.) wieder zu erwerben, bald Kriege herbeiführen. Wäre Heinrich VIII. ein staatskluger Fürst gewesen, so hätte er aus diesen Umständen leicht Fortheil ziehen können; da er aber nur seinen Launen folgte und sich ohne politische Beweggründe bald auf die eine, bald auf die andere Seite neigte, so hatte er auf die Gestaltung der Dinge wenig Einfluß. Durch seine Ehescheidung von Katharina von Aragonien zerfiel er mit dem Kaiser, ihrem Neffen, und schloß sich daher seit dieser Zeit enger an Franz an.

Reich.

Während in der pyrenäischen Halbinsel, in Frankreich, in England nach Das deutsche vielen inneren Kämpfen die monarchische Staatsform über die feudalen Gewalten den Sieg erlangte und die Königsmacht mehr und mehr die ständischen Beschränkungen niederwarf; haben im deutschen Reiche die großen Reformbewegungen, die wir im vorigen Bande dargestellt, die öffentliche Autorität nur wenig zu stärken, selbst den Landfrieden nicht fest zu begründen vermocht. Die gesammte Reichsregierung war an die Zustimmung der auf den Reichstagen vereinigten Fürsten und Stände gebunden, die in den meisten Fällen mehr ihre Sonderinteressen als das Gesammtwohl im Auge hatten und mit Eifersucht jede Mehrung der Kaisermacht zu verhindern strebten, und der Landfriede wurde noch häufig genug durch Thaten gewaffneter Selbsthilfe durchbrochen. Nicht nur, daß um die Zeit der neuen Kaiserwahl der Norden durch die Hildesheimer Stiftsfehde, der Süden durch die kriegerischen Vorgänge in Würtemberg beunruhigt ward, die Reichsritterschaft am Rheine und in Franken übte das Faustrecht nach wie vor; in Niedersachsen lag der Herzog von Lauenburg mit dem Bischof von Bremen in blutigem Kampf und die Schild, erhebung Sickingens war das Vorspiel des Bauernkriegs. Dagegen gewannen die landesherrlichen Gewalten der Territorialfürsten immer größere Bedeutung; fie bildeten eine Mittelstufe zwischen der kaiserlichen Reichsregierung und dem vielgegliederten deutschen Volke. Die Idee von Kaiser und Reich dauerte noch unerschüttert fort; aber je mehr das Habsburgische Haus über seinen weltbeherrschenden Plänen und unermeßlichen Besitzungen den deutschen Angelegenheiten entzogen ward, desto mehr überwucherten die Landesherren das kaiserliche Regiment, so daß sie fast zu selbständiger Macht emporstiegen, die inneren Anliegen ihrer Staaten mit ihren Räthen und Landständen ordneten (IX, 117 ff.) und jede Einmischung von Oben, wie jedes eigenmächtige Vorgehen des Lehnadels und der untergeordneteren Elemente niederzuhalten bemüht waren. Da und dort suchten die landesherrlichen Dynastien durch Hausgeseße oder Erbeinigungen der allzugroßen Länderzersplitterung entgegenzuwirken (IX, 121); kleinere Fürsten, Prälaten und städtische Gemeinwesen stärkten sich zeitweise durch Ver

träge zu gegenseitiger Unterstüßung und zu gemeinsamem Vorgehen in gemeinsamen Interessen.

Der Wir haben oben der Entstehung des großen schwäbischen Bundes ge= schwäbische Bund. dacht, der die Aufrichtung des ewigen Landfriedens unter Maximilian vorbe reitete (IX, 177 ff.). Von Zeit zu Zeit verlängert und durch neue Mitglieder verstärkt, bildete er ein staatliches Ganze mit eigener Bundesverfassung und Bundesrath, eigenem Gerichtswesen, eigener Heerorganisation unter einem obersten Feldhauptmann, eigenen Vollziehungsgewalten. Mittelpunkt und Siß seiner politischen und gerichtlichen Thätigkeit war Augsburg. Wenn auch vielfach ge= spalten und durch Sonderzwecke gelähmt und abgelenkt, hat der Bund doch in mehreren wichtigen Angelegenheiten entscheidend eingegriffen und das schwache Reichsregiment unterstüßt oder erseßt. Anfangs begünstigt von den Habsburgern, die als Grafen von Tirol zu den Mitgliedern gehörten, und für die österreichische Politik benußt, wurde derselbe nach der Besißnahme des Herzogthums Würtemberg durch Desterreich mehr im Sinne Baierns gelenkt, als Herzog Wilhelm von München die Feldhauptmannschaft führte und der gewandte bairische Staatsmann Leonhard von Eck das Amt eines Bundeskanzlers verwaltete. Unter den deutschen Fürstenhäusern nahmen nach den Habsburgern die Wettiner in Sachsen, die Wittelsbacher in der Rheinpfalz und in Baiern, die Hohenzollern in den beiden Brandenburg die erste Stelle ein. Viele Visthümer waren zugleich von Gliedern dieser Häuser beseßt. Wir haben die Geschichte dieser Territorialgeschlechter bis zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts im Sachfen. neunten Bande dieses Werkes kennen gelernt (S. 117–146). Als Kaiser Maximilian aus dem Leben schied, regierte Friedrich der Weise, das Haupt der Ernestinischen Linie, in dem Theil von Sachsen-Thüringen, auf welchem die Kurwürde ruhte, indeß sein Verwandter Georg von der Albertinischen Linie den Meißnischen Theil als Herzogthum Sachsen beherrschte (IX, 146). Jener hatte seinen Siß in Wittenberg, wo die welterschütternde religiöse Bewegung ihren Ausgang nahm; und sowohl in ihm und seinem Bruder Johannes, der in Liebe und Herzensgemeinschaft ihm zur Seite stand und dann sein Nachfolger ward, als in dem Sohne des leßteren Johann Friedrich hatte Luther standhafte Beschüßer und die Kirchenreformation eifrige Anhänger und Förderer, indeß Herzog Georg in Dresden sein ganzes Leben lang ein Verfechter der römisch-katholischen Pfalz u. Religionsform blieb. In dem Wittelsbacher Regentenhaus entstand mit der Baiern. Zeit eine ähnliche confessionelle Spaltung, welche die in diesem Fürstengeschlecht

seit alten Tagen herrschende Feindseligkeit und Zwietracht von Neuem anfachen sollte. Ludwig V. von der Pfalz, welcher während der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts im Schlosse zu Heidelberg kräftig und verständig regierte, hielt sich mit kluger Mäßigung von jeder entschiedenen Parteistellung fern, bewirkte aber durch diese Haltung, daß der Boden zur Aufnahme der neuen Lehre bestellt werden konnte, die dann unter seinen Nachfolgern mächtig aufblühte;

dagegen nahmen die beiden baierischen Herzoge, sowohl Wilhelm von München als sein Bruder Ludwig von Landshut, welche der Papst durch Verleihung von Hoheitsrechten über die Geistlichkeit und von Einkünften über die kirchlichen Intitute ihres Landes zu gewinnen wußte, ihre Stellung auf der römisch-papistischen Seite, so daß sie in Verbindung mit dem dritten Bruder Ernst, welcher den Bischofsiz von Passau im Laufe der Zeit mit dem erzbischöflichen Stuhle von Salzburg vertauschte, der Verbreitung der Reformation am schärfsten sich entgegenstellten, an Eifer nicht selten das Habsburgische Brüderpaar übertreffend. Es gab eine Zeit, da die Wittelsbacher sogar der Hoffnung lebten, mit Hülfe der Papisten und Malcontenten die deutsche Kaiserkrone für sich zu erlangen. Die baierische Universität Ingolstadt war eine der thätigsten Pflanzstätten des alten Glaubens. Das allmähliche Wachsen des Hauses Hohenzollern haben wir im Brandens neunten Band dargestellt (S. 21-26). Zu der neuen Lehre nahmen die einzelnen burg. Glieder des Hauses verschiedene Stellung. Denn während Kurfürst Joachim I. bis an seinen Tod zu der römisch-katholischen Kirche hielt, sein Bruder Erzbischof Albrecht von Mainz den Hauptanstoß zu dem folgenschweren Ablaßstreit gab; zeigte die jüngere fränkische Linie des Hauses frühzeitig eine Hinneigung zu der neuen Lehre. Schon Casimir, der älteste der drei Söhne des Markgrafen Friedrich, Nachfolgers von Albrecht Achilles (S. 25), war der reformatorischen Bestrebung nicht abgeneigt, wenn gleich Politik und Krieg ihm näher lagen als die geistigen Interessen und sein früher Tod in Ofen auf einem Feldzug gegen die Türken (1524) eine entschiedene Kundgebung seiner Ansichten abschnitt; dagegen trat sein zweiter Bruder und Nachfolger Georg, welcher Anfangs die Herrschaft Jägerndorf in Schlesien inne hatte, offen auf die Seite der Protestanten, und der dritte Sohn Albrecht führte den Ordensstaat Preußen, zu dessen Großmeister er gewählt worden, der Reformation zu und wurde der erste weltliche Herzog (IX, 66). Unter den kleineren deutschen Fürstenthümern haben nur Braunschweig. Bürtemberg durch die Vertreibung und Wiederherstellung des Herzogs Ulrich, und Braunschweig auf den Gang der deutschen Angelegenheiten einen vorübergehenden Einfluß geübt: Wir haben oben (IX, 138 ff.) gesehen, daß das Haus der Welfen in verschiedene Linien getheilt war, die weit entfernt von einem einträchtigen Zusammengehen und gemeinsamer Hauspolitik, vielfach unter einander in Hader lagen und nach verschiedenen Richtungen steuerten. Neben den Hauptlinien Braunschweig-Lüneburg und Braunschweig - Wolfenbüttel, von welcher lehteren wieder Kalenberg mit Göttingen als besonderes Landesgebiet abgezweigt war, bestand auch noch in Grubenhagen eine welfische Herrschaft, und mehrere norddeutsche Bisthümer (Paderborn, Osnabrück, Münster, Minden, Bremen, Berden), waren in den Händen von Geschlechtsgenossen. Die Reformation mehrte noch die Spaltung. Denn während in Kalenberg durch Erich I., in Grubenhagen durch die Herzöge Philipp und Ernst, in Lüneburg durch Heinrichs des Mittleren Sohn Ernst den Bekenner die evangelische Lehre allmählich zur Herrschaft gelangte,

Die luthe rische Kirche.

nachdem sie gleich zu Anfang in der mit großen Rechten und Freiheiten ausgestatteten Hauptstadt Braunschweig unter der Leitung von Bugenhagen aus Pommern Eingang gefunden; blieb Heinrich II. von Wolfenbüttel einer der schärfsten Widersacher der Reformation. Erst unter seinem Sohne Julius wurde auch in diesem Theil des Braunschweiger Landes die neue Kirchenform eingeführt.

2. Zug der Reformation durch Europa.

Von der sächsischen Universität Wittenberg ging von kleinen Anfängen die geistige Bewegung aus, die dem Bau der mittelalterlichen Hierarchie den gewaltigsten Stoß versezte. Von Sachsen und Hessen, die zuerst die neue Kirchenform einführten, verbreitete sich die lutherische Reformation, unter mancherlei Kämpfen, allmählich über die benachbarten Länder, gelangte im nördlichen Deutschland zur Herrschaft, machte in Franken und Schwaben, am Rhein und an der Donau siegreiche Fortschritte und brach sich von Straßburg aus Bahn nach dem Elsaß und nach Lothringen. Die vielen blühenden Reichsstädte mit ihrem gebildeten Bürgerstand waren der Hauptsiß der evangelischen Lehre.

Frühe drangen Luthers Grundsäße an die Weichsel, wo der Großmeister 1525. des Deutschordens (IX, 66), Albrecht von Brandenburg, gedrängt von den Polen und dem streitbaren Bürgerstand von Danzig und Elbing und verlassen von Kaiser und Reich, der evangelischen Kirche beitrat, Preußen in ein Erbherzogthum verwandelte und die Oberlehnsherrlichkeit der polnischen Krone anerkannte. Dasselbe geschah einige Jahrzehnte später in Kurland und Livland von dem Heermeister der Schwertritter. Die beiden, durch freiwilligen Austritt der Mitglieder fast verödeten Orden, bei denen die Kriegslust, der Religionseifer und die Mitterehre, die sie früher zu Großthaten begeistert, längst verschwunden waren, wurden aufgelöst, ihre Güter säcularisirt und die noch übrigen Ordensglieder der Welt zurückgegeben. Ohne diese Veränderung wären jene bedrängten und hülflosen Staaten wahrscheinlich eine Beute der slavischen Nachbarvölker geworden und ihrer Nationalität verlustig gegangen. Die kirchliche Umgestaltung hatte also hier die Erhaltung des germanischen Wesens 1627. zur Folge. Auch über die Ostsee drang Luthers Lehre. In Schweden änderte Gustav Wasa die bisherige Staatsverfassung und Kirche; er schuf ein unabhängiges Erbkönigreich, führte die Augsburgische Confession ein und verlieh dem neugegründeten Thron einen Theil der kirchlichen Einkünfte. In Dänemark, Norwegen und Island war der Sieg des evangelischen Glaubens an den Ausgang des Thronstreits geknüpft, durch den der lutherische König Chri1536. stian III. zur Herrschaft gelangte. In Böhmen wachte der alte Husfitengeist wieder auf und erleichterte dem Evangelium den Eingang; aber weder hier noch in Ungarn und Siebenbürgen errang die neue Lehre einen vollständigen Sieg, weil das Habsburger Regentenhaus in allen seinen Staaten die alte Kirche begünstigte. Doch erwarben sich die zahlreichen Bekenner der luthe

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