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Auffah über die reine Liebe gelesen hat? Ja, die Mystiker reden von Liebe, als Liebe, weil sie von Vereinigung mit Gott und Christus, mit Gott durch Christus reden, weil dies das hohe Ziel ist, das sie zu erreichen suchen, und worauf sie Andere weisen. Nichts ist also natürlicher, als daß fie ihre Empfindungen gegen den Heiland mit ihrer Ebbe und Fluth, ihren Modificationen, mit ihrem Schmerz und ihrer Wonne, durch ähnliche Nüancen bei der Liebe zu Menschen bezeichnen. Bräutigam, Braut, Sehnsucht, Sch.nachten nach Nähe, Vereinigung sind die natürlichsten Ausdrücke von ähn lichen Nuancen der Liebe zu Jesus und zu Gott. Kein Prophet, kein Apostel, kein heiliger Mann hat Etwas davon åußern können, ohne diese Bilder, die nicht Phantasiegeburten, sondern Sachbilder, Physiognomien des innern, geistigen Lebens und Strebens find. Sich an diese Bilder hången, an ihnen kritteln, darüber fromm die Achseln zucken, oder frech spötteln, weil sie manchmal auch von Unreinen gebraucht, etwas Unreines bezeichnet haben, zeigt klar, daß man von der Sache nichts wisse, sich kaum etwas Anderes als etwas Unreines dabei denken könne, zeigt also, wovon das Innere voll ist. Solche Menschen würden auch die Liebe einer Clotilde und

Liane, *) für wollüftige Begierden halten, weil sie nicht anders lieben können.

Ich muß abbrechen, um mich nicht allzusehr zu ereifern über die Absprecher des Heiligsten im Mens schen, weil sie nichts davon verstehen.

*) Zwei bekannte Heldinnen in den Romanen von Jean Paul.

Dreizehnter Brief.

An denselben.

Ich muß mit Ihnen noch einmal von der mystischen, reinen Liebe zu Gott und Christus reden, und warum sie so gelåstert wird von manchen Scheinfrommen und Scheinweisen unserer Zeit, warum auch edle, treffliche Männer sie scheuen. Eine Hauptursache, warum man sie für Herabwürdigung des Heiligen hålt, liegt darin, daß man überhaupt so wenig reine Liebe, d. h. Liebe ohne Sinnlichkeit findet. Nur manche unserer Dichter, Klopstock, Schiller, besingen eine solche Liebe oder stellen sie dar, wie Jean Paul in seiner Clotilde und Liane. Die Liebe", läßt Frau von Fouqué ihre Charlotte *) sagen,,,die Liebe, die ich meine, die

*) In den Dornen und Blüthen des Lebens.

ich kaum zu denken wage, das unaussprechlichste Geheimniß, aller Seelen Seele, der zarte flüchtige Geist, den kein gemeiner Trieb, kein roher, selbsti= ger Gedanke je erreichte, die Liebe, ist er (ihr Ges liebter) weit entfernt zu kennen. Die Liebe ist nicht von dieser Welt. Ihr schwächlich Abbild kann mir nicht genügen. Das Ideal steht allzu groß vor mir." In ihren heiligsten Momenten schwebt ihnen eine solche Liebe vor. Es ist richtig, was Villers irgendwo sagt:,,Bei einem großen Theil der deutschen Dichter hat die Liebe nichts Sinnliches, ob= gleich manche der ersten nicht rein davon sind. Aber sie findet sich darum weit seltener im Leben, und ob sie auch im Leben der reinsten Dichter so rein war, ist noch die Frage. Indeß ist es schon immer gut, daß sie für eine solche Liebe nur Sinn haben, sie sich nur idealisiren können. Die Franzosen kennen ste nicht einmal. All' ihre Liebe, auch bei ihren besten Dichtern, ist mit verfeinerter Sinnlichkeit durchmischt. Nur bei edlen, weiblichen Wesen habe ich eine so reine Liebe ohne alle Sinnlichkeit gefunden; und darum ist es mir der höchste Grad von sittlicher Versunkenheit oder vielmehr ihre schwerste Strafe, wenn Jemand allen Glauben an weibliche Tugend verloren hat. Von einer solchen reinen, sinnlichkeitslosen Liebe, die unsern besten Dichtern doch noch als Ideal vorschwebt, die

sich auch bei edlen Weibern noch findet, reden uns sere alten Mystiker, und wenden sie auf die Liebe zu Gott und Jesus an. Sie reden von einem Kuß, von Bräutigam, von Zusammenfließen mit dem Geliebten, - nicht darum, als ob sie unrein wåren, sondern weil sie rein waren, nichts Unreines dabei ahneten, weil sie es sich gar nicht als möglich dachten, daß man etwas Unrcines dabei denken könne. Sie verunreinigten das Heilige, Göttliche nicht durch die Bilder von irdischer Liebe zu Menschen. Es fehte die Reinheit ihrer Er denliebe voraus. Nie hätten sie gewagt solche Bilder zu brauchen für das, was ihnen so heilig war, was sie auch Andern als heilig geben wollten, wenn sie etwas Unreines in sich gefühlt håtten. So aber gingen sie ruhig von menschlicher Liebe aus, brauchten Bilder von menschlicher Liebe. Und wie konnten sie anders? Woher anders konnten fie ihre Bilder nehmen? Nur von dem Menschen kann der Mensch emporsteigen zu Christus und Gott. Wer keine Eltern, Kinder, Gatten, Gattin, Freunde geliebt hat, dem fehlt aller Sinn für die Liebe zu Gott." Wer Menschen nicht liebt, die er sieht, wie will der Gott lieben, den er nicht sieht? Mußte sich Gott ja für Menschen vermenschlichen, um geliebt werden zu können von Menschen! Nur der, der selbst unrein ist, kann

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