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dürfnisse wegen an Joseph.

Gott weiset

die Menschen ihrer eigenen Bedürfnisse wegen an Jesus.

Sie sehen doch wohl, daß hier nichts Hineingetragenes, Hineingekünsteltes ist, wenn es auch, wie man gewöhnlich sagt, von ohngefähr so passend seyn sollte.

3 milfter Brief.

A n denselben.

Sie wissen, daß bei Mystikern Alles auf Licbe beruht, von Liebe ausgeht und zu Liebe hinführt, daß die Quelle alle ihrer Frömmigkeit Liebe, nichts als Liebe ist. Davon sind alle ihre Schriften voll; dahin ging und geht ihr ganzes Streben, immer mehr Eins zu werden mit Christus, mit der Gottheit, durch Liebe, weil man auf keine andere Art Eins mit einem Wesen werden kann. Alle dringen darauf, daß diese Liebe ganz uneigennütig seyn müsse, was eigentlich jede wahre Liebe ist und seyn muß. Die wahre Liebe ist eine Gerechtigkeit, die man der Vortrefflichkeit des Geliebten erweiset. Ihre Natur ist, aus sich selbst auszugehen, sich zu vergessen, sich aufzuopfern für den geliebten Gegenstand, nur das zu wollen, was er will, eigenes Glück zu finden in dem seinigen. Sie wissen aber

auch, daß eben diese reine, uneigennüßige Liebe den Menschen ein Anstoß war, daß der treffliche Fenelon deßwegen verfolgt wurde. von ihm ist indeß den Menschen,

Kein Ausspruch die seine Liebe

nicht verstanden, so aufgefallen, als der:,,Wenn, Gott die Seelen was freilich unmöglich ist,

der Gerechten im Augenblick ihres leiblichen Todes vernichten, oder sie seines Anblicks berauben und fie ewig in den Versuchungen und Leiden des Lebens erhalten, ja sie fern von ihm, eine Ewigkeit durch, alle Qualen der Hölle leiden lassen wollte, so würden die Seelen, die sich im Stande der reinen Liebe befinden, ihn nicht weniger lieben und ihm mit nicht weniger Treue dienen." Und doch ist dies freilich sehr stark ausgedrückte Wort nichts mehr als das einfache Wort Paulus: die Liebe sucht nicht das Ihrige," und der Erguß des heiligen Dichters:,,Wenn ich nur Dich habe, so frag' ich nichts nach Himmel und Erde; wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist Du doch meines Herzens Trost und mein Theil." Wenn man indeß auch für diesen Grad von Uneigennütigkeit keinen Sinn fassen kann, ob sich gleich åhnliche Beispiele in der Mutter- und Gattenliebe finden, so ist es doch schwer zu begreifen, wie man gegen die Liebe zu Gott und Christus, als Grund alles Guten, die von den Mystikern so warm und lebendig

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dargestellt wird, reden und schreiben kann, da doch diese Liebe als erstes und vornehmstes Gebot auch in der Bibel dargestellt wird. Aber das mag man eben nicht, daß sie warm und lebendig, daß sie wirklich von ihr, als von Liebe reden. Die Liebe zu Gott oder Christus soll nicht eigent= lich Liebe, sondern, wie Reinhard will, das Bestreben seyn, Gott zu achten (als ob Achtung Liebe wåre!) und sein Gefeß zu erfüllen, weil es schon an sich vernünftig und recht ist, dies zu thun; es soll keine pathologische, sondern eine Liebe a us Grundsägen seyn. Bei der wahren Liebe zu Gott soll eine kalte, uninteressirte, eine schwärmerische, mystische und eine eigennütige Liebe Statt finden; die Begeisterung des Wohlwollens gegen Gott soll durch die Betrachtung, daß es schon an sich vernünftig und recht sey, mit steter Hinsicht auf Gott zu handeln, geregelt und vor Schwärmerei bewahrt werden. Ja, der sonst so christliche Mann behauptet, daß die Liebe in eben dem Grade in Schwärmerei ausarte, in welchem sie wohlwol= lend sey; denn sie sey dann von der Vollkommenheit ihres Objects allzulebhaft gerührt, und lebe ganz in ihm. (Ich will die 43. Seite des 4. Bandes, 4. Auflage, der Reinhardischen Moral anführen, weil Sie mir sonst nicht glauben möchten.) Denken Sie, welches Unglück es wäre, wenn viele

Menschen in die Schwärmerei verfielen, von der Bollkommenheit Gottes oder Jesus allzulebhaft ge= rührt zu seyn und in ihm ganz zu leben!!

Weil

Und warum meidet man es so sehr, in der Bibel Liebe, eigentliche Liebe zu finden? Warum soll Licbe hier durchaus nicht Liebe seyn? man sie sich durchaus nicht ohne Sinnlichkeit denkt, denken kann, oder um Anderer willen zu denken wagt. Das Lehte war offenbar der Fall bei Reinhard, der, wie Jeder weiß, der ihn kannte, gewiß rein und ohne Sinnlichkeit zu lieben fähig war. Aber die Mystiker sprechen von Liebe zu Gott und Christus, nicht wie man von kalter Ach= tung, vom Bestreben seine Gebote zu halten, von irgend einer äußern Handlungsart, sondern wie man von Liebe, von der innigsten tiefsten Empfindung spricht. Das soll denn durchaus Sinnlichkeit, oder wenigstens mit Sinnlichkeit vermischt seyn. Wagt ja doch ein neuer Schriftsteller zu sagen, wenn man die Geschichte nachschlage, finde man, daß die Mystik immer mit der Sinnlichkeit, und oft mit einer sehr rohen, gleichen Schritt hielt. Wo und bei Wem findet man dies? Auch bei Gerson, Tauler, Kempis, Fenelon? Ob wohl der absprechende Mann je die Schriften dieser Leute, oder auch nur Etwas von ihnen, nur Fenelons

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