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daß man mit Freuden allerlei Unrecht, Verachtung, Tadel, Bestrafung, hartes Tractament und Be= schẳmung annimmt mit eben solchem Vergnügen, als Weltleute Ehr' und Gut annehmen 2c. Es ist ein Wandel in der Wahrheit, vor Gott, darin man sich allezeit für eine armselige und bloße Creatur achtet, die aller Gnadengaben ermangelt, ohne was göttliche Majeståt mitzutheilen beliebt nicht zwar nach ihrem Verdienste, sondern nach der Größe ihrer Güte, dabei man sich selbst Nichts als Mangel und Unvollkommenheit, Gott aber Alles zuschreibt." (Barbarson.) Wie nothwendig die Demuth einem Christen sey, und daß sich ohne Demuth kein Christenthum denken lasse, darüber wissen die Mystiker sich nicht stark genug auszu= drücken. „Wer nicht in großer Demuth einhergeht", sagt Macorius,,,der wird dem Satan übergeben, der Gnade Gottes, die ihm gegeben ist, beraubt und in vielen Trübsalen versucht; und alsdann wird offenbar, was von ihm zu halten sey, daß er elend und bloß ist."-,,Die wahre Demuth besteht nicht darin, daß Einer stets mit seinem Munde spricht: Ach, wie bin ich ein so elender Mensch, Asche, Erdwurm und dergleichen. Denn wer rechtschaffen, von Herzen demüthig ist, Der pflegt nicht also zu reden. Sondern rechte Demuth ist, wenn wir uns unserm Gott und

Schöpfer ganz und gar unterwerfen, nicht allein äußerlich mit Worten vor den Leuten, sondern vielmehr innerlich und im Grunde des Herzens." (Tauler.) Katharina von Genua sagte immer in fich, wenn Jemand gut von ihr redete:,,Ach lieber Mensch, wenn du wüßtest, wie ich inwendig beschaffen bin, so würdest du nicht also sagen." ,,Die Demüthigen," sagt Tauler,,,versenken sich ganz in ihr grundloses Nichts in einer unerforschlichen Weise, also, daß, wenn sie auch hundert Stunden nach einander gar zu Nichts werden, Gott zu Lob und Preis, Das wäre ihre höchste Freude; ja, wenn sie vor großer Ehrwürdigkeit (Ehrerbietung) und Liebe gegen das höchste Wesen möchten in ein Keinwesen kommen (vernichtet wer den), so wollten sie gerne vor seiner Hoheit versinken in den tiefen Abgrund." Daß oft Anfechtungen über weit gekommene Christen kommen, um fie in der Demuth zu erhalten, haben die Mystiker häufig bemerkt. „Gott entzieht den Seinen Alles, damit sie sich durchaus einig (allein) auf Gott steuern und also auf ihre bloße Nichtigkeit gewiesen werden; alsdann kommen sie auf den reinen lautern Grund des rechten wahren Glaubens." ,,Gott verläßt seine Heiligen manchmal zu Nuk (zu ihrem Besten) damit er sie prüfe (vielmehr bilde.) Weil es der Seele nicht gut wäre, wenn

sie nicht bisweilen sagen könnte: Es ist gut, daß du mich gedemüthiget hast, und sie sonst keine rechte Uebung des Kampfes hätte, wenn Gottes Beistand ihr immer unzertrennlich gegenwärtig wäre." Von dieser Demuth und dem damit verbundenen Hingeben an Gott spricht die treffliche Guyon so wie ihr Freund Fenelon mit tiefer Selbstkenntniß und aus Erfahrung. Gott verbirgt sich oft," sagt die Erstere,,,um unsere Treue. zu üben, und uns zu zeigen, wie sehr wir ihn bedürfen. Die Haupttugend und die wesentlichste nach der Liebe und Treue, die wir Gott schuldig sind, ist die Geduld, die wir mit uns selbst haben müssen. Gott kennt die Schwäche des Menschen, den er aus Koth schuf; und er låßt ihm so viel Erbårmlichkeiten, um ihn demüthig zu erhalten und ihn seine beståndige Abhängigkeit von Gott fühlen zu lassen. Der dem Menschen natürliche Stolz verträgt sich nicht mit dieser Kenntniß, veranlaßt durch unsere Erfahrung. Und doch ist Nichts nüßlicher, weil sie uns nöthigt oft unsere Zuflucht zu ihm zu nehmen, ihn immer zu suchen, oft in uns selbst zu gehen, um Hülfe zu suchen, selbst auf eine Art, die wenig nüßlich zu seyn scheint und uns einige Mühe macht, wenn wir uns von Gott entfernt und einige Zeit zugebracht haben, ohne an ihn zu denken." Ferner: „Jesus Christus regiert nur auf der Zerstörung der

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Eigenliebe, auf der Auslöschung dieses Ich, der alte Mensch ist, der ausgezogen werden muß, damit der neue Mensch uns belebe und bekleide. Wir sind umgeben von diesem brüllenden Löwen der Eigenliebe und sind dann leer von dem Geiste Jesus Christus. Wie könnt er in uns herrschen, er, der Nichts will, als ein demüthiges, hingegebenes Leben, Nichts als kindliche Einfalt? Wir schätzen uns selbst; wir glauben Etwas zu seyn, und wir sind Nichts. Wir nennen uns Kinder Jesus Christus: aber folgen wir auch seinem Beispiel und seinen Lehren?,,Nichts ist so gut," sagt Fenelon,,,uns mit Gott zu vereinigen, als die Kenntniß unseres Elends und seiner Güte. Die Erfahrung, wie wenig wir sind, hindert uns, uns auf uns selbst zu stüßen, und treibt uns um so stårker, uns dem Busen Gottes hinzugeben, wo Alles vergeht, auch unser Elend, wie alles Uebrige; damit Gott das bleibe, was er in sich und für sich ist, und wir, versenkt (abimés) in ihm selbst, für ihn selbst, äußerlich nur bestehen durch die Zufälligkeiten, die von der Menschheit unzertrennlich sind." „Ich beschwöre Sie," schreibt er an einen weitgekommenen Christen, sich Gott zu überlassen, ohne Ausnahme für Alles, was er erlauben könnte, daß es Ihnen begegne. Das find Dinge, die er zuläßt, damit wir uns selbst

verlieren ohne Rettung. Aber Treue und Festigkeit, um kein Mittel zu suchen außer Gott und sich nicht zu berauben seiner Gemeinschaft." Sie sind sein; ob er Sie in den Koth wirft oder auf einen Thron erhebt, das ist nicht mehr Ihre Sache. Ihre einzige Sache ist, sich zu vergessen, sich nicht mehr anzusehen, wenn man Sie in den Abgrund stürzte oder auf einen Thron erhöbe. Sie gehören sich nicht mehr an. Gott allein ist, das ist genug." ,,Die Liebe allein lehrt den Weg zum Nichts. Augustin sagt mit Recht: meine Liebe ist mein Gewicht; denn je mehr man eine Wage beschwert, je mehr senkt sie sich. So auch: je mehr Liebe im Herzen ist, desto mehr find wir niedergebeugt und wie verstrickt in unser Nichts. So auch erhebt sich die Seite der Wage nur darum, weil sie leicht und leer ist, so erhebt sich das Herz nur dann, wenn es leicht und leer ist von Liebe. Aber einen so hohen Schwung sich diese Seite der Wage geben mag, sie kann nicht hoch steigen, statt daß die andere sich bald auf einen festen Boden senkt und ihre Ruhe in ihrer Erniedrigung findet während dessen die erstere, die in der Luft bleibt, keine Stüße hat, so daß man fie leicht bewegen kann.“

,,Ich wünschte, wir wåren so klein, daß man uns nur durch ein Mikroskop sehen könnte." In dieser

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