Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Gottheit strebte durch Glauben und Liebe, weil er mehr wie Einer den geheimen Sinn in der Natur und in den Menschenherzen fand, weil Ihm mehr wie Einem die Gottheit überall offenbaret ward im Fleisch. Sie wissen, welche Schüler er bildete, wie in jedem Einzelnen derselben sein Geist, sein göttlicher Sinn eingepflanzt wurde, einem Senfkorne gleich, das der kleinste ist unter allen Samen, wenn es aber erwächst, wird es ein Baum, daß die Vögel unter dem Himmel kommen und wohnen unter seinen Zweigen. Auf sie folgten die Kirchenvåter, deren Manche die tiefste, heiligste Mystik vortrugen und Andere erweckten. Wenn auch die Schriften des Areopagiten Dionysius erdichtet seyn sollten, wie man jezt sehr zuverlässig behauptet, was aber noch lange nicht ausgemacht ist; denn man hat gewiß eben so viele Beispiele, daß Bücher für erdichtet erklärt wurden, weil sie Behauptungen enthielten, die man nicht gelten lassen wollte, als man andere hat, daß Bücher erdichtet wurden, um gewisse Behauptungen zu bestätigen, die man in Curs sehen wollte; wenn er auch nicht ein Schüler des Paulus war, da doch ein Dionysius, Ap. Gesch. 17, 33 durch Paulus zum Christenthume bekehrt wurde, da ihn doch das ganze Alterthum dafür erklårt; so war doch der Verfasser, der auf alle Fälle früh gelebt haben muß, ein echter Mystiker, wie

seine Schrift,,von der Hierarchie der Kirche" deutlich zeigt. Sie enthält so manchen, warmen, le= bendigen Erguß über die Gemeinschaft mit Gott, die Mittel dazu zu gelangen, so manches freimúthige, treffende Urtheil über die Kirche; das Ideal einer wahren Kirche schwebt ihm so lebendig vor der Seele, und er drückt Alles mit so hohen, einzigen Worten aus, daß man wohl merkt, die gewöhnliche Sprache war ihm zu eng, sein Gemüth war so voll von himmlischen Gefühlen, daß er nicht mehr reden oder schreiben, sondern kaum noch lallen konnte, wie denn auch Paulus von ,,unaussprech= lichen Worten redet, die er gehört habe *). Eben darum war er freilich allen denen ein ergerniß und eine Thorheit, die nur das Flache kennen, das man durch und durch sehen kann, weil sie nie ema pfunden haben, daß das Tiefe eben darum nicht zu durchschauen ist, weil es tief ist; aber in allen Jahrhunderten wurden seine Schriften geschäßt und wirkten auf kindliche, tiefe Gemüther, was nur solche Schriften wirken können. Chrysostomus nennt ihn einen ,,Vogel des Himmels." Der berühmte Patriarch zu Antiochien, Anastasius Sinaita. redet von ihm als von dem berühmten und apostolisch geheimen Lehrer göttlicher Dinge. Der be

*) 2. Korinth. 12, 4.

rühmte Marimus im fiebenten Jahrhundert beklagt es, daß viele aus Mangel der wahren Beschauung Gottes der Wahrheit wenig nachforschten, also auch Dionysium nicht achteten. So ging es durch alle Jahrhunderte durch, der treffliche Hugo de S. Victore meint, das, was Dionysius von den Seraphim geschrieben, sey so, als wenn es ein Engel geschrieben håtte. Und selbst Luther zählte diesen Dionysius unter die besten Theologen, indem er die deutsche Theologie so hoch gerühmt. Er führt des Dionysius Worte an Timotheus an, um daraus zu beweisen, daß ein Mensch über alle Wesen und Erkenntniß kommen könne. (Sie sehen, daß Luther auch ein Mystiker, oder, welches bei Manchen für Einerlei gilt, ein Schwärmer war.) Clemens von Alexandrien sprach mit Entzücken von dem über alle Menschen ausgegossenen göttlichen Logos, der wahren Quelle der in allen Zeitaltern von guten Seelen so innig geliebten Religion des Gefühls und der Vereinigung mit Gott. So drückt sich selbst Henke in seiner Kirchengeschichte über ihn aus, den man doch wohl nicht des Mysticismus beschuldigen wird. Mit Entzücken spricht er von diesem Logos.,,Was die Griechen von Amphion und Arion auf eine sehr lächerliche Art gedichtet haben, das hat Christus in der That und auf sehr würdige Art geleistet. Seine Lehre ist

ein einnehmendes und krankheitheilendes Lied. Er weiß dadurch die Menschen zahm zu machen, die Thiere, die sich unter Allen am schwersten zahm machen lassen. Diejenigen, die sonst wie todt waren, haben sein Lied gehört und sind wieder aufgelebt. Dies Lied hat die Welt so fein ausgeschmückt und die Elemente in Harmonie gebracht;" (nåmlich in dem Mikrokosmos, dem Menschen) „die Menschen hat der Herr nach seinem Bilde zu einem guten Instrument gemacht, das durch seinen Odem ertónt. Ja, das himmlische Wort, die überirdische Weisheit ist selbst Gottes heiliges Instrument." (Der wahre Sinn von Logos.),Was soll aber dies göttliche Werkzeug, das Wort und dieser neue Gefang? Der Blinden Augen öffnen und der Tauben Ohr, die unverständigen Menschen von Gott unterrichten, der Verwesung ein Ende machen, die unbehutsamen Kinder wieder aussöhnen mit dem Vater. Dieser heilsame Gesang ist eben nicht so neu. Die Arkadier mögen von ihrem Alterthume sagen, was sie wollen; es war doch Keiner, ehe die Welt war, aber wir find's" (als innig verbunden, Eins mit dem Worte, Glieder an ihm, dem Haupt, Reben an ihm, dem Weinstock).

,,Das Wort Gottes ist Mensch worden, damit du vom Menschen lernst, wie der Mensch einst Gott werden möge." (Gerade, wie Augustin:,,Der

Mensch ist, was seine Liebe ist. Liebst du Erde, so bist du Erde, liebst du aber Gott, was soll ich sagen? so bist du Gott"). Wir tragen das Bild Gottes in diesem lebendigen und beweglichen Menschenbild, das Bild, das allezeit bei uns ist, mit uns zu Rathe geht, sich mit uns unterhält, bei uns wohnt und mit uns leidet 2c." *) Auch Justin der Mårtyrer sprach in diesem Geist und im Geist der Bibel von diesem Logos, dem Sprecher Gottes, dem Grundprincip aller Mystik; und Polykarp, der zugleich mit ihm lebte und zugleich mit ihm starb, schrieb mit einer solchen Wärme für und vom Christenthum, wie ein schulgerechter, kaltdogmati= scher, oder spit- und scharfsinniger, theologischer Raisonneur nie schreiben kann und wird. Sie erinnern sich vielleicht, in welcher Zeit 'Origenes lebte, welche unselige Folgen für Sittlichkeit der Wahn hatte: der Mensch könne mehr als seine Pflicht thun, durch sein höheres Verdienst könne er einem andern Sündhaften helfen, kirchliche Strafen könnten also um eines solchen fremden Verdienstes willen erlassen werden, und daß man am Ende wähnte, auch bei göttlichen Strafen finde eine solche Stellvertretung statt. Die wahre Mystik arbeitet mehr

*) Aus der Ermahnung an die Heiden.

« ZurückWeiter »