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die Unendlichkeit. Alles, was kann gezählt und gemessen werden, ist bildlich; aber die Einheit Gottes kann nicht ausgesprochen werden, denn sie ist durch Alles zugleich. Er ist also ein ewig Nichts (da= hin reducirt sich auch wirklich jede Anmaßung, die Gottheit objectiv zu erkennen), davon man keinen Gedanken noch Bild machen kann; die allergeheimsten Gottesschauer in ihrer hohen und tiefen Erkenntniß haben endlich müssen bekennen, daß Gott in sich selbst nicht anders als per negativam môge erkannt werden, d. h. aus dem, was er eigentlich nicht ist." —

,,So wie die Sonne in dem unendlichen Bezirk des Himmels gleichsam das Herz der Sterne ist, so ist der Sohn in allen Kräften des Vaters. Ohne die Natur wäre Gott nicht offenbar, sondern allein ein stilles Nichts. Er aber allein ist der ewige Anfang und fasset das Centrum zur Gebȧrerin; er ist nicht eher als er, aber sein Wort hat einen ewigen, unergründlichen Anfang in ihm, und ein ewig unergründlich Ende. Er ist gleichsam das Gewächs, aus dem ewigen Centrum geboren. Er ist recht die Flamme der Liebe und der Glanz des Vaters im ewigen Willen u. f. w." Sie se= hen die Tiefe und die chaotische, ungenießbare Darstellung, die begrifflose Kraft, das Ringen mit Ausdrücken, um Etwas von dem zu bezeichnen, was er Alles aus sich selbst nahm, und was doch

mit der Bibel übereinkommt, besonders mit Johannes, (Joh. 1, 15. 18, wo es aber Böhm offenbar nicht fand.),,Der heilige Geist ist der heilige, wallende Freudenquell in dem ganzen Vater; ein lieblich sanftes und stilles Saufen aus allen Kräften des Vaters und des Sohnes." (Wie viel biblischer, natürlicher, als wenn man aus dem Geiste eine Person macht!),,Alle Dinge in der Welt sind nach dem Gleichniß dieser Dreiheit worden. In einem Holze, Kraut 2c. sind drei Dinge: 1) Die Kraft, daraus ein Leib wird;. 2) ein Saft, das ist das Herz eines Dinges; 3) eine quellende Kraft, Geruch oder Geschmack, das ist der Geist eines Dinges, davon es wächst. So nun unter den Dreien Eins fehlt, so kann das Ding nicht bestehen." (Denken Sie dabei an das Biblische: Geist, Seel und Leib, was keine bloßen Worte sind.) Sie werden nun genug von Böhm wissen, um zu ahnen, weß Geistes Kind er ist, daß zwar seine Darstellungen abschreckend genug sind, daß er sich auch verwirrt, wenn er tiefer in die Wahrheiten oder Anschauungen eindringen will, daß man aber sehr unrecht oder oberflächlich urtheilt, wenn man die genialischen Blicke in Natur und Menschheit nicht sieht, die sich offen blos in seinen Schriften finden. Sie werden zugleich ahnen, in wie weit man Böhm einen Schwärmer nen

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nen kann. Er kann allerdings so heißen in dem Sinne, in dem man dieses Wort gewöhnlich nimmt. Es wäre dann aber auch kein Schimpfwort, da man Jeden, der etwas Höheres als Essen, Trinken und Sinnengenuß kennt und sucht, einen Schwärmer zu nennen pflegt. Indes hat doch Böhms Schwärmerei, wie alle, Etwas mit der Philosophie gemein, daß sie auch nach dem Absoluten strebt, ja in ihm lebt und webt. Nur wird es bei dem Schwärmer nicht erkannt. Er fühlt wohl seine Einheit mit ihm, aber es bleibt bei ihm blos subjectiv. Er ist sich des Göttlichen nicht mit Klarheit bewußt. Er kann es nicht entwickeln, sondern beruft sich auf Gefühle und Empfindungen des Göttlichen, die er keinem Andern mittheilen kann außer dem, der die nämlichen Anschauungen und Empfindungen hat. Und will er sie mittheilen aus innerem, unwiderstehlichem Drange wie Böhm, so geht es ihm, wie es diesem gegangen ist; er geht von einer ziemlich klaren Idee aus, trifft manches glücklich erläuternde Bild, verwickelt sich aber bald so, daß nur der gleich Organisirte ihm nachfühlen kann.

Nun genug, und vielleicht zu viel von diesem allerdings außerordentlichen Manne, den nur Flachköpfe für einen Narren, und nur Schwachköpfe für ein Drakel erklären können.

Fünf und zwanzigster Brief.

An die Grå fin D.

Sie

Pie sagen mir, Ihr Freund R. habe Ihnen Einiges aus Fenelon's Briefen vorgelesen, habe Sie zum Lesen des Thomas von Kempen ermuntert, Sie haben ihn gelesen und wieder gelesen und seyen durch ihn mehr als durch irgend eine Erbauungsschrift ergriffen und angezogen worden. In Ihrer Phantasie stehe nun das Bild eines echten Mystikers, wie Fenelon, Thomas und Mehrere waren; und Sie wünschten zu wissen, ob und in wiefern es ein bloßes Ideal oder Wahrheit sey. Liebe Freundin! ich kenne Ihre schöne und reiche Phantasie. Wie oft hat sie mir wohlgethan, wenn wir durch den schönen Park in W. wanderten, manche kleine Anhöhe bestiegen, in die so mannichfaltig schöne Ferne blickten, und Sie die ganze Gegend durch Ihren Blick, Ihren Aufblick

von der schönen Erde zu dem schönern Himmel durch ein Paar sinnvolle, den Himmel mit der Erde verbindende Worte mit einem Regenbogen - Nimbus verklärten. Ich zweifle also gar nicht, daß Ihre Mystiker ätherisch schöne Ideale sind. Allein Sie wollen Wahrheit, und ich will Ihnen nur Wahrheit geben. Wenn mich der hohe, heilige Sinn dieser Menschen manchmal erwärmt, daß mir AnSie nicht! Wie könnten Sie es?

dere

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wohl sagen möchten, wie Festus : ,,Paule! du rasest," so fühlen Sie gewiß mit mir, daß man ein Castrat an Sinn und Herz seyn muß, wenn man bei gewissen Darstellungen nicht warm wird. Die Wahrheit soll dabei nicht verlieren, sondern gewinnen.

In jedem Menschen, der zu einem Menschen heraufgebildet ward und sich nicht verbildet hat, liegt der Embryo zu einem Mystiker, d. h. er ist organisirt, einen inneren Menschen in sich zu beobachten, eine innere Stimme zu hören. Sie ist nicht das Gewissen, ob sie gleich oft durch das Gewissen spricht. In ihm ist eine Sehnsucht nach irgend etwas Höherem, Göttlichem, wenigstens Unvergånglichem, die sich besonders bei dem Verlust eines geliebten Wesens mächtig in ihm regt. Wenn er sich seiner innigsten Empfindung einigermaßen bewußt ist und sie durch Worte bezeichnen kann,

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