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dert. Jede Sünde ekelt ihn an. Gutes zu thun, ist ihm so natürlich worden wie das Athmen. Er würde durchaus nichts Böses thun, und wenn es auch Gott erlaubt; er würde nichts Gutes unterlassen, wenn es auch Gott nicht befohlen hatte. Denken Sie nur daran, was ein Weltmann, der bekannte Prinz von Ligne in einer gewissen Ahnung des moralischen Sinnes sagt: Wen es Etwas kostet, tugendhaft zu seyn, der ist übel ge= boren (mal né.) Ich verstehe nicht, daß es eine Tugend ist, tugendhaft zu seyn." Zu räthselhaft ausgedrückt, statt gut zu seyn. Aber sehr wahr!

S. 121.,,Diese Seelen" (aus dem apostolischen Stande, wie sie die Guyon nennt),find ganz gemein im Auswendigen und haben Nichts, was sie von Andern unterscheidet, es wäre denn dies, daß sie überaus harmlos und einfältig find und keinem Menschen zu nahe treten. Ihr Aeußeres hat nichts Absonderliches; daher sie denn auch sehr wenig gekannt werden." (Also fern von allem schwärmerischen Wesen, von aller Frömmelei, Pietisterei, von allem geistlichen Stolz.),,Sie tragen in sich eine unermeßliche, jedoch unfühlbare Freude, welche daraus entspringt, daß sie Nichts fürchten, Nichts verlangen, Nichts wollen. Sie bes finden sich in einer immerwährenden Entzückung. Dies ist aber für sie kein gespannter oder peinlicher

Zustand. Wenn die Entzückungen der niedern Stu= fen mit dem Verluste der Sinne vergesellschaftet sind, so ist Dies der Mangelhaftigkeit der entrückten Seelen zuzuschreiben, so sehr solche auch von den Leuten bewundert werden." (Also fern von aller Kopfhångerei, von allem quåkerischen Inspirationismus.)

S. 122. „Seliges Nichts, wie glorreich endest du! Entblößung, Verlassung, Vernichtigung, ihr Schauder und Schrecken des mystischen Todes, wie überschwenglich werdet ihr vergolten! D Seele! welcher Gewinn ist dir gefallen für alle deine Verluste! Håttest du es ahnen können, als du mo= dertest in der Asche, daß eben, was dir Grausen machte, dir dienen müsse, zu einer Herrlichkeit zu gelangen, die keinen Ausdruck duldet? Ein Engel håtte dir es sagen können, und du hättest es nicht geglaubt. Lerne denn aus eigener Erfahrung, wie gut es sey, Gott zu vertrauen, und daß, die auf ihn hoffen, nimmer zu Schanden werden." — Vergleichen Sie einmal diese Stelle mit dem Erguß des Apostels Paulus, 2. Kor. 4, 7, bis 5. 6. oder Róm. 8. 28 39.; und Sie mit Ihrem Sinn werden sicher die Einheit der Empfindungen in beiden Erhebungen nicht verkennen.

Ich habe die fromme, fromm duldende, in dem tiefsten` Christenthume hoch erfahrene Seele selbst

reden lassen und Ihnen Winke gegeben, wie manche ihrer anfangs auffallenden Aeußerungen mit den Aeußerungen der Apostel und anderer als clasfisch in diesem Fache anerkannten Månner übereinstimmen. Ihrem Urtheile sey es nun überlassen, wofür Sie diese als Schwärmerin verschrieene Person nehmen wollen.

Nächstens rede ich Ihnen von einer andern Mystikerin, deren Schicksale ebenfalls interessant find.

Zwei und zwanzigster Brief.

An denselben.

Die Person, von der ich Ihnen in meinem leg

ten Briefe sprach, hieß Antoinette Bourignon. Sie wurde im Jahre 1616 in der flandrischen Stadt Ryssel geboren, war anfangs sehr unge= stalt, wurde jedoch geheilt, aber von der Mutter gehaßt, von den Geschwistern gequålt, zwar von dem Vater geliebt, der aber wenig zu Hause seyn konnte. Von Jugend auf liebte und suchte sie die Einsamkeit, merkte auf Gottes Stimme in ihrem Innern und in ihren Schicksalen. Schon in ihrer frühen Jugend wurde ihr in ihrem Innern Vieles vom Christenthume klar, und sie wurde durch manche Verkehrtheit der Geistlichen empört. (,,Die mich frühe suchen, die finden mich." Ich danke dir, Vater, daß du es den Unmündigen offenbart hast.") Ihre älteste Schwester beredete

Jeden, fie sey nicht recht bei Verstande; (fie hatte also gleiches Schicksal mit unserm Herrn. Mark. 3, 21.), sie tauge also nicht zum Umgange. Um das Gegentheil zu beweisen, ließ sie sich in die Welt ziehen, bereuete es aber so tief, daß sie sich alle Nahrung entzog. Dies mißfiel ihrem Vater, der sie in dem Weltleben haben wollte. Eben darum drang er in sie, einen reichen Kaufmann zu heirathen. Dies war ihr so unerträg= lich, daß sie sich nicht anders zu helfen wußte, als ohne Geld das väterliche Haus zu verlassen und sich zu einem frommen Priester in Blatton zu flüchten. Dieser ließ fie in der Kirche verwahren, bis sie von dem Bischof verhört worden war. Ihre Aeltern holten sie aber zurück, die jedoch dem Bischof versprechen mußten, sie nach ihrer Ueberzeugung leben zu lassen, sonst solle sie zu ihm zurückkehren, er wolle wie ein Vater für sie sorgen. Der Vater hielt seyn dem Bischof gegebenes Versprechen nicht, sondern zog sie wieder in die Welt und drang heftig in sie, an ihren Freuden Theil zu nehmen. Dies war ihr aber unerträglich; sie bat deßwegen den Vater um die Erlaubniß, wieder zu dem Bischof zu gehen. Als ihr aber der Vater dies abschlug, so beredete sie sich mit ihrem Beichtvater und andern frommen Männern, die ihr nicht ab= riethen, als sie das väterliche Haus verlassen wollte.

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