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er fort: Die gewöhnliche Behauptung, der König habe ein so gutes Recht an seine Krone und Würde als irgend Jemand an sein ererbtes Eigenthum, macht den Unterthan zu nicht viel Besserem als des Königs Sklaven, Vieh und Besißthum, das er kaufen und verkaufen kann. — Und gesezt auch die Krone sei ein Erbrecht (eine Ansicht, die ihren Hauptgrund in der Schmeichelei und in der bequemen Gewohnheit hat), ist es dann nicht recht und gesetzlich, daß, wie ein Unterthan für gewisse Verbrechen sein Hab und Gut für sich und seine Nachkommen an den König verwirkt, so auch der König für entsprechende Verbrechen seinen Titel und sein Erbe an das Volk verliere? Man müßte denn der Meinung sein, das Volk sei ganz und gar nur für ihn, nicht auch er für das Volk geschaffen, und sie in ihrer Gesammtheit geringer als er allein, eine Behauptung, die eine Art von Hochverrath gegen das Menschengeschlecht wäre." „Daraus geht ferner hervor, daß die Ansicht, Könige seien nur Gett verantwortlich, alles Gesetz und Regiment über den Haufen wirft. Wenn sie sich weigern können, Rechenschaft abzulegen, dann sind alle bei der Krönung gemachten Verträge und alle Eidschwüre umsonst und zum Kinderspott, und alle Geseze, die sie zu halten geloben, zwecklos; denn falls ein solcher König Gott nicht fürchtet (und bei wie vielen trifft dies nicht ein!), so tragen wir unser Leben und Gut nur von seiner Huld und Gnade zu Lehen, wie von einem Gott, nicht von einer menschlichen Obrigkeit, ein Grundsag, den nur Hofschmaroger und Thoren aufstellen können. Daher schreibt Aristoteles, den wir für einen der besten Ausleger der Natur und Moral halten, im vierten Buch seiner Politik: „daß unumschränkte Monarchie die schlimmste Art der Tyrannei sei, die von freigeborenen Männern am wenigsten ertragen werden könne“.

„Wenn aber der König oder die Obrigkeit ihre Autorität ursprünglich und naturgemäß von dem Volke haben und zwar zunächst zu seinem, nicht zu ihrem Besten, so folgt daraus, daß das Volk den König wählen oder verwerfen, behalten oder abseßen kann, je nachdem dasselbe es für gut findet, selbst wenn er kein Tyrann ist, blos in Folge der Freiheit und des Rechts freigeborener Männer." Weber, Reformationszeit.

Für einen Tyrannen

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aber ist Jeder zu halten, der, mag er nun mit Recht oder Unrecht zum Thron gekommen sein, weder die Gesetze noch die gemeinsame Wohlfahrt beachtend blos für sich und seine Partei regiert“; „ein solcher ist ein ebeuso großes Unglück für das Volk, als ein gerechter König ein Segen für dasselbe ist; dieser ist der Vater seines Landes, jener der gemeinsame Feind.“

Nach diesen allgemeinen Säßen sucht Milton aus der Geschichte Beweisgründe für seine Behauptung. Die Bücher des alten Testaments liefern ihm eine reiche Ernte von Thatsachen und Aussprüchen, wodurch die Wahrheit seiner Anschauung dargethan wird. Jehovah selbst läßt es zu, daß die Israeliten einen König wählen, nachdem er umsonst durch Samuel ihr Vorhaben zu hintertreiben und sie bei der republikanischen Staatsform festzuhalten gesucht; er läßt es aber auch geschehen, daß gottlose Könige gestürzt und gemordet werden. Ebenso ergiebig ist das heidnische Alterthum der Griechen und Römer in ihren Geschichtschreibern wie in ihren Staatsrechtslehrern. Pflegten doch die Athener Tyrannenmördern" die höchste Ehre zu erweisen, und der edle Kaiser Trajan handelte ganz in Milton's Geist, als er dem Hauptmann der Prätorianer das Schwert überreichte mit den Worten: Si mereor in me! Auch im neuen Testament findet Milton seine Ansicht bestätigt. Petrus nenne die Obrigkeit „eine menschliche Ordnung“, der rie Christen als freie Männer" unterthan sein sollen; und wenn dagegen Paulus, Römer 13, von der Obrigkeit als einer von Gott eingesetzten Ordnung spreche, so könne er damit nur eine gute und gerechte Obrigkeit verstehen, sonst widersprächen sich die beiden Apostel. Auch die mittelalterliche Geschichte der meisten europäischen Länder liefere Beweise in Fülle, daß man die königliche Staatsverfassung stets als einen Vertrag zwischen Fürst und Volk angesehen und den natürlichen Vertretern des leztern das Recht eingeräumt habe, tyrannische, die Geseze mißachtende Könige zu richten und zu strafen. Belege dafür gibt ihm die Geschichte von Aragonien und England. Als die Römer um die Mitte des 5. Jahrhunderts das Inselland verlassen mußten, hätten sie die Staatsgewalt den Händen des Volkes übergeben und

dieses habe dann aus eigener Machtvollkommenheit einen König eingesegt; und daß die Reichsbarone und das Parlament stets das Recht gehabt und geübt, pflichtvergessene und gottlose Regenten zu strafen, gehe aus der Geschichte Richard's II. und mehrerer anderen Könige hervor. Dies beweise auch Matthäus Paris, der beste unter den englischen Historikern, indem er sagt: „wenn Könige irrten, hätte das Schwert Gewalt, sie in die Schranken zu weisen."

Diese Grundsätze hatten auch die Presbyterianer früher aufgestellt. Jezt aber, wo sie die Revolution in ihrem Laufe zu hemmen suchten, um die Früchte ihrer Anstrengung und ihres Sieges zu genießen, fanden sie in der Bestrafung eines Königs durch die eigenen Unterthanen ein dem Protestantismus widerstrebendes Verfahren. Gegen diese lettere Behauptung richtet daher Milton schließlich seine ganze durch Geschichte, Literatur und Logik unterstützte Beweisführung. Die Presbyterianer, die troß ihres Hasses und Kampfes wider die römisch-katholische Kirche von derselben doch den Herrscherstolz und das autokratische Streben überkommen hätten, deren Geistliche gleich der stolzen Hierarchie des Mittelalters eine Superiorität über alle weltlichen Stände vom König bis zum Bettler ansprächen, deren ganzes Kirchenwesen einen revolutionären Ursprung gehabt, die begingen jezt die Inconsequenz von protestantischem Standpunkte aus den Widerstand gegen die gesetzmäßige Obrigkeit zu verdammen. Quis tulerit Gracchos de seditione querentes! Hatten nicht die Presbyterianer, so argumentirt Milton, zuerst im Parlament, dann im offenen Felde den Kampf gegen den König begonnen? Hatten nicht gerade die presbyterianischen Prediger durch ihre leidenschaftlichen Kanzelreden den Haß gegen den gotteslästerlichen Hof zu einer solchen Höhe gesteigert, daß endlich das Schwert gezogen werden mußte? Und wer einmal das Schwert gegen den König gezückt, ist seiner Gesinnung nach ebenso gut ein Königsmörder, als wer für dessen Tod stimmt; denn wenn seine Kugel im Schlachtfeld nicht gerade den König traf, darf dies ihm ebenso wenig zum Verdienst angerechnet werden, als der entgegengesetzte Zufall seine Schuld erhöht hätte. Und wenn man die Krone aller Ehre und Macht entkleidet, wie die Pres

byterianer im Parlament gethan haben, so kommt dies einer Thronumwälzung sehr nahe.

Nachdem Milton durch solche und ähnliche Argumente die Heuchelei und Inconsequenz der Presbyterianer mit Klarheit und Schärfe hervorgehoben; nachdem er ihnen zum Vorwurf gemacht, daß sie sich jezt in ihrem Siege dieselben Vergehen und Laster zu Schulden kommen ließen, die sie früher an ihren bischöflichen Widersachern so hart gerügt hätten, daß sie durch Pfründenhäufung und Zehntendruck ihren Egoismus und ihre Habsucht, durch Kirchenzwang, durch Ueberwachung der Presse und der Kanzel, durch inquisitorische Eingriffe in die Gewissensfreiheit ihre Intoleranz und ihren engherzigen Sektengeist sattsam beurkundet hätten, weist er die Unhaltbarkeit ihrer Behauptungen aufs überzeugendste nach. In der Auflehnung der protestantischen Fürsten Deutschlands gegen Kaiser Karl V., in dem glorreichen Freiheitskampfe der Niederlande gegen Spanien, in der Vertreibung Christian's II. von Dänemark sieht er nur die gerechte und gesetzmäßige Erhebung protestantischer Fürsten und Völker gegen eine drückende Tyrannei und Geistesknechtschaft; und daß die Vereinigten Staaten von Holland seit ihrer Befreiung in Allem so sichtlich prosperirten, sei ein deutlicher Beweis von den segensreichen Folgen eines solchen durchgeführten Kampfes. Die Schriften der Reformatoren liefern ihm reichen Stoff zur Begründung seiner Ansicht. Und da die Presbyterianer gerade darauf den größten Werth legten, daß in einem protestantischen Lande noch nie der Fall vorgekommen, daß ein König von dem Volke ge= richtet worden, so stellt er die Aussprüche der Reformatoren zusammen, um zu beweisen, daß das Nichtvorkommen eines solchen Falles keineswegs die Ungesehmäßigkeit desselben involvire. „Es ist und darf kein Ruhm für ein protestantisches Land sein," sagt er, noch nie einen König zum Tod geführt zu haben, sondern es ist der Ruhm eines protestantischen Königs, noch nie den Tod verdient zu haben. Und wenn das Parlament und der Kriegsrath Das, was sie für ihre Pflicht halten, ohne einen frühern ähnlichen Fall thun, so zeigt es mehr Weisheit, Tugend und Seelengröße, daß sie sich selbst für fähig halten ein

Vorbild zu sein für Andere und insbesondere für ihre Nachkommen, die, wenn sie nicht ganz und gar ausarten, dermaleinst mit Stolz auf diese fleckenlosen und nachahmungswürdigen Thaten ihrer Vorfahren als auf den Höhepunkt ihres bürgerlichen Ruhms blicken werden.“ Es wird ein warnendes Beispiel sein, daß in künftigen Zeiten kein unbeschränkter Monarch oder Tyrann, der auf seine eigene Wohlfahrt bedacht ist, sich eine so hohe und unverantwortliche Gewalt über die Menschheit anmaßt, sodaß er ganze Reiche verheert und umkehrt, als ob die Nation nichts wäre als ein Ameisenhaufen“.

Luther und die deutschen Reformatoren liefern nur wenig Aussprüche gegen die absolute Fürstengewalt. Ihre Stellung und ihre Scheu vor jeder Vermischung von Zeitlichem und Geistlichem, von Politischem und Religiösem machte ihnen eine kluge Zurückhaltung in solchen delicaten Fragen zur Pflicht oder doch rathsam.

Dagegen sind die Schriften von Zwingli und Calvin, denen die republikanischen Staatsformen, unter welchen sie lebten, eine freiere und rücksichtslosere Kundgebung ihrer Meinungen gestatteten, angefüllt mit den schärfsten Aussprüchen gegen die unumschränkte Königsmacht, die ihren Ursprung „von Gottes Gnaden" herleite, gegen tyrannische Herrscher, die dem Gewissen der Unterthanen Gewalt anthun, die Gottes Gebote übertreten, die Gesetze des Staats umkehren und die heiligen Rechte der Menschheit, die Christus durch sein Blut erkauft, verachten. In allen diesen Fällen wird den Unterthanen das Recht zugesprochen, wenn die Wege der Milde, der Bitten und Vorstellungen nichts fruchten, sich mittels der eigenen Kraft zu befreien und ihren Dränger abzuseßen, zu vertreiben, zu tödten.

Noch reichhaltiger fließen die Quellen bei den Begründern der schottischen Kirche, bei Knox, Buchanan, Goodman u. A., und da Milton durch diese Autoritäten die Presbyterianer am sichersten widerlegen, sie mit ihren eigenen Waffen schlagen konnte, so weilt er am längsten bei diesen. Es war keine schwierige Aufgabe, aus Knox' „Trompetenstoß gegen das Weiberregiment“, aus Buchanan's berühmter Abhandlung »>De jure Regni«, aus Goodman's Schrift „Von dem

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