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gefunden als Latimer, ihn in der Predigt mit den erfundenen Beschuldigungen zu belasten und ihn dadurch bei dem Volke um seine Ehre zu bringen. Cranmer, einer von des Königs Testamentsvollstreckern, und die übrigen Bischöfe gaben, dem Ehrgeize eines Verräthers zu Gefallen ihre Einwilligung zu dem Unternehmen, nicht blos Maria, die Papistin, sondern auch Elisabeth, die Protestantin, von der Thronfolge auszuschließen, obschon beide von ihnen früher als die rechtmäßigen Nachkommen ihres Herrn und Meisters anerkannt worden waren." Dabei hebt er hervor, daß der junge König einen reinern Begriff von dem echten Christenthum gehabt habe als seine geistlichen Rathgeber.

Daß die Reformation auch unter Elisabeth den Charakter der Halbheit bewahrt habe, leitet Milton zum Theil von politischen Rücksichten und Zeitverhältnissen, hauptsächlich jedoch von den Rathschlägen und Eingebungen der Bischöfe her, die durch allerlei Beweggründe die Königin zur Beibehaltung ihrer eigenen Genußsucht, Ehrbegierde und Herrschgier dienenden Einrichtung bewogen hätten.

Dann geht Milton zu dem Hauptzweck der Schrift über, nämlich zu der Beweisführung, daß die Wahl aller Geistlichen ohne Unterschied des Ranges dem Volke zukomme. Im Anfange seien die Bischöfe von der Gemeinde gewählt worden und weder an Würde noch Reichthum über den Presbyteren gestanden; daß man aber schon frühe in der Kirchenverfassung von der apostolischen Vorschrift und Sitte abgegangen, rühre von der seit Konstantin eingetretenen Verderbniß der Kirche und Verfälschung der Christuslehre her; die Schenkung dieses ersten christlichen Kaisers sei für die Kirche das Gefäß der Pandora gewesen; von dem an sei Hoffahrt und Weltlust in den Klerus gedrungen und habe den Geist aller Kirchenmänner dermaßen verdunkelt, daß sie die Wahrheit nicht mehr zu erkennen vermocht hätten. Diese sei daher nicht in ihren Schriften zu suchen, sondern allein in der Bibel, auf die jene selbst, im Gefühl ihrer Irrthümlichkeit, als auf die einzige lautere Quelle der echten Lehre zurückgewiesen hätten.

Ehe Milton im zweiten Buch in seiner Beweisführung gegen das

Weber, Reformationszeit.

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Prälatenthum weiter geht, macht er einige treffliche Bemerkungen über Politik und politische Schriftsteller. Durch falsche Grundsäge und Sophismen hätten diese die Staats- und Regierungskunst zu einem System der Bedrückung, Unterjochung und Erpressung umgeschaffen. Gut regieren heißt nach ihm, eine Nation zu echter Weisheit und Tugend heranbilden, daß sie dem menschlichen Berufe, Gott ähnlich zu werden, nachkomme; „dies sei die wahre Blüthe eines Landes das übrige folge diesem, wie der Schatten der Substanz“. „Der Staat sollte einem einzigen großen Christenmenschen gleichen; er sollte das Wachsthum und die Gestalt eines ehrlichen Mannes an sich tragen, an Tugend wie an Körper gleich mächtig und abgeschlossen; denn die Ursachen und Grundlagen des Glückes sind diefelben im Einzelnen wie im Gemeinwesen." Dem Staat oder der Monarchie, folgert er daraus, kann demnach nichts heilsam und ersprießlich sein, was nicht auch dem echten Christen gut und zuträglich wäre; das Episcopalsystem sei aber beiden nachtheilig und bringe der Monarchie wie dem Christenthum Schaden.

Nach dieser Einleitung zieht Milton gegen die Behauptung der Stuarts und ihrer Anhänger, daß das monarchische Princip in der bischöflichen Kirche seinen Halt und seine Stüße habe, und daß folglich Königthum und Episcopat unzertrennlich seien, mit starken Waffen zu Felde. Er weist aus der Geschichte des Alterthums nach, daß die Priestermacht stets der Königsmacht feindselig gegenüber gestanden und sie zu schwächen gesucht; er zeigt, wie das Papstthum nur durch Abfall von den bilderstürmenden byzantinischen Kaisern und mittels Begünstigung der usurpatorischen Besißnahme der fränkischen Krone durch Pipin und der römischen Kaiserwürde durch Karl den Großen zu seiner Macht und zu seinem weltlichen Besige gekommen, und führt eine Menge geschichtlicher Beispiele an, aus denen klar hervorgehe, daß die bischöfliche Hierarchie stets nur nach Erhöhung der eigenen Macht auf Kosten der Königsrechte und der Staatsgewalt gestrebt habe. Die bischöfliche Kirche habe überall und insbesondere in England nur die Befriedigung der eigenen Herrschsucht im Auge gehabt; sie habe die

Freiheit des Volks unterbrückt, um ihren Despotismus fester zu begründen, sie habe Glaubens- und Gewissensfreiheit in Banden gelegt und fromme Männer durch Druck und Verfolgung zur Flucht nach Amerika getrieben, um in ihrer Herrschaft keinen Widerstand zu er fahren; sie habe sich nur dann an den Thron angeschlossen, wenn dieser willig und bereit gewesen wäre, ihren ehrgeizigen Bestrebungen zu dienen. Weit entfernt also, so folgert er, daß die bischöfliche Kir chenform das monarchische Princip in England gehoben und gestützt habe, seien durch die Ränke der Hierarchie und den Uebermuth der Prälaten dem Throne die größten Stöße und Erschütterungen bereitet worden. Nicht der Episcopat, sondern die Gerechtigkeit, nicht ein ceremonienvoller Cultus, sondern häusliche und bürgerliche Tugend, nicht ein prunksüchtiger, schwelgerischer Prälatenstand, sondern ein einfaches, sittsames und kräftiges Volk seien die Stüßen und Säulen der Throne und Reiche. Solche Staaten hätten Kraft und Freiheit zur Unterlage, und wenn die Schotten und Engländer auf dem betretenen Wege in Eintracht fortschritten, so könnten sie dem brittischen Reiche diese edeln Güter erwerben. Zu dieser einträchtigen Beharrlichkeit ermuntert sie Milton in folgenden Worten: „Gehet voran, Hand in Hand, ihr beiden Nationen, und laßt euch nie trennen! Seid das Loblied und der Heldengesang der Nachwelt: verdient es zu sein; aber strebt nur nach Tugend, nie nach Erweiterung euerer Grenzen (denn was nüßt es, einen welken Siegeslorber aus den Thränen unglücklicher Menschen zu gewinnen?) und bemüht euch, den reinen Gottesdienst in der Kirche, die Gerechtigkeit im Staat herzustellen. Dann werden euch die härtesten Mühseligkeiten sanft werden; der Neid wird in die Hölle fahren, List und Bosheit werden zu Schanden werden, mag es einheimisches Unheil oder auswärtige Arglist sein; ja, fremde Völker werden dann um euere Gunst buhlen und euch dienen: denn Herrschaft und Sieg sind nur die Dienstmannen der Tugend und Gerechtigkeit. Ueberlasset ruhig der Weisheit die Besiegung und Entwaffnung der List und Intrigue, die nur ihre zwei abtrünnige Widersacher sind. Vereinigt euere unüberwindliche Macht zur Vollbringung würdiger und göttlicher Thaten;

und wer euern Bund zu brechen sucht, den soll ein von Geschlecht zu Geschlecht forterbender Fluch treffen !“

Die zwei nächsten Schriften: „Ueber Prälatenthum und Episcopat“, und „Ueber die Einrichtung des Kirchenregiments" sind kritische Widerlegungen zweier im Interesse des Episcopats geschriebener Flugschriften: „Eine bescheidene Vorstellung an den hohen Parlamentshof“ von Bischof Hall und „Die apostolische Einsetung des Episcopats“ von dem gelehrten Erzbischof Usher.

Die zunehmende Macht der Presbyterianer und Puritaner in dem kurz zuvor einberufenen „Langen Parlament“ erfüllte die Bischöfe mit gerechter Besorgniß über die Zukunft der Episcopalkirche, welche täglich in Schrift und Rede heftige Angriffe zu erleiden hatte. In frühern Jahren würden die Bischöfe in ihrem Stolz die Angriffe entweder nicht beachtet oder unterdrückt haben. Aber der Geist der Zeit war ein anderer geworden; die öffentliche Meinung, die sich in freien Aeußerungen erging, ließ sich nicht mehr durch Machtsprüche gebieten, sie machte den Bischöfen zur Pflicht, sich auf den von ihren Gegnern betretenen Kampfplatz zu begeben und ihre Sache mit denselben Waffen zu vertheidigen, mit denen sie angegriffen ward, mit Vernunftgründen und historischen und biblischen Beweisstücken.

Die aus einer unvollständigen und unterbrochenen Reformation hervorgegangene anglicanisch-bischöfliche Kirche war nicht, wie die lutherische, oder gar die zwinglische und calvinische Kirchenordnung, auf das apostolische Zeitalter und die evangelischen Schriften zurückgegangen, sondern sie nahm, da sie zunächst nur die Vernichtung der päpstlichen Autorität im Auge hatte, diejenige Periode der allgemeinen christlichen Kirche zum Ziel und Ausgangspunkt, wo der römische Bischof noch nicht die ganze Kirchengewalt an sich gerissen hatte, wo die von den Kaisern einberufenen Concilien noch legislative Macht besaßen und die Landesbischöfe in der Ausübung ihrer unabhängigen Jurisdiction noch nicht beschränkt waren. Diesen Zeitpunkt fanden die englischen Reformatoren und Schriftsteller in den drei Jahrhunderten, die zwischen Konstantin's Alleinherrschaft und Pipin's Thronbesteigung und Schen

kung lagen, daher sie auch bei Begründung der anglicanischen Kirche nur auf diesen Zeitpunkt zurückgingen und allen Einrichtungen, Saßungen und Zuständen, die sich auf die sechs ersten Jahrhunderte des Christenthums zurückführen ließen, göttlichen Ursprung und echtchristlichen Charakter beilegten. Dahin gehörte nun vor allem die durch Rang, Würde, Macht und Reichthum ausgezeichnete bischöfliche Hierarchie, die in zeitlichen Dingen unter dem König stand, in geistlichen aber nur die aus ihren Standesgenossen gebildete allgemeine Kirchenversammlung als gesetzgebend ansah. In dieser Hierarchie war der römische Bischof nur ein Glied, dessen Macht und Jurisdiction nicht über die Grenzen des römischen Bisthums reichte. Diese Auffassung der kirchlichen Verfassungsfrage wies der englischen Kirche eine mittlere Stellung an zwischen den protestantischen Kirchen des Continents, die in Lehre, Cultus und Verfassung auf das apostolische Zeitalter zurückgingen, und der römisch-katholischen Kirche, die in dem erst während des Mittelalters zur vollen Ausbildung gekommenen Papstthum mit dem Hohen Rathe der Cardinäle die von Gott verordnete kirchliche Obrigkeit erblickte. Nur infolge dieser Auffassung konnte die englische Kirche sich den Charakter der echt-katholischen beilegen, indem sie auf dem Boden der Kirche wurzele, ehe diese durch menschliche Zusäße entstellt worden sei, und der römisch-katholischen den Vorwurf machen, sie sei in schismatischer Richtung von der wahren Bahn abgewichen. Diese Anschauung, worauf der Glaube an die ununterbrochene Bischofweihe beruht, sowie die Ansicht, daß ihre Kirche nicht, wie die protestantischen, auf Privaturtheil und willkürlicher Auslegung der heiligen Schrift gegründet sei, sondern daß sie stets den heiligen Geist, den Christus seiner Kirche verheißen, in sich getragen habe, ist das charakteristische Kennzeichen, das specifische Kriterion der anglicanischen Episcopalkirche. Dieses Kriterion bildet den eigentlichen Kern und Mittelpunkt der englischen Kirche, daher auch alle „Hochkirchlichen“ dieses ihrem stolzen Selbstgefühl so sehr zusagende Dogma stets mit der größten Entschiedenheit verfochten haben.

In der ersten Gegenschrift sucht nun Milton mit gelehrten Be

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