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worfen, als der Rest des Volks dem König oder der höchsten Obrigkeit." (Die Freimachung von Grund und Boden, die große Errungenschaft der Französischen Revolution, wurde also damals auch gewünscht und erstrebt, aber nicht erzielt!)

„Wir haben geharrt auf die Freiheit, aber sie muß Gottes Werk sein, nicht das der Menschen, die Gefallen finden an der Erhaltung ihres Stolzes und ihrer weltlichen Interessen, um dem Fleisch zu dienen, unbekümmert um die köstliche Freiheit des Menschengeschlechts. Aber wir wollen nicht verzweifeln, sondern unsere Schuldigkeit thun; Gott wird das segensvolle Werk hinausführen, troß aller Widersacher und zu ihrem eigenen Verderben, so sie bei ihrem Thun verharren.“ Erst als Milton bemerkte, daß der schleichende Heuchler Monk auf die Restauration des Königthums sinne und die Rückkehr der Stuarts betreibe, erhob er noch einmal seine Stimme zur Erhaltung der Freiheit und der republikanischen Staatsform. Sie blieb ohne Wirkung. Der Schluß des Schicksals mußte erfüllt werden; und Milton lebte noch lange genug, um die Reaction mit allen ihren Schrecken und Orgien zu schauen, aber auch noch lange genug, um aus der wachsenden Opposition der Whigpartei eine neue erfolgreiche Revolution vorauszusehen. Die Restauration gewährte ihm die Muße, durch eine große epische Dichtung, wozu er den Gedanken von Jugend auf in sich getragen, seinen Namen zu verewigen und den Ruhm der Nation zu verherrlichen.

3. Schriften über Kirchenordnung und Episcopat.

Von der Reformation in England. Ueber Prälatenthum und Episcopat. Ueber die Einrichtung des Kirchenregiments. Bemerkungen gegen den Remonstranten. Apologie für Smectymnuus. Ueber Regierungsgewalt in kirchlichen Dingen. Ueber die Mittel, Miethlinge aus der Kirche zu entfernen.

Wie wir aus Milton's Lebensabriß gesehen haben, widmete er nach seiner Rückkehr aus Italien seine erste publicistische Thätigkeit den kirchlichen Streitfragen, die damals die aufgeregten Gemüther vorzugsweise beschäftigten. Bei dem großen Eifer der Stuarts für die Episco

palkirche, mit deren Bestand sie die Interessen der Monarchie aufs innigste verknüpft dachten, war es natürlich, daß die wachsende Opposition wider den drohenden Absolutismus des Königthums zunächst ihre Kritik gegen die bischöfliche Kirchenverfassung richtete, um dadurch einen Angriffspunkt gegen das ganze Regierungssystem der Stuarts zu finden. War ihr Schiboleth: „kein Bischof, kein König“, oder wie die Losung des heutigen Romanismus lautet: „Thron und Altar“, in seinen Grundfesten erschüttert, so wankte das ganze künstliche Gebäude. Es war nicht Plan und Absicht, welche die Oppositionspartei zunächst zur Bekämpfung der kirchlichen Politik der englischen Königsfamilie trieb, es war vielmehr der richtige Instinct des Volks, der die schwächste und verhaßteste Seite des Regierungssystems zum Angriffspunkt wählte. Nichts hatte den Stuarts in England und Schottland größern Haß zugezogen und mehr Feinde bereitet, als die brückende Cäsareopapie, der die edelsten Rechte des Menschen verlezende Glaubens- und Gewissenszwang; und nichts ist schwieriger und unhaltbarer, als aus der heiligen Schrift oder aus der Kirchengeschichte und ihren Urkunden die Beweisgründe für die ausschließliche Richtigkeit irgend einer religiösen oder kirchlichen Ansicht von praktischen Folgen aufzustellen. Denn darin besteht eben der Charakter des Christenthums als einer Weltreligion, daß es sich mit den verschiedensten Formen verträgt, daß dasselbe an keine äußere Manifestation geknüpft ist, der christliche Kern und Geist in den verschiedenartigsten Gestalten und Erscheinungen enthalten sein fann. Jeder Versuch also, eine bestimmte concrete Kirchenform als die specifisch-christliche und die alleinberechtigte hinzustellen, wird immer scheitern, zumal wenn sie ihre Rechtfertigung nicht auf die bloße Macht des Bestehens, auf Herkommen und Tradition gründet, sondern auch Vernunft, Schrift und Geschichte zu Hülfe zuft. Der Widerspruch und Widerstand wird um so größer werden, je mehr die Vertheidiger und Schirmherren einer solchen bestimmten Form durch Anwendung äußerer Gewalt ihrem Systeme allgemeine Geltung zu verschaffen und die Freiheit des Gewissens, das Recht des eigenen Forschens, Prüfens und Wählens zu vernichten oder zu verkümmern trachten.

Noch größer erscheint der Zwang, wenn man aus einzelnen biblischen Aussprüchen Beweisgründe herleiten will, daß die monarchische Staatsform die dem Christenthum am meisten entsprechende bürgerliche Ordnung wäre. Die größtentheils allgemein und unbestimmt gehaltenen Stellen, worin die Apostel von weltlicher Obrigkeit sprechen, lassen sich auf jede rechtmäßige Obrigkeit, sofern sie nur die ewigen göttlichen und menschlichen Gesetze achtet, anwenden; und die heilige Schrift wie die Geschichte beweisen zur Genüge, daß das Christenthum sich mit jeder Staatsform verträgt; ja daß, wenn man die im alten Testament vorwaltende politische Grundanschauung auch beim neuen als noch vorhanden ansehen darf, der republikanisch-patriarchalischen Regierungsform in den Augen Gottes der Vorzug vor der monarchischen zukommt, und daß die irdische Königsgewalt stets in bestimmter Unterordnung unter die den Menschen von Gott verliehenen Saßungen und Geseße erscheint. Gerade die gottesfürchtigen und streng religiösen Männer mußten daher an dem Verfahren der Stuarts und ihrer bischöflichen Adjutanten, die bestehende Staats- und Kirchenform mit einem Heiligenschein zu umgeben und zum Gegenstand einer gößendienerischen Verehrung zu machen, großes Aergerniß nehmen, zumal da sie in den Trägern dieser Staatsund Kirchenidee so wenig Göttliches zu erblicken vermochten. Es kam ihnen als eine Profanation der heiligen Schrift vor, daß man ein System, das so sehr die Wahrzeichen menschlicher Unvollkommenheit und menschlichen Ursprungs an sich trug, auf Gottes Wort und Sagungen zurückführen wollte und es war daher ganz natürlich, daß sie zuerst den Schleier, in den das Idol gehüllt war, zerrissen, daß sie als menschliches Machwerk hinstellten was für göttliche Sagung ausgegeben ward, daß sie das phantastische Gebilde in seine Bestandtheile zerlegten und es den Augen des Volkes in seiner nackten Gestalt als ein formloses Wahngebilde zeigten, dem keine Ehrfurcht gezollt werden dürfte.

Aus diesem Gesichtspunkte sind Milton's erste Flugschriften gegen das bestehende Staats- und Kirchensystem zu betrachten. Sie haben zunächst den Zweck, auf dem Wege der gelehrten Beweisführung dar

zuthun, daß die bischöfliche Kirchenform weder eine göttliche Einsetzung noch eine dem echten apostolischen Christenthum entsprechende Ordnung sei; daß die anglicanische Episcopalkirche voller Schäden und Gebrechen sei und einer neuen Reformation bedürfe, daß die bischöfliche Kirche, weit entfernt das Königthum zu stüßen, von jeher gestrebt habe, die weltliche Obrigkeit zu schwächen und sich selbst alle Macht beizulegen. Dieses dreifache Ziel liegt Milton's sämmtlichen Flugschriften kirchlichen Inhalts zu Grunde; aber der „rothe Faden“ der durch alle durchzieht und ihnen den revolutionären aufreizenten Charakter verleiht, ist der grenzenlose Haß gegen das Episcopat und dessen Träger; die Propheten im alten Israel haben nicht stärker gegen die Baalpriester gesprochen und geeifert als Milton und seine puritanischen Gesinnungsgenossen gegen die englischen Bischöfe und das ganze Prälatenthum. Alle Uebel der Kirche und der Gesellschaft leitet er mehr oder minder von dem Eigennug, der Hoffahrt, der Selbstsucht, der Sinnlichkeit, dem Uebermuth, der Charakterlosigkeit und den übrigen Lastern und Untugenden der Prälaten ab.

Nach dieser Darstellung des gemeinschaftlichen Charakters dieser kirchlichen Polemik wird es genügen, den Inhalt und Gang der einzelnen Schriften in einigen kurzen Andeutungen anzugeben, um für die wichtigern Flugschriften politischer Natur mehr Raum zu gewinnen. Die erste schon im Jahre 1641 verfaßte Schrift handelt von der Reformation in England und den Ursachen, die ihre vollständige Durchführung bisher verhindert haben, in zwei an einen Freund gerichteten Büchern. Nach einer etwas schwülstigen und rhetorisch gefärbten Einleitung über den Aberglauben und die religiöse Versunkenheit des Mittelalters preist er das Loos Englands, daß es von Gott besonders ausersehen worden, die entartete Kirche in ihrer Reinheit wiederherzustellen.7) Denn zu einer Zeit, wo noch das ganze übrige Europa in der Nacht des päpstlichen Aberglaubens gelegen, habe in England bereits John Wicleff eine Fackel angezündet, die, wenn sie auch durch den Papst und seinen Anhang auf einige Menschenalter wieder ausgelöscht worden, doch als Leuchte für alle folgenden Reformationen ge

dient habe. Hierauf beleuchtet er in einigen großen Zügen die Reformation der englischen Kirche unter Heinrich VIII., Eduard VI. und Elisabeth, in der Absicht, aus der Unvollständigkeit und Mangelhaftigkeit des Unternehmens die Nothwendigkeit einer neuen gründlichen Durchführung des Werks darzuthun. Die Hauptgebrechen der englichen Kirche sieht er in der Beibehaltung der Ceremonien und der Bischofswürde, wodurch man das Volk des ihm gebührenden Rechts der Priesterwahl beraubt habe. Dieser Charakter sei der anglicanischen Kirche durch vie von weltlichen Motiven geleiteten Begründer aufgedrückt worden. Heinrich VIII. habe die Reformation nur als ein Mittel zur Befriedigung seiner Sinnlichkeit, seines Herrscherstolzes, seiner Habgier und Genußsucht angesehen, keineswegs als ein göttliches Werk zur Reinigung der Kirche und zur Verherrlichung des Namens Jesu. Die durch ihn begründete Kirche sei von der päpstlichen wenig verschieden gewesen; sie habe die Ceremonien und das ausschließliche Ordinatsrecht der Bischöfe bestehen lassen. „Unsere Ceremonien“, sagt Milton, „sind ihrem Wesen nach ohne Sinn und dienen zu nichts, als entweder unsere Rückkehr zum Papismus zu erleichtern oder den Mangel besserer Erkenntniß zu verbergen und den Pomp des Prälatenthums zu heben." Was die Bischöfe betreffe, so seien die meisten von ihnen sehr schwach gewesen ; „sie hätten den Papst abgeschworen und doch mit dem Papstthum ge= buhlt und dessen Ansehen unter sich getheilt". Die Charakterlosigkeit der Bischöfe und ihre Connivenz gegen die Begierden und Leidenschaften der Mächtigen sei besonders unter Eduard VI. recht zu Tage ge= kommen.

„Die Bischöfe wurden gewöhnlich als Hebel gebraucht, um vermittelst ihrer feilen Würde irgend einen beabsichtigten Staatsstreich burchführen zu helfen. Wenn für die Prinzessin Maria die Gestattung ihrer Messe bewirkt werden sollte, damit Kaiser Karl V. nicht zürne, wer sonst wurde abgeschickt als die ehrwürdigen Prälaten Cranmer und Ridley, um von dem jungen König die Erlaubniß zu erpressen? Als Lord Sudley, Admiral von England und Bruder des Protectors, gegen alles Recht sein Leben verlieren sollte, so wurde Niemand geeigneter

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