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zu. Meine Augen waren von Natur schwach und ich war häufigen Kopfschmerzen ausgesezt; was jedoch die Glut der Wißbegierde nicht abzukühlen, noch den Gang meiner Ausbildung zu hemmen vermochte. Mein Vater ließ mich täglich unterrichten sowohl in der lateinischen Schule als durch Privatlehrer zu Hause. Nachdem ich in verschiedenen Sprachen hinreichende Kenntnisse erworben und nicht unbeträchtliche Fortschritte in der Philosophie gemacht hatte, schickte er mich nach Cambrigde auf die Universität. Hier folgte ich sieben Jahre lang dem gewöhnlichen Lauf des Unterrichts und Studiums, zur Zufriedenheit aller Guten und ohne auf meinen Charakter irgend einen Flecken zu bringen, bis ich den Doctorgrad empfing. Dann kehrte ich in meines Vaters Wohnung zurück, zum großen Leidwesen der meisten meiner Collegiengenossen, die mir viele Beweise von Freundschaft und Achtung gegeben. Auf dem Landgute meines Vaters, wo dieser den Rest seiner Tage zubrachte, genoß ich einer kurzen, ununterbrochenen Muße, welche ich ausschließlich der Lectüre der griechischen und römischen Classiker widmete, obwol ich auch gelegentlich die Hauptstadt besuchte, sei es, um mir Bücher zu kaufen, sei es, um mir neue Kenntnisse zu erwerben in der Mathematik oder Musik, in der ich damals eine reiche Quelle von Freude und Erholung fand. Auf diese Weise verlebte ich fünf Jahre bis zu dem Tode meiner Mutter. Dann bekam ich Lust, fremde Länder zu besuchen, besonders Italien, den vielgepriesenen Siß der Cultur, die gastliche Wohnstätte jeder Art von Bildung. Mein Vater gab seine Einwilligung und ich verließ die Heimath, begleitet von einem Diener." (Mehrere kleinere Gedichte, Sonette, Oden, in englischer und lateinischer Sprache, hatten bereits große Erwartungen rege gemacht und die allgemeine Aufmerksamkeit auf Milton gelenkt. Diese Reise fand statt im Jahre 1638.)

„Bei meiner Abreise gab mir der berühmte Henry Wootton, der lange Zeit König Jakob's I. Gesandter in Venedig gewesen, einen glänzenden Beweis seiner Achtung, indem er mir einen eleganten Brief schrieb, der nicht allein die wärmste Freundschaft athmete, sondern auch einige gute Lehren und Verhaltungsregeln enthielt, die mir auf meiner

Reise großen Nutzen gewährten. Der edle Thomas Scudamore, König Karl's Gesandter in Paris, an den ich Empfehlungsbriefe hatte, nahm mich sehr zuvorkommend auf. Der Lord führte mich bei dem gelehrten Hugo Grotius, dem damaligen Gesandten der Königin ven Schweden am französischen Hofe, ein, nach dessen Bekanntschaft ich großes Verlangen trug, und als ich nach einigen Tagen meine Reise nach Italien fortsetzte, versah er mich mit Briefen an die englischen Kaufleute auf meinem Wege, daß sie mir alle in ihrer Macht stehen. den Gefälligkeiten erweisen möchten. In Nizza bestieg ich ein Schiff, langte in Genua an und besuchte dann Livorno, Pisa und Florenz. In letterer Stadt, welche ich wegen der Eleganz ihres Dialekts, wegen ihres Geistes und ihres Geschmacks ganz besonders schäzte, hielt ich mich etwa zwei Monate auf. Während dieser Zeit schloß ich eine intime Freundschaft mit vielen Personen von Rang und Gelehrsamkeit und war ein beständiger Genosse ihrer literarischen Unterhaltungen, eine Sitte, die dort herrschend ist und sehr viel zur Verbreitung der Bildung und zur Befestigung der Freundschaft beiträgt. Keine Zeit wird jemals die angenehmen Erinnerungen verwischen, die ich an Jakob Gaddi, an Carlo Dati, an Frescobaldo, Cultellero, Bonomatthai, Clementillo, Francisco und viele andere im Herzen trage."

„Von Florenz ging ich nach Siena, von da nach Rom. Nachdem ich hier etwa zwei Monate zugebracht, um die Alterhümer dieser berühmten Stadt zu besehen, wobei mir Lukas Holstein, (Bibliothekar in der Vaticana) und andere gelehrte und geistreiche Männer die größte Aufmerksamkeit erwiesen, seßte ich meine Reise nach Neapel fort. Hier wurde ich von einem Klostergeistlichen, mit dem ich von Rom aus die Reise gemacht, bei Johann Baptista Manso, Marquis von Villa, eingeführt, einem Edelmann von hohem Rang und Ansehen, dem Torquato Tasso, der berühmte Dichter, sein Buch von der Freundschaft gewidmet hat. Dieser gab mir während meines Aufenthalts große Beweise seiner Achtung: er selbst führte mich in der Stadt herum und zu dem Palast des Vicekönigs; und mehr als einmal besuchte er mich in meiner Wohnung. Bei meiner Abreise entschuldigte er sich ernstlich, daß er

mir nicht noch mehr Höflichkeit erwiesen; er habe sich zurückhalten müssen, weil ich mit so wenig Vorsicht über religiöse Dinge gesprochen hätte. Als ich Anstalten traf, um nach Sicilien und Griechenland überzusetzen, bewogen mich die traurigen Nachrichten über die bürgerlichen Bewegungen in England, meinen Plan zu ändern; denn ich hielt es für unwürdig, zu meinem Vergnügen im Auslande umherzureisen, während meine Mitbürger zu Hause für die Freiheit kämpften.“

„Auf meiner Rückreise sezten mich einige Kaufleute in Kenntniß, daß die englischen Jesuiten in Rom ein Complot gegen mich geschmiedet hätten, wegen meiner freien Aeußerungen über Religion. Ich hatte mir es allenthalben zur Regel gemacht, nie zuerst eine Unterredung über Religion anzufangen, aber wenn Fragen hinsichtlich meines Glaubens an mich gestellt wurden, mich ohne allen Rückhalt oder Furcht zu äußern. Ungeachtet dieser Warnung kehrte ich doch nach Rom zurück. Ich that keinen Schritt, weder meine Person, noch meine Ansichten zu verbergen, und während der zwei Monate meines zweiten Aufenthalts vertheidigte ich ebenso öffentlich, wie zuvor, die reformirte Religion mitten in der Hauptstadt des Papstthums. Mit Gottes Hülfe kam ich wohlbehalten wieder in Florenz an, wo ich mit so vieler Liebe empfangen wurde, als wenn ich in meine Heimath zurückgekehrt wäre. Nachdem ich hier abermals zwei Monate verweilt und einen Ausflug von einigen Tagen nach Lucca unternommen hatte, überstieg ich die Apenninen und ging über Bologna und Ferrara nach Venedig. In dieser Stadt hielt ich mich einen Monat auf, um die Merkwürdigkeiten zu betrachten, ließ meine Bücher, die ich in Italien gesammelt, auf ein Schiff bringen und reiste dann über Verona, Mailand und an den Ufern des Lemanischen Sees hin nach Genf. Der Name dieser Stadt erinnert mich wieder an die Verleumbungen meiner Gegner und zwingt mich, Gott zum Zeugen anzurufen, daß ich an allen diesen Orten, wo das Laster so wenig unterdrückt und mit so wenig Scham geübt wird, nie von dem Pfade der Rechtschaffenheit und Tugend abgewichen bin und daß ich stets bedachte, daß, wenn mein Betragen auch vor den Augen der Welt verborgen bleiben möchte, es doch nicht der Allwissen

heit Gottes entgehen könnte. In Genf hatte ich täglich Unterredungen mit Johann Deodati, dem gelehrten Profeffor der Theologie. Dann segte ich meine Reise durch Frankreich fort und kehrte nach einer Abwesenheit von einem Jahr und brei Monaten in mein Vaterland zurück, gerade zu der Zeit, als Karl, nachdem er den Frieden gebrochen, mit den Schotten den sogenannten Bischofskrieg erneuerte, der ihn endlich, als die Royalisten in dem ersten Treffen geschlagen wurden und die Engländer allgemein und mit Recht sehr verstimmt waren, in die Nothwendigkeit versezte, ein Parlament einzuberufen.“

„Bald nach meiner Rückkunft miethete ich ein geräumiges Haus in der Stadt für mich und meine Bücher, wo ich wieder mit glühendem Eifer meine literarischen Beschäftigungen vornahm und im Vertrauen auf die weise Führung der Vorsehung und den Muth_des Volks ruhig den Ausgang des großen Kampfes abwartete. Die Kraft des Parlaments hatte angefangen den Stolz der Bischöfe zu demüthigen. Viele Stimmen erhoben sich theils wider die Laster der Einzelnen, theils wider den ganzen Stand. Man fand es unrecht, daß England allein von der reformirten Kirchenform abweiche, und forderte eine Umgestaltung derselben nach dem Vorbilde der übrigen reformirten Kirchen und insonderheit nach dem Worte Gottes. Dies weckte meine Aufmerksamkeit und meinen Eifer. Ich sah, daß sich ein Weg öffnete für die Begründung wahrer Freiheit, daß hier das Fundament gelegt werden könnte zur Erlösung der Menschen von dem Joche der Knechtschaft und des Aberglaubens; daß die religiösen Fragen, denen die Aufmerksamkeit damals vorzugsweise zugewendet war, einen heilsamen Einfluß auf die Zustände und Einrichtungen des Staats üben würden; und da ich von Jugend auf über die Verhältnisse von Kirche und Staat nachgedacht, so gelangte ich zu der Ueberzeugung, daß, wenn ich jemals nüglich sein wollte, so dürfte ich mich in einer so bedenklichen Krisis meinem Vaterlande, der Kirche und so vielen meiner Mitchristen nicht entziehen. Ich entschloß mich daher alle andern Studien, mit denen ich gerade beschäftigt war, aufzugeben und die ganze Kraft meiner Talente und meines Fleißes diesem einzigen wichtigen Gegenstand zu

widmen. Ich schrieb also zwei Bücher an einen Freund über die Reformation der Kirche von England. In der Folge, als zwei Bischöfe von hervorragender Stellung ihre Privilegien gegen einige puritanische Geistlichen verfochten, hielt ich dafür, daß ich über solche Fragen, zu deren Betrachtung ich allein durch meine Liebe zur Wahrheit und meine Ehrfurcht vor dem Christenthum geführt wurde, wohl eben so gut zu schreiben vermöchte, als solche, die nur für ihre Einkünfte und selbstgeschaffenen Rechte stritten. Ich antwortete daher dem Einen in zwei Büchern „Ueber Prälatenthum und Episcopat“ und „Ueber Kirchenregiment", und dem Andern in einigen „Bemerkungen“ und in einer „Apologie für Smectymnuus". 3) Man hielt dafür, daß ich bei dieser Gelegenheit den Geistlichen, die der Beredsamkeit ihrer Gegner nicht gewachsen waren, eine rechtzeitige Hülfe gebracht hätte, und ich wurde daher von dem an fleißig zur Widerlegung gegnerischer Schriften in Anspruch genommen.“

der

„Als die Bischöfe der Menge ihrer Widersacher endlich erlagen, hatte ich Muße, meine Gedanken andern Fragen zuzuwenden, Begründung echter und wahrhafter Freiheit, welche mehr nach innen als nach außen zu suchen ist und deren Existenz nicht sowohl auf dem Schrecken des Schwerts als auf der Ehrbarkeit des Lebens und Reinheit der Sitten beruht. Da ich nun bemerkte, daß es drei zum Glück des bürgerlichen Lebens wesentliche Arten von Freiheit gebe religiöse, häusliche und bürgerliche - und da ich über die erste bereits geschrieben hatte, die Erreichung der letztern aber das eifrige Bestreben der Vorgesetzten wäre, so beschloß ich meine Aufmerksamkeit zunächst der zweiten Gattung, der häuslichen Freiheit zu widmen. Diese schien

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mir auf drei wesentlichen Fragen zu beruhen, auf den Verhältnissen der Ehe, auf der Erziehung der Kinder und auf der freien Veröffentlichung der Gedanken. Diesen drei Punkten wendete ich daher zunächst mein Nachdenken zu. Ich entwickelte meine Ansichten nicht allein in Bezug auf die Schließung, sondern auch auf die Trennung der Ehe, sofern besondere Umstände die lettere nothwendig machten; ich nahm dabei meine Beweise aus dem göttlichen Gesetze des alten Testaments,

Weber, Reformationėzeit.

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