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nun aber, da er so plöglich und unerwartet dahingegangen war, änderte sich die Sachlage, namentlich da sich König Franz I. von Frankreich ernstlich um die Kaiserkrone bewarb. Jezt konnten die Stimmen, für welche Maximilian schon manche Opfer gebracht hatte, aufs Neue vortheilhaft verwerthet werden. Denn von jeher waren bei der Kaiserfur die Handsalben" von großem Einfluß gewesen. Mancherlei Ursachen wirkten zusammen, um die Aussichten des französischen Bewerbers günstig erscheinen zu lassen. Papst Leo X., mit dem Franz im Jahre 1515 ein Concordat geschlossen, welches beiden Oberhäuptern große Rechte und Vortheile über die gallicanische Kirche gewährte, begünstigte den französischen Monarchen. Schon zu Lebzeiten Maximilians hatte er gegen die Wahl Karls zum römischen König geltend gemacht, daß nach der seit den Tagen der Hohenstaufen befolgten Politik die Krone Neapels nicht dem Herrscher des deutschen Reiches zu Theil werden könne, so daß der Kaiser sich sogar eine Zeit lang mit dem Gedanken trug, die Regierung in den deutschen Erbstaaten niederzulegen und seinen Siz nach Neapel zu verlegen. Nun traten die Sympathien des mediceischen Papstes für den französischen Bewerber noch offener hervor und fanden in Deutschland da und dort Anklang. Die jungen Fürsten Karl und Ferdinand waren fern und Niemand kannte noch ihren Charakter und ihre Fähigkeiten, während der ritterliche König Franz I., der Sieger von Marignano als der geschickteste Führer in dem drohenden Türkenkriege erschien und für die Ehre der römischen Kaiserkrone reichlichen Lohn zu spenden bereit war. Schon das Mittelalter hatte ja Beispiele geliefert, daß fremde Herrscher mit der Kaiserwürde geschmückt wurden. Sant das Kaiserthum zu einem bloßen Titel herab, so hatte der Ehrgeiz und die particularistische Autonomie der deutschen Fürsten um so weiteren Spielraum. Und war denn der burgundisch-spanische Habsburger, der kein Wort Deutsch verstand und die Sprache in seinem ganzen Leben nicht lernte, weniger ein Fremdling, als der französische Monarch? Die Ansichten waren getheilt; bald hatte die Wagschale der einen, bald die der andern Partei die Oberhand. An eine rasche Entscheidung war nicht zu denken; daher mußte

man zur Besorgung der laufenden Geschäfte eine provisorische Anordnung treffen. So wurde denn die Reichsverwesung für den Norden und Often dem Kurfürsten von Sachsen, für den Süden und Westen dem Pfalzgrafen Ludwig bei Rhein übertragen, zweien Fürsten, die für Desterreich nicht gerade wohlgesinnt waren.

Fünf Monate dauerte dieser provisorische Zustand, während welcher Zeit die rivalisirenden Parteien alle Hebel in Bewegung seßten, um die Entscheidung nach der einen oder der andern Seite zu lenken. Wenn Franz seinen Vertrauten, den Admiral Bonnivet mit großen Geldsummen über den Rhein sandte, um in der Pfalz, in Köln, in Trier eine günstige Stimmung zu erwecken und durch Versprechungen aller Art Freunde zu erwerben, so war Margaretha, Maximilians Tochter, die kluge und gewandte Statthalterin der Niederlande, nicht minder thätig, mit Hülfe des Hauses Fugger die Habsburgische Partei zu mehren und anzufeuern.

Diese Wendung der Dinge kam dem Herzog Ulrich von Würtemberg sehr erwünscht. Der interimistische Zustand ließ keine Execution befürchten, und wenn, wie es den Anschein hatte, der ihm befreundete und verbündete König Franz Maximilians Nachfolger ward, so konnte sich Alles günstig für ihn gestalten. In diesem Hochgefühl wohnte er am 19. Januar 1519 in Stuttgart der Todtenfeier des Kaisers an, als ihm gemeldet ward, zwei Reutlinger Handwerker hätten in einem Wirthshaus seinen Achalmer Burgvogt im Streit erstochen. Schon lange trug er dieser Reichsstadt, die dem schwäbischen Bund angehörte, bösen Willen. Reutlinger Bürger hatten manchmal in seinen Forsten gejagt, in seinen Weihern gefischt. Jezt schien die Stunde der Rache gekommen. Alsbald ward zum Aufbruch geblasen; nach achttägiger Belagerung und Beschießung mußte sich die Stadt ergeben. Auf dem Markte nahm der Herzog die Huldigung der Bürgerschaft entgegen, verwandelte die kaiserliche Reichsstadt in eine würtembergische Landstadt unter einem Obervogt und sicherte die neue Erwerbung durch eine starke Besagung.

Die Vergewaltigung einer Reichs- und Bundesstadt war ein

schwerer Landfriedensbruch, der nicht unvergolten bleiben durfte. Herzog Wilhelm von Baiern-München, Sabina's Bruder, rüttelte den schwäbischen Bund aus seiner Saumseligkeit; die Reichsstädte erkannten in Reutlingen ihre eigene Sache und waren thätig und opferwillig; die fränkische und schwäbische Ritterschaft dürstete schon lange nach Rache und Sühne für den hingemordeten Standesgenossen. So kam in Kurzem ein beträchtliches Bundesheer zusammen, dem unter Oberleitung des Herzogs von Baiern berühmte kriegskundige Führer vorstanden, wie Georg von Frundsberg, „der Vater der Landsknechte“, wie Georg Truchseß von Waldburg, wie Johann von Schwarzenberg, gleich ausgezeichnet als Staatsmann, Humanist und Rechtsgelehrter. Bald zog auch Franz von Sickingen, damals kaiserlicher Feldhauptmann, vom Rhein her den Bündischen zu Hülfe, begleitet von Ulrich von Hutten, der sich voll Eifer dem Rachezuge gegen den „Tyrannen“ anschloß. Aber auch der Herzog war wohlgerüstet; zu seinen eigenen Kriegsmannschaften hatte er 12,000 schweizer Soldknechte in Dienst genommen; andere Zuzüge erwartete er von Hessen, von der Pfalz, von Frankreich. Aber seine Hoffnungen schwanden bald dahin: die Schweizer verließen seine Fahne oder kehrten auf dem Marsche um, als die Eidgenossenschaft, auf die Beschwerden Oesterreichs und des Bundes, die Reisläufer abrief; der Pfalzgraf bei Rhein war durch seine Reichsstellung abgehalten, dem Geächteten beizustehen, König Franz wollte nicht durch offene Parteinahme seine Bewerbung um die Kaiserkrone in Gefahr sehen. So kam es, daß das würtemberger Land ohne namhaften Widerstand in die Hände der Bündischen fiel. Am 7. April 1519 capitulirte Stuttgart; am 13. ergab sich Reutlingen sammt der Achalm. Mit Bestürzung vernahm der Herzog im Tübinger Schloß die raschen Erfolge der Gegner er gedachte einmal, seine Sache „auf eine Schlacht und ein Glück in Gottes Namen“ zu sehen; aber sein Kriegsrath mahnte ihn ab, sein ungeübtes Bauernheer den bündischen Truppen entgegenzu stellen. Da empfahl er seine Kinder der Obhut seiner Getreuen und ritt von 20 Reisigen begleitet aus der Veste weg der Pfalz zu, und schon um Ostern ergaben sich Stadt und Burg Tübingen vertragsweise

den Bündischen. Im Laufe des Mai capitulirten auch die Besagungsmannschaften von Hohenneufen und Hohenasperg, als man ihnen freien Abzug gewährte; am Ende des Monats war das ganze würtemberger Land im Besitz des schwäbischen Bundes, und die Herzogin Sabina konnte wieder mit ihrem Paladin Dietrich von Spät in Urach einziehen.

Dieser Verlauf der Dinge in Würtemberg zu Gunsten der habsburger Partei blieben nicht ohne Rückwirkung auf die Kaiserwahl. Die bündischen Kriegsmannschaften, die Franz von Sickingen nach der Flucht des Herzogs in der Nähe von Frankfurt in einem Lager versammelte, wirkten nicht minder nachdrücklich auf die Kurfürsten, die sich im Juni in der Mainstadt einfanden, als die Geldsummen des Fuggerschen Bankhauses und manche persönliche Motive, welche die österreichisch-burgundischen Agenten in das Treffen zu führen verstanden. Frankreich war doch ein gar zu starker Nachbar und der despotische und kriegerische Franz I. ein zu gefährliches Haupt für die Freiheit und Selbständigkeit des Reiches, für die „uralte deutsche Libertät“. Auch die Einmischung des pästlichen Legaten zu Gunsten des fremden Monarchen erregte Bedenken. Das habsburger Geschlecht hatte in so manchen wichtigen Momenten das Reichsbanner geführt, sollte man es jetzt, da so viele große Entscheidungen zu treffen waren, aufgeben und eine neue Dynastie herbeirufen? Diese und andere Erwägungen gaben den Ausschlag. Auf dem Wahltag zu Frankfurt am 28. Juni 1519 wurde Erzherzog Karl von Oesterreich und Burgund, Beherrscher der spanischen Monarchie, von allen Kurfürsten zum deutschen Kaiser gewählt. König Franz hatte nicht eine einzige Stimme. Doch war man zugleich bedacht, in einer Wahlcapitulation oder Handfeste der kaiserlichen Gewalt bestimmte Schranken zu ziehen, die Rechte res Reichs und die Mitwirkung ver Fürsten und Stände im Regimente und Gericht sicher zu stellen und fremdes Kriegsvolk von deutschem Boden fern zu halten.

Unter diesen Verhältnissen konnte ein neuer Versuch des Herzogs Ulrich, mit Hülfe einiger tausend geworbener Landsknechte und im Vertrauen auf die der fremden Herrschaft abgeneigte Stimmung des würtemberger Volkes sich wieder in den Besitz des Herzogthums zu sezen

und den schwäbischen Bund, der sich jetzt der besonderen Gunst Desterreichs und des neuen Kaisers erfreute, zu verdrängen unmöglich gelingen. Die anfänglichen Erfolge, als er Mitte August 1519 über die Grenzen einbrach und seinen Einzug in Stuttgart hielt, zerrannen bald, als die Bünrischen mit gesammelter Heeresmacht ins Feld rückten. Nach einigen unbedeutenden Gefechten verließ Herzog Ulrich zwei Monate später (15. Oktober) abermals als Flüchtling das Land seiner Väter, um bald da, bald dort, meistens in der Schweiz und in seiner burgundischen Grafschaft Mömpelgard am Juragebirg oder auf seiner Schwarzwälder Burg Hohentwiel, nach neuen Gelegenheiten zur Rückkehr zu spähen, indeß die Bündischen wieder in Stuttgart einzogen und ein neues Regiment aufrichteten.

Aber wie sollte der vielköpfige Bund, dem es zunächst nur um Wiedererstattung seiner Kriegskosten und seines Aufwandes zu thun war, das eroberte Land auf die Dauer verwalten und sichern können? Es fiel daher den habsburgischen Parteigängern und Unterhändlern nicht gar schwer, den Bundesrath zu bewegen, daß er in einem am 6. Febr. 1520 zu Augsburg aufgerichteten Vertrag, dem neuen Kaiser Karl V. das Herzogthum Würtemberg zur Verwaltung und freien Verfügung überließ, wogegen dieser versprach, die Glieder des Bundes für die aufgelaufenen Kriegskosten zu entschädigen, die Schulden des Landes zu übernehmen, der Herzogin und ihren Kindern sowie den übrigen Angehörigen der herzoglichen Familie einen anständigen Unterhalt anzuweisen und die Huttenschen, sowie alle durch Ulrich zu Schaden gekommenen Edlen zufriedenzustellen.

So kam Würtemberg an das Haus Desterreich. Christoph, Ulrichs Sohn, wurde zur Erziehung nach Insbruck gebracht und unter die Aufsicht eines Hofmeisters gestellt. Im August 1520 nahm Karl V. als „Herzog“ und „Erbherr des Fürstenthums" Besig von der Landschaft Würtemberg und fügte sie dem schwäbischen Bunde bei. Im nächsten Jahr wurde auf dem berühmten Reichstag zu Worms das Herzogthum Würtemberg nebst den übrigen deutschen Besitzungen Desterreichs dem Erzherzog Ferdinand als „Gubernator und Statthalter“ überwiesen und

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