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mit seiner baierischen Gemahlin Sabina in Unfrieden. Sie war ein hoffärtiges, zänkisches und störrisches Weib, die ihrem Eheherrn viel Aergerniß schuf. Man erzählte sich von heftigen Scenen, die in den Schloßräumen vorgefallen, von argen Mißhandlungen, zu denen sich der jähzornige Ulrich habe hinreißen lassen. Eifersucht steigerte die Verbitterung. Der schöne, wohlgebaute junge Ritter Hans von Hutten, aus einem angesehenen fränkischen Adelsgeschlechte, hatte sich die Gunst des Herzogs und der Herzogin in hohem Grade erworben. Er war der unzertrennliche Genosse Ulrichs bei allen ritterlichen Uebungen, bei seinen Jagdzügen und Lustbarkeiten, er soll sogar manche Nacht das Lager mit ihm getheilt haben. Der Herzog erhob ihn zu seinem Stallmeister und führte ihm die reizende Ursula Thumb, einzige Tochter des einflußreichen Erbmarschalls, als Gattin zu. Für diese junge Frau faßte nun aber Ulrich selbst eine heftige Leidenschaft. Wie Hans von Hutten aussagte, hat der Herzog ihn einst fußfällig und mit ausge= spannten Armen um Gotteswillen gebeten, er möge gestatten, daß er Ursula lieb haben dürfe, denn er könne und wolle nicht von ihr lassen. Diese Rede kam dem Fürsten zu Ohren und reizte seinen Zorn; er war ohnedies schon erbittert und eifersüchtig, weil die Herzogin dem schönen Hojjunker ungewöhnliche Gunst erwies, die ein zärtliches Verhältniß argwohnen ließ. Glaubte doch der Herzog an dem Finger des Ritters den Trauring zu erkennen, den er einst selbst seiner Braut eingehändigt. Bittere Reden waren bereits gewechselt worden, so daß der Vater Hutten dem Sohne rieth, sich mit seiner Gemahlin vom herzoglichen Hofe zu entfernen. Aber sei es, daß Hans von Hutten den Groll des Herzogs nicht für so tief begründet hielt, sei es aus „Truß und Poch“, er verzögerte die Abreise und ließ sich bewegen, an einem Jagdritt in den Böblinger Wald Theil zu nehmen. Hier schickte Ulrich die übrigen Begleiter weg und nachdem er sich von einem Leibdiener Sattelgurt und Sporen hatte fester schnallen lassen, wendete er sich von glühendem Haß erfüllt gegen seinen ehemaligen Liebling, warf ihm Treulosigkeit vor und griff in voller Rüstung den nur mit einem kurzen Degen bewaffneten Ritter an. Der Bedrohte, mehrmals um

ein Gebüsch gejagt, flehte vergebens um Gnade; vorn und im Rücken mit mehreren Wunden bedeckt, stürzte er todt nieder. Darauf schlang der Herzog dem auf dem Boden hingestreckten Leichnam einen Riemen um den Hals, befestigte ihn um ein Schwert und stieß dasselbe neben dem Haupte des Todten in die Erde. Mit diesem sinnbildlichen Hängen wollte er der Tödtung den Schein eines vollstreckten Behmspruchs geben, denn dieses alte heimliche Volksgericht „auf rother Erde" pflegte seine Bluturtheile mit dem schimpflichen Tod des Hängens an einen Baum, in welchen ein Meffer gesteckt wurde, zu vollziehen. Die Jagdgenossen fanden den Leichnam; sie ließen ihn zuerst auf einem Gut des Schwiegervaters Thumb beiseßen, bis er in die Familiengruft nach Franken gebracht werden konnte. Die blutige That, am 7. Mai 1515 in dunkler Waldeinsamkeit vollbracht, trug dem Herzog schlimme Früchte. Der Ermordete gehörte einem der angesehensten Adelsgeschlechter an, das mächtige Gönner und zahlreiche Blutsverwandte zählte. Ein Better desselben war der uns bereits bekannte Ulrich von Hutten, neben Reuchlin das bedeutendste Haupt der deutschen Humanisten. Dieser trat nun in vier von Zorn und Rachsucht durchglühten Reden als Wortführer des gekränkten Geschlechts gegen ruchlose Gewaltthat auf und richtete wider den fürstlichen Mörder so scharfe Pfeile, daß der Name des Getroffenen bei den Zeitgenossen zum sprichwörtlichen Ausdruck für einen Tyrannen ward. Die beleidigte Familie setzte bei dem Kaiser alle Hebel in Bewegung, um ein strenges Strafgericht auszuwirken. Maximilian ließ den ersten Sturm vorübergehen, er entzog dem Beklagten, der persönlich in Augsburg seine Verzeihung suchte, nicht sofort seine alte Gunst, er beförderte die Ausgleichungsversuche, welche des Herzogs Freunde mit den Hutten einleiteten. Bald verschlimmerte sich aber Ulrichs Stellung durch die Flucht der Herzogin. Sabina, welche fünf Tage nach der Blutthat im Böblinger Wald im unteren Schlosse zu Urach ihr zweites Kind, den nachmaligen Herzog Christoph, geboren hatte, zeigte seit dieser Begebenheit die größte Abneigung gegen den Gemahl. Wie viel Eifersucht auf Huttens Wittwe, die im Lande blieb, dabei im Spiele war, oder ob der Ermordete ihrem

Herzen so nahe gestanden, wer kann das wissen? Sie hat in der Folge ihrem Eheherrn arge Mißhandlungen Schuld gegeben;. er sollte sie mit Sporen geritten, Hunde an sie geheßt, ihr das Schwert, womit er Hutten erschlagen, vorgehalten haben; er sollte die Absicht gehabt haben, ein „verheimset und versperrtes Gemach" für sie einrichten zu lassen. Am 24. Nov. 1515 entfloh sie mit Zurücklassung ihrer beiden Kinder heimlich von Nürtingen nach München zu ihrer Mutter und ihren Brüdern, mit deren Hülfe sie den Kaiser zur Bestrafung des verhaßten ruchlosen Mannes zu bestimmen suchte. Zornvolle Flugschriften von Seiten der Hutten-baierischen Partei, begleitet von bildlichen Darstellungen der verbrecherischen That in Holzschnitten steigerten die Erbitterung und machten die Sache zu einem Anliegen der ganzen Nation. Gegenschriften suchten die Anklage zurückzuweisen und die That als ein im Volksrecht begründetes Vehmgericht zu rechtfertigen, so wenig auch der ganze Hergang mit den gesetzlichen Formen dieses damals schon im Untergang begriffenen Instituts sich vertrug. Alle Vermittelungsversuche scheiterten. Schon wurden kriegerische Rüstungen gemacht.

Lange widerstand der Kaiser dem Drängen der Hutten-baierischen Partei. Im September 1516 ordnete er einen Gerichtstag in Augsburg an „zu gütlichem Verhör und Einigung“; allein Ulrich leistete der Vorladung keine Folge, sondern ließ sich durch zwei seiner Räthe vertreten. Der Spruch lautete auf sechsjährige Suspension und Einsetzung eines „verordneten Regiments". Ulrich verwarf das Urtheil, vertrauend auf die Stimmung des würtemberger Volks, das unter einem solchen vielköpfigen Herrenregiment schlimme Tage befürchtete. Da sprach der Kaiser die Acht und Aberacht über den Herzog aus, entband die Prälaten, Ritter und Landschaft ihres Eides und untersagte Jedermann, dem Geächteten Hülfe und Beistand zu gewähren. Jezt schien der Krieg unvermeidlich; in Baiern, Franken und Schwaben wurden Reiter und Fußvolk unter die Waffen gerufen. Dem Kaiser kam jedoch die Sache ungelegen, ein gütlicher Vergleich wäre ihm lieber gewesen. Er verschob daher die „Schärfe“ der Acht und ertheilte dem Cardinal-Bischof von Gurk Vollmacht zu neuen Verhandlungen. Dieser

gewandte Diplomat brachte den Vertrag von Blaubeuren zu Stande. Nach diesem sollte der Herzog im Lande bleiben dürfen, sich aber aller Regierungshandlungen enthalten und ein Sühnegeld an die Hutten entrichten. Der Herzogin Sabina sollte ein standesmäßiger Unterhalt ausgesetzt werden.

So schien sich das Ungewitter zu verziehen. Aber Ulrich von Hutten hörte nicht auf, seine scharfen Geschosse gegen den neuen „Phalaris“ zu schleudern und hielt die Gemüther in steter Aufregung. Selbst die Wittwe des Ermordeten, die ihre Thränen bald getrocknet zu haben. scheint, wurde als Helena und Buhlerin gebrandmarkt. Was der Dichter bezweckte, wurde durch den Herzog selbst gefördert. Erbittert über die Angriffe und Beleidigungen, die von allen Seiten auf ihn einstürmten, ließ er sich zu grausamen und gesetzwidrigen Handlungen hinreißen. Er wüthete mit Folter und Beil gegen alle Räthe, die nicht unbedingt auf seiner Seite standen; an dem Ritter Dietrich von Spät, welcher die Herzogin auf ihrer Flucht begleitet hatte und bei derselben in hoher Gunst stand, rächte er sich durch Zerstörung seiner Schlösser und Dörfer. Den Kaiser erfaßte großer Unmuth; er schalt den Herzog einen wortbrüchigen Verräther und gedachte nun an ernste Bestrafung des ruchlosen Mannes. Ulrich von Hutten wurde in Augsburg von dem hohen Herrn selbst zum Ritter geschlagen und von Peutingers schöner Tochter Constantia mit dem Dichterlorbeer geschmückt (12. Juli 1517). Aber auch jetzt noch verging ein volles Jahr, ehe eine endgültige Entscheidung getroffen ward. Erst auf dem erwähnten Reichs. tag von Augsburg sollte unter vielen andern Angelegenheiten auch die würtembergische Frage gelöst werden. Ulrich war zur Verantwortung vorgeladen worden, als er sich nicht stellte, wurde zum zweiten Mal die Acht über den Friedensbrecher ausgesprochen und der schwäbische Bund zur Vollstreckung aufgeboten.

Ulrich war entschlossen, sich dem Vollzug der Acht mit Gewalt zu widersetzen. Er hatte zu dem Zweckt seine Rüstungen ausgedehnt und in der Schweiz Werbungen veranstalten lassen. Ganz Süddeutschland war in erregter Spannung, wie sich die Dinge im würtemberger Land

gestalten würden. Da drang die Kunde in die Welt, Kaiser Maximilian sei mit Tod abgegangen. Schon in Augsburg hatte er sich unwohl gefühlt. Er war stets gesund gewesen, Unpäßlichkeiten, die hier und da eintreten mochten, hatte er durch starke Leibesübungen und anhaltendes Wassertrinken zu überwinden gesucht. Dieser Gewohnheit gemäß, hatte er auch jetzt die Berge von Tirol und Niederösterreich aufgesucht, um durch Jagen sich zu stärken. Aber in Wels erkrankte er und schon am 11. Januar 1519 schied er aus dem Leben.

Es war ein wichtiges Ereigniß in einem kritischen Moment. Maximilians ganzer Sinn war auf die Hebung und Machtvergrößerung seines Hauses, auf die Errichtung einer Habsburger Universalherrschaft gerichtet gewesen, und diesem Ziele war er nahe genug gekommen. Durch glückliche Heirathen waren die Niederlande, waren Spanien und die italienischen Nebenländer Habsburgische Besitzungen geworden, durch glückliche Heirathen war die Verbindung der böhmisch-ungarischen Königreiche mit Desterreich angebahnt. Den Habsburgern war durch Maximilian eine Weltstellung erworben worden, wie sie Karl der Große nicht besessen. Aber diese Macht wäre unsicher und unvollständig geblieben, wenn nicht das deutsch - römische Kaiserthum seinem Stamme für alle Zukunft zu Theil ward. Darum war es seit Jahren und vor Allem auf dem letzten Reichstag sein eifrigstes Anliegen gewesen, die deutschen Kurfürsten zu bestimmen, daß sie seinem erstgebornen Enkel Karl von Burgundien, welcher kurz vorher sein mütterliches Erbreich in Spanien angetreten hatte, bei der künftigen Kaiserwahl ihre Stimmen geben möchten. Die meisten hatten ihre Zusage gegeben, nur Kursachsen und Trier hatten damit zurückgehalten. Das gute Einvernehmen, das so lange zwischen den Häusern Habsburg und Wettin bestanden, hatte in den letzten Jahren einen Stoß erlitten, als Maximilian, besorgt über den wachsenden Einfluß der sächsischen Herrscherfamilie die Hoffnung auf Erwerb der herzoglichen Lande von Kleve-Berg vereitelt hatte. Wäre es ihm gelungen, noch während seines Lebens den Enkel zum römischen König wählen zu lassen, wie er beabsichtigt hatte, so wäre die Nachfolge in der Kaiserwürde leichter von Statten gegangen;

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