Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Um 6 Uhr marschirten die Grenadiere über das Glacis, sie zwangen die Tambours zu trommeln, damit die Bevölkerung auf ihren gezwungenen Abmarsch aufmerksam gemacht werde. Der Marsch war unregelmäßig, Nationalgarden befanden sich in den Reihen der Grenadiere, eben so Weiber und Civilisten. Die großentheils betrunkenen Grenadiere protestirten fortwährend gegen den Abmarsch. Indessen eilten Nationalgarden und Gesindel im Sturmschritte zur Nordbahn und zur Taborlinie, beseßten den Bahnhof und die Linie, rissen die Eisenbahnschienen heraus und die Telegraphendräthe herab.

Mittlerweile wurde auch in Mariahilf ohne Befehl Allarm geschlagen, und während der Marsch langsam vor sich ging, die Legion aufgefordert, auszurücken und den Bahnhof zu beseßen.

Während des Marsches noch erhielt die das Militär begleitende Nationalgarde die Nachricht, daß der Bahnhof bereits besegt sey. Es wurde ein Theil derselben, welchem sich auch eine Anzahl des Volkes freiwillig anschloß, vorausgeschickt, die Schienen der Bahn auszulösen.

Von allen Seiten strömten Nationalgarden ohne Führer, ohne Commando herbei, reihten sich in die Züge ein, um das Militär im Marschiren aufzuhalten, oder wenigstens demselben den Marsch zu erschweren, und zwar so lange, bis die Garde stark genug geworden wäre, ihnen denselben mit aller Kraft zu verweigern oder zu verwehren. So ging es langsam fort bis zur Ferdinands- oder zur Schlagbrücke, woselbst ein neuer Versuch gemacht wurde, den Weitermarsch zu verhindern, aber erfolglos.

Bis 7. Uhr sah der in der Praterstraße wohnende Plaßoffizier Dunder gegen vierzehn Compagnien Nationalgarden der südlichen Vorstädte sammt ihren Offizieren unter seinem Fenster gegen den Bahnhof marschiren, und begab sich sogleich zum Ober-Commando.

In der Leopoldstadt wurde auf diese Schrecken verbreitenden Vorgänge Allarm geschlagen. Die Grenadiere stießen zu den Nationalgarden, Studenten, Arbeitern und Volk, mehrere Joche der Eisenbahnbrücke wurden abgedeckt, die Balken zu einer Barrikade verwendet, das Liniengitter geschlossen. Viele Arbeiter aus der Specker'schen Fabrik, von der Eisenbahn und andern Etablissements waren anwesend, vergrößerten die Massen, und waren besonders thätig, die Grenadiere im Marschieren zu behindern. Die Grenadiere marschirten vom Bahnhofe zu der Taborlinie um sich von Floridsdorf aus mit der Eisenbahn weiter befördern zu lassen.

Das Bataillon Richter kam zur Taborbrücke und eine Division überstieg sammt der Fahne die Barrikade, der Major an der Spiße, und marschirte der zweiten Brücke zu. Diese Division war von Heß; die andern vier Compagnien dieses Bataillons blieben auf der ersten Taborbrücke zurück, obschon es ihnen

wenig Anstrengung gekostet hätte, sich mit der voranmarschirenden Abtheilung zu vereinigen.

Hier stellte der Bezirks-Chef Braun den Garden abermals vor, sie möchten doch, da die Grenadiere nicht da bleiben werden und wollen (?) nach Hause gehen, aber vergebens. Die Nationalgarde marschirte mit, und beabsichtigte einen pas senden Punkt zu erlangen, woselbst sie vereint mit den bereits vorausgeschickten Garden und Volksmassen, dem Militär einen entschiedenen Widerstand zu leisten im Stande wäre. Der andere Theil der Grenadiere wurde vom Volke und Gar den dadurch zurückgehalten, daß sie den in ihrer Mitte zu Pferde befindlichen General Bredy anhielten, und durch stürmische Reden zu bewegen suchten, die Grenadiere zurückmarschiren zu lassen. Um 7% Uhr kamen einzelne jener Grenadiere, die schon die Brücke passirt hatten, vom jenseitigen Ufer wieder zurück, und schritten einzeln über die Balken. Das Volk begrüßte sie mit Jubel; dieselben mengten sich unter die Garden, sangen, und tranken den ihnen aus den Gasthäufern herbeigebrachten Wein. Es hieß, eine Deputation sey mit der Bitte, das Bataillon solle in Wien bleiben, in die Stadt gezogen und auf diese werde gewartet.

Während dieses vorfiel, verbreitete sich der Allarm - Ruf theils mit, theils ohne Bezirksbefehl in den Vorstädten; Angst ergriff die Bewohner der Refidenz, nach und nach rückten die Plazoffiziere ein, und stellten sich zur Verfügung des Ober- Commando.

Der Bezirks-Chef der Alservorstadt de Vuco et Branco, und der größte Theil der ihm unterstehenden Garden sammelten sich, tadelten das Beginnen der die Grenadiere unterstüßenden Garden und blieben, mit Ausnahme weniger Individuen, die nichts zu verlieren hatten aber zu gewinnen hofften, im Bezirke zum Schuße desselben. Derselbe Fall trat auch bei den meisten andern Bezirken ein. Am jenseitigen Donau-llfer sammelten sich um 8 Uhr Bauern mit Sensen versehen. Die Leopoldstadt, vornehmlich die Praterstraße wimmelte von Neugierigen.

Um 8'. Uhr dröhnte die Allarmtrommel durch die Straßen der Vorstädte, Nationalgarden sammelten sich, die Stadt war in größter Aufregung. Aber immer ahnten die gutgesinnten Bewohner nicht, was die nachfolgenden Stunden bringen werden; es war daher immer noch keine Bestürzung sichtbar. Nur das gewohnte Geifern der bekannten Naisonneure in Wirths- und Kaffehhäusern, oder der zerlumpten und rauschsüchtigen Gassen-Politiker war vernehmbar.

Um 8 Uhr erschien beim Ober-Commando F. M. L. Baron Bechtold in Civilfleidern, und wurde als der neuernannte Ober-Commandant der Nationalgarde den anwesenden Offizieren bezeichnet.

Mittlerweile verbreiteten sich die bedenklichsten Gerüchte: Der Ober-Commandanten-Stellvertreter Streffleur gab dem Play-Hauptmann du Beine

den Auftrag, sogleich mehrere Playoffiziere an die bedrohten Punkte zu senden, mit der Weisung, wo möglich vermittelnd einzuschreiten, als auch von Zeit zu Zeit genauen Bericht zu erstatten.

Zu diesem Behuse sandte leßterer die Play - Offiziere v. Eyselsberg, Player, Fischer und Hohenblum an die Taborlinie.

Um 8. Uhr langte beim Ober- Commando in Anwesenheit des F. M. L. Baron Bechtold ein Erlaß *) des Ministeriums an, daß derselbe von Sr. Ma

*) Der Erlaß lautete wörtlich:

„An Seine des Ober-Commandanten der Nationalgarde F. M. L. Herrn Freiherrn „von Bechtold

2634/M. J. Hoch- und Wohlgeboren! Seine Majestät haben mit Allerhöchster Entschließung „vom 1. d. M. Euer Hoch- und Wohlgeboren unter Beibehaltung Ihres Militär„Harakters und der Ihnen diekfalls zukommenden Bezüge zum Ober-Commandanten der Nationalgarde in der Provinz Niederösterreich und in der Haupt- und Residenz „stadt Wien zu ernennen gerust.

Wegen Anweisung der oben erwähnten Bezüge und eines entsprechenden Quar„tiergeldes wird Euer Hoch- und Wohlgeboren die weitere Mittheilung zukommen. "Ich gebe mir die Ehre Euer Hoch- und Wehlgeboren zu ersuchen, den Ihnen von "Seiner Majestät anvertrauten Posten sobald alz möglich anzutreten, sich aber früher an mich zu wenden, damit ich Euer Hoh- und Wohlgeboren dem Verwal„tungsrathe der Nationalgarde und dem bisherigen Ober-Kommandanten-Stellvertreter „vorstelle.

„Genehmigen Euer Hoch- und Wohlgeboren die Versicherung meiner vollkom„mensten Hochachtung.

Wien, 3. October."

Ein anderer Erlaß enthielt wörtlich. Folgendes:

Doblhoff. m. p.

„An Seine des Herrn F. M. L. Freiherrn v. Bechtold, Hoch- und Wohlge= boren. 2634/M. J.

"

[ocr errors][merged small]

‚Seine k. k. Majestät haben mit Allerhöchster Entschließung vom 1. d. M. den „k. k. Major Johann Schönberger zum Oberstlieutenant zu ernennen, und denselben bis zu jenem Zeitpunkte, in welchem durch ein aus dem Reichstage hervor gehendes Nationalgarde-Geseß über die künftige Wahl ohne Ernennung der leiten„den Organe der Nationalgarde eine bleibende gefeßliche Norm festgestellt seyn wird, „der Nationalgarde in Niederösterreich als Chef des Generalstabes mit Beibehaltung seines Militärcharakters und der ihm zukommenden Bezüge mit der vorzugsweisen „Bestimmung, die Organisirung und Ueberwachung der Nationalgarde in den Pro„vinzialstädten und am flachen Lande zu übernehmen, zuzutheilen geruht.

‚Es hat übrigens der gegenwärtige General-Adjutant der Nationalgarde, Major „Streffleur, welcher sich bereits das Vertrauen und die Achtung der National„garde erworben hat, auch ferner Eurer Hoch- und Wohlgeboren unmittelbar zur ,,Seite zu stehen, und im Falle Ihrer Abwesenheit oder Verhinderung auch künftig "Ihre Stelle zu vertreten.

[ocr errors]

jestät als Ober - Commandant der Nationalgarde ernannt sey, worauf derselbe erklärte, den andern Tag das Ober-Commando zu übernehmen.

Der Plaß-Offizier, Oberlieutenant Dunder des V. Bezirkes wurde von dem anwesenden F. M. L. Baron von Bechtold an die Nordbahn und Umgegend, und der Ordonanz-Offizier Móra w 8 ky jenseits der Taborbrücken zum Rekognosziren beordert. Von Seite des Ober-Commando hingegen erfolgten die geeigneten Befehle an sämmtliche Bezirks-Commandanten, die Garden auf die verschiedenen Sammelpläge zu berufen.

9 Uhr Vormittag. Die Universität war in großer Bewegung. „Die bekannten Manifeste haben (sagt der „Freimüthige“) alles erbittert." Die akademische Legion und mehrere Abtheilungen der Nationalgarde marschirten zu den Donaubrücken; man spannte ein Wagenpferd aus, und wollte, der Bezirkschef Braun solle es besteigen und das Commando übernehmen. Er lehnte es aber ab. Am andern Ufer war keine Kanone noch. Alle Gewölbe der Stadt und Vorstädte wurden geschlof= sen. Bei der Eisenbahn forderte die Kavallerie vergeblich die Grenadiere zum Abmarsche auf.

Unterdessen war das zum Abmarsch beorderte Militär noch immer von den Garden und einer bedeutenden Anzahl Volkes begleitet, an der Taborbrücke ans gelangt, fand aber schon von den vorangeeilten Volksmassen das hölzerne Gitter geschlossen. Das Militär, auf Befehl des commandirenden Generals abgesendet, um den abmarschirenden Grenadieren Luft zu machen, (bestehend aus einem Bataillon von Nassau - Infanterie und einigen Eskadrons Mengen - Kürassieren und Wrbna Cheveaurlegers mit drei Kanonen), brach die vor ihnen marschirende Masse durch, ohne von den Waffen Gebrauch zu machen, sprengte das Gitter und zog auf diese Weise durch die Taborlinie durch.

Die Nationalgarde und das Volk, welches durch diese Forcirung hinter das Militär zu stehen kam, drang in ein nächst der Linie befindliches Haus, zertrümmerte die Planken, und eilte auf Seitenwegen dem marschirenden Militär voran, stellte sich vor demselben auf, während gleichzeitig alle auf der Straße befindlichen Lastwagen umgestürzt, Planken und Balken quer über die Straße geworfen wurden, um dem Militär den Marsch neuerdings zu erschweren, damit die bereits weiter vorangeeilten Garden und Volksmassen Zeit gewinnen, die Taborbrücke theilweise abtragen zu können.

"Ich habe die Ehre, Eurer Hoch- und Wohlgeboren hievon mit dem Beifügen in Kenntniß zu seßen, daß ich unter Einem das Geeignete an den Verwaltungsrath der Nationalgarde, an den Herrn General Adjutanten Streffleur, und an den Oberstlieutenant Schönberger erlasse. Genehmigen Euer Hoch- und "Wohlgeboren die Versicherung meiner vollkommensten Hochachtung." Wien, den 3. October 1848.

Doblhoff m/p.

Mittlerweile kamen auch Arbeiter mit Spießen und Brechstangen versehen herbei und schloßen sich der Nationalgarde und dem Volke an. — Von dem vorangeeilten Volfe und der Nationalgarde waren schon einige Balken der großen Taborbrücke abgetragen; das Militär, welches befürchtete, auch hier den Uebergang zu verlieren, brach in Sturm durch die ihnen in Weg gelegten Hindernisse, und ein Theil desselben seßte über, blieb jedoch auf der andern Seite unentschlossen stehen.

9. Uhr. Große Massen Nationalgarden zogen zur Eisenbahn hinab, den deutschen Grenadieren zu Hilfe. Von Seite des Militärs waren Kanonen und Munitionswagen aufgeführt. Zwei Kanonen blieben vor der ersten Taborbrücke und eine war auf dem anderen Ufer nebst einer Militär-Abtheilung aufgestellt. Die zweite Taborbrücke war beinahe abgetragen. Es kamen drei Studenten, die eine schnell aus einem herbeigeschafften Wagen gemachte Tribune bestiegen, und durch ihre geifernden Reden das Volk und die Soldaten haranguirten. Sie spra= chen von dem Willen des souveränen Volkes, mit dem der Soldat Hand in Hand gienge, und der durchgesezt werden müsse; das Volk und der Soldat seyen nur Eins, die Camarilla und alle Volksfeinde müßten unterliegen, und noch mehr derlei an der Tagesordnung und in der Presse gewesenen Gemeinpläge floßen von ihrem giftspeienden, meuterischen Munde. Zwei davon waren Israeliten. Niemand kannte fie, und sie waren von Massen der Nationalgarde, der Arbeiter und Grenadiere so umstellt, daß es Niemand wagen konnte, ihnen die aufregenden Reden zu untersagen oder sie gar zu arretiren.—

Der General-Major Hugo von Bredh hielt eine Rede an das versammelte Volk und die Nationalgarde, worin er begreiflich zu machen suchte, daß es vergeblich sey, das Militär vom Marsche abhalten zu wollen, und daß dasselbe unbedingt den Befehlen seiner Obern gehorchen müsse. Man wollte den Generalen vom Pferde reißen und mißhandeln, welchem er nur dadurch entging, daß er versicherte, zum Kriegsministerium sich verfügen zu wollen, um dort die neueren Befehle einhohlen zu können.

Während seiner Abwesenheit wurde den Soldaten vom Volke immer mehr und mehr zugesprochen in Wien zu bleiben, und viele versprachen es; indessen wurde die Taborbrücke immer mehr zerstört.

Die Pioniere wollten die abgetragenen Brückenjoche wieder herstellen; aber Nationalgarden, Bürger, Studenten, Arbeiter mit Spießen hinderten sie daran. Jenseits der Donau hörte man Sturmgeläute.—

General Bredy kam mit dem Befehl des Kriegsministers zurück, das Militär müsse marschiren, und begab sich deßhalb zu Fuß auf die andere Seite der Brücke, um es auch jenem Theile des Militärs, welcher diese bereits überschritten hatte, mittheilen zu können. Als er aber zu Fuß zurückkehrte, und auf den ein

« ZurückWeiter »