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Sie werden mir grollen, daß ich Ihnen bezüglich der Streitsache *) mit Herrn Blaha immer noch nicht geantwortet habe. Die Ursache liegt aber gewiß nicht im Undanke meiner Seits gegen Ihre am 6. October mir so menschenfreundlich geleistete Hülfe, sondern allein in dem Umstande, daß ich den Gegenstand nicht gerne als Streit in den öffentlichen Blättern fortgeführt sehen wollte. Ich hatte mir fest vorgenommen, über mein Wirken in der Nationalgarde und über die Ereignisse am 6. October 1848 selbst nichts zu veröffentlichen; erst sollten Andere urtheilen und richten. Ich war mir stets der reinsten Absichten bewußt; ich liebe die Freiheit, aber auch Gefeßlichkeit und Ordnung ; ich für meine Person war nie blinder Diener der Minister, nie Werkzeug der Demokraten, und sehe daher, in der festen Ueberzeugung, daß in der Stellung als Nationalgarde-Commandant während des Sommers 1848 keine Persönlichkeit, selbst die vollkommenste nicht, im Stande gewesen wäre, der bewegten Macht der Verhältniße Einhalt zu thun, mit Beruhigung dem Urtheil der Welt entgegen. Bis zum heutigen Lage kann ich immer noch nicht begreifen, wie Sie und Herr Blaha darüber in Zwiespalt gerathen konnten, wer am 6. October Abends mich der dringenden Gefahr entzogen. Nach meiner Ansicht bin ich Ihnen Beiden gleichen Dank schuldig. Sie zeigten sich schon am Vormittage des 6. Oct. höchst thätig, und hatten mir damals viel zutrauen in Ihr Wirken dadurch eingeflößt, daß Sie einem Studenten, der sich zu erkundigen kam, ob nicht auch das bercommando das Zurückhalten der zum Abmarsche bestimmten Militär-Abtheilungen billige, mit vollem

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*) Ich hatte Blaha's obskuren Namen vor 1849 nie gehört, ihn nie gekannt, ich hatte nie mit Blaha eine Streitsache, und habe bereits vergessen gehabt, daß er mich und einen Andern in der Wiener Zeitung auf eine ebenso plumpe als prahlerische Weise angegriffen, worauf ich in jenem Blatte gar nicht geantwortet weil ich Blaha schonen wollte. Ich ersuchte ihn seiner Zeit, mir über die Entfernung aus der Reitschule eine schriftliche Relation zu machen, solches lag ir. seinem Interesse und er versprach sie zu schreiben; aber später ließ er mir durch Joh. Valmagini sagen, er werde nichts schreiben. Einige Wochen darauf, als der 6. October ges druckt war, brachte er mir ein Schreiben Streffleur's in Abschrift, und ich versprach ihm, solches im Anhange des Werkes nachzutragen, da es sich nicht thun läßt, daß man in eine gedruckte Schrift weitläufige Stellen dort wo sie hingehören — wie ein Scheit in einen Holzstoß einschieben lann. Blaha dauerte dies zu lange, er lechzte nach Belohnungen, er griff zum Selbstlob, wobei er vergaß, daß meine Denkschrift, meine Denkschrift ist, und ich als Autor derselben von der Person des Verfassers und jener des Plagoffiziers Dunder ganz abstrahire, und legteren, als eine historische, im October unausgesezt wirkende Person nennen mußte, während Blaha seit dem 6. October sich außer der Sphäre einer derlei Wirksamkeit befand. Dr.

Unwillen zurecht gewiesen. Abends waren Sie der Erste, der mich dringend aufforderte, mein Amtslokale zu verlassen, um mich vor den mich aufsuchenden Banden zu retten. Sie versicherten mich in dem damaligen Augenblicke an meiner Seite bleiben, und mich schüßen zu wollen. Erst später im Reichstagslokale hatten wir uns getrennt; aber nicht Sie hatten mich verlassen, sondern ich war es, der von Ihnen und Ihrer Umgebung zurück geblieben. Wir waren nämlich im Vorzimmer des Sigungssaales durch geraume Zeit gruppenweise im Gespräche begriffen, während welcher Zeit ich zweimal gesucht, und hier zu bleiben gewarnt wurde. Ein junger Techniker insbesondere, dem ich auch heute noch nur unbekannter Weise danken kann, da ich ihn persönlich nicht kenne, hatte mich dringend gebeten, ja nicht auf den Josefsplaß hinaus zu gehen, da der Pöbel von meiner Anwesenheit im Reichstagslokale in Kenntniß sey, und ich sicher mein Leben zu riskiren hätte. Er rieth mir, mich zu verkleiden, und bot mir edlerweise den Tausch mit seiner Uniform an, was ich aber dankend ablehnte. Herr Baron du Beine wird sich zu erinnern wissen, daß ich ihn im Vorzimmer bei Seite rief, und ihn von den mir zu Ohren gekommenen Warnungen in Kenntniß seßte. Später noch erfuhr ich von einem meiner Freunde, der einen Reisenden in die Leopoldstadt begleitet hatte, daß er bei zwei Menschengruppen, welchen er sich neugierig zugesellte, die Rede vernahm: „Latour hängt schon; jeßt suchen sie noch Bach und Streffleur."

Während der früher erwähnten Gespräche im Vorsaale hatte der Reichstag die Zusammenseßung eines Sicherheits- Ausschusses beschlossen und die Mitglieder des Nationalgarde-Obercommandos wurden eingeladen, dem Ausschußpersonale in ein besonderes Zimmer im obern Stockwerke zu folgen. Ich war den Abgehenden, unter welchen auch die Nationalgarde Plaßoffiziere waren, gefolgt; da ich aber gehört hatte, man will das Obercommando der Nationalgarde Hrn. Scherzer übertragen, beschloß ich, aller ferneren Mitwirkung mich zu enthalten, und blieb an der Treppe, die aus den Redoutensälen aufwärts führt, zurück. In der Absicht nicht auf den Josefsplaß hinaus zu gehen, sondern einen andern Ausweg durch die f.f. Burg zu finden, erkundigte ich mich deßhalb bei einem Diener, erhielt aber die Antwort, daß die Reichstagslokalitäten von jenen der t. t. Burg gänzlich abgesperrt seyen. Ich ging hierauf noch geraume Zeit in dem unbeleuchteien Saale auf und ab, in der Hoffnung, unter den wenigen Durchgehenden vielleicht einen Bekannten zu finden, dem ich mich vertrauen könne. Endlich gewahrte ich Hrn.

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Blaha in Begleitung eines seiner Hrn. Söhne, welche der Kommission nachzugehen schienen. An sie richtete ich die Bitte, durch die gütige Vermittlung des Hrn. Burg Inspektors den Ausweg in die Lokalitäten der f. k. Hofburg mir möglich zu machen. Von diesem Augenblicke an hatten Herr Blaha

sammt Familie mir bis zum 7. Abends getreulich beigest a nden. Herr Blaha und Sohn kamen mit einem Hofdiener, der mit einem Schlüsselbunde versehen war, um uns die Ausgangsthür aus den Redoutensälen nach der Burg zu öffnen. Die Schlüssel öffneten aber nicht, und wir mußten nach vergeblichen Bemühen einen andern Weg einschlagen. Wir gelangten, nachdem der Hofdiener mir erst einen lleberrock oder Mantel aus seiner eigenen Garderobe gütigst verschafft, in den Schweizerhof hinab, und begaben uns hier zu dem Herrn Burg-Inspektor, wo ich durch dessen und seines Hrn. Sohnes Güte wieder andere Kleider erhielt.

So mit Zivilkleidern versehen, begleiteten mich Hr. Blaha und Sohn durch das Burgthor, luden mich ein, die Nacht bei ihnen zuzubringen, wo ich wirklich die liebevollste Aufnahme fand, und, nachdem Hr. Blaha auch meine Familie zu beruhigen die Güte gehabt hatte, bis zum 7. Abends verweilte, zu welcher Zeit Hr. Blaha und ein anderer seiner Hrn. Söhne mich noch in einem Fiaker zur Hernalserlinie hinausbrachten. In Hießing nahm ich dankend Abschied, und begab mich dann auf die Reise nach Frankfurt, wohin ich schon im halben September als Abgeordneter berufen, und die Reise nur aus dem Grunde bis zum Oktober verschoben hatte, um den von Sr. Majestät neu erwählten N.G. Obercommandanten FML. Baron Bechthold*) das Einführen in die neue Dienstleistung zu er leichtern. So weit der Sachverhalt, wie er mir in Erinnerung steht, und es gehören unter die Personen, welchen ich Dank für meine Rettung aus der Gefahr schulde, außer Ihnen auch Hr. Blaha sammt Familie: der Techniker, welcher mir seine Kleider anboth; der Hr. Hof: burg Inspektor Wagner, und der Hof- Diener, der mich in die f. f. Burg führte. Hätten Sie, als der erste der zu meis ner Rettung beitrug, mich nicht zum Verlassen meines Bureaus aufgefordert, wer weiß ob die Sache nicht schlimmer für mich gekommen wäre. Deshalb bin ich Ihnen wohl besoders verpflichtet; doch aber hatten Alle die gleich edle Absicht, mir behilflich zu seyn, und aus dieser Rücksicht bin ich wohl Allen gleichen Dank schuldig, und ich wünsche nur in die Gelegenheit zu kommen, meinen Dank auch Allen bethätigen zu können. Die späte Beantwortung Ihres Schreibens mögen Sie, wiederholt gesagt, nicht auf Rechnung meines Undankes sehen, sondern einzig und allein der Besorgniß zuschreiben, meine Person nicht gerne zum Gegenstande einer Zeitungs-Polemik

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*) Auch von Hrn. FML. Baron von Bechthold erhielt ich ein höchst anerkennendes, gütiges Schreiben, welches mir so wie jenes des Hrn. Majors Streffleur, als theuere Andenken unschägsar bleiben.

Dr.

gemacht zu sehen. Wollten Sie persönlich in der Sache ferner etwas veröffentlichen, so würde ich Sie wohl bitten, lieber den Inhalt dieses Briefes als Anhang Ihrer werthvollen Denkschrift beizufügen, als die Zeitung ») hiezu zu benüßen. Meine Person möge dabei außer aller Beziehung stehen; sie ist für eine weitere Aufzeichnung viel zu unbedeutend; — doch aber verdienen die Namen jener Edlen der Nachwelt bekannt zu werden, die am 6. October zu Wien bei dem tollsten Wüthen der Leidenschaften immer noch Menschlichkeit genug behielten, an der Lebensrettung irgend eines Menschen liebevoll mit zuwirken.

Ich freue mich bald Gelegenheit zu haben, Ihnen nach meiner Rückreise persönlich danken zu können, und indem ich Sie meinen alten Freunden mich zu empfehlen bitte, verharre ich mit Hochachtung, Frankfurt a. M. den 15. April 1849.

Zur Seite 170.

Ihr dankbarst ergebenster Streffleur m. p., Major."

Der Deputirte Kudlich war um 5%. Uhr beim Hauptmann Kastell und forderte wiederholt die Nebergabe des Zeughauses und Einstellung jeder Feindseligkeit. In Folge dessen wurde vom Hauptmann Kastell der Lieutenant Schädelbauer um Verhaltungsbefehle an den F. M. L. Grafen Auersperg abgeschickt. Doch genannter Lieutenant, welcher vom Commandirenden General den Auftrag überbrachte, daß das Zeughaus inventarisch an den Reichstag zu übergeben sey, kam zu spät. Er und die ihn begleitenden drei Reichstags= deputirten sahen es mit Schmerz, daß Massen von Menschen in das Zeughaus strömten. Der Deputirte Ambros ch stieg auf einen Eckstein beim Thore, und hielt folgende Rede: „Meine Freunde! Wir sind gekommen das Zeughaus als National-Eigenthum zu übernehmen. Sie werden alle Waffen, die Sie brauchen können, erhalten; aber unheilig ist das Treiben, Entwenden der Gegenstände, die Sie nicht kennen, und daher als unnüg entweder verderben oder als unnüß beseitigen. Auch sollte Niemand mehr als Eine Waffe nehmen." Er forderte auch die anwesenden Garden auf, Niemand mit mehr als einer Waffe hinaus zu lassen, dem auch jezt bei diesem Thore Folge geleistet wurde. Lieutenant Schädelbauer und die drei Deputirten drängten sich mit Mühe — die Friedensfahne in der Hand in den Hof des Armatur-Zeughauses. Da war ein Chaos; in allen Werkstätten hörte man aus dem Lärmen und Schreien das Er

*) Wie bereits gesagt, habe ich Blaha's, durch dieses Schreiben nun vollständig widerlegten Angriff in der W. S. v. 1. März d. I. nicht replizirt, und bedaure, daß sich dessen Gutmüthigkeit zu jenem Schritte durch obskure Böswilligkeit Anderer verleiten ließ. Leßtere werde ich entlarven. Dr.

brechen der Kisten und Schränke. Aus den Fenstern der Armatursäle wurden an die im Hofe Stehenden Waffen hinabgeworfen; andere suchten bei den Fenstern einzusteigen, weil der eingentliche Aufgang zu enge war; waren sie mit ihren Waffen vor dem Thore und sahen sie, daß ein Anderer bessere hatte, so warfen sie solche wieder bei den Fenstern in die Armatursäle, oder sie warfen dieselben auf der Gasse weg, und drängten sich aufs Neue in das Zeughaus um andere zu holen. Die Bitten der Deputirten, so wie die Befehle des Reichstages wurden nicht mehr beachtet. Das Militär war schon vor einer halben Stunde in die Salzgrieskaserne abgezogen. Der Lieutenant Schädel bauer forderte mehrere Offiziere der Garde, worunter besonders der Plaßoffiz. Dr. Stüß, Hauptm. Morcrette, der Garde Glökler des Künstler-Corps, auf, ihm beizustehen, daß er die Protokolle aus der Kanzlei erhalte um solche zur Unterschrift zu bringen. Doch in der Kanzlei waren schon alle Kästen erbrochen, die Protokolle lagen auf dem Boden umher. Schä d e lbauer raffte die beiden Hauptprotokolle vom Voden und verfügte sich mit den Deputirten in die Salzgries-Kaserne, wo die Compagnie schon zum Abmarsche bereit stand. Der Oberlieutenant Kopeßky war der einzige anwesende Offizier; derselbe unterschrieb mit den Deputirten die beiden Protokolle Blatt für Blatt. Dem Lieutenant Schädelbauer fiel nun ein, daß der beste Theil der Zierdewaffen schon in den Maitagen vom Major v. Duras verpackt, und an Kopezky zur Aufbewahrung übergeben wurde. Dieser rückte nun mit der Compagnie, von einem Deputirten begleitet, in das Militär-Lager; ersterer aber verfügte sich mit den beiden Deputirten Ambrosch und Vacano wieder in das Zeughaus, um, wenn auch nicht alle, doch einen Theil der kostbaren, verborgenen Waffen zu retten. Es war jedoch die höchste Zeit, denn schon waren die rohesten Menschen mit dem Wegräumen der ihnen verdächtigen Hindernisse beschäftigt. Mit Lebensgefahr bewirkten die drei genannten Individuen die Räumung der Lokalitäten, wobei sie von einem Theile der Nationalgarde kräftigst unterstüzt wurden, und so geschah es, daß mehrere Kisten mit kostbaren Raritäten in das 1. Antiken Kabinet geschafft werden konnten; dabei waren: die Orden des Kaisers Franz 1, des Kaisers Nikolaus, und des Königs Wilhelm; der Degen des E. H. Carl; die Schlüssel von Lyon; der Koller von Gustav Adolph; dann der Hut von Altringen. Ob auch die Schlüssel von Mailand dabei waren, kann Schädelbauer nicht behaupten, aber daß solche hiezu im Antrag waren, ist gewiß; eben so, daß sie einer der oben genannten Deputirten in der Hand hatte, und jezt nicht mehr vorgefunden werden können.

Als Nachtrag zu den Seite 171 bezeichneten Individuen, welche Belohnungen erhielten, wird noch beigefügt: daß der Artillerie-Feldwebel Karl Steinbach und der Oberarzt Lieutenant Johann Römer wegen ihrer bewiesenen muthvollen Ausdauer und Hingebung, ersterer zum Lieutenant im Distrikte befördert,

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