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Das war das leste Plakat des Nationalgarde-Ober-Commando; solches ist aber wenig bekannt geworden. Fenneberg kam in's Central-Bureau, und verlangte vom Plazoberlieutenant Dunder Passirscheine und Vidimirungen mehrerer Pässe, was dieser verweigerte. Jedoch auf Befehl des Hauptmanns Schneider fertigte solche dessen ad latus aus, und Fenneberg siegelte selbst die Pässe, schnitt sich den Bart mit einer Papierscheere ab, und verschwand. Er soll angeblich in einem Backtroge, worin Teig über ihn geschlagen war, vor die Linie getragen worden seyn.

Messenhauser wandelte niedergeschlagen, wie im stillen Wahnsinn hinstarrend, im Saale, über die Treppen und den Hof des Landhauses herum, bis es dunkel geworden, — und verschwand ebenfalls. Später stellte sich Messenhauser freiwillig vor die Untersuchungs-Commission.

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Bald nach den ersten Schüssen des Militärs auf die Stadt schlug die Flamme aus dem Dache, neben der Kuppel des Hofbibliothek-Gebäudes gegen das Naturalien- Cabinet zu, heraus. Die Hofburg und die Reichstagswache traten unter Gewehr. Die in der Hofburg befindlichen Wachleute eilten, aufge= muntert durch den Hofcontrollor-Amts-Adjunkten Mör aus und Hofbauübergeher Montoyer zum Löschen des Feuers; allein alle Mühe scheiterte an der Unzulänglichkeit der vorhandenen Mittel; von keiner Seite kam Hülfe, und die Hofleute blieben auf sich selbst beschränkt. Um Feuersprißen und Leute zu erhalten, wollten Playoffizier Untersteiner und Möraus zum Unterkammeramte eilen, allein auf dem Michaelerplaße angekommen, wurden sie vom Bolke mit Schimpfnamen belegt, und einige Flintenschüsse auf sie abgefeuert. Mör aus rettete sich noch zeitig genug auf den Burgplag, Untersteiner hingegen zog sich in das Haus Nr. 2 zurück, und flüchtete sich, verfolgt vom Volke, in die Hofburg.

Gleich nach Entstehung des Brandes verbreitete sich das Gerücht, die Mobilgarde hätte auf die Burg geschossen. Augenzeugen wollen das Umkehren der Kanonen gesehen haben. Auch fand man auf der Augustiner-Bastei neun Pechkränze. Bom Hofgarten aus sah man einige Leute mit Kalabresern von der Seite des Naturalien Kabinets her von Außen am Dache gegen die Bibliotheks-Kuppel gehen, um von dort, wie es schien, mit Fernröhren gegen die Vorstädte zu sehen. Das fortwährende Bombardement erschwerte sehr das Löschen des Brandes. Ueber zwei Stunden dauerte schon das Bombardement. Die Vertheidiger hatten sich nun, als der Kugelregen immer dichter wurde, zurückgezogen, sie verließen die Kanonen, warfen die Gewehre weg, und flohen von der Bastei. — Das Dach des Hofbibliotheks-Gebäudes, der Augustiner-Thurm und das Kolowrat'sche Palais brannten fortwährend. Da wurde durch den Burg-Inspektor Wagner eine weiße Fahne neuerdings, und zwar auf dem Dache des Haupttraktes der Burg ausgesteckt. Wegen der eintretenden Dämmerung war zubefürchten, daß

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solche vom Militär nicht gesehen werden könnte, und Wagner eilte auf das äußere Burgthor, und pflanzte daselbst die weiße Fahne auf.

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Das Burgthor ward durch das fortgesezte Beschießen in Bresche geschossen; die Sturm-Colonnen rückten im Sturmschritt gegen dieses Thor vorwärts, und über Schutt und Trümmer drang das Militär ein. Etwas später drangen Truppen auch durch das Kärntnerthor in die Stadt. Die Kroaten beseßten das Burg‘hor. Kaiser-Infanterie unter Commando des Majors Rath beseßte zuerst die Burg. Der Hofbeamte Mör aus ersuchte dringend den, die erste einrückende Truppe commandirenden Hauptmann Janda von Kaiser-Infanterie, ihn zum Unterkammeramte zu begleiten, um die städtischen Feuersprißen zu erhalten, da der Brand auf dem Josephsplaße aus Mangel an Feuerlösch-Requisiten immer heftiger um sich griff, welches der genannte Hauptmann auch bereitwilligst that. Die Nachricht von dem Einrücken der f. k. Truppen gelangte in den Gemeinderath, und wurde von den Anwesenden freudig aufgenommen. Die Feuerleute, welche während des Kampfes vom Volke theils durch Drohungen, theils thätlich vom Löschen ab: gehalten wurden, erhielten nun vom Militär selbst Hülfe; später kamen auch mehrere Gutgesinnte, und wirkten auf das Kräftigste mit; auch langte mitt lerweile die Hofspriße aus den Hofstall-Gebäuden ein. Rittmeister und Plazoffizier Leiben frost verwendete freiwillig seine Pferde zur Wasserzufuhr, und der Hof-Feuercommissär Johann v. Wörndle bot Alles auf zur Rettung der Hofgebäude. -Nur durch die übermenschliche Anstrengung aller Mitwirkenden, worunter sich viele Garden, Munizipalgarden und einige Bachabtheilungen besonders auszeichneten, gelang es am dritten Tage, den Brand gänzlich zu löschen.

Die Hofbibliothek hatte an ihren Bücherschäßen nur unbeträchtlichen Schaden durch das eindringende Wasser erlitten. Die naturhistorische Sammlung das gegen war sehr beschädigt. Dem Vorstande dieser Sammlung, Hofrath von Schreibers, brannte seine Wohnung völlig aus. Der Brand erstreckte sich von der Kuppel der Hofbibliothek bis zum Albertinischen Palais.

Die einziehenden Truppen wurden von den Gutgesinnten mit Jubelruf empfangen. Mittlerweile beseßte das k. k. Militär die öffentlichen Pläße, und in vielen Straßen wurden Kanonen aufgefahren. - Der Kampf war beendet, und Wien war besiegt. — Nach und nach belebten sich wieder die Straßen, da man die Ueberzeugung gewann, daß unter den Soldaten strenge Mannszucht gehalten werde. Viele schenkten den Soldaten Geld, und drückten ihnen die Hand.

Wie sehr Personen aus allen Schichten der Bevölkerung von der Umsturzpartei fanatisirt und als Werkzeuge benügt worden, möge aus nachstehenden Daten ersehen werden: Der Diener in der Stephanskirche, dessen Beschäf tigung bisher darin bestanden, daß er mit dem Klingelbeutel milde Spenden gesammelt, haranguirte in Begleitung seiner beiden Töchter das Weibervolk zum

Beziehen der Wache im t. k. Tabak- und Stempel-Administrations-Gebäude. Und wirklich erschienen ungefähr bei vierzig sogenannte Amazonen mit Gewehren bewaffnet, und angeführt von einem Weibsbilde, mit einem gewaltigen Pallasch in der rechten, und einem Kalabreser am Kopfe bei der genannten Wache, um die daselbst befindlichen Wachposten zu beziehen, damit die Garden dieser Wache bei der Vertheidigung der Stadt verwendet werden können. Von dem Commandanten dieser Wache aber zurückgewiesen, seßten diese Weibspersonen ihren abenteuerlichen Zug nach verschiedenen Richtungen in der Stadt fort, Alles zum Kampfe auffordernd. Bei dem Beschießen der Stadt stand bei dem Gasthause zur Ente" in der Schulenstraße der Adjutant eines gewissen Schleichert, welcher Commandant einer Abtheilung Bewaffneter war, in Studenten-Uniform, und stüßte sich auf seinen gewaltigen Pallasch. Da flog eine Granate in diese Straße, zersprang, und der Adjutant stürzte von einem Stück Eisen getroffen zur Erde und wurde als todt auf die Aula getragen. Bei näherer Untersuchung zeigte es sich jedoch, daß die Wunde nicht tödtlich — und daß der Adjutant — ein Mädchen sey.

Die Rasierstuben und die Friseurs hatten an diesem Abende sehr viele Arbeit. Freunde erkannten sich nach vorgenommener Metamorphose kaum, und nur die Stimme beim Sprechen wies die Legalität der Person nach. Mehrere Straßen waren mit umher liegenden Glasscherben, Mauer- und Dachziegeln bedeckt, und Fußgeher mußten vorsichtig darüber schreiten. Es begann zu tunkeln, die Häuser wurden beleuchtet, da die Gasbeleuchtung schon seit mehreren Tagen unmöglich geworden. Von den Fenstern flatterten weiße Tücher; die Menschen wogien noch lange in den Straßen, und sahen die auf den Straßen und Pläßen bei großen Feuern lagernden Soldaten an, und erstaunten, daß der Belagerungszustand so gemüthlich sey; denn viele Schuldige, die bisher nicht entflohen waren, vergaßen, was die folgenden Tage bringen würden. - Die Stadtthore durfte Niemand mehr passiren, und diejenigen, welche in der Stadt sich befanden, mußten auch über Nacht daselbst verbleiben; schon in dieser Nacht fanden häufige Verhaftungen statt.

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An der Universität und Umgebung war Alles finster, leer und öde, und so mäuschenstille, wie auf einem Kirchhofe. Daselbst waren weder Lampen angezündet, noch sonst in den Fenstern nur die Spur eines Lichtes zu sehen. Gegenstände, welche hier in den Straßen lagen, waren Gewehre, Säbel, Pistolen, Bajonette, Feldbinden, Kalabreser, ganze Militärmonturen 2. Die Gasthäuser waren an diesem Abend sehr voll gefüllt, und man aß und trank so ruhig, als ob gar nichts vorgefallen wäre. Zwischen 10 und 11 Uhr jedoch ward Alles stiller und nur einzelne Patrouillen durchzogen die Straßen und arretirten alle verdächtigen Leute. Die Bewohner gaben sich seit dem 6. das erste Mal ruhig dem

Schlafe hin, und hatten nicht zu befürchten, daß der Ruf: „Zu den Waffen!" nochmals ertöne.

Auf der Rothenthurm- und Biberbastei lagerten noch in dieser Nacht kleine Abtheilungen der Mobilen in Waffen, welche größtentheils am Morgen des 1. Novembers vom Militär arretirt wurden. Zu dieser Zeit wurde auch die be rüchtigte Aula vom Miltär bezogen. Die Soldaten riefen immer: „Wo die Studenti?" aber Alles war leer, nur einige Mobilgarden fand man in den weiten Näumen der Aula, und nahm sie sogleich gefangen.

Die schrecklichsten Tage welche die Einwohner Wiens durch die ganze Dauer der Revolution verlebten, waren unstreitig die zwei leßten Tage, denn in diesen waren alle Bande, welche das bewaffnete Proletariat bisher in den Schranken der Mäßigung erhielten, durch das Nichtbetheiligen des größten Theiles der Nationalgarden und durch das Abtreten vieler Führer der Freischaaren aufgehoben. Ohne ein bestimmtes Commando waren die zahlreichen Compagnien auf ihre niederen Offiziere beschränkt, größtentheils Leute, die aus der Mitte der Mobilen selbst hervorgegangen sind und ihre Stellung keineswegs einem höheren Grade von Bildung, sondern persönlicher Verwegenheit und größerer Keckheit zu verdanken hatten. Natürlich waren die Schaaren unter solchen Umständen fast gänjlich sich selbst überlassen und überdies sehr fanatisirt, als daß sie sich mehr von einer vernünftigen Berücksichtigung, als von ihrer uneingeschränkten Leidenschaft hätten leiten lassen. Hiezu kam noch die beständige Aufreizung von Seite bewaffneter, jeder Weiblichkeit barer Frauen, die heillosen Gerüchte über ein sieghaftes Bordringen der Ungarn, und endlich ein Ueberfluß geistiger Getränke, durch welche die legten Atome klaren Ueberdenkens einer Zukunft hinweggeschwemmt wurden. Von solchen ungezügelten Schaaren die Stadt angefüllt zu wissen, mußte gewiß die Einwohner beunruhigen und ihnen die zwei letzten Tage zu den besorglichsten machen, um so mehr, als die Kapitulation bereits gebrochen war, und man aus dieser Handlungsweise ersah, auf welchem verzweiflungsvollen Punkte bereits die Gemüther der Bewaffneten standen. Man fürchtete allgemein, daß das Proletariat die lezten Stunden seiner Macht mit Mord und Plünderung bezeichnen werde. Obwohl diese Befürchtungen sich als grundlos erwiesen, so ereigneten sich doch hie und da Vorfälle, welche Beweise liefern, wie sehr das Boll aufgeregt war, und wie wenig dazu gehörte, es zu Thaten anzueifern, welche allerdings solche Befürchtungen rechtfertigen konnten. So kam am 31. um 12 Uhr Mittags eine Dienstmagd auf den Stephansplaß; es war gerade die Zeit, in der die schwarzgelbe Fahne vom Thurme flattern sollte, und viele Men schen hatten sich versammelt, um zu sehen, ob man dieses Zeichen einer Unterwerfung endlich ausstecken werde oder nicht. Auch die Dienstmagd spähte geraume Zeit nach der Höhe, als sie jedoch nichts erblicken konnte, was einer

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Fahne gleich gesehen hätte, so wandte sie sich zu einigen Mobilgarden, indem sie sprach: „Bitt ich Ihnen, schickt mich Frau schauen her, ob hängt schon schwarzgelbe Fahne auf Thurm, seh' aber nichts." Kaum hatte sie diese Worte gesprochen, so war sie auch schon von einer Masse Mobilgarden und wüthender Weiber umringt, welche unter Drohungen in die Aermste drangen, anzugeben, bei wem fie diene. Das Mädchen konnte vor heftigem Schrecken keine Sprache mehr finden und stammelte unter Thränen die Worte: Stephan, schwarzgelb und Fahne," wobei sie mit sehr lebhafter Geberde nach der Höhe des Thurmes wies. Dies steigerte die Leidenschaftlichkeit des fie umringenden Haufens nur noch mehr, und es wäre ihr gewiß übel ergangen, wenn nicht zufällig ein Student zu dem Auflaufe gekommen wäre, der das Mädchen, welches die Ursache ihrer Situation gar nicht begreifen konnte, aus den Händen wüthender Männer befreite. Die Dienstmagd warf noch einen Blick auf den Thurm, schüttelte mit dem Kopfe und verschwand in der Masse unter den lauten Verwünschungen des aufgeregten Haufens, der bereits eine schwarzgelbe Fahne, die zum geforderten Signale bestimmt war, in Fezen zerissen hatte.

Ein zweiter für den Charakter des Tages sprechender Vorfall ereignete fich bei der hohen Brücke im Hause Nr. 353, dessen erster Stock vom Grafen Inzaghh und der zweite vom Baron Puthon bewohnt wird. Dieses Haus wurde in den Vormittagsstunden plößlich von etwa 16 Mann Mobilgarden besucht, welche in stürmischer Hast alles in den Weg tretende niederrennend, über die Stiege hinauf polternd mit dem Rufe:,,Wer hat hier aus dem Fen fler auf das Bolk geschossen?" in die Zimmer des Grafen drangen. Ganz erschrocken trat den Eindringenden der Haushofmeister entgegen und suchte die Wuthschnaubenden zu besänftigen, indem er ihnen betheuerte, daß aus diesem Gebäude nicht geschossen worden sey, ja gar nicht geschossen werden konnte, da fich im ganzen Hause kein einziges Feuergewehr befinde. Diese Worte bes schwichtigte die aufgeregten Mobilgarden, welche in ihren zerlumpten Beinkleidern und militärischen, dem Körper nicht anpassenden Röcken nur um so abentheuerlicher aussahen, nicht im mindesten, und unter furchtbarem Fluchen bestanden fie darauf, daß aus diesem Hause geschossen worden sey, und drohten das Haus zu demoliren und Alles niederzumachen, wenn man ihnen den Verbrecher nicht ausliefern wolle und das sogleich, denn sie hätten keine Zeit, wegen eines Schuftes fich lange aufzuhalten, die Pflicht rufe sie zum Kampfe. Der Haushofmeister wußte in seiner Todesangst nicht was er machen sollte, um die nichts weniger als erwünschten Gäste von ihrem Irrthume zu überzeugen; er rief daher einen Bedienten und trug ihm auf, die Herren im ganzen Hause herumzuführen, ihnen alle Zimmer zu öffnen und sie suchen zu lassen, wobei er sich anheischig machte, mit seinem Leben dafür einzustehen, daß sich im ganzen Hause kein Feuergewehr

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