Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

den Worten arretiren: „Ah, da ist ja der Herr, der gesagt hat, daß alles rein ist, führt ihn weg!" Er wurde sodann in die k. Stallungen abgeführt, dort ihm mit einem Stricke die Hände auf den Rücken gebunden, und er mußte sich als an geblicher Kundschafter viele Mißhandlungen gefallen lassen, und war sogar am Leben bedroht. Nach einer dreistündigen Haft wurde er durch die Bemühungen seines Freundes Risser, welcher Bereiter in den kais. Stallungen ist, aus derselben befreit.

Beim Burgthor. Es erschien bei dem Burgthor ein kaiserlicher Parlamentär, und es stand nichts mehr dem Einrücken des Militärs entgegen, als die Quader steine, mittelst welchen die Thore von innen verrammelt waren. Es wurden daher zwanzig Hofburgwächter beordert, die Steine wegzuschaffen und das Thor zu öffnen. Gleichzeitig erhielt Josef Horak, Garde des I. Bezirkes, von einem berittenen Nationalgarde-Offizier den Auftrag, mit den unter seinem Commando stehenden zehn Garden das Plateau des Burgthores von einigen Studenten und Mobilen, welche die aufgesteckte weiße Fahne heruntergerissen, zu säubern. Ohne nur einen Augenblick zu zögern, stürmten diese mit gefälltem Bajonnet die Stiege hinauf und sahen zwar daß die Fahne heruntergerissen, aber Niemand mehr das selbst fich befinde. Horak knüpfte ein weißes Sacktuch an einen Luntenstock und schwenkte diese improvisirte Fahne gegen das Militär. Zu dieser Zeit befanden sich bei demselben von den zehn Garden nur noch die Garden Handl und Wein stein. Ein herrlicher Anblick both sich ihm nun dar. Rings um die Stadt erblickte er das k. k. Militär in tiefen Massen aufgestellt. Da, wo sich die Burgstraße durch die um das Glacis ziehende Hauptstraße theilt, stand die Artillerie, und im Hintergrunde an den nach Mariahilf und Spitelberg führenden Straßen standen zahllose Zuschauer aus dem Civile. Schon war das Burgthor geöffnet, und das Militär bis an die beiden steinernen Wachhäuser vorgerückt. Da stürmten bei 200 Mobilgarden mit zwei Kanonen gegen das Burgthor, beseßten die Basteien und verrammelten von neuem das Burgthor. Die Mobilen schrien:,,Verrath! Verrath! Ihr verrätherischen Hunde!" stürmten gegen Sorak und gegen die bei ihm gebliebenen Garden, und wollten solche niedermeßeln. Zu schwach, um der Uebermacht mit Erfolg Widerstand leisten zu können, ergriffen diese Garden die Flucht, jedoch in der Verwirrung so ungeschickt, daß an dem Plage, wo das Gitter des Kaisergartens an die Burgbastei ausläuft, ihnen durch den Zusammenstoß mit den Mobilen die Alternative gestellt war, entweder von deren Bajoneten durchbohrt zu werden, oder durch einen Sprung in den Stadtgraben Rettung zu suchen. In diesem Augenblicke jedoch öffnete ihnen ein Gärtner des Kaisergartens eine ihnen bis dahin unbekannte Gitterthüre, ließ sie hinein, und nachdem er solche wieder gesperrt, ergriff auch er die Flucht. Alles dieses war nur ein Moment. Von mehreren Verwegenen, welche das Gitter übersteigend die Flüchtlinge

einholen wollten, verfolgt, erreichten diese glücklich das Glashaus, woraus sie einer der dort befindlichen Gärtner durch unterirdische Gänge in den Augustinergang zum Mineralien-Cabinete führte. Auch muß noch eines alten Mannes, Namens Wild, Garde der 5. Compagnie, I. Bezirkes, erwähnt werden, der auf der Augustiner-Bastei als Wachposten aufgestellt, seinen Plaß troß des heftigsten Kugelregens nicht verließ, und allein drei Proletarier entwaffnete. Etwas später wollte eine Rotte Bewaffneter in den Kaisergarten eindringen, wurde jedoch durch eine Patrouille, welche der Feldwebel von Mayern des 2. Bezirkes führte, angegriffen und zersprengt. Einzelne Gewehrschüsse wurden zwischen 1 und 2 Uhr Mittags von den Basteien abgefeuert. Von den Basteien nächst der Burg und dem Kärnthnerthore wurde von den Vertheidigern der Stadt das Feuern und zwar deßhalb verrätherisch begonnen, weil sie auf ihre eigenen Parlamentäre schoßen; dieser Begrüßung folgte die Beschießung der Stadt mit Raketen, Sechspfündern, und einigen Zwölspfündern, man könnte sagen auf eigenen Antrieb der Mannschaft. Auch am 31. gebührt dem Divisionär von Hartlieb, der Brigade Karger, die Palme; denn es waren wieder die getreuen Gränztruppen, welche schon um 1. Uhr vor den f. f. Stallungen aufmarschirt waren, und erst weit später durch andere Truppen unterstützt wurden. Bei Beginn des Bombardements befand sich der Plag Oberlieutenant Dunder am Graben, woselbst er den Leopoldstädter Bezirks Adjutanten Gellich traf. Ueber den Kohlmarkt flogen Kugeln und Granaten, es war nicht rathsam auf jenem Wege ins Landhaus zu gelangen, das her sich beide auf die Hauptwache im Kriegsgebäude begaben, woselbst Bürgergrenadiere unter dem wackeren Oberlieutenant Ch. Ullrich Wache hatten. Legs terer fragte, was zu geschehen habe, wenn das Militár einrücke, worauf Dun, der erwiederte: die ganze Wachmannschaft soll unter Gewehr treten, wenn die Truppen kommen, präsentiren, unter Gewehr bleiben und sich unter militärischen Ehren ablösen lassen, was auch geschah. Da Dunder vorausseßte, daß, wenn die Truppen einrücken, die Hauptwache nicht der Ort ist, wo Nationalgarde Offiziere außer Dienst vor Entwaffnung und Gefangenschaft gesichert seyen, begab fich derselbe, ungeachtet aller Abmahnungen, im furchtbarsten Kugel- und Gra natenhagel ins Landhaus, wohin ihm auch Gellich folgte. Hier angelangt, retirirte sich bald darauf auch die Permanenz in das Gemach, woselbst das Central-Bureau des Ober-Commando aufgeschlagen war, hinter die starken Mauern, weil der Sigungssaal der Permanenz den Kugeln der Geschüße ausgeseßt war. Um 3 Uhr begann der Hauptangriff der k. f. Truppen gegen das Burgthor, welche die Vorstädte bereits genommen und bis auf die Glacien vorgedrungen waren. Es begann ein Kanonendonner, wie er wohl selten vor einer Stadt gehört wurde, und erzeugte bei dem größten Theile der Bevölkerung die höchste Bestürzung. Granaten, Kartätschen, Brandraketen, Kugeln aus Sechs- und Zwölspfündern

abgefeuert, flogen wie ein Hagel in die Stadt, die Häuser erbebten, die meisten Einwohner flüchteten sich in die Keller und in sonst feuersichere Locale. Die Schüße wurden von dem Gefrache und Gepolter zusammenbrechender Steine, die von den getroffenen Häusern fielen, unterbrochen; die Straßen waren beinahe leer, die Sturmglocke ertönte vom Stephansdome. Während des Bombardements der Stadt fonnte man in allen Seitengäßchen das Schauspiel zahlreicher Metamorphosen sehen. Ein auf das abenteuerlichste herausgepußter Krieger schritt eiligst in eine Seitenstraße, und unter heftigem Kanonendonner, und während die Granaten über seinem Haupte auf das Gräulichste hausten, legte er seine Muskete und Patron: tasche ab, zog den militärischen Leinwandkittel, unter dem er einen Civilrock an hatte, aus, rieß verschiedene Ornamente von seinem Hute weg, und trat sodann vollkommen ruhig, als ob ihn der ganze Spektakel nichts anginge, als vollendeter Fashionabel, nämlich bis auf die Beinkleider, die sehr strapazirt waren, wieder in die nächste Straße. Auf diese Weise wurden bis zum Abend manche Gassen in vollkommen militärische Depots umgewandelt, je nachdem in denselben es viele Mobilen für zweckmäßig fanden, ihre Toilette daselbst aufzuschlagen.

Hauptmann Schmid, welcher einen Theil der Bache im ständischen Gebäude kommandirte, gelang es, während des Bombardements mehrere Proletarier zu entwaffnen, bei welcher Gelegenheit er einen Streif Schuß über die Brust er hielt. Die abgenommenen Gewehre lieferte er in die Stallburg ab. Zur Ehre der 6. Compagnie VII. Bezirkes sey es gesagt, daß in der Zeit vom 12. October bis zur Uebergabe der Stadt, in welcher sie immerwährend im Dienste stand, dieselbe durch ihr musterhaftes Benchmen sich ausgezeichnet, und viel zur Erhaltung der Ordnung beigetragen hatte.

Die f. f. Hofburg wurde während der letzten Tage der Belagerung Wiens, wo derselben durch den aufgereizten Pöbel Gefahr drohte, von Abends 8 Uhr bis Morgens 5 Uhr von 20 N. G. Cavalleristen besetzt; und die übrigen Garden waren in der Stallburg in Bereitschaft, um im Falle der Noth ihres Kaisers Haus zu schirmen und ihre Kameraden zu unterstüßen.

Während dem Bombardement forderte Oberst Schaumburg einige Proletarier auf gegen eine gute Belohnung eine Fahne, die er in der Hand hielt, auf den Michaelerthurm aufzustecken, und sich darüber eine Bestätigung vom Küster geben zu lassen. Ein Bewaffneter trat vor mit den Worten: „Ist dieses eine Freiheitssahne, so geben sie solche mir."Schaumburg sagte: „Ja, es ist die Freiheitsfahne," der Proletarier steckte wirklich die weiße Fahne auf dem Thurme auf, und erhielt dafür eine Geldbelohnung von fünf Gulden C. M.

Der Sicherheitswächter Daub ek steckte mit Gefahr des Lebens eine weiße Fahne, und Schauspieler Brand, Adjutant beim Messenhauserschen Generalstabe, die schwarzselbe Fahne auf den St. Stephansdom.

Es kam die Nachricht von dem Brande der Burg in den Gemeinderath. Man sah deutlich den Schein der Flammen in den Fenstern der gegenüberstehenden Häuser der Herrengasse. Niemand wagte während dem immerwährenden Bombardement an Löschmittel zu denken. Messenhauser ging im Saale des Gemeinderathes in Verzweiflung auf und ab, und gab noch Vielen der dem Kriegsgerichte Enteilenden, die zu ihm kamen 40, 50, 60 und noch mehr Gulden zu ihrem fernern Fortkommen. Ein Lieutenant F. bekam von Messenhauser eine Anweisung auf 500 fl., doch er kam eine halbe Stunde nach Kasseschluß zu spät damit.

Fenneberg und Becher, die beide ganze verzweifelt aussahen, hielten eine lange geheime Unterredung, nach welcher sich letzterer entfernte.

Um 4 Uhr Nachmittags brachten die Leute so viel Waffen und Munition ins f. Zeughaus, darunter größtentheils scharf geladene Gewehre, daß der Feldwebel Kafka nicht genug Sände hatte, um Allen zu entsprechen. Nach 5 Uhr, beim Einrücken des Militärs suchte derselbe um Militär-Assistenz bei dem Majoren Wimmer des Otoczaner Gränzregiments an, und erhielt auch hiezu einen Korporalen und neun Mann. — In der Nacht noch ließ er die sechs und dreißig Proletarier, die er bisher als Wache im k. Zeughause verwendetentwaffnen, und stellte jedem hierüber ein Certifikat aus, um sie vor allenfallsigen Arretirungen zu bewahren.

Um beiläufig 4 Uhr kam das Proletariat mit einem Wagen mit Pechkränzen zum Magistrats-Gebäude und wollte es anzünden.

Eine furchtbare, Grausen erregende Scene ereignete sich noch in der lezten Stunde der Vertheidigung am Salzgries. Es war nahe an 5 Uhr; zwei Stunden dauerte schon die Beschießung der inneren Stadt, die eine Stunde später das Militär in seinen Straßen sah, als ein Offizier der National-Garde zu Pferde am Salzgries einher sprengte, und den Proletariern, die zahlreich da versammelt waren: Legt die Waffen nieder, wir richten nichts mehr aus!" zurief, in diesem Augenblicke richteten einige von dieser Ermahnung gereizt, ihre geladenen Flinten nach ihm. Ein Augenblick, - und der Offizier lag am Boden von mehreren Kugeln tödtlich getroffen. Zehn Minuten später war das Militär auf den Plas,,am Hofe" eingezogen.*)

Da die Wache im Hofstall-Gebäude im Laufe des Monats ihren aufhabenden Dienst daselbst versagte, so wurde von den Bewohnern dieses Gebäudes an das Ober-Commando die Bitte, um Einstellung dieser Dienstleistung von Seite

*) Mehrere interessante Berichte in dieser Schrift sind dem consequenten österreich. Courier des A. Bäuerle entnommen; welches reichhaltige, gesinnungstüchtige Blatt von ten ultraradikalen Blättern ungerechterweise angefeindet wurde, und die verläßlichften Schilderungen vieler Episoden des Octobers geliefert hatte,

der National-Garde mit dem Bemerken gestellt, daß alle in diesem Hofstall-Sebäude befindlichen Beamten und Diener im Vereine mit mehreren Nationals Garden und Bürgern sich entschlossen haben die Bewachung zu übernehmen; welches auch vom 16. bis 31. ununterbrochen mit ausdauerndem Muthe geschah. Es wurden von den Beschüßern dieses Hofgebäudes auch die Löschanstalten und alle anderen Vorkehrungen dergestalt vorgerichtet, daß im Falle eines Brandes in irgend einem Theile sogleich jede Hülfe geleistet werden könnte. Hierbei hat sich der dort wohnende Hofbau-llebergeher und Hoffeuer-Commissär, Johann v. Wörndle, besonders thätig benommen. Derselbe ist nicht nur während des ganzen Octobers bei Tag und bei Nacht zugegen gewesen, sondern ist auch bereitwilligst zu allen vorgekommenen Feuersbrünsten mit der Hofspriße gefahren, und ungeachtet der vielen Verhöhnungen von Seite des Pöbels sehr thätig gewesen, und zwar, bei dem großen Holz- und Gebäudebrand bei der Kettenbrücke auf der Landstraße, allwo nebst der Feuersgefahr auch das Herüberschießen der am jenseitigen Ulfer geLagert gewesenen Kroaten zu fürchten war; dann bei dem Brande des Naturalien-Cabinets und der Hofbibliothek, wo er die ganze Nacht die wirksamste Hülfe leistete. Auch haben die Bewohner des Hofstall-Gebäudes alle Versuche der bewaffneten Proletarier, welche unter dem Vorwande, daß Waffen und gefangene Studenten daselbst sich befänden, - mit Entschlossenheit zurückgewiesen. Selbst während des Bombardements der Stadt wagten Proletarier über die Mauer rückwärts des Hofstall-Gebäudes, versehen mit Pechkränzen, zu steigen, wurden aber erblickt und nachdrücklichst zurückgeworfen. -Der Hofthierarzt Seifert hatte im Bereine mit mehreren Menschenfreunden in diesem Gebäude ein Spital für Verwundete eingerichtet, und gemeinschaftlich mit dem Hofthierarzt Punschert die nüßlichst‹n Dienste geleistet. Vorzüglich bewährten sich diese beiden durch Sachkenntniß und Herzensgüte bei der Ueberbringung dreier Kroaten, denen die Füße durch Kanonenkugeln weggeschossen waren; auch haben sie deren Rettung glücklich erzweckt.

--

,,Kundmachung. Das unterzeichnete Ober-Commando der Wiener Natio nalgarde protestirt hiemit feierlichst gegen jede Zumuthung, als seyen die am 31. October Nachmittags von Seite einzelner mobiler Corps gegen die faisers lichen Truppen begonnenen Feindseligkeiten auf seinen Befehl geschehen.

Es fordert den löblichen Gemeinderath auf, ihm zu bezeugen, daß es im Gegentheile seit Früh Morgens fortwährend mit der Entwaffnung der Garden beschäftiget, mehrere Geschüßpiccen mit Lebensgefahr der Betheilig ten von den Basteien schaffen, und sich die Herstellung des Friedens und der Ruhe mit aller möglichen Energie angelegen seyn ließ. Es erklärt sich daher nochmals entschieden gegen jede Anschuldigung, als hätte es einen Capitulations, Bruch begünstiget oder gar anbefohlen. Wien, am 31. Oct. 1848.

Messenhauser, m. p., pr. Ober-Comm." Fenneberg, m. p., Stellvertr.“

« ZurückWeiter »