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war der Gemeinderath verpflichtet, diesen deutlich und klar ausgesprochenen Willen seiner Mitbürger zu erfüllen, und so wie er mit ihnen die herbe Wunde fühlt, welche durch zeitweilige Aufhebung der constitutionellen Zustände der Freiheit geschlagen wird, war er doch auch noch bedacht, seinen Mitbürgern wenigstens materiell den Uebergang in diese Periode zu erleichtern. Sogleich begab sich eine Deputation von Gemeinderäthen und Abgeordneten der gesammten Volkzwehr zu Herrn Fürsten Windischgräß, um demselben die auf diese Weise ausges sprochene Unterwerfung der Stedt kundzugeben, welche derselbe auch annahm, so daß die Kapitulation als geschlossen anzusehen war.

Nun hat der Herr Fürst einer am Morgen des 30. bei ihm eingetroffenen Deputation nachstehende neuerliche Bedingungen mitgetheilt, welche die Art der Entwaffnung betreffen :

,,,,Die Proklamation Sr. Durchlaucht des Herrn Feldmarschalls Fürsten von Windischgräß vom 23. October 1848 und die zum Punkte 3 derselben an den Gemeinderath erlassene Erläuterung vom 26. October 1848 bleiben in ihrer vollen Wirksamkeit, find von der Stadt vollständig durchzuführen, und es werden denselben nachstehende Bestimmungen beigefügt:

1. Auf dem St. Stephansthurme ist vor Allem eine große kaiserlich-österreichische Fahne aufzuziehen, und bei allen Linienthoren find weiße Fahnen, zum Zeichen der friedlichen Unterwerfung, auszustecken.

2. Der Feldzeugmeister Baron Recsey und alle in Gewahrsam gehaltenen Militärs und Beamten find in allen Ehren nach Heßendorf zu geleiten.

3. Rücksichtlich der bezirksweisen Entwaffnung sind die Kanonen aus der Stadt und demjenigen Theile der Vorstädte, welche vom Kärnthnerthore und der Hauptstraße Wieden auf der Straße zur Spinnerin am Kreuz links liegen, in die Rennweger Artillerie-Kaserne, jene, welche von dieser Straße rechts liegen, zur Schönbrunner Schloßhauptwache abzuführen.

Alle andern Waffen sind von den einzelnen Corps bezirksweise zu sammeln, unter einer behördlichen Intervenirung in der Stadt im kaiserlichen Zeughause, in den Vorstädten in jedem Gemeindehause längstens binnen 12 Stunden niederzulegen, wo sie dann der nächsten vom Militär beseßten Kaserne commissionaliter zu übergeben seyn werden.

Sämmtliche Munition ist alsogleich, je nach dem Orte ihrer gegenwärtigen Niederlegung, an die Truppen-Commandanten des Neugebäudes, des Schönbrunner Schlosses, der Türkenschanze und jenem in der Leopoldstadt zu übergeben.

4. Sämmtliche Barschaften und Cassen, die sich in den Händen der Natisnalgarden und bewaffneten Körper befinden, sammt den Rechnungen, sind ohne Berzug vom Gemeinderathe zu übernehmen und vom Uebergeber und Uebernehmer gefiegelt aufzubewahren.

5. Von der im Absaße 3 erwähnten Entwaffnung ist vor der Hand jener Theil der Nationalgarde auszunehmen, der bis zum Einrücken der k. k. Truppen durch den Gemeinderath zur Bewachung der k. k. Hofburg, der Gesandtschaften und der öffentlichen Gebäude zu bestimmen seyn wird, welcher Theil ordnungsmäßig abzulösen kommt. Dasseibe gilt auch von jenen Wachen, welche der Gemeinderath im Interesse der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung aufzustellen für nothwendig findet, so wie auch von der Sicherheitswache.

6. Die Waffen der aus Graz, Brünn und Linz in Wien unter ordentlicher Führung anwesenden Nationalgarden find abgesondert abzulegen, und es werden die ihnen eigenthümlichen Waffen in ihre Heimatsorte geschickt werden.

7. Der Gemeinderath hat bis 8 Uhr Abends des 30. October 1848 die Annahme der in den vorstehenden Punkten enthaltenen Bestimmungen, bei sonstiger Fortseßung der bisherigen militärischen Maßregeln, an Se. Durchlaucht den Fürsten Windischgräß anzuzeigen, so wie auch nach dieser Annahme längstens bis 12 Uhr Vormittags am 31. October 1848 die vollständige Durchführung sämmtlicher Bedingungen der Eingangs erwähnten Proklamation und der Bestim mung der Erläuterung, so wie der vorstehenden Punkte angezeigt seyn müssen.

Hauptquartier Heßendorf, am 30. October 1848, um 3 Uhr Nachmittags. Im Namen und Vollmacht Sr. Durchlaucht des Herrn Feldmarschalls Alfred Fürsten zu Windischgräß. Cordon m. p.""

Nachdem der Herr Obercommandant erklärt hat, daß von Seite der ungarischen Armee keine Hülfe mehr zu erwarten sey, indem dieselbe geschlagen und das Feuer seit fünf Uhr von jener Seite verstummt, hiermit keine Veränderung in der Lage der Stadt eingetreten und keinerlei Aussicht auf eine Verbesserung derselben gerechtfertigt ist, und der Gemeinderath bis 8 Uhr Abends des 30. sich über die unbedingte Annahme der Bedingungen ausgesprochen hat, widrigens die Stadt und die Vorstädte beschossen und in Brand gesteckt werden würden, sieht sich derselbe ge nöthigt, seine Mitbürger aufzufordern, ihrem bereits früher ausgesprochenen Willen nachzukommen und ihm die Rettung der Stadt vor Zerstörung möglich zu machen. Die Einleitungen zur geforderten Niederlegung der Waffen werden getroffen und hiervon Herr Fürst Windischgräß in Kenntniß geseßt. In Folge dessen ist auch die Ablieferung der Kanonen zu veranlassen, wobei Herr Fürst Windischgräß die Deputation aufgefordert hat, dieselben zu bezeichnen, damit seiner Zeit dasselbe Geschüß den Bürgern Wiens zurückgestellt werden könne, wobei derselbe wiederholt feierlich versichert, daß die Errungenschaften des 15. März und Mai durch den vorübergehenden Belagerungszustand nicht geschmälert oder aufgehoben werden, wofür das kaiserliche Wort bürge.

Wien, am 31. October 1848. Vom Gemeinderathe der Stadt Wien." ,,An die National-Garde der Hauptstadt Wien. Im Nachhange zur Prokla

mation vom 30. October 8 Uhr Abends sehe ich mich verpflichtet, bekannt zu geben, welche Ursachen mich bestimmten, zu dem mit Sr. Durchlaucht dem Feldmarschall Fürsten Windischgräß geschlossenen Kapitulation einzurathen. Es fehlte seit drei Tagen schon an Munition, welche verrätherisch (?) von mehreren Individuen theilweise unterschlagen wurde. Mangel an Lebensmitteln machte fich fühlbar, und wäre in längstens zwei Tagen sehr drückend geworden. Die Geschüßbedienung wurde von Tag zu Tag weniger. Der Mangel an geschulten und geübten Truppen, welcher die Entsendung von Succurs an die bedrohten Punkte unmöglich machte, indem die Garde bisher nur den Beruf hatte, sich bloß in ihrem Bezirke zu vertheidigen, wobei ich aber dankend jener Garden gedenke, welche mit muthiger Aufopferung überall hin sich verwendeten. Weitere Motive waren:

Die wiederholte Versicherung, daß die von Sr. Majestät dem Kaiser gewährleisteten Volksrechte nicht beeinträchtiget werden sollen. - Die bestimmte Ueberzeugung, daß das nicht berufene ungarische Heer der Zahl nach im Mißverhältnisse zur jest cernirenden Truppenmacht stehend, keinen Entsag der Stadt bringen konnte. Die durch fortgeseßten bewaffneten Widerstand unvermeidliche Zerstörung des Wohlstandes unserer herrlichen Stadt, das gränzenlose Elend der armen Classe bei herannahendem Winter, der gestörte Verkehr und Handel, alle die Greuel eines vorauszuseßenden Bürgerkrieges mit den entseßlichen Folgen. Vom Standpunkte der Menschlichkeit und Vernunft, ehrlicher Ueberzeugung und verständiger Beurtheilung mußte ich für eine Kapitulation stimmen; denn Wien mit einer halben Million Einwohner und die ganze Bevölkerung Oestreichs lag auf der einen Wagschale, - Fügung in ein zwar hartes, aber vorübergehendes Loos auf der andern. Hier hatte Verstand und Gewissen zu entscheiden, — fanguinische Wallungen sind in solchen Momenten Verbrechen am Volke. Die heute von Sr. Durchlaucht dem Feldmarschall Fürsten Windisch gräß rückgekehrte Deputation brachte das Versprechen mit, daß die im März und Mai errungenen Freiheiten nicht geschmälert, und die für's Voll eingetretenen Militärs möglichst mild behandelt werden, ferners, daß der National-Garde ihre eigenthümlichen Waffen und Geschüße bei Reorganisation der Garde gleich zurückgestellt werden sollen.

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Garden von Wien! Ich harrte bei Euch aus, während der mit blutiger Flammenschrift in die Geschichte gezeichneten October-Periode. Wenn zwanzig mühevolle Tage, wenn zwanzig schlaflose Nächte, wenn der redliche Wille Euch zu dienen, wenn die durch viele Hemmnisse benachtheiligten Anstrengungen einigen Werth haben, so hoffe ich, daß Ihr auf mein Wort höret und mit dem Muthe das Unabwendbare ertragen werdet, welchen Ihr den feindlichen Kugeln gegen über bewiesen habt. Ich trete von meinem harten Posten mit dem Bewußtseyn treuer Pflichterfüllung zurück, und danke Euch, Kameraden, für das Vertrauen und die heldenmüthige Hingebung im Dienste für's Volk und Volkes-Rechte.

Ernst Haug, m. p., Chef d. Generalst. d. Wien. N. G.."

Kundmachung. Um den verschiedenen Parteien, welche in dem kritischen Augenblicke des Verhängnisses der belagerten Stadt über die so hochwichtige Frage, ob ein Verzweiflungskampf gegen eine faktische Uebermacht geschlagen werden solle oder nicht, Rechnung zu tragen;

um uns von den Uebeln der Anarchie und eines brudermörderischen Zwiespalts im Innern zu bewahren, von welchem unser militärischer Gegner keinen Augenblick säumen würde Vortheil zu ziehen, finde ich mich veranlaßt, den Herrn Hauptmann Fenneberg als Vertrauensmann der mobilen Corps, so wie den Hauptmann Redel als Vertrauensmann der akademischen Legion, zu meinen Stellvertretern zu ernennen. Ich lasse diese beiden Herren sogleich zum Kriegsrath zu mir entbieten, um nochmals die Frage über die absolute Nothwendigkeit der bereits eingeleiteten Convention mit dem Herrn Feldmarschall in Berathung zu ziehen.

Der Kampflustige Theil der Bevölkerung wird daraus ersehen, daß das Ober-Commando zur traurigen aber unabwendbaren Nothwendigkeit der Unterwer fung unter eine physische Uebermacht mit feierlicher Verwahrung unserer heiligen und unveräußerlichen Rechte, weder überreden noch erschleichen wollte.

Nicht aus Verrath soll die Stadt dem Herrn Feldmarschall übergeben wer den. Die klarsten Beweise müssen im Kriegsrathe, mit meinen neu ernannten Herren Stellvertretern Fenneberg und Redel vorliegen, daß die Stadt ohne die gewisse Aussicht eines Entsaßes von Seiten der Ungarn, gegen die groBen Kräfte des Herrn Feldmarschall bei allem Muthe der Bevölkerung nicht gehalten werden könne, daß wir nach dem Bombardement von einigen Stunden aus Mörsern und Zwölfpfündern auf demselben Punkte stehen würden, wie jeßt, und bloß härteren und unversöhnlicheren Bedingnissen entgegen zu sehen hätten. Wien, am 31. October 1848.

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Messenhauser, m. p., prov. Ober-Commandant.“

An die mobilen Corps. Die Herren Commandanten der mobilen Corps haben bis heute Nachmittags fünf Uhr dem Gemeinderathe die Standes-Ausweise ihrer Truppenkörper, Behufs ihrer weitern Verpflegung einzureichen. Eine weitere Fortseßung des Kampfes ist nach den zuverläßigen Nachrichten, die über das gestrige Gefecht bei Schwechat eingetroffen, wenn nicht unmöglich, doch nußlos und verderblich, weil gegenüber der überlegenen Macht der kaiserlichen Truppen von einem leßten verzweifelten Kampfe nur Tausende von Leichen, aber kein dauernder Erfolg für die Freiheit Aller zu erwarten steht. Es handelt sich darum, den Bürgerkrieg zu verhüten, der uns jest gefährlicher ist, als Millionen von Soldaten und Kanonen um die Mauern Wien's. Ihr habt wie Helden gefoch ten, schickt Euch als Männer in das Unvermeidliche. Ihr habt Euer Vertrauen in mich geseßt, und ich, der ich seit Jahren für die Sache der Freiheit eingestan

den, sage Euch: der Kampf ist in diesem Augenblicke der Sache der Freiheit gefährlicher als Alles, was man gegen selbe jezt unternehmen kann. Es wäre ein Verrath an ihr, weil er uns für lange Zeit hinaus untauglich machen würde, für sie zu wirken. Darum fügt Euch dem unvermeidlichen. Die Herren CorpsCommandanten werden dießfalls unverzüglich ihre weiteren Befehle erhalten. Dieselben haben mit je drei Offizieren ihrer Corps heute Nachmittag um 4 Uhr sich zu einer Besprechung im Saale des Gemeinderathes einzufinden.

Wien, am 31. October 1848.

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Fenneberg, m. p., pr. Mit-Ober-Commandant d. Wien. Volkswehr."

Mitbürger! Es ist notorisch festgeseßt, daß unsere ungarischen Brüder der Waffen-llebermacht unterlegen sind. Die heldenmüthigen Vertheidiger Wiens haben vor den Augen der Welt ihre Ehre bisher glänzend erhalten. Wäre die Möglichkeit eines siegreichen Widerstandes denkbar, Mitbürger! Eure Vertreter würden mit Euch kämpfen, würden nicht von Uebergabe sprechen, aber uns fehlt Munition und Proviant. Mit Eurer todesmuthigen Kampfbegier können wir Euch wohl zur Schlachtbank führen, zum Siege aber gegen diese wohlgerüstete Armee, gegen diese 100 Feuerschlünde nimmermehr.

Darum, heldenmüthiges Volk von Wien, sey so groß in Deinem Falle, als Du es in der Erhebung warst.

Für die Freiheit leben ist größer, als tollkühn unsere Zwecke durch uns und mit uns vernichten. Wir haben die Ehre gerettet, darum ist nichts verloren.

Volk von Wien! während man glauben machen wollte, es herrsche Anarchie in unsern Mauern, war die Ordnung durch Euere bewunderungswürdige Mäßigung von Euch selbst erhalten. Arbeiter! Ihr habt bis jetzt Euch als der Freiheit werth gezeigt, schändet im leßten Augenblicke nicht Euren Ruhm, Eure Ehre. Legt die Waffen nieder, denn wir müssen es thun, stürzt Euch nicht tollkühn ins Verderben, erhaltet Euch dem Vaterlande.

Hört die Stimme Eurer Vertreter, die, wie Ihr selbst, Männer aus dem Volke sind, denen Euer Leben, Eure Ehre heilig und theuer ist.

Legt die Waffen nieder, und zeigt den einrückenden Waffenmännern, daß der Ordnungssinn, daß der wahre Heldenmuth sich dem Unabwendbaren männlich fügt. Zeigt, daß Ihr der Freiheit werth seyd und sie wird, sie muß Euch werden. Das Ober-Commando:

Messenhauser, pr. Ober-Command.

Fenneberg,

Ober-Commandten-Stellvertreter.

Der Gemeinderath:

Stifft, Vorstands-Stellvertreter.,

Karl Pranter *),
Gemeinderath."

*) Der Gemeinderath Pranter theilte dem Verfasser mit: er bezweifle dieses Plakat

unterzeichnet zu haben. —

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