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wurden, wie bereits erwähnt, auf seinen Befehl durch den Oberlieutenant Dunder in der Nähe der Stallburg concentrirt. Diese Mittel waren jedoch einem ernsthaften Unternehmen von Seite der Umsturspartei jedenfalls nicht gewachsen; und da auf das stattgefundene Allarmiren in der Stadt in einem Bezirke mur 15 Garden ausrückten, so war man in einem solchen Falle nur auf Hülfe von Außen angewiesen. Eine solche schien auch Messenhauser beabsichtigt zu haben; darauf deutet wenigstens hin, daß er Dr. Kubenik ersuchen ließ, ehe er in's k. Lager zurückgehe, zu ihm zu kommen und mit demselben eine lange geheime Unterredung hatte, dann daß er seine Dispositionen so genommen hatte, daß er im Nothfalle fich an eines der beiden Kärtnerthore werfen konnte. Während auf diese Art Messenhauser seine Vorkehrungen für den äußersten Nothfall traf, ging er in Unterhandlungen mit der Umsturzpartei ein, um sie zu be schwichtigen und den Anbruch des Tages in Ruhe abwarten zu können. - Auf vieles Andringen willigte er in eine Zusammenkunft bei P. Giacomozzi (Spezereiwaren-Handlung und Weintrinkstube Nr. 598), -wohin er auch mit dem Baron Horezki kam. Daselbst versprach er ihnen die Ernennung Fenne berg's zu seinem Stellvertreter, und jene Redl's zum Commandanten aller Mobilgarden, welche Ernennungen auch des andern Morgens an den Straßenecken zu lesen waren. Die Nacht verging demgemäß ruhig.

Die beiden t. Generale Kriegern und Karger hatten mit ihren Truppen den Schwarzenberggarten befeßt. Die Vorposten waren bis gegen das polytechnische Institut vorgeschoben. Gegen 11 Uhr Nachts kündigten einige Trompetenstöße die Rückkunft des Parlamentärs (Dr. Kubenik) an. Er wurde zu den Generalen geführt, bei welchen er durch längere Zeit verweilte. Nach seinem Abgange trat das ganze Militär unter Waffen. Die beiden Generale blieben die ganze Nacht auf dem Plaße. Der Parlamentär kam erst gegen 4 1hr Morgens aus dem Hauptquartier von Heßendorf zurück.

Gegen 8 Uhr Abends ließ sich plöglich am Stephansplaße ein Rauschen in der Höhe vernehmen, dem ein Lichtschimmer folgte. Es war eine Rakete, die vom Stephansthurme aus abgebrannt wurde. Der ersten folgten nacheinander fünf andere, und nach einer halben Stunde wieder sechs. Unter dem Nufe:,,ngarn! Ungarn kommen!" liefen die neuerdings sich täuschen Lassenden wieder auf den Stephansplaß, woselbst eine Compagnie der Mobilen aufgestellt war, welche fich die Zeit mit Gesang vertrieben, und denselben nur dann abbrach, wenn eine neue Rakete stieg, um deren feuerige Bahn durch ein wüthendes „Eljen“ zu beehren, das sein Echo in der Menschenmasse getreulich wieder fand. Gegen 9 Uhr aber, als auf dem Gange des Thurmes sogar ein griechisches Feuer angezündet wurde, welches beinahe fünf Minuten brannte, da gab es nur noch sehr Wenige, welche weder an die Ankunft der Ungarn, noch des steyerischen Land

sturmes, noch der Tyroler Schüßen geglaubt hätten. Ja es verbreitete sich schon das Gerücht, daß das Neugebäude, nebst seinen ungeheueren Vorräthen an Munition, in die Hände der Ungarn gefallen sey. Später wurden noch zahlreiche Raketen vom Thurme ausgeworfen, bis endlich das Volk des Schauens nach den glänzenden Lichtstreifen müde wurde, und sich zerstreute.

Kundmachung. Der heutige Tag ist wieder in Aufregung vollbracht wor den. Man hat das anrückende Heer der Ungarn fechtend gesehen; es ist aber leider für das Schicksal der Stadt zu spät gekommen. Die Ungarn fochten heute, wie man jezt gewiß weiß, bei Schwadorf. Sie sollen nicht gefiegt haben. Wenigstens hat man von 3 Uhr an von einer Fortsetzung des Kampfes nichts sehen können! Mitbürger! Ihr habt heute wieder gezeigt, daß Ihr kampfbereit für Ehre und Freiheit dasteht, wenn auf irgend eine sichere Aussicht auf Sieg und Erfolg zu rechnen ist.

Ich bin es mir schuldig zu erklären, daß unsere Lage am Abende die alte ist. Der Feldmarschall hat erklärt, daß, wenn bis heute Abend 8 Uhr die Unterwerfung der Stadt nicht angezeigt ist, er die noch nicht beseßten Vorstädte mit aller Energie angreifen, und nöthigenfalls in einen Schutthaufen verwandeln würde. Diese Kundmachung ist alsogleich zu verlautbaren, und die Bezirke haben mir in der kürzesten Zeitfrist den Entschluß der Garden schriftlich mitzutheilen, nämlich: ob sie die Waffen strecken wollen oder nicht?

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Wien, am 30. October 1848, 8 Uhr Abends.

Messenhauser, m. p., provisorischer Ober-Commandant." Nachts stürmte eine Masse Proletarier mit Waffen versehen über den Josefs Play, so wie über den Michaeler-Plaß, und wollten durchaus die FranzensStatue demoliren. Die beiden in der Stallburg im Plaß-Commando-Lokale Inspection habenden Plaß-Offiziere Waßhuber und Doninger eilten sogleich auf den bedrohten Punkt, und suchten die Massen zu beruhigen und auseinander zu bringen, welches ihnen auch nach langen Bemühungen gelang. Später aber wiederholten sich diese Angriffe, die durch die Hauptwache in der k. k. Hofburg zurückgedrängt wurden, wie später dargethan werden wird.

In der Nacht um 11 Uhr kam eine Compagnie der Mobilgarde mit einem schriftlichen Befehle, von Fenneberg unterzeichnet, in das k. k. Tabak- und Stempel-Administrationsgebäude in der Niemerstraße, und verlangte von dem WachCommandanten Dorigo mit Ungestümm die Oeffnung aller Magazine, indem beim Ober-Commando die Anzeige gemacht wurde, daß daselbst Pulver verborgen sey. Diese Compagnie war sehr stark und führte zwei Kanonen mit sich. Der WachCommandant widerseßte sich energisch dem Ansinnen dieser Leute; doch diese wollten sich nicht abweisen lassen, sondern beseßten das Gebäude. Nach einer Viertelstunde langte jedoch ein dringender Befehl ein, der anordnete, daß diese

Compagnie sogleich die Burgbastei zu beseßen habe; welche auch diesem Befehl Folge leistete, und so wurde dieses Staatsgebäude vor der Gefahr der Plünderung gerettet.

Das Hauptquartier der Octoberhelden. Der Wirth zum rothen Igel war immer sehr schwarzgelb" gesinnt. Als daher die Octoberrevolution ausbrach, flüchtete er in einen nahen Badeort, und überließ seine vortreffliche Restauration der Anarchie der Kellner und dem blut- und weinlüsternem Treiben der Demagogen. Die Kellner waren äußerlich noch sehr wenig von den Errunzenschaften unserer Tage berührt, ihnen galt jeder Gast Er. Gnaden" und „Herrvon,“ und alle Bemühungen der Demokraten, diese eleganten Burschen zu forrumpiren, und den rothen Igel mit Abschaffung jedes Kapitals in eine Art Phalanstere nach den Grundsäßen der menschlichen Gleichheit und Brüderlichkeit umzuwandeln, scheiterte an der Charakterfestigkeit und solidarischen Verantwortlichkeit dieser jungen Herren von der Serviette.

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Wenige Tage nach dem 6. October hatten bereits die Lokalitäten in der Restauration am Wildpretmarkt zum rothen Igel ein eigenthümliches Ansehen. Man saß nicht mehr so ruhig und traulich beisammen, die Czechen hatten fast ganz den Plaz geräumt, die Polen waren meistentheils im Reichstage beschäftiget, und kamen nur zur Stillung augenblicklicher Magenstimmungen hieher, die Börsenmänner und Banquiers hatten bereits die Stadt verlassen, um dem Waffendienste zu entrinnen; die Demokraten allein hatten nun ihr Hauptquartier im rothen Igel aufgeschlagen, aber sie waren vollauf beschäftiget und es gab daher ein immerwährendes Hin- und Herrennen, einen bunten Wechsel von Gestalten, Bothschaften, Diskussionen und Stimmungen. Die gemüthliche naive Unterhal tung, welche bis zum October troß aller stündlichen Aufregung in Wien geherrscht hatte, war nun auch aus den Räumen des rothen Igels geflohen.

Die freudige lleberraschung, von welcher die Radikalen wenige Tage nach dem 6. October über den leichten Sieg des Volkes ergriffen waren, machte gar bald peinlicheren Gefühlen Plaß, als sich die Verhältnisse immer ernstlicher gestalteten, und die Gefahr von Außen mit jeden Tag drohender wurde. Nun war es nicht mehr Zeit mit Phrasen die Welt zu erobern, mit Manifesten und Marktreden das Volk für die Bewegung zu stimmen," jeßt mußte sich endlich die Thatkraft bewähren, und jeder praktische Gedanke, jeder energische Schritt zur Lösung der verhängnißvollen Konflikte war bedeutsamer geworden als die ganze Tagesliteratur, welche von beiden Seiten diese Epoche vorbereitet hatte.

Betrachten wir einmal die Helden, welche sich nun berufen glaubten Weltgeschichte zu machen, besonders einige Mitglieder des,Centralausschusses der demokratischen Vereine," in deren Hände, wie sie behaupteten, die Fäden der ganzen Bewegung gelegt waren.

Der Leser und die Nachwelt mögen uns verzeihen, wenn wir ihnen zuerst Herrn Chaises aufführen, das erbärmlichste Subjekt unter den Wiener Revolteurs.

Herr Chaises, welcher chaises ausgesprochen seyn will, soll seiner Abkunft ein polnischer Jude, seines Gewerbes ein Barbiergeselle seyn. In Wien gewann er besonders nach dem 26. May 1848 in den Vorstädten einige Bedeutung, wußte mit unnachahmlicher Arroganz seine,,Principien" mit Hülfe einiger herabgekommener Industrieritter seines Schlages den guten Spießbürgern beizubringen, wurde Begründer mehrerer,demokratischer und liberaler Vereine" und war unter den Demokraten von Handwerk als ein geschicktes Faktotum, ungefähr wie die Berliner Mädchen für Alles" angesehen. Seine maßlose Ignoranz, innig verwachsen mit einer bodenlosen Charakterlofig= keit, verhinderte denselben nicht, selbst im Foyer des Reichstags die Deputirten zu haranguiren, ihnen gute Rathschläge zu ertheilen, mit den Mitgliedern des Centrums Beefsteaks zu verzehren, der czechischen Rechten gelegentlich Sottisen zu sagen, die Linke in seine demokratischen „Prinzipien“ einzuweihen; Herr Chaises war der Unausweichliche, seine schnarrende Stimme machte sich in allen Klubs bemerkbar, sein gemeines Gesicht mit den hinter Brillen lauernden Fuchsaugen zeigte sich auf allen Straßenecken und Redebühnen, unermüdlich watete seine unterseßte Figur von einer Vorstadt in die andere, von der Aula in den Reichstagssaal, von der ,,Ente," dem Siz des Centralkomitees, zum „rothen Igel," vom Ober-Commando der Nationalgarde auf die Werbepläße der Freiwilligen. Obwohl ihn die Demokraten vom Handwerk als unbezahlbar für ihre Zwecke betrachteten, bezweifelt doch eine gerechte Mitwelt, daß Herr Chaises der guten Sache blos um seiner patriotischen Begeisterung und des demokratischen Generalbewußtseyns willen gedient habe. Herr Chaises wurde endlich aus dem Reichstagsfoyer hinausgewiesen, von allen politischen Parteien mit offener Verachtung behandelt, von seinen eigenen Kollegen und,,Brüder n“ des Unterschleifs von Geldern, des Diebstahls u. dgl. communistischer Tugenden beschuldigt; aber was kümmert das einen Mann, der für die Sache der Freiheit und der unverlegten Volks souvärenität glüht.“ Sein patriotisches Bewußtseyn hob ihn hoch empor über derlei spießbürgerliche Lebensanschauungen, sein ganzes Streben war ja dem,,Volke" geweiht!

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Herr Chaises wurde endlich in den Octobertagen Oberst,,des demokratischen Frei Corps," welches er auf Werbung und Handgeld errichtete, und als dessen Führer er stets der Erste die Flucht ergriff; den eisernen Krallen der Militär-Untersuchungscommission wußte er mit Hülfe der göttlichen Vorsehung, welche das Leben dieses edlen Märtyrers zu Frommen und Heil unseres Jahrhunderts in besonderen Schuß genommen, glücklich zu entrinnen. Wie man erzählt, zehrt er nun in einer friedlichen deutschen Stadt von den Früchten seiner Demokratie,

Dieß ist die Lebensgeschichte eines Demokraten vom reinsten Wasser" in unserem Jahrhundert. Wir haben ihr unsere volle Aufmerksamfeit gewidmet, indem wir wünschen und hoffen, daß die Geschichte dieses edlen Martyrers alsbald in ein deutsches Heldenbuch vom Jahre 1848", oder unter die Legenden künftiger Jahrhunderte aufgenommen werde.

Unter den Freunden und Dußbrüdern des Herrn Chaises finden wir noch die edleren Naturen eines Dr. Julius Becher, Dr. Jellinek und einige Redakteure nnd Mitarbeiter des „Radikalen,“,,Studentenkouriers,“,,Gassenzeitung“ u. dgl.

Zur Ehre eines Todten finden wir uns zur Erklärung verpflichtet, daß Dr. J. Becher nicht bles auf dem Richtplage, sondern auch den feindlichen Belagerungsgeschüße gegenüber, sich als Mann von Muth und Entschlossenheit gezeigt hatte. Unter seinen früheren Freunden erwarb sich der unglückliche Mufiker in der Zeit seiner politischen Thätigkeit den bezeichnenden Beinamen des somnambulen Politikers," welcher zugleich auf alle jene besseren Naturen paßte, welche mit Becher in- und außerhalb Wien gleiche Tendenzen mit gleichen Mitteln verfolgten. Die,,somnambule Politik" der Wiener Octoberkämpfer erhielt jedoch erst eine bestimmtere Färbung, und einen intensiveren Charakter, als Fröbel selbst die verehrte Größe unserer „r einen Demokratie" und der wissenschaftliche Vorfechter jener Politik in den Mauern Wiens und im rothen Igel erschien.

Wenn sich die Wiener Demokraten, welche an einen Sieg der Hauptstadt mit Hülfe der Ungarn glaubten, durch den Leib Robert Blum's einigermassen gegen eine Nation unter den Wiener Bürgern selbst gedeckt fühlten, so horchten fie andererseis mit ehrerbietiger Andacht auf die Orakelsprüche Fröbel's, welcher seine Beobachtungen auf dem Gebiete der Demokratie in so schöne, allgemeine theoretische Säße zu bringen wußte, und die,,vernünftige Kombination" dieser Säße auf die Munitions-Vorräthe, den Barrikadenbau, die Anzahl und Stärke der Kräfte der Belagerungsarmee und Belagerten, auf die Möglichkeit eines ungarischen Ersagcorps und auf alle Chancen des Sieges der Volkssache anzuwenden verstand.

Blum galt den Mitgliedern des ,,Studenten Comitees," des,,leitenden demokratischen Central-Comitees" und den übrigen Helden des Octoberkampfes, als das vollwichtige geheiligte Symbol der deutschen Freiheit, welches sie vor dem gläubigen Volke auf der Aula und in den Straßen, zur geistigen und körperlichen Erhebung ausstellten. Fröbel, den ritterlichen Republikaner, das unermüdliche Comiteemitglied des allgemeinen deutschen Demokraten-Vereins, den geistreichen Verfasser der „socialen Politik," betrachteten jedoch die Wiener als das allwissende Orakel in verhängnißvollen Momenten, als den Dalailama der demokrati

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