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half ihn durch die Luke eskortiren, und so gelang es den so gefährlichen Standpunkt auf dem Gerüste mit dem Innern der Thurm-Wachstube zu vertauschen. Hier fingen die Erörterungen auf's neue und heftigste an; das Berufen Messenhauser's an die Nationalgarde half nichts. Die Proteste im Namen derselben machten keinen Eindruck, da man entschlossen war Fenneberg zum Ober-Commandanten zu ernennen, und dieser selbst in der Nähe sich befand, um seine Anhänger zu ermuntern. Erst als Messenhauser aus Freundesmund erfuhr, daß seine augenblickliche Abdikation unerläßlich sey, da sonst sowohl er, als auch der Kreis der Freunde um ihn, nicht den Thurm verlassen würden; daß Hauk seinem Corps bereits den Befehl ertheilt habe, die Verräther-Clique" d'roben niederzuschießen, erst als Stimmen auf der Thurmtreppe dieß unz weideutig bekundeten, gab er nach und unterzeichnete seine Abdankung, ohne diese selbst an irgend eine Bedingung zu knüpfen. Im nächsten Moment erschien Fenneberg, wurde als Interims Ober-Commandant proklamirt, schrieb als solcher mehrere Befehle, und soll später mit Messenhauser im Gemeinderath erschienen seyn um die Sanktion für das Geschehene zu erhalten. Messenhauser aber begab sich früher zum Ober-Commando. Mit diesem Ereigniß trat die vollständige Auflösung des Observatoriums am Stephansthurme ein. Als der Befehl Fennebergs erschien, von 3 zu 3 Minuten Signal-Raketen vom Thurme aufsteigen zu lassen, war Niemand mehr oben, als die gewöhnlichen Thurmwächter und ein Arbeiter Stuwer's, der seit 16 Tagen oben stationirt war. Wohl kamen am 31. Morgens einige von den Technikern, die bisher als Observanten angestellt waren, noch einmal hinauf um sich die Sache privatim anzusehen; als aber Nachmittags gegen 4 Uhr Granaten in das Observatorium Stübchen flogen, und dort zerplazten, suchten auch diese Jünglinge das Weite.

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In der Nacht vom 29. auf den 30. October kam, wie schon erwähnt, eine Deputation vom Wiener Gemeinderath zum Feldmarschall mit der unbedingten Unterwerfungserklärung der Stadt, und der Bitte, daß die Truppen schleunigst von ihr Besiz nehmen möchten. Der Fürst bestimmte nun, daß am Morgen des 30. eine Kommission zusammentrete, welche die einzelnen Punkte wegen vorheriger Ablegung der Waffen u. dal. näher festseße, worauf sodann die wichtigsten Theile der Stadt und Vorstädte besetzt werden sollten. Von dieser Seite beruhigt, glaubte nun der Feldmarschall es nur noch mit den magyarischen Schaaren zu thun zu haben, und begab sich des Morgens am 30. October wieder auf den Laaerberg; alle Truppen waren, wegen starkem Nebel, um 8 Uhr noch in ihrer gestrigen Aufstellung; auch die Cavallerie des G. M. Liechtenstein noch nicht abmarschirt. Beiläufig um 9 Uhr wurde bei Mannswörth, wo

sogleich einige Häuser in Brand geriethen, das Gefecht von Seiten der Magyaren eröffnet. Das 2. Bat. des Gradiskaner Regiments konnte dem feindlichen Geschüßfeuer keinen langen Widerstand entgegenseßen, und räumte dieses Dorf, indem es sich auf die hinter Kaiser-Ebersdorf stehende Brigade Dietrich zurückzog.

Schwechat und Neukettendorf wurden sofort vom Feinde angegriffen. Die f. Infanterie zog sich Anfangs auf das linke Ufer der Schwechat zurück, und hielt dieses fest. Der Kampf beschränkte sich durch mehr als eine Stunde auf eine gegenseitige Kanonade, die besonders gegen Schwechat und Neukettenhof gerichtet war, und mittelst welcher der Feind die Brücken über die Schwechat in seine Gewalt bekommen wollte. Die Cavallerie hatte sich indessen in Bewegung geseßt. Ihr Vorrücken auf das rechte Ufer der Schwechat ging, wegen den schmalen Brücken über den Wiener-Neustädterkanal und über die Schwechat bei Oberlanzendorf, nur langsam vor sich. G. M. Fürst Liechtenstein rückte, nach ungestörter Passirung des Flusses, mit der Spiße seiner Colonne bis Rauhenwart vor, machte dann eine Wendung links, und bewegte sich gegen die Stellung des Feindes, dessen linke Flanke er in seiner nunmehrigen Aufstellung mit dem rechten Flügel unweit Rauhenwart, und mit dem linken Flügel gegen Zwölfaring, sehr ernstlich bedrohte.

Die Ungarn hatten von dem Herannahen der k. Cavallerie erst spät Kunde erhalten. Sie bildeten nun mit ihrer gesammten Reiterei und drei Batterien Zwölfpfündern, die ein gut unterhaltenes Feuer eröffneten, einen Haken gegen die k. Cavallerie, während ihre Infanterie des zweiten Treffens Bataillonsmassen formirte. Es wurde von beiden Seiten stark kanonirt, wobei die Ungarn den doppelten Vortheil einer höheren Stellung und des Beihabens von Zwölfpfündern hatten, während die Kaiserlichen ihnen auf dieser Seite nur sechspfündige Kanonen entgegenstellen konn ten. Der Banus von Kroatien ergriff nun von Schwechat und Mannswörth aus die Offensive gegen den Feind, der schon beim Ansichtigwerden der Cavallerie seinen Rückzug begonnen hatte, und ihn nunmehr über Fischament und Enzersdorf, unter dem Schuhe eines starken Nebels und einbrechender Dunkelheit, die ganze Nacht hindurch fortsette. Das Dorf Rauhenwart war von den Ungarn beseßt, wodurch sich der G. M. Fürst Liechtenstein - um es nicht in seinem Rücken zu lassen abhalten ließ, sich mit seiner Cavallerie auf die linke Flanke des Feindes zu werfen. Daß er sich auf eine bloße Bedrohung beschränkte, muß allerdings bedauert werden, weil ein kräftiger Angriff von seiner Seite eine vollkommene Niederlage der Ungarn zur nothwendigen Folge gehabt haben würde. Es war aber damit wenigstens der Vortheil erreicht, ihrer losgeworden zu seyn, um die Eroberung Wiens ungestört zu Stande zu bringen. Der Verlust der k. Truppen an Todten und Verwundeten bestand in 50 Mann, unter leßteren fünf Offiziere. Der des Feindes mag das Dreifache betragen haben, konnte aber, da er viele Wagen voll Verwundeter mit sich nahm, nicht genau ermittelt werden.

Der Ausfall der Mobilgarden, auf welchen die Ungarn gerechnet zu haben schienen, fand nicht statt, aber von der Bastei herab wurde auf die Truppen in den Vorstädten gefeuert. So war allerdings ein zweifacher Bruch der bereits abgeschlossenen llebereinkunft zu beklagen; aber die Bevölkerung der inneren Stadt, welche während dieses schrecklichen Tages in die kläglichste Ohnmacht verseßt war, hatte keine Schuld. Die Stadt war angefüllt mit jenen wilden, zerlumpten, abenteuerlichen Gestalten, wie man sie in großen Städten gewöhnlich nur in Revolvtionszeiten beisammen sieht. Diese wilde Masse übte in den leßten Tagen des Octobers einen unerträglichen Terrorismus, sie war Meister der Stadt, insultirte fast Jeden, der keine Waffe trug und bezeichnete als schwarz gelb alle anständig Gekleideten, deren Kopf weder der Czako noch der Kalabreserhut bedeckte. Man sah auf dem hohen Markt einen Bürger wegen einer ungünstigen Aeußerung gegen die Studenten vom Pöbel zu Boden werfen und blutig mißhandeln. Als man gegen Abend endlich den Irrthum in Betreff der Ungarn erkannte, ging die Wuth der erhigten Menge so weit, daß die von einzelnen Stimmen ausgestoßene Drohung, die Brandfakeln in die Hofburg zu schleudern, die kaiserlichen Gräber zu entweihen und das Franz-Monument zu zerstören, nicht nur keine Mißbilligung, sondern von man cher Seite laute Zustimmung fand.

Der Gemeinderath versuchte mittelst großer Geldopfer die Proletarier zur Niederlegung der Waffen zu bewegen. Man bezahlte den Leuten, welche ihre Gewehre ablieferten, bis 10 fl. CM. Man versprach ihnen den bisherigen Taglohn auch nach der Uebergabe der Stadt so lange zu bezahlen, bis für ihren weiteren Unterhalt gesorgt sey. Alle diese humanen Bemühungen waren ziemlich fruchtlos. Abends verbreitete sich das Gerücht, daß das Neugebäude von den Ungarn genom men sey. Der Brand von Schwechat wurde beim Ober-Commando gemeldet. Ein Bürger-Cavallerie-Offizier machte beim Ober-Commando die Anzeige, daß er vom Minister Krauß gehört habe, daß die Ungarn zurückgeschlagen sind. Diese Nachricht wurde, nachdem solche verbreitet worden, vom Volke bezweifelt und über Verrath geschimpft. Aus dem Baron Sina'schen Hause fiel ein Schuß auf einen Haufen versammelter Menschen. Aus Steyermark sollen sich zwei Bauern als Geißeln gestellt haben, daß der dortige Landsturm wirklich im Anzuge sey.

Der Bruch der abgeschlossenen Kapitulation hatte, wie erwähnt, ein Bom bardement zur Folge, welches vorzugsweise gegen die wegen ihrer politischen Gesinnung berüchtigten Vorstädte Mariahilf, Gumpendorf, Hundsthurm und Maßleinsdorf gerichtet war. Der Feldmarschall ließ dabei, zur Schonung der meist Gutgesinnten Hausbesiger angeblich die Rücksicht eintreten, daß er keine mit Brandsaß geladene Bomben werfen ließ (?).

Als die Deputation des Studenten-Ausschusses vom Stephansthurme herab

gelangte, begab sich solche in den Reichstags-Ausschuß und in den Gemeinderath, um die Bestätigung Fennebergs als Ober-Commandanten zu erlangen. Im Reichstags-Ausschusse wurde derselben bedeutet, derselbe könne Fenneberg nicht bestätigen, da eine neue Wahl nur im Vereine mit dem Ministerium und dem ganzen Reichstage geschehen könne.

Abends zeigte der wackere Kanzelist Rettich und Andere dem Plag-Oberlieutenant Dunder an, daß der Ober-Commandant Messenhauser abdanfen wolle, und die Abdankungsakte an den Reichstag und Gemeinderath verfasse, indem er von Seite des auf der Universität sich neuerdings gebildeten StudentenComitees und der demokratischen Partei des Verrathes beschuldigt, und am Stephansthurme hart gedrängt worden, die Kapitulation zu brechen. Dunder begab sich eiligst in alle Bureaux des Ober-Commando und forderte die zahlreich anwesenden Ober-Offiziere und auch die Verwaltungsräthe der Permanenz auf, sich der Abdankung Messenhauser's und der Ernennung Fennebergs zu widerseßen. Fenneberg und seine Partei war nicht anwesend, solche schlug ihr Hauptquartier des noch ungebornen neuen Ober-Commando auf der Aula auf. Es durfte keinen Augenblick gesäumt werden, indem durch Messenhauser's Abdankung der Umsturzpartet freies Spiel gelassen, die Fakel des Krieges neuerdings entzündet, und Wien dem gräßlichsten Verderben ausgeseßt worden wäre. Es war unerläßlich den Ober-Commandanten um jeden Preis zur Zurücknahme seines geäußerten Entschlusses zu bewegen, und im äußersten Falle der Partei, welche die Kapitulation brechen und im Widerstande beharren wollte, mit Gewalt entgegen zu treten.

Es versammelten sich sämmtliche Oberoffiziere des Central-Bureaus, des PlagCommando und der andern Abtheilungen im Vorzimmer des Ober-Commandanten, und Dunder wurde vom Oberst Schaumburg und Anderen aufgefordert den Redner zu machen. Derselbe eröffnete mit einem — in der furchtbaren Periode seltenen Muthe die Verhandlung, theilte im Namen aller anwesenden Offiziere in einer kräftigen, gehaltvollen Rede Messenhauser den gefaßten Wunsch und Beschluß fämmlicher Offiziere mit, stellte ihm die Gefahr vor, welche die Stadt bedrohe, wenn er in diesem gefährlichen Augenblicke das Ober-Commando niederlåge, und gab ihm die Zusicherung, daß er von allen Anwesenden und allen gutgesinnten Staatsbürgern bis zur definitiven Uebergabe der Stadt kräftigst unterstüßt werden würde. Auch müsse sogleich das Geeignete in der Permanenz des Reichstages und im Gemeinderathe veranlaßt werden, um den Plänen der Umsturzpartei entgegen zu wirken. Nachdem Dunder die Anrede mit der an seine Freunde gerichteten Frage geschlossen: „Sind Sie, meine Herren, einverstanden?"-worauf ein vielstimmiges Ja! erfolgte, warf Messenhauser einen Blick auf die große Zahl der Anwesenden, was ihn

sichtlich überraschte, und begann, in der Thüre stehend, in einer gut gefeßten Rede die Motive zu erörtern, die ihn zwingen, das Ober-Commando niederzulegen. Er sagte, man habe ihn am Stepansthurme insultirt, und er habe gerade die Abdankungsakte aufgesezt, um solche dem Reichstags-Ausschusse zu überreichen.

Während diesem stürzte ein Legions - Offizier mit gezogenem Säbel und einer rothen Feder auf dem Kalabreser in der größten Aufregung unter die Versammelten, er hörte Dunder's Rede an, und ließ Worte von Verrath -fallen, er sagte: Messenhauser solle abtreten, er, der Legio= när, fenne einen Mann, der energischer und würdiger sey das Ober-Commando zuführen, und der die Wiener gewiß zum Siege führen werde; suchte zu opponiren und erklärte sich gegen die Uebergabe. Dunder sagte zu ihm: „Wo Männer über die wichtigsten Angelegenheiten sprechen, wo das Schicksal von Hunderttausenden auf dem Spiele steht, sollte ein junger Mensch von kaum 18 Jahren schweigen; die Tvraden der Jugend haben nur zu lange gedauert!" - Dieser antwortete, sich in die Brust werfend: „Ich bin nicht 18 Jahre, ich bin schon 23 Jahre alt! Wenn der Herr Ober-Commandant mehr Energie entwickelt, so will ich gerne vor ihm mein Knie beugen" -Er stand noch immer mit gezogenen Säbel in äußerst aufgeregter Stimmung mitten unter den versammelten Offizieren; man rief ihm zu, den Säbel zu versorgen, und erst als man Miene machte ihn zu desarmiren, gab er nach. Ein Bürger-Offizier rief ihm zu: „Sie, der nichts hat, haben hier leicht zu reden, junger Mann; ich bin Familienvater, habe Haus und Hof und muß das Meinige erhalten, darum spreche ich so, wie Alle die noch etwas zu verlieren haben." Unter Fluchen und Drohungen verließ der Legionär das Ober-Commando mit den Worten: „Erbärmliche Menschen, weil sie Etwas besigen, wollen sie keine Freiheit!"

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Unterdessen hatte Messenhauser, welcher seine eben geschriebene Abdankungsakte den anwesenden Offizieren vorgelesen über das Einschreiten des erwähnten Legionärs sich ferner dahin geäußert, daß er genöthigt sey, als Mann von Ehre abzudanken, indem man ihn zwang die von ihm selbst veranLaßte Kapitulation zu brechen, er aber fest entschlossen sey, diese aufrecht zu erhalten, so lange er Ober-Commandant ist. Nachdem der Plazoffizier Wa ßs huber und die sämmtlichen anwesenden Offiziere erklärt, sie würden Alle abdanken wenn er unter diesen Verhältnissen das Ober-Commando niederlegen würde, begleiteten ihn die Anwesenden in die Permanenz des Reichstages.

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