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Dieser Befehl wurde den Anwensenden mitgetheilt, dann dem Lieutenant Naske und noch zwei anderen Offizieren diktirt, und sofort bei einigen Compagnien bekannt gemacht. Dieser Befehl scheint auch vom schwachen Messenhauser durch Terrorismus am Stehansthurme erpreßt, oder von den anwesenden Revolutionsmachern aus der Reitschule befohlen worden zu seyn.

Um 3 Uhr stellte sich auf der Favoritenstraße bei der Paulaner-Kirche ein Bataillon der Mobil-Garde auf, und der Commandant dieser Truppe, Kell ner, präsentirte sich dem Bezirks-Chef mit der Aeußerung: „Ich stelle mich und mein ganzes Bataillon zu Ihrer Disposition." Doch Hirn machte ihn auf die abgeschlossene Kapitulation und auf den Umstand aufmerksam, daß die Majorität der Compagnien für den Frieden gestimmt, folg lich auf keinen Fall eine weitere Vertheidigung eintreten dürfe. Doch dieser wollte sich nicht so leicht abfertigen lassen und äußerte wiederholt, daß er den Befehl und den Willen habe, mit seinem Bataillon die Wiedner zu unterstüßen. Hirn lehnte seine Hülfe entschieden ab, und ersuchte ihn die Wieden zu verlassen. Als nun Kellner sah, daß sein kampfwüthiges Anerbiethen selbst von den in der Kanzlei anwesenden Offizieren mit Kälte und ernstem Schweigen aufgenom men wurde, verließ er mit seinem Bataillon die Wieden, und stellte sich am Glacis beim Kärthnerthore auf. Um 41⁄2 Uhr erschien ein gewisser Schindler*) und legitimirte sich mit einer schriftlichen Vollmacht vom Ober-Commando, daß er als Bertheidigungsleiter für die Wieden ernannt sey. Zu dieser Zeit befanden sich im Bureau des Bezirks-Chef: Bataillions-Chef Es che nbacher; die Hauptleute: Aichinger, Mayer, Koller, Mohn, Mufenthaler; der Oberlieutenant: Breitenfeld; die Plaß-Offiziere: Werner und Ehrenfeld; die Lieutenants: Franz, Emanuel Wallner, Körbler, Hell, und noch einige Offiziere und Garden.

Aus Allem diesen sah Hirn nur zu deutlich, daß die Umsturzpartei die Wiederbewaffneten als leztes Rettungsmittel be trachte. Er wies daher Schindler entschieden zurück und wurde dabei von allen anwesenden Offizieren und Garden, worunter Hauptmann Mayer

*) Derselbe sich Schindler nennende Israelit Abeles, der mit dem ReichstagsDeputirten Kudlich zur Organisirung des Landsturmes ausgezogen, dann später in Neustadt als Aufwiegler vom Militär aufgegriffen und ins Lager gebracht wurde. Dieser Mensch wohnte während des verflossenen Sommers am Schaumburgergrunde, trug gewöhnlich eine schwarze Sammtblouse und einen Kalabreser mit einer rothen Feder, zuweilen eine Studentenkappe; er war als gewandter Arrangeur der Kagenmusiken berüchtigt. Der frühere Vertheidigungsleiter der Wieden hieß Johann M oser, und wurde am 28. Abends von seinem Posten durch, Offiziere dieses; Bezirkes gleichsam vertrieben.

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besonders energisch sprach, kräftigst unterstüßt. Alle sprachen sich dahin bestimmt aus, daß sie künftig von Niemanden Befehle annehmen wollen als von Hirn, der der gewählte Chef sey, auch keinem andern Individuum gehorchen werden; die Debatte wurde immer heftiger, und so geschah es, daß endlich Schindler durch diesen einstimmigen Protest außer Fassung gerieth und mit der Bemerkung zum Ober-Commando abging, daß er wegen dem geäußerten Mißtrauen nichts weiteres auf der Wieden zu thun habe. Es läßt sich somit aus dem Gesagten mit Wahrscheinlichkeit ableiten, daß Schindler die Instruktion erhalten, mit den Wiednern, unterstüßt von dem Mobil-Garden-Bataillon bei der Fa voriten Linie einen Angriff auf das Militär zu machen, und daß die Umsturzpartei gehofft, durch einen möglichen Sieg den Muth und die Thatkraft der ganzen Bevölkerung zu einem erneuerten Kampfe anzuspornen; welches Unterneh men jedoch Hirn,*) unter Mitwirkung aller Gutgesinnten, zu vereiteln gelang.

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3 Uhr. Am Stephansthurm. Es wurde Messenhauser von einem Legionär ein Mann vorgestellt, der seinem Anzuge und seiner Manier nach der Arbeiter Classe anzugehören schien, und gab an, daß er dem Ober-Commandanten Wichtiges mitzutheilen habe. Er begann damit, daß er aus dem Lager komme, daß unterwegs auf der Straße ein General gefahren sey, und eben als er (Anzeiger) ganz nahe bei ihm war, der Fürst Windischgräß mit einer Suite herankam, den Generalen fragte, wohin er fahre, und ihm sagte: daß ihn das Erscheinen der Ungarn gerade jegt in große Verlegenheit seße, daß sie ihm bereits das beste Cavallerie-Regiment gefangen genommen (?) und so viel Schaden zugefügt hätten, daß er, wenn nicht bald Verstärkung käme, ihr weiteres Vordringen nicht verhindern könnte. - Messenhauser beschenkte diesen Mann, und entließ ihn mit einer Miene, die deutlich aussprach, daß es keines Scharfblickes bedürfe, um dieses plumpe Gewebe zu erkennen, was vielleicht gar nur eine Bettlerfinte war. Um diese Zeit fing die Schlacht an sich von Wien mehr zu entfernen; später sah man nur noch einzelne Kanonenblige in weiter *) Frei von dem Schwindel der neuern Zeit, zeichnete sich Hirn durch seine ritterliche Gesinnung, durch Consequenz in seinen Handlungen und durch Charakterstärke vortheilhaft aus. Als Chef des größten und radikalsten Bezirkes, wußte er die Maßregeln der Umsturzpartei zu parallelisiren und unschädlich zu machen. Durch einen Sturz vom Pferde stark verlezt, und mehrmals in Lebensgefahr, verließ er dennoch seine Posten nicht, und ihm gebührt der Ruhm, die Vorstadt Wieden vor namenlosem Unglücke bewahrt zu haben. Sein Name verdient daher mit vollem Rechte ein ehrendes Blatt in der Geschichte Wiens. Wenn abermals dem Vaterlande Gefahr drohen sollte, werden die Ehrenmänner als nun bekannt zu finden seyn, und abermals für Thron, Geseß, Freiheit und Gleichberechtigung einstehen.

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Dr.

Ferne, und Jeder faßte die leberzeugung, daß die Ungarn zurückgedrängt, geschla, gen sind. Einer nach dem Andern schlich langsam vom Thurme herab, und nur Wenige blieben bei Messenhauser, der noch immer auf dem äußern hölzernen Gerüste auf und ab ging.

Messenhauser, durch die radikalen Demokraten aus der Ente und Reitschule auf die Höhe eines Ober-Commandanten gehoben, — war deren willenloses Werkzeug und zu schwach, denselben zu widerstehen, von denselben

in's Verderben gestürzt.

Das ist der Fluch der bösen That, daß sie nur Böses muß gebären!

Nachmittags ging der Garde Doßheimer der 5. Compagnie 4. Bezirks vom Ober-Commando, wo er im Ordonnanz- Dienste gewesen, beim Franzensthore hinaus, und wollte sich in seine Wohnung in der Josefstadt begeben. Unterwegs begegnete er zweien ihm bekannten Frauen, welche in die Stadt gehen wollten; diesen rieth er, wenn es nicht sehr nothwendig sey, daß sie lieber in der Vorstadt bleiben möchten. Doch in demselben Augenblicke trat ein Frauenzimmer, wahrscheinlich eine Barrikadendame, zu dieser-Gruppe, und schrie auf Doßheimer zeigend: Dieser ist ein Lügner; schon gestern Abends sagte er, daß die Stadt sich übergeben, und daß die Waffen abgelegt werden müssen!"-Dogheimer wies sie mit derben Worten zurecht, und nun erschien ein langer, baumstarker Mann, wie ein herrschaftlicher Büchsenspanner gekleidet, stellte sich vor Doßheimer, gab ihm mit der Faust einen Stoß auf die Brust, zog seinen Hirschfänger aus der Scheide, und setzte diesen dem Garden auf die Brust. Doch in demselben Augenblicke fällte der letztere das Bajonett gegen den Büchsenspanner, und benahm ihm dadurch jede Lust zu der angedrohten Gewaltthat. Die ganze Scene endete mit einem derben Wortwechsel von beiden Seiten.

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Nachmittags wurden die schon erwähnten kleinen Zettel, Berichte vom Stephanethurme" über die Schlacht der Ungarn in Massen immer noch in allen Theilen der Stadt und der Vorstädte ausgetheilt. Es erdröhnten zahlreiche Schüsse gegen die Vorstädte Hundsthurm, Mazleinsdorf und Mariahilf, woselbst Gefechte vorfielen.

Oberst Schaumburg, welcher den Plan hatte, jeßt das Bürger-Regiment zur Aufrechthaltung der Kapitulation zusammen zu ziehen, sendete seinen Adjutanten Oberlieutenant Weißenberger zur Stubenthor- Bastei, wo er Alles im aufgeregtesten Zustande sand. Jeder wollte die Kanone richten, jeder lud sein Sewehr. Weißenberger wollte die Bewaffneten beschwichtigen, und erinnerte sie auf die abgeschlossene Kapitulation, wurde jedoch mit den Worten zum Schweigen gebracht:,,Schaun's, daß weiter kommen, es gibt ka Commando mehr; den ersten, der uns commandirt, schießen wir nieder, und wanns no a Wort reden, werden ma mit Ihnen den Anfang machen."

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In Folge der vorangeführten Zetteln vom Stephansthurme waren die bewaffneten Massen nicht mehr zurückzuhalten.,,Die Basteien beseßen!" rief Alles, und den Worten folgte die That. Der Studenten-Ausschuß wurde nun auf's Neue von allen Seiten bestürmt, seine Vermittlungen und Anordnungen zu treffen. Zuvörderst wurde der Antrag gemacht, man möge dem Ober-Commandanten M essenhauser ein Mißtrauensvotum schicken, und dem Chef der Feldadjutantur, Fenneberg, das Ober-Commando übertragen; ferner: Das Ober-Commando soll nicht mehr in der Stallburg seinen Sig haben, sondern in die Aula verlegt werden. Fenneberg wurde in's Comitee berufen; auf den ihm gemachten Antrag antwortete er: er könne nur dann darauf eingehen, wenn Messenha user schriftlich seine Abdankung in die Hände des Ausschusses niederlege. Der Ausschuß schickte hierauf eine Deputation, die aus Mitgliedern der akademischen Legion und aus Vertrauensmännern der mobieln Corps bestand, zu Messenhauser. Wir begegneten," sagt Schütte,,,um 5 Uhr dieser Deputation, worunter sich auch Dr. Becher, Dr. Hammerschmidt 2c. befanden, und wurden ersucht, mitzugehen, wir mußten den Stephansthurm besteigen, auf welchem sich Messenhauser befand, und da es schon ziemlich dunkel war, ging die Reise hinauf sehr langsam. Auf der Höhe des Thurmes angelangt, sahen wir, daß die Kapitulation gebrochen, indem in mehreren Vorstädten, und selbst von Seite der Stadt auf die kaiserlichen Truppen wieder geschossen wurde. Die Bevölkerung der Vorstadt Wieden, welche bereits die Waffen abgelegt hatte, ergriff sie von Neuem. Die Truppen zogen sich dort etwas zurück, eben so in Mariahilf, Alservorstadt 2c., und die Vorstädte wurden von den Batterien auferhalb der Linien beschossen. Der dichte Nebel versagte uns jede weitere Aussicht gegen Often, um ein Gefecht der Ungarn mit den kaiserlichen Truppen erspähen zu können, nur sahen wir noch Rauch aus einzelnen Brandstätten in der Ferne aufsteigen, so wie eine starke Kanonade bei Währing und Hernals, wo die Blize aus den Feuerschlünden sich kreuzten, und man das Schwirren und Pfeifen der Kugeln vernahm. Da wir Messenhauser auf dem gewöhnlichen Observatorium nicht fanden, so mußten wir noch höher hinauf steigen, und sahen ihn auf dem Plateau des legten Gerüstes, wo er mit dem Abgeordneten Gold mark an einem Holzpfeiler lehnte, und stillschweigend die Umgebung betrachtete."

5 Uhr Abends. Am Stephansthurme. Es kamen unaufhörlich Deputa, tionen, die den Ober-Commandanten bestürmten, Befehle zum Angriff zu geben. Einige wollten die Holzstätte vor dem Invaliden-Palais anzünden, -Andere die Leopoldstadt angreifen u. s. w. Messenhauser erklärte mit fester Stimme: Es sey an einen ferneren Widerstand nicht zu denken; alle Bertheidigungsmittel seyen erschöpft; der Entsaß von den Ungarn sey nicht denkbar, da diese heute unter seinen

Augen geschlagen und zurückgedrängt worden. Die Garde wolle sich nicht mehr schlagen, und er könne es nicht vor seinem Gewissen verantworten, seine Mitbürger nußlos zur Schlachtbank zu führen.

Um 6 Uhr erschien eine Deputation vor Messenhauser, die den OberCommandanten aufforderte, augenblicklich seine Stelle niederzulegen, da er das Vertrauen des Voltes verloren habe. Messenhauser entgegnete, daß er nur in die Hände jener Behörde, die ihn ernannt habe, auch seine Dimission niederlegen könne, er werde deshalb in einer Stunde im Gemeinderathe erscheinen. Während diese Deputation sich entfernte, bemerkte man unruhige Bewegungen am Fuße des Thurmes. Haut ließ durch einige Compagnien seines Eliten-Corps die Zugänge zum Thurme beseßen. Auf dem Stephansplage sammelten sich mehrere Führer der Mobilen; überall wurde über Verrath geklagt. Fenne berg flog von einer Gruppe zur andern; die Ebitterung über Messenhauser steigerte sich auf's Höchste; schon forderten einzelne Stimmen seinen Kopf; schon war Hauk bereit mit seinen „Braven" hinaufzuftürmen, da kam als letter Versuch eine neue Deputation des Studenten-Ausschusses, der sich Deputationen der Mobilgarde und des Eliten-Corps anschloßen. Der bisherigen Vorschrift entgegen, wonach es nur Unbewaffneten gestattet war den Thurm zu besteigen, stieg diese Deputation, bis an die Zähne bewaffnet, die steile Treppe hinauf. Seines Erfolges sicher, folgte ihr Fenneberg auf dem Fuße. Oben saß Messenhauser noch im Kreise einiger Freunde als die Deputation anlangte; diese verschmähte es durch die gewöhnliche Maueröffnung aus dem Thurme hinaus auf's Gerüst zu steigen, ließ sich daher vom Thurmwächter eine Leiter geben, und stieg damit auf das entgegengesezte Ende des Gerüstes so, daß ihre Anwesenheit von dem Kreise, der sich um Messenhauser gebildet hatte, nicht bemerkt werden konnte. Ein Student trat endlich vor und bath Messenhauser um ein geheimes Gehör. Arglos folgte ihm dieser auf die andere Seite des Gerüstes, und befand sich plöglich mitten unter den Bajonetten seiner Feinde. Unter den gröbsten Insulten wurde ihm nun bedeutet, daß er augenblicklich abzudanken habe, daß nur diese Maßregel allein ihn einem schimpfli chen Tode entreißen könne, da das Volk ihn als Verräther erkannt und bestraft wissen wolle. Messenhauser benahm sich ziemlich würdig, ließ sich nicht einschüchtern und verwies besonders Becher und Löb enstein, die ihm mit dem Bajonette drohten, ihr unehrenhaftes banditenmäßiges Verfahren. Die Heftigkeit der Debatte lockte die Anfangs zurückgebliebenen Freunde Messenhausers herbei. Der Chef des Observatoriums Groß und der Deputirte Goldmark, rissen den ernstlich bedrohten Ober-Commandanten aus der Mitte seiner Dränger. Der Schwarzwälder Dorfpoet Berthold Auerbach

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