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In Folge Messenhauser's Aufforderung wurden die Waffen hie und da in die Gemeindehäuser abgeführt, und auch in allen Straßen weggeworfen. Der größte Theil der Bewaffneten fing an, sich der Entwaffnung zu unterwerfen. Dem Ober-Commando wurde gemeldet: Die Kroaten ziehen sich innerhalb der Belvedere-Linie zurück; es sollen kaum 1000 Mann dort seyn. Die Orte Fischament und Schwechat, wo sich das k. Lager befindet, brennen. Ein Bauer berichtete: daß sich bei Fischament zwei k. Offiziere über die Donau fahren ließen und will gehört haben, daß Fürst Windischgräß zu diesen Offizieren gesagt habe:,,Nur leid thut es mir, daß die Ungarn das schöne Cavallerie-Regiment gefangen genommen haben." Bei der Hernalser- und Währinger-Linie hörte man Kanonen- und Musketenschüsse. Es schien, als ob die Kanonenschüsse nicht be= antwortet würden. Bei der Mariahilfer-Linie am Linienwalle sollen bei zweihundert Frauenzimmer mit Sensen und verschiedenen Werkzeugen bewaffnet stehen. Bon der Lerchenfelder-Linie wurde gemeldet: daß eine k. Kanone und fünfzig Kroaten gefangen (?) worden.

In Folge der vom Fürsten Windischgräß erhaltenen Weisung mußte sich an diesem Tage früh eine weitere Deputation nach Heßendorf begeben, wozu die Gemeinderäthe A. Winter, Etzelt und Kubenik, ersterer kaum zurückgekommen, bestimmt wurden. Weil die in der verflossenen Nacht gemachte Erfahrung herausstellte, daß mit Wagen nicht wohl fortzukommen sey, wurden Reitpferde vorgezogen und beschlossen, sich mit einem Nationalgarde-CavallerieOffizier, Fahnenträger und Trompeter am Glacis bei der Augartenbrücke zu vereinigen, und sohin sogleich den Marsch durch die verschiedenen auf der Landstraße bereits aufgestellten Militärkörper zu nehmen, insbesondere deßhalb, weil man sich durch diese ein leichteres und schnelleres Fortkommen versprach. Die Mobilgarden und sonstigen Vertheidiger der Basteien am Fischer- und Rothenthurm-Thore ließen den Parlamentärzug, wenn gleich mit einigem Gespötte, unangefochten vorbeiziehen; allein als derselbe durch einige einzelne Kroaten-Vorposten im Trabe reitend durchgelassen, an die hinter dem neuen Hauptmauth-Gebäude lagernden Kroaten mit der Tête gegen die Hauptstraße der Landstraße gelangte, was gegen die Militärgeseße Verstoß haben durfte, wurde derselbe von einem Adjutanten sehr hart angelassen, alle Deputirten mußten sich nun so stellen, daß deren Gesicht gegen die Stadt gekehrt war, wurden in die rechtsseitige Vertiefung neben dem Hauptmauth-Gebäude postirt, und zwölf Kroaten zu ihnen mit dem Auftrage hingestellt, jeden, der sich umsehe, niederzuschießen. Diese Situation war nun allerdings keine sehr erbauliche, besonders da man die Beweglichkeit der Pferde, und eine etwaige Demonstration der auf der nahe gegenüberstehenden Bastei aufgestellten Stadt Vertheidiger zu befürchten hatte; dieselbe wurde indeß dadurch einigermassen gemildert, daß ein Pionnier-Hauptmann und ein Invaliden

Offizier sich mit der beruhigenden Versicherung zwischen die Kroaten und die Parlamentäre stellten, daß an der Deputation keine Indiskretion ausgeübt werden würde. Als sich die Deputirten hierauf vor dem F. M. L. Ritter v. Hartlieb gehörig und insbesondere damit, daß sie auf Befehl Sr. Durchlaucht nach Heßendorf gehen, legitimirt hatten, wurden dieselben mit verbundenen Augen unter Husaren Eskorte dahin geleitet. Die Deputation, von den Generalen Cordon und Mertens auf das wohlwollendste empfangen, vollzog ihre ausgedehnte Mission, und sollte die festgestellten Kapitulations-Bedingungen nach Wien zur sogleichen Publikation überbringen. Während indessen diese Friedensverhandlung *) vorging, war der Kampf in mehreren Vorstädten schon wieder entbrannt, und dadurch die Kapitulation thatsächlich gebrochen, indem die Umsturzpartei die Unterwerfung theils nicht anerkannte, theils verschwiegen hielt, die Verbreitung der Gemeinderaths-Plakate überall verhinderte, ja solche selbst den magistratischen Individuen wegnahm und vertilgte, und unter neuen Vorspiegelungen, insbesondere des Anrückens der Ungarn, zu erneuertem Kampfe ermuthigte.

Die Deputation verließ Heßendorf von dem Oberlieut. von RogoiskiBrogow von Civalart Uhlanen und einigen Dragonern begleitet, und war zuerst Willens über Mariahilf zurückzukehren; fie mußte jedoch von diesem Vorhaben abgehen, weil gerade, als sie in jene Gegend gelangte, von der Mariahilfer-Linie und den dortigen Linienwällen aus ein fürchterliches Kanonen- und Kleingewehrfeuer eröffnet worden war. Nach Meidling zurückkehrend, faßte sie daher den Beschluß, ihren Weg durch die Hundsthurmer-Linie zu nehmen; allein dort angelangt, wurde sie mit Kartätschen und Flintenkugeln begrüßt, so daß sie gezwungen war hinter der Meidlinger Kirche Schuß zu nehmen. Dorthin kam ein Stabsoffizier, wahrscheinlich in der Meinung, daß den Parlamentärs die Wiedererneuerung des Kampfes und der dadurch bethätigte Treubruch nicht fremd sey, zur Deputation herangesprengt, und nachdem er sie mit sehr harten Worten angelassen hatte, befahl er, dieselbe Feldein auf die Wilhelmsdorfer Höhe zu führen, wo sie bei der dort aufgestellten Generalität indessen Gelegenheit fand, fich über den Zweck und das Resultat ihrer Sendung rechtfertigend auszusprechen, und da die Zeit der Publikation der in ihren Händen befindlich gewesenen Kapitulations-Bedingungen drängte, das Versprechen erhielt, durch das Belvedere nach Wien geführt zu werden. Bezeichnend muß hier erwähnt werden, daß derselbe Stabsoffizier, dem so bittere Worte gegen die Deputirten entfahren waren, mit Thränen im Auge sich gegen die Gemeinderäthe Winter und Etzelt ob seiner früheren Härte entschuldigte, und ihnen, auf daß sie, wie er sagte, ihre Sen

*) Fürst Windischgräß ließ nach Olmüz telegraphiren, daß sich Wlen unbedingt unterworfen habe, und daß die f. Truppen heute die Stadt beseßen,

dung als brave Bürger glücklich vollführen mögen, die wärmsten Wünsche mit auf den Weg gab. Die Parlamentäre sprengten sohin durch die aufgestellten Truppenmassen, welche das unausgeseßte Feuer von den Linienwällen auch nicht mit einem Schuße erwiederten, nach dem Belvedere, und nachdem sie auch dort insbefordere von dem Generalen v. Zeisberg die freundschaftlichste Aufnahme und willfähriges Geleite gefunden hatten, wollten sie sich vor dem Schwarzenbergischen Palais an der Ecke des Trödlermarktes gerade von ihrer Begleitung trennen ; doch kaum hatte ihr unverdrossener und besonnener Führer Oberlieutenant v. Rogoiski die Worte: „Ich muß Sie nun Ihrem Schicksale überlassen, gehen Sie mit Gott!" ausgesprochen, wurde abermals vom Walle der Stadt ein Kartätschenschuß abgefeuert, dessen Kugeln über ihren Köpfen dahin sausten. Rasch entschlossen sprengten sie über den Gehsteig dem Kärnthnerthor zu, wo sie ruhigen Einlaß fanden.

Am 30. kam von den einmarschirten Truppen ein k. Major zur Wohnung des inter. Bezirks-Commandanten Höß in die Rossau, und wollte die dort befindlichen Waffen wegführen. Es waren aber, weil gerade die Auszahlung Statt fand, sehr viele Mobilgarden anwesend. Da Höß am vorhergehenden Tage gedroht wurde, daß wenn er die Waffen wegführen lasse, er es büßen müßte, so war er gezwungen dem Major die Waffen nicht auszuliefern und sagte: „Ich werde solche hinführen, wo es verlangt wird." Auf die Aeußerung des Majors, daß die Waffen sogleich ausgefolgt werden müssen, und er solche fortführen lassen wolle, bemerkte Höß, daß die Aufregung der versammelten 500 Mobil-Garden so bedeutend, daß solche dadurch zu Gewaltthätigkeiten schreiten würden; wenn dagegen die Waffen in der Rossau bleiben, könne Höß dafür gut stehen, daß kein Conflict mit dem Militär statt finde. Mit dieser Versicherung war der Major zufriedengestellt und entfernte sich. Doch plöglich verbreitete sich das Gerücht, daß die Ungarn kommen; die Mobilen wollten sich bewaffnen; einige davon die noch Gewehre hatten, drohten Höß zu erschießen, wenn er nicht solche hergebe. Doch dieser suchte die Leute auf jede mögliche Art zu beschwichtigen, und nach långerer Zeit gelang es ihm auch die erneuerte Bewaffnung zu verhindern.

Die Nachricht von der Ankunft der Ungarn hatte sich schon überall verbreitet. Man rannte nach den Basteien, denn man sollte die helfenden Brüder" von dort aus schon anrücken sehen. Die Zurückgekehrten brachten die Kunde, daß sie nichts gesehen, und so schwankten die Gruppen, die sich gesammelt, zwischen Glauben und Unglauben. Man neigte sich mehr zu leßterem, ja es dauerte sogar bis Mittag die Ablieferung der Waffen fort. Wir begegneten einer Truppe von etwa einem Duzend Bewaffneter, welche über die, wie sie meinten, neuerdings erlogene Hülfe Späße machend, ihre Gewehre nach der Aula trugen. Hastig stürzte ein Mann auf sie zu und drückte ihnen kleine Zettel in

die Hand. Mit gleicher Eile streute er sie in Menge in die offen stehenden Hausthore. Es waren Exemplare von Messenhauser's erstem Bericht über die Ankunft der Ungarn vom Stephansthurme.

Mittag 11 Uhr verbreitete sich auch in der Rossau mit Blizesschnelle das Gerücht: die Ungarn seyen vor den Mauern Wiens; das österreichische Heer geschlagen, der Sieg sey nun unser, wir sind gerettet! Messenhausers Zetteln vom Stephansthurme gaben dem Gerüchte einige Wahrscheinlichkeit. Die Vorstädte: Lichtenthal, Himmelpfortgrund, Thury, Althan und Michaelbaierischer Grund, waren schon vom Militär beseßt. Um diese Zeit versammelten sich vor dem Hause des Hauptmanns Steinböck eine Masse Proletarier, rissen die Plakate des Fürsten Windischgräß unter den schmachvollsten Schimpfworten von den Mauern herab und ließen sich verlauten, sie wollen die gestern abgelegten Waffen wieder haben; sie müssen die Ungarn, unsere Brüder und Befreier unterstüßen. Später wurden fie ungeduldiger, und schrien mit lauter Stimme: „Hängt den Hauptmann auf; er hat uns verkauft, hat unsere Gewehre fortführen lassen! An die Laterne mit dem Schwarzgelben, zündet ihm das Haus an, nieder mit ihm!" Hauptmann Steinböck, der in Folge der beftigen Anstrengungen der verflossenen Tage schwer erkrankt war, mußte dies alles anhören, und war keinen Augenblick sicher, von diesen Elenden ermordet zu werden. Seine Lage und die seiner Familie möge sich der Leser vorstellen; die Feder vermag es nicht zu schildern. Um dieselbe Zeit fuhr ein mit Waffen beladener Wagen über die Hauptstraße von Lichtenthal zur Nußdorfer-Linie; dieser Wagen wurde von den Proletariern angegriffen, die Gewehre heruntergerissen und das Militär- welches Menschenblut schonen und daher keine Gewalt anwenden wollte — zog sich zurück.

Der Ober-Commandant, welcher dem Gerüchte, daß die Ungarn kommen, feinen Glauben mehr beimaß, wurde um 9 Uhr Früh in der Stallburg von mehreren Anführern der Legion, der Mobilgarde und bewaffneter Arbeitercorps be nachrichtigt, daß die Ungarn nicht nur die österreichische Gränze überschritten, sondern schon ganz nahe gegen Wien anrücken. Diese Deputirten drangen darauf, daß dieses Ereigniß allgemein verlautbaret, und alle Maßregeln ergriffen werden, um durch einen Ausfall die Ungarn zu unterstüßen. Messenhauser erwiederte hierauf, daß er schon mehrere briefliche Anzeigen von den Ungarn selbst erhalten habe, in denen ihm der Tag ihres Erscheinens mit Bestimmtheit ange geben wurde, welche jedoch sämmtlich erfolglos blieben, er daher einem bloßen Gerüchte wegen, nach der bereits abgeschlossen Kapitulation, keine Vertheidigungsanstalten treffen könne, indem ein unglücklicher Kampf gegen das Militär, namenloses Unglück der Stadt Wien bereiten würde. Doch diese Anführer be kräftigten ihre Behauptung damit, daß man die Ungarn, oder aber gewiß ihre Signale vom Stephansthurme aus sehen müsse. Auf dieses gab der Ober-Com

mandant den Deputirten die Versicherung, daß er nach genommenem Augenschein durch Plakate die nöthigen Befehle ertheilen wolle. Er verfügte sich gleich darauf mit seinem Adjutanten Wilhelm Barthel auf den Stephansthurm, und sagte unterwegs zu seinem Begleiter: Er ginae vielmehr nur dahin, um sich solchen zudringlichen Aufforderungen, die sich vermuthlich erneuern würden, zu entziehen; er glaube nicht an die Ankunft der Ungarn; und sollten auch diese wirk lich anrücken, so dürften sie zu schwach seyn um ohne Hülfe der Wiener bis zur Stadt vorrücken zu können. Ein Au 3fall in das freie Feld aber, bei der Organisation der Wiener Bewaffneten wohl ein unnüßes Hinopfern von Tausenden, aber nimmermehr das gewünschte Resultat erwarten lasse.

Am Stephansthurme. Zu derselben Zeit, als Messenhauser obige Deputation in der Stallburg empfing, bestiegen Robert Blum, Julius Fröbel und einige Legions-Offiziere den Thurm. Kaum oben angelangt, sahen sie Kanonenbliße in der Gegend der Schwechat. Eine Ordonanz wurde mit dieser Nachricht zum Ober-Commando gesendet. Das Observations-Corps mit seinen Instrumenten wurde herbeigerufen. Um 10 Uhr war alles auf dem Thurme geordnet. Da erschien Messenhauser. Von dem oberhalb der Uhr angebrachten Gerüste aus suchte er nun mit einem Fernrohre in der Hand das angekündigte Heer der Ungarn aufzufinden. Der Nebel, der auf der ganzen Gegend lagerte, erlaubte zwar nichts mit Bestimmtheit zu erkennen; indessen ließ sich mit Sicherheit, aus dem häufigen Aufblißen der Batterien, auf eine Schlacht schließen. Später konnte man den Kanonendonner, je nachdem der Luftzug es gestattete, in nur geringem Grade hören, und aus den langen Pausen zwischen Blig und Donner die beiläufige Entfernung beurtheilen. - Die Meldung hievon wurde dem Gemeinderathe gemacht. Wie ein Lauffeuer durcheilte diese Nachricht die Stadt. Der Thurm wurde indessen von den meisten Kapazitäten der October-Bewegung erstiegen. Alle wollten sich persönlich überzeigen wie es mit der letzten Hoffnung stehe. Man fand hier fast das ganze Ober-Commando mit dem Generalstabe, eine Deputation des Gemeinderathes, den Präsidenten des Reichstages mit mehreren Gliedern der äußersten Linken, die Präsidenten des sich wieder versammelten Studenten-Ausschusses, die Commandanten der akademischen Legions- und der Mobilgarde-Corps.

Von 11-2 Uhr Mittags. Die Schlacht zog sich in immer größerer Ausdehnung näher gegen Wien zu. Wegen des fortdauernden Nebels konn ten die Truppenkörper nicht unterschieden werden. Nur das Blißen der Kanonen gab die Richtung der Schlacht an. Da erschienen Deputationen der

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