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an, in der Nähe Barrikaden zu bauen. Bei dieser dringenden Gefahr begab sich der Vorstand sogleich wieder zum Gemeinderathe, und nach einigen Stunden waren die Sprizen im Hofe des Hauptzollamtes. Zwei andere Individuen des Vorstandes eilten zu Messenhauser, der eben gegen 8 Uhr Abends aus der Leopoldstadt herein kam, und erwirkten einen eigenhändigen Befehl von ihm, daß das Hauptzollamt nie ein Punkt der Vertheidigung werden, und dort keine Mobilen einquartirt werden dürfen. Diesem Befehle noch mehr Nachdruck zu geben, ließ man selben von der Reichstags-Permanenz contrafigniren, was selbe auch nach einigem Zögern that. Diese Ordre wurde um 9 Uhr Abends dem Commandanten der im Hauptzollamte stationirten Compagnie vom Stubenviertel, Jung, mit dem Bemerken eingehändigt, daß es sich hier um Millionen handle, und er den Empfang bestätigen möge. Hier befand sich auch eine Abtheilung der Finanzwache unter dem Commando des Inspektors Frey, der ebenfalls dieses Gebäude nicht verließ, so wie die sämmtlichen Oberbeamten.

Am 28. um 9 Uhr Abends erschienen mehrere Bürger beim Handelsstande, und baten dringend, daß derselbe energisch beim Gemeinderathe wegen der Uebergabe der Stadt sich verwenden möchte, um das schreckliche Unglück, das bereits die Vorstädte getroffen, von der Stadt abzuwenden. Nachts 11 Uhr ging der Vorstand in den Gemeinderath und bat, die Nußlosigkeit jeder weitern Vertheidigung darstellend, denselben dringend um die llebergabe der Stadt.

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Die Gemeinderäthe fühlten sich — nämlich der bessere Theil — schon etwas erstarkt, baten den Vorstand, im Gemeinderathe zu bleiben, da ein Parlamentär bereits zum Fürsten Windischgrät abgegangen sey, um eine Deputation für den kommenden Morgen anzumelden, mittlerweile möchten sie dem Kriegsrathe beiwohnen.

Nach Beendigung dieser schon berichteten Berathung wurde eine Deputation an den Fürsten gewählt, der sich die Mitglieder Borkenstein, Düď, Rauch und Hütter des Handelsstandes anschlossen, und diese ging den 29. Früh nach Hegendorf ab. Dort boten diese Mitglieder Alles auf, um vom Fürsten Windischgräß die Schonung des Hauptzollamtes zu erwirken, welche Bitte vom Fürsten auch gütig aufgenommen wurde. Während dieser Zeit versammelten sich im Handelstandssaale die Vorsteher mehrerer Innungen, und mit diesen vereint verfügten sich die in der Stadt gebliebenen Vorstände Eßelt und Jirzicze in den Gemeinderath, wo der erstere in einer energischen Rede auf die Uebergabe drang, damit nicht wegen einigen radikalen Gemeinderäthen die Stadt dem gänzlichen Verderben Preis gegeben werde, was auch von den Gallerien stürmisch verlangt wurde.

Der Gemeinderath beschloß hierauf, wie bekannt, die Uebergabe, ersuchte die Herren, es inzwischen dem Volke zu eröffnen, was aber einem der Repräsen

tanten beinahe das Leben am Michaelerplage gekostet hätte, da der Pöbel seinen Worten nicht glaubte, und ihn aufhängen wollte.

Wie ersprießlich die Permanenz des Handelsstandes gewirkt, hat sich noch am legten Tage beim Bombardement gezeigt, denn das Handelstands-Gebäude war eines der ersten, wo die Brandraketen zündeten, und es ist nur der großen Anstrengung und Leitung des Vorstandes und des Gremial-Sekretärs zu verdanken, daß das Gebäude und die Kasse gerettet wurden, und nur das Dach abbrannte. In den Mauth-Hallen ging bei der Beseßung nichts verloren.

Da die erwähnten Beamten jede Entschädigung für die geleisteten Dienste zurückwiesen, so hat der Handelsstand für den Direktor Fich na und MagazinsVerwalter Pro singer um das Ehrenbürgerrecht Wiens bei dem Gemeinderathe angesucht, und es auch erhalten. Das Träger-Personale, das sich mit so vieler Aufopferung und Rechtschaffenheit in dieser Zeit benommen, wurde durch eine reichliche Sammlung belohnt.

Die Männer, welche in dieser drangvollen Zeit für den Handelsstand das Möglichste geleistet, waren die Herren: Dück, Gräff, Elsinger, Fried. Beck, Eselt, F. X. Mayer, Rauch und Firziczek.

30. October.

Der Morgen des 30. fand die Bevölkerung Wiens, welche in ihr Schicksal bereits ergeben schien, in furchtbarer Aufregung. Das Gerücht verbreitete sich, daß die österreichischen Truppen geschlagen und die Ungarn im siegreichen Fortschreiten gegen Wien begriffen seyen. Die Partei, welche von Kapitulation und Unterwerfung nichts wissen wollte, war verstärkt durch den Zug immer größerer Massen von bewaffneten Proletariern, die sich aus den Vorstädten in die innere Stadt gezogen hatten. Die friedliche Partei, aus der überwiegenden Mehrzahl der Bürgerschaft bestehend, hatte weder den Muth, noch die Macht ihren Willen geltend zu machen. Sehr viele Nationalgardisten hatten bereits die Waffen niedergelegt. Durch Drohungen und selbst durch Gewalt wurde Mancher gezwungen sie wieder zu ergreifen. Die Leichtgläubigkeit des Volkes war an diesem Tage wieder wunderbar. Schon oft war die Hoffnung, die Magyaren als Befreier in Wien einziehen zu sehen, getäuscht worden, und doch glaubte man wieder jedem neuen Gerüchte von magyarischen Siegen.

Vom Ober-Commando erschien nachstehende Proklamation :

„Die gemischte Deputation, welche sich in das Hauptquartier Sr. Durchlaucht des Herrn Feldmarschalls Fürsten zu Windischgräß begab, ist zurückgekehrt, und hat über den Ausgang ihrer Mission Folgendes berichtet: Se. Durchlaucht hatte die Unterwerfung der Stadt unter dem von ihm zur unerläßlichen Bedingniß

gestellten Belagerungszustand, mit Wohlgefallen aufgenommen, weil, wie er sich ausdrückte, hieraus die Rückkehr in einen gefeßlichen Zustand resultire.

Bezüglich der an ihn gestellten, aus der mitgenommenen Instruktion entnommenen Bitten, hat er sein Bedauern geäußert, in dieselben, weil er theils über den Gegenstand nicht vollständig unterrichtet ist, theils aus dem Verlaufe der Unterwerfung erst die Gründe zu seinen weiteren Maßnahmen einholen will, vor der Hand nicht eingehen, und hierüber kein bestimmtes Versprechen geben zu können. Bezüglich der Entwaffnungsfrage müsse er zu sich eine Deputation des Gemeinderathes entbieten, welche mit seiner Generalität eine Kommission zu konstituiren, und in dieser die weiteren Maßnahmen zu berathen haben werde. Diese Kommission wird um 9 Uhr Morgens in dem Hauptquartiere zu Hegendorf erwartet. Anbelangend über die übergegangenen Militärs könne er ebenfalls keine bestimmte Antwort geben, übrigens werde er sich an Großmuth nicht überbieten lassen.

„Mitbürger! Ich entledige mich der traurigen Pflicht, Euch von dem unvermeidlichen Nachgeben unter die Macht des Verhängnisses zu unterrichten. Ich wiederhole nochmals, alle belagerten Städte werden übergeben, wenn es zum Sturme gekommen, dem man nicht widerstehen kann, weil aus der Erstürmung eines benannten Plaßes die Sieger das Recht der Plünderung und grausamen Bestrafung ableiten. Die tapfere Minderzahl, welche der Kampf um die konstitutionelle Ehre, unbekümmert um die Folgen und den unvermeidlichen Ausgang fortgestritten wissen wollte, kann bei kaltem Blute ein solches Schicksal über unsere herrliche Stadt nicht heraufrufen wollen. An Wien, dem einstigen heitern Zusammenflusse der Fremden und Wißbegierigen, soll sich nicht eine Erinnerung, gräßlich und erschütternd, wie jene von Troja, Jerusalem, Magdeburg, knüpfen. Für alle Arbeiter, welche bewaffneten Corps oder der Nationalgarde eingereiht waren und bestimmte Bezüge bisher von der Gemeinde haben, ebenso die unbemittelten Nationalgarden, welche ebenfalls von der Commune unterstüßt wurden, erhalten so lange die bisher bezogene Unterstüßung, bis die gegenwärtig zerstörten Gewerbsverhältnisse wieder geordnet, und ihnen der selbstständige Erwerb wieder möglich geworden seyn wird. — Für die übergangenen Militärs ist Sorge getragen worden. Mitbürger der Minorität! fügt Euch dem Wunsche und Verlangen der Majorität. Auch Jene haben tapfer und einmüthig Doch willigen sie nicht in das offenbare

für die konstitutionelle Ehre gestritten. Verderben der Stadt.

Mitbürger! Ich appellire an Eure bekannte Hochherzigkeit, an Eure Besonnenheit, an den Adel Eurer Empfindungen! Vermeidet es, durch Excesse, welche der Bitterkeit Eurer Gefühle wahrlich keine reelle Genugthuung gewähren können, die Heiligkeit unserer allgemeinen Trauer zu entweihen. Ich verdiene

selbst am Rande dieser Katastrophe Euer Zutrauen, und darum glaube ich mit voller Beruhigung mich dem segenswarmen Glauben hingeben zu können, Ihr werdet meine von Besonnenheit und Menschlichkeit entsprungenen Rathschläge nicht in den Wind schlagen. Wien, am 30. October 1848.

Messenhauser, m. p., prov. Ober-Kommandant."

Früh forderte abermals der Gemeinderath die Mobilgarden auf, ihre Waffen zu strecken, und versprach ihnen dagegen eine längere Fortdauer ihrer Löhnung. Viele legten ihre Waffen nieder, und zeigten sich sehr ergeben. Aus den Vorstädten rückten Massen von Mobilen in die Stadt, und lagerten sich auf den Hauptplägen; auch von diesen legte eine nicht geringe Anzahl ihre Waffen nieder. Garden und Studenten in Uniform oder mit Waffen waren fast gänzlich verschwunden, nur auf den Basteien sah man einige, welche den Mobilgarden zugetheilt waren. Leßtere lagerten in großer Anzahl daselbst, und waren größtentheils betrunken, da sie den lezten Tag noch die vorhandenen Vorräthe an geistigen Getränken consumiren wollten. Uibrigens gab sich nirgends bei den Bewaffneten ein Anzeichen kund, daß sie den Kampf noch fortseßen, und dadurch die Kapitulation brechen wollten; zwar zogen, eckelhaft anzusehen, bewaffnete Weiberkohorden umher, und suchten die müßigen Mobilgarden zu erspähen, und dadurch zu neuem Widerstande aufzureizen, allein dies hatte nur eine geringe Wirkung zur Folge.

Früh 8 Uhr erschien der Ober-Commandant Messenhauser im Gemeinderathe und stellte das Ansuchen um den Betrag von 9000 fl. CM., um damit jeden der 450 zum Volke übergegangenen Soldaten mit 20 fl. betheilen zu können. Nachdem diesem Anfinnen willfahrt worden, wurden drei Mitglieder des Verwaltungsrathes beauftragt das Geld seiner Bestimmung entgegen zu führen.

Die Nacht vom 29. auf den 30. verging verhältnißmäßig ruhig. Gemeinderath und Ober-Commando schienen ungeachtet der bedrohlichen Aeußerungen vom vorigen Abende an der geschlossenen Kapitulation festhalten zu wollen. Ersterer forderte zur Abgabe der Waffen auf. Er verhieß den Mobilgarden, welche seiner Aufforderung folgen würden, Auszahlung ihrer Bezüge, bis die Möglichkeit anderweitigen Erwerbes wieder eingetreten wäre. Das Ober-Commando gab die näheren Bedingnisse der Kapitulation kund. Der erste Anschlag machte ziemlich erfolgreiche Wirkung; der zweite ward mit Verwünschungen abgerissen. Sie galten mehr dem Manne, als dem Inhalt des Plakates. Bis 9 Uhr Morgens ungefähr hatte es das Aussehen, als würde die Stimme der Vernunft, der Wunsch der Mehrzahl durchdringen. Einzelne trugen ihre Waffen zur llebergabe an die bezeichneten Sammelpläße; Wagen mit Gewehren der bereits entwaffneten Vorstadtgarden wurden nach dem Stadt-Convicte gebracht; man begegnete mehr als Einem, dessen Züge sich in den vergangenen Tagen dem Gedächtnisse eingeprägt

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hatten, welche in der veränderten Tracht heute zu erkennen, Mühe kostete. Die Stimmung war drückend, mehr wegen der Ungewißheit, ob noch heute der heillose Kampf zu Ende kommen würde, als wegen der Art und Weise, in welcher sein Ende in Aussicht gestellt war. Da hörten wir plößlich den Lärm einer Trommel. It's Alarm? oder wollen die, welche die Waffen niederzulegen gezwungen sind, zum legten Male noch die Klänge hören, die sie so oft unter die Waffen riefen? Ein Zug Weiber, Musketen auf der Schulter, Kalabreser oder rothe Mügen auf dem Kopfe, von zerlumptem Gesindel umgeben, johlend und schreiend, zogen daher, die Allarmtrommel schlagend. Ihr Schrei erfüllte alle Gaffen: „Die Ungarn kommen nicht, sie sind schon da!" — Daß der Ruf, von solchen Leuten ausgestoßen, keinen großen Glauben finden konnte, ist begreiflich; aber er durchflog doch mit Blizesschnelle die Straßen. Die gemeinen Weiber trugen viel zum Unglücke von Wien bei.

Ein abermaliges Moratorium wurde in Folge des anarchischen Zustandes bewilliget durch nachstehende,,Kundmachung. Durch die in Folge der neuesten Ereignisse an dem Wiener Plaße eingetretenen Hemmungen des Verkehrs findet sich das t. k. Minifterium der Justiz auf Ansuchen der k. k. privilegirten Großhändler und des bürgerlichen Handelsstandes bewogen, in Ansehung der Wechselzahlungen Folgendes zu bestimmen: §. 1. Für alle in Wien und in den zu dem Polizeibezirke von Wien gehörigen Ortschaften zahlbaren Wechselschulden, welche in dem Zeitraume vom 6. October bis 20. November d. J., beide Tage mit eingeschlossen, zahlbar geworden sind, oder noch zahlbar werden, wird die in dem Wechsel ausgedrückte, oder durch das Geseß bestimmte Zahlungsfrist dergestalt um einen Monat verlängert, daß sie erst in dem nächstfolgenden Monate, jedoch an dem gleichen Kalendertage zu bezahlen sind, an welchem sie ursprünglich zu bezahlen gewesen wären. Auf Wechselschulden, deren Zahlungsfrist erst nach dem 20. November d. J. eintritt, hat diese Verlängerung der Zahlungsfrist keinen Bezug. S. 2. Die Präsentation zur Acceptation, und die Erhebung des Protestes bei Verweigerung derselben, kann in Ansehung derjenigen Wechsel, welche in dem Zeitraume vom 6. bis einschließlich 31. October d. I. zur Annahme hätten präsentirt werden sollen, dem Ministerial-Erlasse vom 20. October d. J. gemäß, auch noch am 1. November d. 3. mit voller Rechtswirkung vorgenommen wer den. In Ansehung derjenigen Wechsel dagegen, welche später zur Annahme zu präsentiren sind, müssen die allgemeinen Vorschriften der Wechselgeseße beobachtet werden. Alle Wechselbriefe, welche innerhalb des Zeitraumes vom 6. October bis einschließlich 20. November d. I. acceptirt werden, genießen, wenn deren Verfallzeit in diesen Zeitraum treffen sollte, die im §. 1 bestimmte Verlängerung der Zahlungsfrist. Welches hiermit zur Darnachachtung bekannt gemacht wird. Wien, 30. October 1848."

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