Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

weigerte sich solche an Dunder auszufolgen, weil letterer jene beiden Herren entlassen wollte. Da aber leßterer die Depesche nicht erhalten konnte, wagte er es nicht zu thun; doch als nach Mitternacht Messenhauser erschien, stellte er in der Permanenz des Verwaltungsrathes beide demselben vor. Auch Messenhauser hätte die beiden Herren entlassen, wenn die Depesche in seinen Händen gewesen wäre; da aber Fastenberger fortgegangen war, mußten die Gefangenen in der Stallburg bleiben, um den andern Tag untersucht zu werden.

Zu Folge mehrfachen Behauptungen glaubwürdiger Personen fand man im Schreibtische des Stabs-Auditors Dr. Hammerschmidt achtzehn große eiserne Nägel, welche dazu dienen sollten, jene Mitglieder des Ober- Commando, welche der Umsturzpartei entgegen gearbeitet und für die Kapitulation gewirkt haben, darauf zu hängen oder mit solchen durch den Leib an die Wände der Ober-Commando-Bureaus zu nageln.

Die Kunde, daß die llebergabe der Stadt beschlossen wurde, ohne für die übergegangen Soldaten Amnestie bedungen zu haben, versezte die Demokraten in Wuth, sie sagten:,,Man hat unsere braven Brüder, die Soldaten, verlassen; dies bleibt eine ewige Schmach für Wien."- Bewaffnete Haufen suchten Messen hauser in der Stallburg. Man schalt ihn allenthalben einen Verräther, man verfluchte das schwarzgelbe Ober-Commando, die Mitglieder desselben schwebten in augenscheinlicher Lebensgefahr, und mancher dachte mit Schauder an den 6. October und an das Schicksal Latour's zurück. Um 11 Uhr Nachts erreichte die Aufregung auf dem Josefsplage den höchsten Grad. Alle Ordnung, alle Führung war zu Ende. Wer die Ausbrüche der Wuth, des Hasses und der Verzweiflung sah, welche die treubrüchigen und zum Volke übergetretenen Soldaten laut äußerten; wer in diese leichenfahlen Gesichter geblickt, dem wird diese Nacht wohl die schrecklichste in seinem Leben seyn.

-

Während nun in der Stallburg alles im größten Aufruhre war, lagerte über der Universität dumpfe Stille. Schon an diesem Tage Vormittags hatte man die Führer der Studenten mit Cylindern, welche von diesem Augenblicke an den Namen,,Angströhren" erhielten gesehen. Das Studenten-Comitee hatte sich aufgelöst. In der Mitte der Aula, die die glänzendsten Tage erlebte, die Gesandschaften und Deputationen oft aus mehreren Hundert Personen bestehend, und Huldigungen beinahe aller Völker und Stämme Destreichs empfing, saß an einem kleinen, viereckigen Tischchen, auf welchem ein Talglicht in einem blechernen Leuchter einen matten Schimmer verbreitete, auf beide Ellbogen das Haupt gestüßt, ein Mann in Legionsuniform. Tiefer Ernst lagerte auf seinem bleichen Antlig; ein kleiner, hellblonder Schnurbart bedeckte seine gepreßten Lippen. Er schien über seine Lage vollkommen im Klaren zu seyn.- Ringsum im Saale lagerten Mobilgarden auf Stroh und befanden sich im tiefen Schlafe.

[ocr errors]

Auf einmal erhebt sich ein dumpfer Lärm in der Halle; ein Trupp Bewaffneter wälzte sich unter dem Geschrei:,,Latourisiren!" über die kleine Stiege herauf; man brachte einen Gefangenen; bald darauf einen zweiten. Das Geschrei und Gepolter weckte die Schlafenden; sie sprangen auf, ergriffen ihre Waffen, alles drängte sich um das Tischchen und viele schrieen:,,Latourisiren, aufhän gen!" Der Gefangene, den man zuerst hereingeführt hatte, schien dreißig Jahre noch nicht zurückgelegt zu haben; er hatte blondes Haar und Bart, sein ganzes Wesen zeigte von Unbefangenheit und Geistesgegenwart. Der andere Gefangene war ein Mann über dreißig Jahre, unter der mittlern Größe, hatte schwarzes Haar und Bart, sein Gesicht trug den Ausdruck von Entschlossenheit. Der Mann mit dem Kalabreser fragte, was sie verbrochen hätten. Die wilden, halbbetrunkenen Häscher schrieen:,,Die Gefangenen suchten das Volk zu bereden, die Waffen nieder zu legen; beide find Verräther, Schwarzgelbe !”—,,Was,“ rief der Legionär,,,Sie verleiten das Volk die Waffen nieder zu legen, während wir hier auf die Ungarn warten? Da kann ich Ihnen nicht helfen." Vergebens suchte der Zuerstgebrachte sich als Gemeinderath Dr. Kubenik zu legitimiren, der sich nur in der Absicht zur Universität verfügt, um sich von dem Zustande der Stadt Kenntniß zu verschaffen. Vergebens zeigte der andere Gefangene seinen Paß vor, indem er erklärte, daß er der Abgeordnete Trampusch von der Frankfurter Linken" sey und auf dem Universitätsplaß auf Robert Blum wartete, der ihn um 11 Uhr dahin bestellt habe. Immer war die Antwort: man fönne nicht helfen! Die Menge wurde immer wilder; die Gefahr für die Ge fangenen immer größer. Auf einmal ertönte der Ruf: Plag, Plag!" Ein Legionär drängte sich durch die Bewaffneten. Der Angekommene war ein Mann von ungefähr 40 Jahren, mit starkem Vollbart, kurz geschnittenem Haar. Die Art seines Auftretens zeigte, daß er zu befehlen gewohnt sey; sein Benehmen war ernst und ruhig. Er begann selbst das Verhör der Gefangenen. Doch die Soldaten, welche Dr. Kubenik zur Niederlegung der Waffen zu bewegen versucht haben soll, waren nicht mehr zu finden. lleber Trampusch gaben die, welche ihn angehalten hatten, zu, er sey ruhig beim Thore gestanden; fie hätten aber geglaubt, daß fie beide zusammengehörten und haben ihn ebenfalls arretirt. Nachdem dieses erörtert war, verwies er den beiden Gefangenen ihre Unvorsichtigkeit, ohne Waffen mit einen Cylinder auf die Universität zu kommen und sprach ihre Freilassung aus. Sie entfernten sich über die kleine Stiege. Der Sturm hatte ausgebraust, und im Saale ward es wieder ganz stille. Ein Theil der Bewaffneten entfernte sich, der andere kehrte auf das verlassene Lager zurück. Der Morgen fing zu grauen an, ein Trupp nach dem andern verließ den Saal, um auf die Wälle zu eilen. Als der Morgen schon die Fenster röthete und keine Mobilen mehr im Saale sich befanden, da regte sich noch ein Mann

[ocr errors]

[ocr errors]

in einem Winkel der weiten Aula; er saß, sein linkes Knie war heraufgezogen, und er schob einen Streifen Papier in die Brusttasche seines Rockes; - der Mann, sagt der Berichterstatter, schien geschrieben zu haben.

Die Bewachung der k. Burg ward während dieser Nacht ein Gegenstand der größten Aufmerksamkeit. Partrouillen von ganzen Compagnien der Mobilgarde durchstreiften die Schauflergasse und die näher gelegenen Gassen; alles was in die Nähe der Patrouille kam wurde arretirt und auf die Burgwache zur Ausweisung geführt. Im f. Zeughause wurde die ganze Nacht an Erzeugung von Pulver und Schießbaumwolle gearbeitet.

Um 10 Uhr Nachts fuhr die Deputation an den Fürsten Windischgräß über die Freiung, durch das Schottenthor über das Glacis gegen die Landstraße. Da jedoch die Straßen menschenleer und ruhig waren, so wurde der nächste Weg nach Heßendorf gewählt, und die Deputation fuhr über die neue Wieden, Margarethen zur Hundsthurmer-Linie hinaus. Da jedoch diese Linie Klafterhoch verbarrikadirt und unbeseßt war, mußte der Ortsrichter aufgesucht werden, damit die Passage geöffnet werde; der Richter traf auch sogleich die nöthigen Anstalten, und die Linie war nach einer kurzen Verzögerung pasfirbar. Mittlerweile mußte auf Anordnung der Deputation der Trompeter mehr als sechszigmal blasen, damit die Militärvorposten von der Annäherung eines Parlamentärs unterrichtet werden, und nicht vielleicht zu dem Glauben kämen, daß das Thor zu einem Ausfalle geöffnet werde. Bei den Vorposten angelangt, erklärten die Deputirten den Zweck ihrer Sendung und wurden sodann unter Militär-Bedeckung nach Heßendorf geführt. Daselbst angelangt, fanden sie Alles im tiefsten Schlafe. Die Herren wurden geweckt und es erschien zuerst der General von Mertens, nach ihm General Graf Nobili, welcher die Vollmachten in Empfang nahm, und die Deputirten bei dem Fürsten anmeldete. Bald darauf erschienen die Deputirten in aller Demuth vor dem Fürsten, welcher fie ernst, aber milde wie immer, mit folgenden Worten empfing:,,Ich habe Sie lange erwartet, und glaubte nicht mehr Sie noch heute zu sehen; allein dennoch habe ich noch spät Abends meine Befehle geändert; es wäre Ihnen morgen nichts geschehen."

Gemeinderath Hütter nahm das Wort und zeigte Sr. Durchlaucht die unbedingte Unterwerfung der Stadt an; glaubte aber dennoch an die Herzensgüte des Fürsten im Namen der Stadt noch folgende Bitten stellen zu müssen :

1. Gnade und Amnestie für die durch Verführung vom Militär zur Mobilgarde Uebergetretenen. Schaumburg bat, daß solche wenigstens nicht mit dem Tode bestraft werden. Der Fürst bemerkte, hierauf nichts zusagen zu können, und zwar aus dem Grunde, weil er noch nicht die Zeit hatte, um sich in dieser Sache näher unterrichten zu lassen.

2. Die gnädige Gewährung eines freien Abzuges für die akademische Legion; worauf der Fürst sagte:,,Nein, nein; das kann nicht seyn!"

3. Die Bitte, die zwar gar nicht nöthig zu stellen seyn dürfte, daß strenge Mannszucht unter den f. f. Truppen gehalten werde; worauf der Fürst erwiederte, daß sich dieß von selbst verstehe, und sich gegen General Nobili wendend sagte: ,,Was ist erst heute geschehen!"

4. Die Bitte des freien Abzuges sämmtlicher fremden Garden mit ihren Waffen, und

5. Ausfertigung von Pässen für alle Jene, die Wien oder Oesterreich verLassen wollen."

Der Fürst sagte: „Meine Herren! Auf alle diese von Ihnen an mich gestellten Forderungen kann ich in Voraus auf Nichts eingehen; ich kann Ihnen gar nichts versprechen. Uebrigens werde ich alles thun, was sich mit meinem Gewissen und mit meiner Ehre verträgt. Ich werde den Wienern zeigen, daß ich nicht so bin, wie man im Allgemeinen von mir denkt." —

Die Deputirten baten den Fürsten endlich veranlassen zu wollen, daß die 1. k. Truppen so schnell wie möglich in die Stadt einrücken; doch der Fürst erwiederte:,,Dieß kann nicht geschehen, die Reihe ist nun an der Stadt die gestellten Bedingungen zu erfüllen, und vor Allem muß ich auf die Ablieferung der Waffen und der verlangten Geißeln bestehen; ich liebe meine Truppen viel zu sehr, als daß ich zugeben könnte, daß auf selbe aus jedem Fenster, Kellerloch und sonstigem Versteck meuchlings gefeuert werde."

Die Deputirten seßten dem Fürsten auseinander, daß sie schwerlich in der Lage seyn dürften, dieses veranlassen zu können, denn obgleich sich aus der heutigen Zusammentretung ergab, daß der Bevölkerung für die Unterwerfung, dagegen für den Fortbestand des Kampfes stimmte; man aus dem Grunde dieses Drittels nicht Herr werden könne, weil die Gutgesinnten zu dem Kampfe gezwungen, schon längst dem Moment entgegen sahen, ihre Waffen niederlegen zu können, welches auch schon geschehen seyn dürfte, und die Stadt in den Händen des bewaffneten Proletariats sich befinde, wodurch namenloses Unglück zu erwarten stünde. Wie es endlich schwer seyn wird die verlangten Individuen zu stellen, da solche sich wahrscheinlich nicht mehr in den Mauern Wiens befinden.

Hierauf entgegnete der Fürst:,,Daß Pulszky und Schütte nicht mehr in Wien sind, will ich glauben, daß die Andern Ihnen nicht entkommen, ist Ihre Sache. Um aber die Entwaffnung so schnell wie möglich zu bewerkstelligen, so erwarte ich morgen abermals von Ihnen eine Deputation, die unter dem Vors fiße eines durch mich zu bestimmenden Generals die verschiedenen Orte bestimmen wird, wo die Waffen und nametlich die Kanonen abzuführen seyn werden. Ich werde in dem Maße, als das Abliefern der Waffen geschieht, meine Truppen ein

rücken lassen."

Somit war einer der wichtigsten Momente vorüber, und die

Deputation langte den 30. Morgens 4 Uhr wieder in Wien an.

Rettung des Hauptzollamts-Gebäudes,

Der bürgerliche Handels-Vorstand hatte sich gegen die Mitte Octobers permanent erklärt, um bei den in naher Voraussicht stehenden wichtigen Ereignissen sowohl für die Approvisionirung der Bevölkerung, so weit es den Handelsstand betraf, als auch für Feuergefahren Rath und Vorsorge treffen zu können.

Dieser Vorsicht verdankt man unstreitig die Rettung der HauptzollamtsGebäude; denn schon am 26. gelangte von dem Director Fichna, der nebst dem Magazins-Verwalter Prosinger, dem Finanz-Inspektor Frey und anderen Beamten die Magazine seit vielen Tagen nicht verlassen hatte, die Anzeige an den Vorstand, daß man aus dem Hauptzollamts-Gebäude ein Vertheidigungs-Objekt zu machen beabsichtige; daß man dort Mobilgarden einrücken und Schießscharten ausbrechen lassen wolle.

Hier war kein Augenblick zu verlieren. Der Vorstand begab sich sögleich zum Ober-Commando, wo in Abwesenheit Messenhauser's bei Fenneberg eine energische Protestation eingelegt wurde; von dort begab sich der Vorstand zur Reichstags-Permanenz, und nachdem er da halbwegs die Versicherung erhielt, daß das Hauptzollamt neutraler Boden bleiben werde, verfügte sich derselbe zum General Matauscheck, um ihn zu vermögen, den Fürsten Windisch gräß durch einen Parlamentär im Namen des Handelsstandes zu bitten, das Hauptzollamt zu keinem strategischen Punkte zu benüßen, und so die Millionen Werthe, die da aufgespeichert liegen, zu schonen; was der General auch menschenfreundlich versprach und redlich hielt.

Am 27. Vormittags kam an die Permanenz des Handelsvorstandes ein neuer Bericht: daß vom Hauptzollamte die Brücke am Ausflusse der Wien, und der alte Poststadl bei der Nähe der Feuerbrände gefährliche Objekte seyen, welche ebenfalls nach Intervenirung des Handelsstandes in wenig Stunden abgetragen wurden. Ferners wurde an diesem Tage der französische und englische Gesandte, welche in Sieging wohnten, von der drohenden Gefahr für das Hauptzollamt, worin sich auch so viel Eigenthum ihrer Nationen befand, unterrichtet, und um Vermittlung sowohl beim Reichstage als beim Fürsten Windischgräß ersucht.

Immer näher rückten die Feuerbrände der Leopoldstadt gegen die Donau; Granaten fielen in die Nähe des Hauptzollamtes; ein Haus, welches unter den Weißgärbern brannte, hätte bei dem leisesten Luftzuge das Gebäude sicher in Brand stecken müssen.

Ein neuer Bericht Fichna's seßte den Handelsstand von der steigenden Gefahr in Kenntniß, so wie auch, daß er zu wenig Feuersprißen, und bei der großen Ausdehnung des Gebändes zu wenig Garden habe, auch fange man schon

« ZurückWeiter »