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zur Abhaltung des Attentates auf die Burg nöthigen Maßregeln schleunigst anzuordnen. Wien, am 29. October 1818. Vom Reichstags-Ausschusse : Dr. Fischhof, m. p., Obmann. Severin Bilinski, m. p., Schriftführer.“

Als sich das im Reichstage schon den Tag zuvor theilweise zur Sprache gekommene Gerücht verbreitete, daß das Proletariat und die Mobilen den Entschluß gefaßt haben, die k. Burg und Stallburg zu stürmen und anzuzünden und das schwarzgelbe Ober-Commando zu ermorden, gelangten vielfache Anzeigen und Warnungen zum Ober-Commando. In Folge derselben begab sich der Plazoberlieutenant Dunder zum Ober-Commandanten und bath denselben, zum Schuße der Burg und der Stallburg die erforderlichen Maßregeln zu erlassen. In Folge dessen übergab derselbe genanntem Plazoffizier obige Urkunde mit dem Auftrage, alle Bereitschaften zum Schuße der Burggebäude einzuberufen, was auch geschah. Bei dieser Gelegenheit bewies sich der Lieutenant Barthel sehr thätig, welcher die Garden aufbot, und jene des Kärnthner- und Stubenviertels als die bereitwilligsten zum Schuße der Burg bezeichnete.

Im Studenten-Comitee, sagt Grüner, wurde der Antrag gestellt und angenommen: daß sich das Comitee auflöse, und die einzelnen Mitglieder sich in die Vorstädte begeben sollen, um die Gemüther zu beruhigen.

Nach und nach verließ Alles die Universität, und um 7 Uhr Abends war es dort still und einsam, man sah Einzelne noch zusammenpacken, die Lichter waren erloschen, Todtenstille herrschte in diesen, sonst so geräuschvollen Räumen. Am Plage zogen hie und da noch Haufen Bewaffneter vorüber, stellten sich dort auf, aber die Stimmung war sehr gedrückt. Die Stadt hatte ein schauerliches Aussehen, da die Gasbeleuchtung zerstört, und nur von den Kerzen in den Häusern spärlich die Straßen erleuchtet wurden; ein Mann verkündete in allen Straßen, „daß Friede sey" und ein schwaches Bravo folgte darauf. In Gruppen standen die Menschen beisammen und sprachen sich über die Kapitulation aus; Einige suchten begütigend zu wirken, Andere dagegen schrien über Verrath, und vorzüglich Messenhauser wurde, als die Ursache der Kapitulation, an vielen Orten auf eine beschimpfende Weise genannt. Mitunter sprach man die Hoffnung auf die Ungarn aus, die aber nur schwachen Anklang fand. Und wie ein dichter Nebel, der auch die Straßen noch mehr verfinsterte, so lag auf der ganzen Bevölkerung ein drückendes Gefühl, theils der Schmach, die tief empfunden, schmerzte, theils der Abspannung, Hoffnungslosigkeit, und nur Wenige zeigten frohe lächelnde Mienen, die schon an diesen Tagen wagten, ihre Schadenfreude zu zeigen. Die Stimmen gegen den Gemeinderath waren sehr drohend, man schob ihm und dem Ober-Commandanten alles Unheil in die Schuhe.

Als am 29. die Kapitulation der Stadt durch Majorität der Berufenen von, allen Theilen der Volkswehr, wie bereits angeführt, beschlossen war, steigerte sich

die Erbitterung eines Theiles der Minorität derselben gegen die Burg immer mehr ; man versuchte einen Volksmann zur Beschwörung der herannahenden Gefahr zu finden, aber vergebens; Plazoffizier Untersteiner wendete sich deßhalb an den Reichstags-Abgeordneten Borrosch, allein dieser äußerte sich gegen ihn, „daß, wenn wirklich ein Attentat gegen die Hofburg beabsichtiget werde, wohl jeder sein Leben wagen würde, diesem entgegenzutreten, und sich also wohl Niemand zu mündlichen Unterhandlungen und Vorstellungen herbeilassen werde." Mit die sem Troste nicht zufriedengestellt ging Untersteiner in den Gemeinderath, und dieser unterstüßte sein Ansuchen dadurch, daß er ihm ein Schreiben an das Ober-Commando ausfertigte, in Folge dessen gegen 9 Uhr Abends Fenneberg ein Bat. Mobilgarden gegen Zulage für Rechnung der Hofkassa in dieBurg marschiren ließ. Weiters wurden auf Veranlassung des Plaß-Offiziers Dunder ausreichende Verstärkungen von Nationalgarden zum Schuße der Burg gezogen, und da man den Mobilgarden ihrer Aeußerungen nach, und besonders ihrem Commandanten, Legions-Lieutenant Niederhuber, kein rechtes Zutrauen schenken konnte, wurde Leßtere auf dem äußeren Burgplag aufgestellt, wo es sich auch bald zeigte, daß es diesen sammt ihrem Anführer nur um die Zulage zu thun war, indem sie sich, als sie selbe erhalten hatten, nach und nach über die Basteien verloren. Dagegen erschienen wiederholt Haufen von Proletariern, welche sich in der Burg und deren Umgebung durchaus lagern wollten, und nur mit außerordentlicher Mühe von diesem Vorhaben abzubringen waren. Die Burgwache wurde noch durch die Nationalgarde-Compagnie des Hauptmanns Karwinsky mit Oberl. Skall und Lieut. Gabriel des 2. Bezirkes verstärkt, und blieb den Rest der Nacht unter den Waffen. Schon glaubten die wachhabenden Garden Ruhe zu haben, als nach Mitternacht plöglich eine starke Abtheilung bewaffneten Volkes, unter ihnen herenartig angezogene, und ebenfalls bewaffnete Weiber, troß der Weigerung der aufgestellten Borposten der Burgwache, gegen den Michaeler Plaß, auf den Franzensplaß zog und sich unter Lärm gegenüber dem Franzensmonumente aufstellte.

Nur das energische Einschreiten aller Wachabtheilungen der Burg, darunter des Oberlieutenants Kaßenschläger, des 10. Bezirkes, 9. Compagnie, vermochte endlich diese schauderhafte Rotte, welche, wie es schien, von einem ungarischen Emissär geführt wurde, der sich immer auf den Befehl seines Generals berief, und das Herannahen zahlreicher Infanterie und Kavallerie verkündete, sich aus der Burg zu entfernen.

Später ergab es sich, daß wahrscheinlich dieser Hause auch vom Josefsplaße aus in den Schweizerhof, dessen Thor geschlossen war, mit Gewalt eindringen wollte, und nur durch die dort aufgestellten Bürgergrenadiere der Reichstags= wache mit vieler Mühe daran verhindert werden konnte. Auch diese Wache blieb den Rest der Nacht unter den Waffen, und überdieß wurden vom Playoffizier

Untersteiner noch zwanzig Mann der berittenen Municipalgarde aus der Stallburg requirirt. Untersteiner hat sich durchgehends sehr thätig bewiesen.

Um 10 Uhr Nachts, nachdem sich das Studenten-Comitee aufgelöst hatte, erschienen bei 1500 Bewaffnete im Stadt-Conviktgebäude und wollten dasselbe, so wie auch die Universität demoliren und in Brand stecken. Es war in diesen beiden Gebäuden noch Pulver aufbewahrt. Da trat ber Nationalgarde-Cavallerie-Oberlieutenant Carl Skall muthig unter die Menge, erklärte ihnen, daß hier ein Spital sey, daß ihre verwundeten Brüder darinen auf dem Schmerzenlager stöhnen, und bath um Schonung für sie mit eingreifenden Worten. Der wilde rohe Haufe ließ sich dadurch beschwichtigen und zog ab.

Nach erfolgter Abstimmung über die Kapitulation verbreitete sich die Nachricht blißschnell durch die Stadt und weil man befürchtete, daß das Proletariat aus den Vorstädten in die Stadt dringen werde, daß die Mobilen die Thore und Basteien verlassen und von der Umsturzpartei angetrieben, Greuelscenen herbeiführen werden, ist vom Ober-Commando der Befehl ergangen, die Thore zu sperren, solche und die Basteien scharf zu bewachen. Hierzu find vier Plazoffiziere commandirt worden, darunter auch der Oberlieutenant Dunder, und zwar zum Fischer, Rothenthurm- und Stubenthor. Er begab sich dahin und fah, daß das Proletariat in den Straßen sich herumtreibe, Gruppen bilde und erbittert sey. Die Thore und Basteien waren da sich die meisten entfernt hatten - sehr schwach beseßt. Das kleine Fischerthor war offen und unbeseßt; es wäre ein Leichtes gewesen, das Militär aus der Leopoldstadt einzulassen, wenn solches nicht jedem Manne den Eingang in die Leopoldstadt verwehrt hätte. Dunder ließ die Mobilgarden aus den Schenken und von den Straßen auf ihre Posten rufen, las ihnen den Befehl vor, und ließ solchen von allen Wach-Commandanten unterzeichnen. Als derselbe auf die Biberbastei kam, wollten die daselbst befindlichen Legionäre dem bezüglichen Befehle nicht glauben, und als sie sich von dessen Richtigkeit überzeugt, drangen sie in den genannten Offizier, mit ihnen in's Studenten-Comitee auf die Aula zu gehen, was derselbe, ohne Mißtrauen zu erregen, nicht ablehnen fonnte. Höchst ungerne begab er sich dahin. Im Conviftgebäude waren eine nicht unbedeutende Anzahl junger Männer versammelt, welche — nachdem der Befehl vorgelesen worden — in einen lauten Jubel ausbrachen. Dunder suchte aber fortzukommen, da ihm die Absicht des Befehles genau bekannt war, und er einen Querstrich befürchtete. Im Erdgeschoß angelangt, begegnete derselbe einer ankommenden lärmenden Gruppe Legionäre, deren einem ein Begleiter von Oben den Inhalt des Befehles mitzutheilen für gut fand. Aber einer aus der Mitte der Gruppe erklärte den Befehl für einen schwarzgelben Berrath, man habe kapitulirt, man müsse die Waffen ablegen, das Hängen werde nachkommen u. dgl. Dunder hielt es für die höchste Zeit sich zu skisiren, da die Aufregung der Legionäre

drohend wurde. Gleich darauf begab sich dieser Plazoffizier um /. 11 Uhr zum vom Proletariate bereits umrungenen Ober-Commando. Als er die Stiege hinauf ging, begegneten ihm davoneilende Offiziere, darunter der Lieutenant Fastenberger. Dieser sagte Dunder voll Entseßen, daß vom Ober-Commando alle entflohen sind, daß alle ermordet werden sollen, er solle nicht hinaufgehen, denn er gehe einem sicheren Tode entgegen, die Republikaner wären schon oben. Dunder, sich auf seine geringe Suada und Geistesgegenwart verlassend, ging dem ungeachtet hinauf. Oben wurde er von den standhaltenden wackeren Kanzellisten Rettich und Straff und vier Communalgarden mit Freuden begrüßt. Er sah verdächtige Individuen auf den Gängen und in den Bureaur herumschleichen, darunter Offiziere vom demokratischen und polnischen Corps, unter leßteren den ehemaligen Comunalgarden Simon von Zulawski, in der Kleidung der polnischen Legion mit rother Czapka. Dunder benahm sich ganz unbefangen, ging wieder hinab, ließ die Eingänge der Stallburg, die Kassa, die Stiegen und Kanzleien, die besonders belagert waren, stärker beseßen, bisherige Wachposten verdoppeln, und befahl, sobald irgend eine Gewaltthätigkeit beabsichtiget werden sollte, oder wenn sich gewaltthätige Zusammenrottungen bilden, und gefährliche Rotten gegen die Stallburg kommen sollten, ihn hievon augenblicklich zu benachrichtigen. Hierauf ging er hinauf, entfernte die sich hier lagernden und vagirenden Offiziere, wovon ihm ein Pole eröffnete, daß eine furchtbare Contrerevolution statt finden werde, nahm dem bösen Gewissen des Ober-Commandanten, Ordonnanz-Offizier Unterschill, Messenhausers Papiere*), die derselbe wegtragen wollte, ab. Diese Volksbeglücker hatten es besonders auf die kassa abgesehen; doch da sie durch die getroffenen Maßregeln ihre Absichten vereitelt sahen, fügten sie sich. Hierauf begab sich Dunder in die Bureaux des Ober-Commandanten, woselbst gegen 30 bewaffnete Arbeiter und Ueberläufer auf den nicht erscheinenden Ober-Commandanten warteten. Dunder fragte sie was sie wollen, da sagte der Anführer: Als Sie, Herr Hauptmann, von der Bastei weggegangen waren, kam ein Offizier der akademischen Legion zu Pferd angesprengt und rief: „„Auf zu den Waffen! Verrath! Ihr müßt die Waffen abliefern, die Schwarzgelben haben kapitulirt!"" Da wir aber mit eigenen Augen den Befehl gelesen haben, daß wir die Thore und Basteien scharf bewachen sollen, so hielten wir ihn für einen Verräther, und gaben Feuer auf ihn. Er liegt todt auf der Bastei! Was sollen wir thun? Ist es wahr, daß kapitulirt worden ist?" Dunder erwiederte auf diese unheilschwangere Frage mit lauter und fester Stimme, die innere Bewegung bekämpfend:

*) Solche sind vom genannten Offizier den andern Tag dem Hauptmann Schneider übergeben worden.

"Ich bekam den Befehl, den Ihr hier von Euren Wach-Commandanten als gelesen und befolgt unterschrieben seht; ich habe ihn ausgeführt, ich habe meine Pflicht erfüllt und kann somit nicht wissen, was hier geschehen; daß aber noch nicht kapitulirt worden ist, beweist dieser Befehl, den ich befolgt habe, ich glaube Ihr sollt als Kameraden dasselbe thun. Kehrt daher auf Eure Posten zurück, arretirt Jeden der Aufregung veranlaßt und bringt ihn hieher. Sott befohlen!" Hierauf zogen die Leute jubelnd ab, und Dunder athmete auf, denn die Gefahr war abgewendet. Hätte er die erfolgte Kapitulations-Abstimmung eröffnet, so ist nicht schwer zu errathen, welches Schicksal ihn und die Nichtentflohenen sammt der Stallburg und Burg getroffen hätte, besonders wenn man die Stimmung des Volkes und die eingelangten Anzeigen berücksichtiget. Von Seite des Unterstaats-Secretárs Stifft, vom Gemeinderathe und von anderen Seiten sind, wie erwähnt, in Bezug auf die gegen die Hofburg beabsichtigt gewesenen Attentate vielfache Warnun gen zum Ober-Commando gelangt ').

Dunder wachte mit vier Municipalgarden und dem Amtsdiener Steinfeld die ganze Nacht. Die vier wackeren Garden heißen: Bernhard Eigl, Dominik Hentschel, Baron Riedesel und Johann Zsiray, und haben die ganze Nacht ausgeharrt. Die ebenfalls gebliebenen wackeren Kanzellisten Rettich und Straff haben sich später schlafen gelegt, und weil sie geblieben, erhielten sie auf Dunder's Verwendung den andern Tag aus der Ober-Commando-Cassa jeder eine Belohnung. Die genannten Communalgarden, so wie die beiden Kanzellisten und der Amtsdiener haben sich, so wie die im Hause befindliche Wache durch genaue Befolgung der Anordnungen des in jener Nacht allein disponirenden Plaz-Oberlieutenants um die Erhaltung der Stallburg, als eines Theiles der k. Burg verdient gemacht, und sich als muthige Männer bewiesen. *)

Zu derselben Zeit als von Dunder die Arbeiter-Deputation abgefertiget worden, sind zwei Herren aus einer westlichen Vorstadt eingebracht worden. Der eine), ein ehrwürdiger Mann mit schneeweißem Haare, die große goldene Medaille auf der Brust, der andere angeblich eine Gerichtsschreiber, wollten laut einer aufgefangenen Depesche des Generals Schütte, an denselben die Kanonen ausliefern. Der Lieutenant Fastenberger hatte die Depesche in Händen, und 1) Nach beeidigten Protokollen. *) Baron du Beine behauptet Folgendes: „Mit dem Bemerken, daß in dem Plaß- Commando-Zimmer die Plaß Offiziere du Beine, Doninger, Waßhuber, Möser zugegen waren. Was ich bezeugen kann aus dem einfachen Grunde -- weil wir kein Quartier hatten. —!!!* Vorstehende Bemerkung du Beine's muß richtig seyn, nur muß dabei be: merkt werden die Zeit, um welche die vier Herren zugegen waren, und daß sie nach eidlicher Aussage in dem kritischen Momente nicht gesehen worden sind, wohl aber später gekommen seyn mochten oder in dem entfernten Plag-Offizier-Zimmer schliefen ») Johann Benz, jub. Hauptmann der Bürger-Artillerie,

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