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selbst die Linie unbeseßt. Die Gewehre lagen umher, Niemand war dabei. Söß versammelte acht Individuen, versprach sie aus Eigenem zu bezahlen, ließ die Ge wehre vom Linienwall, damit sie nicht verloren gingen, in seine Kanzlei tragen, und binnen zwei Stunden hatte er schon bei 150 Gewehre, welche an diesem Posten zurückgelassen wurden.

Um 8 Uhr Früh gelangte auch in den Bezirk Rossau vom Gemeinderathe die Aufforderung wegen der Ablieferung der Waffen. Hiebei war der BezirksComm. Höß sehr thätig, und hatte nach einigen Stunden schon bei 600 Gewehre eingesammelt. Während Höß mit der Waffeneinsammlung beschäftiget war, brachte ihm ein Mann der Mobilgarde eine schriftliche Vollmacht, unterzeichnet von einem Commandanten der polnischen Legion, womit er beauftragt wor= den, Höß sogleich aufzuhängen; doch dieser wendete sich an die eben anwesenden Mobilgarden des Bezirkes, und sagte ihnen das Vorhaben dieses Menschen. Doch diese waren über denselben so erbittert, daß Höß die größte Mühe hatte, ihn vor Mißhandlungen zu bewahren. -Eine halbe Stunde später kamen vier Mann von der polnischen Legion, frugen nach dem Bezirks. Chef, und da es hieß, er sey in der Schreibstube, kamen sie dahin mit den Worten: Schießt ihn nieder den schwarzgelben Hund!" und wollten zum Fen fter hinein schießen, wurden aber von der anwesenden Menschenmenge davon abgehalten. Binnen einer Stunde war eine solche Aufregung unter den Mobilgarden, daß viele wieder die Waffen nahmen. Da aber schon das Militär von der Nußdorfer-Linie über die obere und untere Hauptstraße einrückte, beruhigten fie fich, und gaben freiwillig ihre Waffen ab. Hôß versperrte sodann das Zimmer, worin die Waffen sich befanden.

Vormittags ging der am vorigen Tage erwähnte Fischer von Hegendorf nach dem Meidlinger Bahnhof, von wo aus er die Johannagasse, und durch eine Lücke auch sein Hauß sehen konnte. Mit vieler Betrübniß sah er vier seiner nachbarlichen Häuser ohne Dächer, und aus dem Innern stieg noch starker Rauch auf. Sein Haus hatte noch das Dach, aber aus den ebenerdigen Fenstern qualmte Rauch heraus, und der erste Stock war geschwärzt. Es war ein Anblick, um in die Erde zu sinken. Das Schlimmste war, daß er nicht hin, nicht sehen konnte, was mit seinem Eigenthum geschehen war. Nachmittags traf er seinen hochher. zigen Beschüßer, Hauptmann von Odelga. Dieser Offizier sagte ihm, daß, als er dessen Haus brennen sah, er sogleich vier Soldaten hingeschickt habe, um die vier Pferde, die in einem Stalle des Kellers standen, und zwei Kühe herausführen, und in Gewahrsam bringen zu lassen. Die zwei Kühe hätten leider im Lager bleiben müssen, um geschlachtet zu werden; aber die vier Pferde habe er in sein Quartier nach Erlaa bringen lassen; diese wurden auch dem Eigenthümer später wieder zurückgegeben.

„An die Bevölkerung von Wien. Der provisorische Ober-Commandant ist gestern, Samstag am 28. October d. I. um 7 Uhr Abends in der Plenarsizung des Gemeinderathes erschienen, und hat mit Rücksicht auf den von ihm ausführe lich dargestellten Stand der Vertheidigungsmittel die Absendung einer aus verschiedenen Corporationen bestehenden Deputation an den Fürsten Windische gråß zu dem Zwecke als wünschenswerth bezeichnet, um wo möglich dem Kampfe durch einen friedlichen, die Freiheit, die Rechte und die Ehre der Bevölkerung nicht verleßenden Ausgang ein Ziel zu sehen. Der Gemeinderath glaubte keinen Augenblick anstehen zu dürfen, diesem Antrage des Herrn Ober-Commandanten beizustimmen und sich seinerseits bei dieser Deputation durch drei Mitglieder zu betheiligen. Wien, 29. October 1848. Vom Gemeinderathe der Stadt Wien."

Des Morgens gab sich die Postverwaltung der Hoffnung hin, bei der anscheinend allgemeinen Stimmung für Ablegung der Waffen und angebahnten Uebergabe der Stadt, die Posten abfertigen zu können. Um 8 Uhr waren die sämmtli chen Mallewagen schon bespannt, die Conducteure erwarteten von Minute zu Minute die Nachricht des Einmarsches der Truppen und den Befehl zur Abfahrt, bis die wieder gereizter gewordene Stimmung des Proletariats und der Demokra ten den Gemeinderath an der gehofften Niederlegung verzweifeln ließ, und die Postpferde wieder eingestellt werden mußten. Abgang und Ankunft der Posten unterblieb gänzlich bis zum 3. November.

Desselben Tages tam Messenhauser mit dem General Bem in die Permanenz des Kriegsministeriums und forderten, daß leßterer in das Kriegsgebäude aufgenommen werde. Solches wurde verweigert. Später kamen beide wieder zurück und brachten einen dießfälligen Auftrag bes Reichstages, in Folge dessen General Bem seinen Aufenthalt im Kriegsgebäude genommen. Es scheint, daß es diesem kriegerischen Abenteuerer um das Geheimniß der congrev'schen Raketen zu thun war, welches er daselbst zu finden gedachte. Welch' anderen Zweck konnte Messenhauser, Bem, und der Reichstags-Ausschuß mit Bem im Kriegsgebäude gehabt haben?

„Proklamation. Mitbürger! Der erste Kampf um unsere conftitutionelle Ehre hat gestern Statt gefunden. Wir stehen an der Gränze, um den zweiten zu beginnen. Wir waren es uns wohl bewußt, daß wir mit unseren Mitteln der Uebermacht eines wohl ausgerüsteten, und von Tag zu Tag sich verstärkenden Heeres auf die Dauer nicht würden widerstehen können. Wir stritten auch nicht mit der vollen Aussicht, mit der sichern Ueberzeugung auf den faktischen Sieg. Wir stritten einfach als constitutionelle Männer, um für unsere Ehre das Aeußerste gethan zu haben. Noch haben wir die lezte Antwort des Fürsten Windische gräß auf die Wünsche und Bitten der Bevölkerung, vorgetragen Sr. Majestät dem Kaiser, nicht erfahren.

Indem der lezte Verzweiflungskampf eines ehrliebenden, ehrgeizigen und ruhmvollen Wehrkörpers vor der Thüre steht, habe ich Vernunft und Gewissen in mir erforschen müssen, um mir die Frage zu beantworten, welche Früchte uns ein solcher leßter Kampf um die Ehre bringen müßte? Ich habe dieselbe Frage sogleich einem zahlreich versammelten Kriegsrathe vorgelegt, und derselbe war mit mir fast einstimmig darin, eine gemischte Deputation an den Feldmarschall Windischgräß abzuschicken.

Diese Deputation hat erst heute morgens 8'/, Uhr in das Hauptquartier zu Heßendorf abgehen können. Bis dahin werden die f. t. Truppen keine Feindseligkeiten vornehmen, falls wir sie nicht selbst durch einen Angriff unsererseits hervorrufen. Ich verbiete demnach durch öffentliche Kundmachung, was ich bereits schriftlich und mündlich den Herren Befehlshabern mitgetheilt habe, Schießen und Plänkeln auf die k. f. Truppen, und wälze alle aus dem Nichtbefolg dieser Maßregel entspringenden unabsehbaren Folgen auf das Gewissen des ungehorsamen lebertreters. Weder Klugheit, weder wahrer Bürgersinn können die Triebfeder seiner Handlungen seyn.

Mitbürger! Es ergeht jezt auch an Euch durch mich die dringende Aufforderung: Gewissen und Vernunft zu erforschen, um sich die Fragen zu beantworten: Soll der Kampf um die constitutionelle Ehre bis zum Aeußersten fortgesezt werden? Wird unsere Lage dadurch besser? Wird unsere Ehre durch das Erliegen gegen eine nun nicht mehr zu läugnende physische Uebermacht wahrhaft gebrandmarkt? Welches sind die Mittel, wodurch wir dem legten Angriffe des Feindes entgegentreten können? Mitbürger! Ihr dürft unsere Mittel nicht überschäßen, oder weil Ihr jezt klar seht, daß unsere Mittel mit jenen des Gegners nicht die gleichen sind, von Verrath schreien.

Seit dem 13. Oktober bin ich mit dem provisorischen Ober-Commando betraut. Welches waren die Vorräthe an Kriegsmaterial, die ich vorgefunden? Welches die Elite von Offizieren, aus denen ich nach persönlicher Ueberzeugung von ihrem Werthe und ihren Kenntnissen meinen Generalstab bilden konnte? Die Liften über das Material, was ich habe erzeugen lassen können, liegen vor, und mögen von Jedermann eingesehen werden. Ich habe über die eifrige Erfüllung meiner militärischen Pflicht die strengste Kritik Unbefangener wahrlich nicht zu scheuen. Mitbürger! Es ist an Euch zur Erkenntniß über Euer wahrhaftes Wollen zu kommen. Mit Redensarten schlägt man keinen Gegner. Thaten, an Barrikaden und Verschanzungen vollbracht, und mit der Muskete, nicht mit der Kanone durchgeführt, können allein das Ober-Commando belehren, welche reelle Widerstandskraft in der Bevölkerung ruht. Mitbürger! Sobald die Deputation mit der Antwort des Feldmarschalls zurückkehrt, wird es an Euch seyn, Compagnie für Compagnie in der kürzesten Zeitfrist die Erklärung abzugeben: was

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Ihr wollt! Ob Fortseßung des Kampfes, wenn die Bedingnisse unabänderlich die bekannten sind, oder ob Unterwerfung. Der Mehrheit wird sich das OberCommando anschließen. Die Mehrheit ist das Gottesurtheil für Entschlüsse und Handlungen, in so lange die Minorität nicht auf dem natürlichen Wege zur Majorität geworden.

Mitbürger, in den vom Feinde nicht beseßten Vorstädten! Eure Lage ist eine peinliche und gefahrvolle. Ihr müßt aber die Verhaltungen, welche das OberCommando an Euere Befehlshaber theils gestern, theils heute hat ergehen lassen, nicht misdeuten. Jeder Denkende muß einsehen, daß nach der Stellung, welche die . f. f. Truppen am Ende des gestrigen Kampfes errungen haben, die Vorstadtbezirke nicht zu halten sind. Wer es besser verstehen will, der trete auf und übernehme die Ausführung.

Ich habe also ganz und gar nicht die Weisung gegeben, die Waffen zu strecken (!!). Ich habe gesagt: der Kampf kann jezt nur noch in der innern Stadt nach einem gewissen Plan und mit einer vernünftigen Anwendung der vorhandenen Mittel und Streitkräfte Statt finden. Die Vorstädte kann und will ich in einem nußlosen Einzelkampfe nicht opfern. Jene muthigen Herzen, welche das gestrige Kriegsloos mehr erbittert und aufstachelt, als sie einschüchtert, sind von mir aufgefordert, in das Innere der Stadt zu kommen und für die Vertheidigung derselben mit äußerster Kraft zu wirken. Mitbürger! Süthet Euch vor falschen Gerüchten! Glaubet nicht, daß der Ober-Commandant feigerweise seiner ihm vom hohen Reichstage mittelst Ministerial Bestätigung übertragenen Vertheidigungspflicht der Stadt Wien untreu werden könnte. Der Ober-Commandant wird auf seinem Posten so lange zu finden seyn, bis die Aufgabe, um derentwillen er aus reiner Bürgerpflicht sein höchst mühseliges und undankbares Amt übernommen zum Abschlusse gebracht ist. Mitbürger! Ich gebe Euch aber auch zu gleicher Zeit zu bedenken, daß ich als OberCommandant auf die volle Ausübung meiner persönlichen Freiheit und Ueberzeugung niemals verzichtet habe. Auch ich habe in der großen Angelegenheit unserer Stadt und unseres Vaterlandes eine Stimme. Diese Stimme lautet: Ich gehe mit der Mehrheit der Bevölkerung. Ist die Mehrheit nach der Zurückkunft der Deputation für den Kampf mit allen daraus entspringenden Folgen und Gräueln, so kämpfe ich. Ist sie für die Unterwerfung, so unterwerfe ich mich unter eine physische Uebermacht, die ich zur Stunde nicht besiegen kann. Muß ich mich aber unterwerfen, so erkläre ich nichts desto weniger feierlich unter dem Angesichte des Himmels, daß der Widerstand, den die Wiener Bevölkerung gegen den Feldmarschall Fürsten Windischgräß geleistet, in unserem guten constitutionellen Rechte tief begründet war. Wien, den 29. October 1848.

Messenhauser, m. p., provisorischer Ober-Commandant."

Um '/. 10 Uhr früh erschien in der Rossau das erste Militär, und zwar ein Ober-Offizier und fünf Gemeine. Ihr erster Weg war zur Kirche. Die meisten Bewaffneten legten hierauf zum zweitenmale ihre Waffen ab. Die Gewehre mußten, da fie alle geladen waren, sobald als möglich fortgeschafft werden; man brachte fie auf die Bezirkswache daselbst, die vom Militär und von Garden beseßt war, und von da unter militärischer Bedeckung nach Klosterneuburg.

„Kundmachung. Die von der Sicherheitsbehörde unter dem 28. October 1848 erlassene Kundmachung, daß bei Vermeidung augenblicklicher standrechtlicher Behandlung der Dawiderhandelnden alle Thore und Fenster im Falle wieder eintretenden Kampfes, sogleich zu öffnen find, war auf Verhältnisse gegründet, die gegenwärtig nicht mehr bestehen. Das Ober-Commando beeilt sich demnach, die oben angeführte Kundmachung in ihrem vollen Inhalte aufzuheben. Wien, den 29. October 1848.

Messenhauser, m. p., prov. Ober-Commandant.”

Dieses Plakat ist wohl gedruckt worden, aber es war zu spät, und es gelangte nicht zur Kenntniß des Publikums, wofür die Sicherheits- Behörde gesorgt hatte. Am 29. October halb 11 Uhr Nachmittag machte der Director Kohl an den f. f. Hofrath, Ritter von Salzgeber, nachstehende Anzeige:

„Die von mir im Institute aufgestellten Individuen zur bestmöglichen Erhaltung geseßlicher Ordnung berichten mir so eben, von bewaffneten Arbeitern vernommen zu haben, daß selbe das Kloster und Gebäude der Do minikaner durchgehends demoliren, dann an allen Eden in Brand legen wollen, und Niemand lebend entschlüpfen zu lassen."" Die dermalige Bewachung, ein Hauptmann mit beiläufig 70 Mann dürfte viel zu schwach seyn, diesem gräßlichem Vorsage bewaffneter Proletarier Stand zu halten, demnach glaube ich, daß es dringend nöthig wers den dürfte, daß von Seite des hohen Finanzministeriums eine energische Anstalt zu treffen, diesem Unglück in Zeiten vorzubeugen, wozu dem ehrfurchtsvoll Gefertigten keine Mittel in Aussicht stehen. In Hochachtung Kohl, m. p., Director."

„Der beiliegenden Anzeige zu Folge wird das Klostergebäude der Dominifaner von dem bewaffneten Volle mit der Demolirung und Brandlegung bedroht. Ich habe die Ehre das h. Ober-Commando zu ersuchen, alsogleich die geeigneten Berfügungen treffen zu wollen, daß dieses Gebäude, wegen des sich in demselben befindenden wichtigen Staatseigenthumes, durch eine verstärkte, vollkommen verläßliche Wache beschüßt werde. Wien, am 29. October 1848. Im Auftrage Sr. Exellenz des Herrn Ministers, der Unterstaatssekretär Stifft, m. p.“ In Folge dieser Intimationen ist die L. f. Hof- und Staats-Druckerei, sowie

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