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wegen Feuersgefahr in den Keller gebrachte Wäsche, nahm das Beliebige, und gab das Uebrige seinen Leuten; er ließ Alles, was an Getränken und Speisen da war, forttragen. Der Wirth selbst, obschon krank, mußte Vieles nach dem Piquet am Walle tragen, und als nichts mehr da war, befahl er die Hütte anzuzünden. Seine Leute waren barmherziger, und befolgten den Befehl nicht.

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Das nebenstehende große Haus Nr. 102, dem verstorbenen Franz Machts, Plattirwaaren-Fabrikanten gehörig, wurde wohl stark beschossen, und wurde nicht angezündet, wohl aber stark geplündert. Dagegen mußte der Gärtner Georg Savonith, Nr. 101, mit seiner ganzen Habe herhalten. Die Soldaten hatten sich aus dem Gasthause Nr. 103 geflissentlich Kerzen mitgenommen, um die niedrige Wohnung dieses Gärtners, nach vorhergegangener Plünderung, anzuzünden, und es brannte dieses Haus vom Grunde aus ab.

Es ist sonderbar, daß die beiden nachbarlichen, und dem Linienwalle näher liegenden Gärten der Gärtner Berger Nr. 130, und Kaltenhauser Nr. 131 außer vielen durch das Bombardement zertrümmerten Gartenhaus-Fenstern nichts zu leiden hatten; in diese beiden Häuser, welche etwas tiefer im Graben stehen, ist kein einziger Soldat gekommen.

Die Plünderung und Verwüstung ging auf der Hauptstraße bis Nr. 16; weiter hinab ist kein Soldat gekommen, nur ein einziger, schon halb betrunkener Nassauer hatte sich bis in Nr. 10, einem Wirthshause, gewagt, wo er in der Gaststube Wein verlangte, den ihm aber der Wirth, der nur mit noch einem Gaste allein in der Stube war, vortrinken mußte. Darauf trank der Soldat das ganze Glas auf einmal aus, und als er fort ging, mochte er im Taumel nicht wissen, woher er gekommen war, ging zu seinem Unglücke weiter gegen die Kirche hinab, und ein Schuß, der von der Barrikade nächst der Kirche kam, streckte ihn zu Boden.

Die nächst der Kirche zu beiden Seiten errichteten Barrikaden mochten Ursache seyn, daß das Militär nicht weiter als bis zum Hause Nr. 16 drang; denn hinter der Barrikade standen Nationalgarden und Freiwillige, welche stets, obwohl nur einzeln, den ganzen Nachmittag und die folgende Nacht hindurch feuerten, und das Militär mochte glauben, daß hinter der Barrikade eine starke Abtheilung verborgen sey.

Am 29. Nachmittags wurden in Maßleinsdorf die Leichen zusammen gesucht, und in der Todtenkammer der Kirche ausgestellt, damit jede Familie ihre Bermißten dort suchen konnte. Es waren neunzehn Leichen.

Ein Arbeiter, dem es am 30. gelungen war, zur Linie hinauszukommen, und Fischer aufzufinden, erstattete ihm den Bericht über die Zustände des Hauses.

Während Fischer sich auf die berichtete Weise mit seiner Familie geflüch

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tet, erschienen in der Nacht vom 28. auf den 29. October in seinem Hause Schaaren Militärs, auch Offiziere, und hatten das Unterste zu Oberst gekehrt, und Alles umwühlt, alle Schränke, Kisten und Kasten geleert, aus den Wand- und Stockuhren die Werke herausgerissen, und die Bücher der Bibliothek, und die Briefschaften lagen in Haufen in den Zimmern umber; Spiegel und Bilder blieben ganz (wahrscheinlich hat das Bild eines Onkels diesen in Armee-Uniform darstellend, fie in Respekt gehalten), nur ein Sekretär und ein Schreibpult, nebst mehreren Kästen, wurden gewaltsam erbrochen und beschädigt. Im Keller, wo kostbare Maschinen standen, und auch die Wäsche und die Kleider der Familie aufbewahrt waren, und zu ebener Erde, wo sich die Fabriks-Werkstätte befand, war Alles ausgebrannt, sammt Maschinen, Werkzeugen, Regalen 2. Das Waaren-Magazin war unversehrt, nur die Waaren wurden daraus fortgeschleppt. Der erste Stock hatte vom Feuer nichts gelitten, auch das Dach nicht. Später hörte man von einem Soldaten, der in dieser Nacht in diesem Hause war, daß nach der Plünderung von einem Soldaten das im Maschinen-Lokale befindliche Bett angezündet worden sey; ein Feldwebel habe aber das Feuer gelöscht, der Brandleger habe aber zum zweiten Male das Bett angezündet, und mittelst vorgehaltenem Bajonette den Feldwebel verhindert, es nochmals zu löschen, worauf der lettere hätte die Flucht ergreifen müssen, da mehrere Bösgesinnte dazu gekommen waren.

Als der Hausbesizer heimkehrte, fand er unter den von seinem Schwiegersohne nur einigermaßen geordneten Papieren und Büchern, welche meistens kothig waren, da man mit schmußigen Stiefeln über die am Boden liegenden Sachen gegangen war, auch sein Adels-Diplom mit Koth besudelt, und das daran hängende große Staatssiegel in einer stark vergoldeten Messingkapsel abgerissen. So hat hier das Militär das Dokument des höchstseligen Kaisers Franz, und das Staatswappen geehrt, und die eigenhändige Unterschrift des Kaisers mit Kothstiefeln getreten! — Vermuthlich hielt man die Messingkapsel für Gold. — Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Mittheilungen, welche Fischer dem Generalen Grafen Colloredo gemacht, wie man mit vielen unschuldigen Menschen, die dem Militär mit Freundlichkeit entgegen kamen, solches für die Retter Wiens hielten, doch so rachsüchtig verfuhr, die Veranlassung war, daß das Plakat: „Heilig ist das Eigenthum“ gedruckt, und zum Ankleben an alle Häuser vertheilt wurde. Allein ehe es kam, war alles Unheil bereits geschehen. Die Geschichte erzählt den grausen Tod Latour's und Lamberg's, fie erzählt auch das Morden im Kriege. Die Geschichte wird geschrieben — nicht gemacht. Wenn auch Einzelne, wuthentbrannt über die Schandthaten der fremden Revolutionäre, Barbareien begingen, so kann solches der glorreichen Armee keine Unehre machen; denn räudige Schafe gibt es überall,

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solche gab es auch unter der Nationalgarde, besonders jener Bezirke, welche den 6. October herbeigeführt hatten. Leider mußten auch die braven Mitbürger dafür furchtbar büßen. Es möge aber die furchtbare Lehre der Geschichte zur Warnung für die Zukunft dienen, daß der Bürgerkrieg die furchtbarsten Folgen nur für die Bürger selbst haben kann.

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Anmerkung. Der sehr geachtete Berichterstatter bemerkte zu Obigem in einem Schreiben an den Verfasser dieser Schrift:

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"So eben habe ich in Ihrem 4. Theile gelesen. Wenn man die nun fast vergesfenen Dinge von damals jezt wieder liest, so erstaunt man mächtig, wie damals so gehandelt werden konnte! Sie bemerken in diesem Theile einige Male, wo von der Menschlichkeit der Kroaten die Rede ist, daß diese wohl nur deßhalb sanfter waren, weil sie am 6. October nicht in Wien gewesen sind. Ich entgegne hierauf, daß die Regimenter Parma, Paumgarten, Jäger und andere am 6. October auch nicht in Wien waren, und habe mich überzeugt, daß es dem gemeiren Soldaten nicht um Rache wegen Latour zu thun war, sondern nur, um sich durch Plündes rung zu bereichern, und ihre Wuth und Mordlust kam größtentheils aus dem vielwöchentlichen Lagern auf freiem Felde in schlechter Witterung, Enibehrungen aller Art, und den ermüdenden forcirten Märschen her. Wenn ein Regiment den Tod Latour's zu rächen hatte, so war es jenes Latour's. In meinem Hause waren viele Gemeine von Latour der 6. und 7. Compagnie, deren Benehmen ich fast durchaus loben muß. Es waren meistens Böhmen, mehrere hievon Handlungs-Commis. Ich entschuldigte mich bei ihnen, daß ich an Latour's Tode keinen Theil habe. Sie entgegneten mir, daß sie deshalb an Niemand Rache nehmen würden, da sie ja die eigentlichen Mörder Latour's nicht kennen könnten. Anders solen aber die 11. und 12. Compagnie von Latour gesprochen haben, welche meist aus Polen bestehen, und selbst von der 6. und 7. Compagnie nicht gerühmt wurden. Fast alle Polen waren bölgesinnt, und es ist eine altbekannte Sache, daß der gemeine Pole den Deutschen nicht leiden kann. Ich habe mich überzeugt, daß viele gemeine Polen von Latour's Tode nicht einmal etwas wußten. Ein Pole vom Regiment Parma, den ich für einen von Latour hielt, und mich gleichfalls bei ihm wegen Latour's Tode entschuldigte, rief mir im gebrochenen Deutsch zur „Ei was geht mich Latour an, ich weiß nicht einmal, ob er todt oder lebendig ist; ich brauche nur Geld, viel Geld."

Viele der gemeinen Soldaten mochten von ihren Offizieren aufgereizt worden seyn. Ein Jäger, den Hauptmann Odelga unter andern als Salva quardia an mein Hausthor gestellt hatte, sagte mir im vertraulichen Gespräche, seine ganze Compagnie habe von seinem Obersten den Befehl erhalten, sobald sie nach Wien einrüden würden, sollten sie auch das Kind im Mutterleibe nicht schonen, und, sagte er weiter, ich würde Sie augenblicklich erschießen, selbst wenn Sie mein Vater wären, hätte ich nicht vom Hauptmann Odelga Befehl, Sie schüßen zu müssen. Ich konnte diesen Menschen nicht mehr ansehen, und war froh, daß er bald abgelöset wurde. Ich fann unmöglich glauben, daß ein Oberst einen solchen Befehl gab; aber man sieht daraus die Stimmung manches gemeiren Soldaten. Hauptmann Odelga entschuldigte die Wuth seiner Mannschaft auf folgende Art: „Mein Bataillon stand sehr lang

Fürst Windischgräß ließ nach Verlauf des heutigen Tages Folgendes nach Olmüß telegraphiren: „Die Truppen sind nach einem neunstündigen Barrikadenkampfe der Disposition gemäß in die Vorstädte Landstraße, Rennweg, Leopoldstadt und Jägerzeile eingedrungen, und haben dieselben bis an die Wälle der Stadt beseßt."

Der Kaiser erließ nachstehenden Aufruf an die wackere Armee in Italien :

„An meine Armee in Italien. Die Partei des Umsturzes hat schon längst ihre Blicke auf Euch gewendet, weil sie in Meiner Armee eine feste Stüße des constitutionellen Thrones, und ein sicheres Bollwerk der bedrohten Monarchie erblickt. Ihr eifrigstes Bestreben ist, Euch von Euren Pflichten abwendig zu machen. Diese ruchlosen Versuche werden gegen Eure Treue, und gegen die Anhänglichkeit, die Ihr Mir und Meinem Hause immer gezeigt habet, scheitern. Nur an Euch, Meine geliebten Söhne aus Ungarn und Kroaten, richte Ich heute insbesondere ein ernsthaftes Wort. Höret die Stimme Eures Königs, dem eben sowohl wie Euch, die Wohlfahrt Eures schönen Vaterlandes am Herzen liegt. In Ungarn gelang es einer sträflichen Partei, durch Umtriebe aller Art den Frieden zwischen verschiedenen Nationen, die dort seit Jahrhunderten in brüderlicher Eintracht lebten, zu stören, den Bürgerkrieg anzuzünden, alle Bande der Ordnung und Gefeßlichkeit zu lösen, so wie auch einige Eurer Kriegsgefährten zu verführen, Theil an der Empörung zu nehmen. Ich weiß, daß dieselbe Partei unter dem Vorwande, daß Euer Vaterland in Gefahr sey, und Eurer Hülfe bedürfe, tein Mittel unversucht läßt, um Euch gegen Mich treulos zu machen, um den Umsturz des ehrwürdigen Thrones herbeizuführen, den Eure Väter oft mit ihrem Blute vertheidigt haben. Lasset Euch von diesen falschen Patrioten nicht irre führen. Sie stehen im engen und vollkommenen Einverständnisse mit den Feinden Desterreichs; sie sind die Haupturheber der gegenwärtigen Wirren. Die von Mir den Ungarn verliehenen Freiheiten, die Gleichberechtigung aller Classen Meiner ungarischen Unterthanen, sind durch Me'n königliches Wort verbürgt. Ich werde sie aufrecht erhalten. Ihr werdet nicht wanken, und der Heiligkeit Eures Eides

unthätig in Galizien, und meine Leule freuten sich ungemein, alê es hieß: nach Lemberg, um den dortigen Aufruhr zu unterdrücken. Als wir hinkamen, fanden wir nichts zu thun, Alles war beendet. Bald darauf hieß es: nach Krakau, wo auch Aufruhr war. Wir kamen hin, und der Aufruhr war beendet. Nach längerer Zeit hieß es nach Ungarn. Wir gingen an die Gränze, blieben unthätig, und erhielten endlich Befehl, nach Wien zu gehen, wo wir hinter Wien in Frost, Regen und Unwetter auf Feldern kampiren mußten. Das erboste meine Polen, und unglücklicher Weise waren viele derselben unter den Freiwilligen, die zuerst den Linienwall beim Hundsthucm erstiegen, und so auf ungerechte Weise ihre lang verhaltene Wuth ausübten, der nur schwer Schranken zu segen war."

eingedenk seyn. Meine Obliegenheit wird es mit Gottes Beistand seyn, die gestörte Ordnung und den innern Frieden in Ungarn wieder herzustellen, die Eurige, das gemeinsame Vaterland gegen den fremden, drohenden Feind zu vertheidigen.

Vertrauet auf Mich und Euren alten Feldmarschall. Er hat Euch zu Siegen geführt, die Euch in der Geschichte einen ehrenvollen Plaß, und die Erkenntlichkeit des Vaterlandes sichern; er wird Euch nun auf die Bahn der Pflicht und der Ehre leiten. Olmüß, den 28. October 1848.

Ferdinand, m. p.

Wessenberg, m. p."

29. October.

Sonntags. Als nach der Erstürmung und Plünderung der Johannagasse am Hundsthurm die Soldaten von Latour Infanterie zurückkehrten, waren sehr viele in dem Gasthause auf der Eisenbahn bei Wilhelmsdorf eingekehrt. Sie zwangen den Wirth J. Maurus, Alles unentgeldlich herzugeben, und drohten ihm und dem Hausknecht mit dem Erschießen. Nachdem auf leßteren ein Soldat schon das Gewehr angeschlagen hatte, sprang dieser, sich rettend, schnell in den Keller hinab, und der herbeieilende Wirth beruhigte durch schnelles Herauftragen vom besten Wein die Wüthenden. Mehrere Soldaten feuerten ihre Gewehre im Zimmer ab, und doch konnte keiner von den Offizieren, die im Nebenzimmer saßen, diese Leute bändigen. Der Wirth, dessen Frau und Kind noch in der Nacht die Flucht ergriffen, harrte aber, doch in Todesangst, bis den kommenden Morgen aus. Am 29. erzählte er dem Oberstlieutenant, Wenzel Freiherrn von Weigl von Parma Infanterie, das Erlebte, und bat um Schuß, worauf dieser ehrenwerthe Stabs-Offizier seine persönliche Hülfe dem Wirthe für die nächste Nacht versprach. Er kam wirklich, und ließ sich in einem Nebenzimmer der Gaststube ein Strohlager bereiten, und als in der Nacht der Spektakel wieder losging, trat er zu den anwesenden Offizieren vom Regimente Latour, und bemerkte ihnen, daß sie doch Ruhe unter ihren Leuten herstellen sollten, was sie aber als unmöglich ablehnten. Darauf ging derselbe mit einem Offizier von Latour in das Gastzimmer, schalt die Soldaten tüchtig aus, und gebot ihnen, das Gasthaus zu verlassen. Nur zwei blieben hartnäckig sißen, welche der Oberstlieutenant aber beim Kragen packte, und zur Thüre hinauswarf. Von dieser Zeit an war Ruhe und Ordnung. Dieser wackere Stabs-Offizier rieth dem Wirth, das Gasthaus auf keinen Fall zu verlassen, sonst möchte es leicht ein Raub der Flammen werden; sich aber bei dem mindesten Anstande nur gleich an ihn zu wenden, da er nicht ferne davon lagere.

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Am 29. um 2 Uhr Nachts ging der Bezirks-Comm. Höß zur NußdorferLinie, um nachzusehen, fand jedoch den ganzen Linienwall ohne Wachposten, ja

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