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werth und theuer war. Des Familienvaters Gefühle lassen sich nicht beschreiben, er dankte nur dafür dem lieben Gott, daß er seine Frau einige Monate vorher zu sich genommen hatte; wie hätte er diese alte Frau fortbringen sollen? Mit den in dieses Haus geflüchteten Frauenzimmern und dem halbblinden Nachbar waren es 17 Personen, darunter das 1'/. Jahr alte Kind der verheiratheten Tochter. Der Hauptmann und der Oberlieutenant halfen den Flüchtigen vorsichtig über die Mauer des Walles, da eine Brücke erst gemacht wurde, hinab, in ihren Armen trugen sie dieselben auf die jenseitige Höhe. Es war ungefähr 7 Uhr Abends, finster, nur der Weg schauerlich beleuchtet von den brennenden Häusern in Mazleinsdorf. Der Lieutenant und vier Mann begleiteten sie über die Aecker ins Lager. Der edelmüthige General Graf Collorédo nahm sie freundlich auf, bedauerte sie herzlich, vorzüglich den alten Vater, und sagte, daß ihm selbst das Herz wehe thäte, aber er könne und dürfe nicht anders. Er stellte allen frei, wobin sie gehen wollten, und befahl, daß sie vier deutschsprechende Soldaten begleiten, be schüßen und so lange bei ihnen bleiben sollten, bis sie Obdach gefunden haben würden. Die Geflüchteten wendeten sich, begleitet von vier Mann Latour, freundliche, gesprächige junge Männer, nach Altmannsdorf, fanden aber daselbst kein Quartier. Ein Bauer aus Heßendorf, Namens Josef Ekel, der im Gasthause zu Altmannsdorf war, erboth sich, die verheirathete Tochter mit ihrem Kinde zu sich in seine warme Stube zu nehmen, und für die llebrigen zu sorgen. In Hegendorf wurde der Richter Heim geweckt, und dieser verschaffte ihnen zwei leer stehende Zimmer bei einem Kaufmanne, und der Bauer brachte Stroh. Mit Hülfe der wenigen Betten und einiger Kleider ruhten sie aus, ohne etwas den ganzen Tag über genossen zu haben. Sie hatten keinen Hunger und keinen Schlaf. Die Soldaten blieben bis am Morgen des 29. bei ihnen und nahmen dann herzlichen Abschied. Noch muß bemerkt werden, daß von dem Hause Fischers die Sage vorzüglich in der Stadt verbreitet war, daß man in demselben eine Kanone versteckt gefunden habe. Wahrscheinlich hatte das Holzmodell eines großen Cylinders zu einer Maschine, welches unter dem Dache aufbewahrt war, Anlaß dazu gegeben. Zu derselben Zeit als die ersten Soldaten in das Fischer'sche Haus eindrangen, hatten die gegenüberstehenden acht leßten Häuser bei der Ausmündung der Johannagassa an den Linienwall ein noch traurigeres Schicksal zu bestehen. Zwischen 12 und 1 Uhr Mittags am 28. kamen Soldaten des 2. Bataillons von Latour-Infanterie in das Haus Nr. 151 und 152 zu dem Hausbesitzer und Essigs fabrikanten Josef Shrott. Er ist bei 60 Jahre alt, hat 8 noch lebende Kin der, wovon zwei Söhne bei der f. k. Armee in Italien sich befinden; gehörte nie zur bestandenen Nationalgarde, und war als ruhiger Bürger (geborner Tyroler) geachtet. Dieser wurde von den eingedrungenen Soldaten zu Boden geworfen und mit auf die Brust geseßtem Bajonette so lange in dieser bedrohten Lage festgehal

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ten, bis die übrige Mannschaft das ganze Haus vom Dachboden bis in die Keller nach Waffen, deren sie keine finden konnten, weil Schrott nie welche in seinem Hause duldete, genau durchsucht hatten. Nach erfolgter Erklärung des Anführers daß man nichts an Waffen oder Munition vorfand, durfte er endlich aufstehen und unter strenger Bewachung der Mannschaft mußte er sie in seine Wohnzimmer im ersten Stocke führen, und dort ein stummer Zeuge der Plünderung bleiben, denn, als er sich mit seiner Gemahlin nur einmal erlaubte Einsprache und die dringende Bitte um Schonung sehr theuerer Familienstücke und Andenken zu thun, ward er augenblicklich mit dem Bajonette bedroht und mußte verstummen. Nachdem ihm, seiner Gemahlin und der Kinder sämmtliche Kleider, Leib-, Bettund Tischwäsche, das meiste und beste Bettzeug, mehrere Präziosen, sehr werth volle und unerfeßliche Familienstücke und Andenken, 1105 fl. in Banknoten, alles Schaßgeld der Kinder und viele andere Sachen genommen wurden, gingen diese Soldaten erst an die Zerstörung dessen, was sie nicht mitnehmen konnten. lleber den unaussprechlichen Jammer der Eltern kam ihre älteste Tochter Anna, 28 Jahre alt, (sie sollte sich zu Ostern 1849 verheirathen), aus ihrem Versteck im Keller mit ihren zwei Schwestern, 10 und 12 Jahre alt, herauf, und als sie eben aus der Kellerthür angstvoll und am ganzen Leibe zitternd, treten wollte, griff ein Soldat, der sie kaum erblickte, nach ihren goldenen Ohrringen, von dem es ihr jedoch gelang, sich loszureißen, und indem sie sich in ihrer Todesangst in den offenen Hof hinauswagte, traf sie auf dieser Flucht eine Kugel im Unterleib und nach vier martervollen Stunden endete sie ihr Leben. Auf den Knien, und in der größten Verzweiflung die Hände ringene, bath ihre Mutter einen herbeigekommenen Offizier um ärztliche Hülfe, allein es ward nicht möglich einen Arzt zu bekommen. Sie war eine brave Tochter, darum läßt sich der Jammer der alten, trostlosen Eltern nicht beschreiben. Der Vater dieses Mädchens wäre unfehlbar auch als ein Opfer gefallen, wenn sich seiner nicht zwei brave Offiziere, die ihn als schuldlosen Familienvater erkannten, angenommen hätten.

Um Mitternacht hatte sich in diesem Hause eine Partie Soldaten, wozu spä ter ein Offizier kam, eingefunden, und plünderten Alles, was nur da war, sowohl dem Eigenthümer des Hauses, als seinen Parteien. Als man mit den Zimmarn fertig war, ging man in das Lokale, wo Essig fabrizirt wird, öffnete die Fässer, in der Meinung Wein zu finden, und da man Essig fand, so wurden alle Fasser zerschlagen und der Essig ausgelassen. Endlich befahl der Offizier, das Nest anzuzünden, was getreulich befolgt wurde, und hierauf ging derselbe in das Gewölbe wo die Leiche der erschossenen Tochter sich befand. Heuchlerisch bedauerte er die Eltern und zog mit eigener Hand von einem Finger der Todten einen schö nen goldenen Ring, den er als Andenken an diesen traurizen Vorfall aufzubewahren vorgab. Es ist dieses Mädchen eben dieselbe, von der das Gerücht ver

breitet war, sie habe heißen Essig auf die Soldaten herabgegossen, welches sich jedoch nicht bestätigte. Nur sanfte Gewalt vermochte es den bis zum Wahnsinn aufgeregten Schrott von seinem geplünderten und in Brand gesteckten Hause, und von der Leiche seiner Tochter wegzubringen. Diese namenlos unglückliche Familie, die aus dem brennenden Hause nichts retten konnte, als das nackte Leben, floh endlich am 29. um 4 Uhr Morgens zu einem Freunde nach Schönbrunn, ins sogenannte Tyrolerhaus, wo sie sich fünf Wochen aufhielt, und jezt in einer gemietheten Wohnung, in jener unglücklichen Gasse, wo ihr zerstörtes Haus steht, wohnet. Schrott gesteht frei und offen, daß ihn gute Freunde und selbst seine Gemalin wiederholt aufgefordert, seine besten Habseligkeiten für mögliche Fälle wegzuräumen, allein immer erwiederte er nur: „Ich habe zu viel Achtung vor den f. t. Truppen, als daß mir so etwas nur träumen könnte, und dieß um so mehr, da ich mir durchaus nichts vorzuwerfen habe!"

Der Linienwall war schon geraume Zeit vom Militär beseßt, und dasselbe auch in den ersten Häusern der Gasse eingedrungen, ehe es in das Haus Nr. 27. tam. Der Gastwirth und Hausinhaber Wenzel Ihanel, zwar Nationalgardist, hatte aber schon Vormittags um 10 Uhr seinen Posten verlassen, und war zu seiner Familie heimgekehrt; sein Gewehr und Kartusche hatte er über seine Hofplanken in einen benachbarten Garten geworfen, und sonach war keine Waffe in seinem Hause. Er und noch Andere aus der Nachbarschaft hatten sich im Keller versammelt; in der Küche die Frau, Kinder und andere Weiber. Ein Weber, Namens Schiller, welcher mit im Keller war, rieth dem Wirth, ein Schaff mit Wein zu füllen, und damit in die Schankstube zu gehen, um den eindringenden Soldaten sogleich damit aufzuwarten, was besser seyn würde, als im Keller zu bleiben. Beide hatten die Kellerthüre nicht erreicht, als schon ein Kolbenstoß an dieselbe geschah, und als sie aufflog, blißten dem Wirth und Weber die vorgehaltenen Gewehre und Bajonnette entgegen, im Begriff losgeschossen zu werden. Allein der kommende Wein besänftigte die Soldaten. Er wurde gleich in eine Menge Gläser eingeschenkt, allein ein Jäger (die Soldaten waren gemischt, Jáger, Latour- und Paumgarten-Infanterie) schlug mit seinem Gewehr alle Gläser von Schanktisch mit dem Ausrufe: „der Wein ist vergiftet!" Der Weber Schiller füllte aber ein neues Glas und trank den Wein selbst aus zum Beweise, daß daß Getränk nicht vergiftet sey. Dann tranken auch die Soldaten wacker und verlangten Brot, Würste und was noch da war. Alles wurde hergegeben, und der Weber und der Wirth waren stets beschäftigt, Wein aus dem Keller zu holen. Man brachte auch Bier herauf, allein dieses wurde sogleich aus dem Schaffe in die Stube gegossen, indem man kein Bier sondern Wein wollte. Der Wirth und der Weber wurden auch mehrmals genöthigt, ganze Schäffel mit Wein hinüber nach dem Linienwall für die dort stehenden Soldaten zu tragen. Es dauerte na

türlich nicht lange, so war der kleine Vorrath an Wein erschöpft, so wie auch der an Brot und Eßwaaren. Mittlerweile hatten sich die gesättigten Soldaten in die Küche und Zimmer begeben, dort alles durchwühlt, und was nur halbweg brauchbar war, eingesteckt und in Bündeln gebunden fortgeschleppt, troß allem Bitten. Schreien und Weinen der Weiber und Kinder. Endlich verlangte man, daß der Wirth sein Zimmer im ersten Stockwerke aufschließen und Geld und Uhren hergeben solle. Es mußte sogleich geschehen, und eine Menge Soldaten, die in das Zimmer eindrangen, nahmen Alles, was nur fortzubringen war, und zerschlugen die Kasten, die nicht sogleich aufgemacht werden konnten. Auch in den an. dern Zimmern, wo Parteien wohnten, die sich geflüchtet hatten, ging es auf gleiche Weise zu.

Um 3 Uhr Nachmittags kam eine Abtheilung Soldaten, wobei sich ein Feldwebel befand, und fragte nach dem Wirth. Sie wurdem in den ersten Stock ge wiesen, wo er war. Er wurde aufgefordert mit ins Lager zu gehen, und mit Gewalt in das Vorhaus zu ebener Erde geschleppt; dort war sein Weib und seine Kinder, die alle kniefällig den Feldwebel baten, ihren Vater nicht mitzunehmen, da er ja ganz schuldlos sey. Allein kein Flehen half, und der Feldwebel versicherte ihnen, es solle ihm nichts geschehen, aber er müsse in's Lager. Der Wirth bath, er möge sich einen Hut oder eine Kappe aufseßen dürfen, wurde. aber nicht erlaubt, und so wurde er ohne Barmherzigkeit mit entblößtem Haupte fort über den Wall hinab in die Nähe des Lagers geführt und dort erschossen. Erst später haben die Seinigen dieses vermuthet, und als Alles ruhig war, nach einigen Tagen die in der Nähe des Lagers vom Grafen Collerodo frisch aufgeworfenen Erdhaufen untersuchen lassen, wo man unter einem derselben den Gastwirth, bereits halb verwest, erkannte, und die Reste in geweihte Erde begraben ließ.

Eine Viertelstunde nachher, als der Gastwirth fort war, wurde aus demselben Hause noch ein Mann abgeholt, der seiner Unschuld sich bewußt, da ge= blieben war, (denn die andern Männer bis auf den Weber Schiller hatten sich geflüchtet) und hinausgeführt, und wahrscheinlich auch erschossen, da man nichts mehr von ihm gehört hat. Sein Name ist unbekannt. Auch Schiller würde ein gleiches Loos getroffen haben, hätte er nicht durch seine Bedienung mit Wein und Eswaaren, Schonung gefunden, und hätte ihn nicht die Fürsprache seines Weibes, welche böhmisch sprach, gerettet. Auch nahm ihn ein ziemlich bejahrter Soldat, — von welchem Regimente weiß man nicht, — in Schuß, welcher stets nun in der Schankstube blieb, selten trank, aber nicht das Geringste nahm, und oft geäußert hatte, daß dieses Betragen seiner Kameraden schändlich sey, er habe manche Kriege mitgemacht, aber niemals seye er so gegen seine Feinde verfahren. Schiller sah den Soldaten sogar Thränen darüber vergießen, daß er nicht

die Macht habe, diesen Greueln ein Ziel zu seßen. Braver Soldat! Schade, daß sein Name unbekannt ist.

Immer neue Schwärme von Soldaten kamen in das Haus und forderten Geld, Wein, Uhren und dergleichen, unb durchzogen alle Zimmer und nahmen, was noch übrig war. Der Weber Schiller war durch den ungewohnten Wein, den er den neu kommenden Soldaten stets zutrinken mußte, selbst betrunken wor den, und als er nichts mehr herzugeben hatte, unwirsch geworden, daher rieth der oben besagte brave Soldat dem Weibe des Schiller, ihren Mann fort und in Sicherheit zu schaffen, was denn auch gegen Abend mittelst mühsamer Uebersteigung der Planken des Hofes und Durchwanderung mehrerer Gärten geschah. Als nun gegen 11 Uhr Nachts in dem Hause nichts mehr zu finden war, und sich auch die Weiber und Kinder geflüchtet hatten, wurde es angezündet, und ging sammt dem Dache vom Grund aus in Flammen auf, nur einige kleine Quartiere des ersten Stockes blieben vom Feuer verschont.

In demselben Hause wohnte der Tischlergeselle Ferdinand Nolte, verheirathet, aber ohne Kinder; ein schwächlicher, oft kranker Mann, der vor kurzem erst von einer schweren Krankheit genesen war. Durch Fleiß und Sparsamkeit besaß er eine schöne Einrichtung, hatte hübsche Kleider, Wäsche u. d. gl. Als er hörte, daß der Lienienwall vom Militär besegt sey und dasselbe schon eindrang, nahm er die vorräthig habenden 20 fl. Banknoten in ein Päckchen und versteckte es auf seinem Leibe, nebst der Taschenuhr, so wollte er nun um 1 Uhr Nachmittag mit seinem Weibe über den Hof und dessen Planken flüchten. Als er die leßte Stufe der Stiege betrat, kamen ihm einige Jäger mit vorgehaltenem Bajonette entgegen, so daß der furchtsame Tischler zusammenstürzte, das Weib aber zurücklief. Dem Tischler wurde der Rock aufgerissen, er bis auf die Haut visitirt, und ihm die Uhr und die Banknoten genommen; ein noch hinzu gekommener Jäger gab ihm einen Hieb über den Kopf, welcher in die Hirnschale eindrang. Mit dieser stark blutenden Wunde lief er zurück in das Haus und verbarg sich unter dem Dache in einem Winkel. Als er aber um 7 Uhr Abends unter Geschrei von Soldaten und andern Menschen hörte und auch vernahm, daß in dem Zimmer unter ihm arg gewirthschaftet werde, so fühlte er sich unter dem Dache nicht mehr sicher, kroch zu einem Dachfenster hinaus und legte sich nach der Länge in die Dachrinne, worin er bis nach 10 Uhr des Nachts verblieb. Um diese Zeit hörte er, daß das Haus im Innern brenne, und sah auch, daß das Haus vis-à-vis, Nr. 32 aus allen Fenstern Flammen speie, und so hielt er es für gerathener, die Rinne zu verlassen, kam ungehindert in den Hof, mühsam über die Planken und durch mehrere Gärten durch; flüchtete sich ganz ermattet endlich in das Haus eines Gärtners, wo seine Bunde verbunden und er selbst gepflegt wurde, verbrachte die Nacht unter furcht baren Schmerzen und ließ sich am 29. October früh um 7 Uhr zu den barmher

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