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eine Anzahl Gewehre in das Haus des Hauptmanns Steinböck der 5. Compagnie Rossau gebracht; doch die daselbst wachhabende Ordonnanz, nicht wissend, was dies bedeuten solle, wollte selbe nicht annehmen; da seßte man ihr das Bajonet auf die Brust, und drohte ihr, im Falle sie sich weigere, die Gewehre zu übernehmen, sie erschossen werden würde. So kam es, daß in kurzer Zeit schon bei 500 Gewehre aller Art im Hofe des genannten Hauptmanns lagen. Doch Thomas Schweizer, magistratischer Holzfeger, reizte durch fanatische Reden dieses nur zu leicht zu bethörende Volk dergestalt auf, daß sich Mehrere wieder entschlossen, die Waffen zu ergreifen, und dem schon eindringenden Militär den möglichsten Widerstand zu leisten. Dieser Aufrührer schrie auf allen öffentlichen Pläßen: Brüder, greift zu den Waffen, noch ist es Zeit; alle müßt ihr zum Militär, wenn Windisch gräß siegt, alle eure Häuser werden mit den größten Steuern belastet, darum auf Brüder! greift zu den Waffen!"

In der Vorstadt Hundsthurm und Mazleinsdorf. In der Johannagasse nächst dem Linienwalle stand eine Kanone, National- und Mobilgarden hatten den Wall im Rayon dieser beiden Vorstädte beseßt. Alle waffenfähigen Männer wurden auch daselbst zum Kampfe gepreßt, und man nannte dieses barbarische Verfahren Garden- Herauskißeln;" und so geschah es, daß eine Rotte Bewaffneter in der Johannagasse in die Wohnung des Fischer Edlen von Röslerstamm gewaltsam eindrang, dessen ein und zwanzigjährigen Sohne Oskar ein Gewehr und eine Patrontasche aufgedrungen wurde, und er mit auf den Wall gehen mußte. Eine Masse Militär mit Kanonen zog sich vom Südbahnhofe zwischen den Meidlinger- und MagleinsdorferBahnhof, und faßte daselbst Posto. Es war das Lager des Generalen Grafen Colloredo-Mannsfeld. Eine andere Militär-Abtheilung kam von Wilhelmsdorf, und stellte sich nicht fern vom Sundsthurmer-Kirchhofe auf; sie hatte einige Kanonen bei sich, und machte einige Schüsse gegen die Hundsthurmer-Linie. Die Garde glaubte sich auszeichnen zu müssen, und feuerte einen Schuß aus der, in der Johannagasse aufgestellten Kanone auf die kaiserlichen Geschüße ab. Das Militär, welches diese Kanone früher nicht bemerkt hatte, zog sich nunmehr gegen den Bahnhof, und gelangte dadurch in die Verlängerung der langen Johannagasse, auf welche nun losgefeuert wurde; und obwohl die Kanone am Walle noch zwei Schüsse machte, so wurde sie doch bald zum Schweigen gebracht, und der Kanonier entfloh. Nach einigen Kartätschenschüssen des Militärs, wovon die Kugeln an den Häusern abprallten, und auf die Garden flogen, nahmen diese Reißaus, und binnen wenigen Minuten war der Wall, so weit man sehen konnte, von Menschen entblößt, die alle durch die Gärten liefen, theils die Gewehre wegwarfen, theils sich in den Glashäusern, und sonst wo immer möglich, verbargen. Auch der junge Fischer kam nach Hause, und stellte sein Gewehr ruhig zur Seite. Von der Wall-Be

sagung war nicht ein Flintenschuß gefallen. Später hatte es sich gezeigt, daß viele Patronen, welche die Garden hatten, mit Streusand gefüllt waren. Das Schießen des Militärs begann um 10 Uhr Morgens. Die Brandraketen flogen meistens über die Häuser in die Gärten. In der genannten Gasse wurde durch das Bombardement fein Haus angezündet. Aber in Mazleinsdorf geriethen die Meierei im Garten des Dr. Menz, das Haus des Gärtners Baumgarten, nebst mehreren Glashäusern, und das Gasthaus des Furchheimer nächst der Linie in Brand. In den Gärten waren fast alle Fenster der Glashäuser und Mistbeete zertrümmert. Die Bewohner konnten in den Zimmern nicht bleiben, weil die Kugeln der Kartätschen durch die Fenster flogen.

Nach 12 Uhr Mittags, während die Kanonen schwiegen, rückte eine Abtheilung Soldaten mit gefälltem Bajonete langsam gegen den Wall, eine andere Abtheilung kam gerade herab auf die Johannagaffe. Als diese bemerkten, daß der Wall keine Besaßung habe, erkletterten die Soldaten die Mauer, aus welcher fie Ziegelstücke ausbrachen, um Stufen zu bekommen, und so standen sie um ungefähr 1 Uhr Mittags, ohne nur im Geringsten gehindert worden zu seyn, auf dem Walle, und bald darauf auch in den ersten Häusern der genannten Gasse. Der oben erwähnte Fischer hatte das Thor seines Hauses offen gelaffen, auch die beiden Thüren zu ebener Erde nicht gesperrt, wovon eine in eine Arbeits stube, die andere in das Waaren-Magazin führte. Er hörte zwei starke Kolbenstöße, wodurch die beiden Thüren zersplittert und eingestoßen wurden. Sogleich ging er hinab, und fand im Magazin einen Feldwebel von Parma Infanterie beschäftigt, das Geld der Detail-Verkaufscassa, was in einer Schublade des Tisches lag, in seine Taschenaus zuleeren. Fertig damit, fragte er den Hausbesiger, wo dieser noch mehr Geld habe. Auf die Antwort, daß keines mehr im Hause, schien er zufrieden; seine Begleiter aber wollten sich nicht beruhigen, und forderten stets Geld, viel Geld. Der Feldwebel beschwichtigte sie, und verlangte nur noch die vorräthigen Waffen. Zwei Gewehre wurden den Soldaten ausgefolgt, und die Köchinn, welche böhmisch sprach, bedeutete ihnen in dieser Sprache, daß diese dem Sohne des Hauses und einem Commis gehören, denselben aufgedrungen worden seyen, aber weder geladen, noch ein Schuß daraus geschehen wäre. Man trug die Gewehre fort nach dem Walle. Inzwischen hatte fich der Schwiegersohn des Hausbesizers, Anton Gründl, durch den Hof aus dem Staube gemacht, bekam aber von neuerdings eindringenden Soldaten, welche ihn über den Hof laufen sahen, eine Salve von sieben Schüssen nach, eben als er über die Planken sprang, wurde aber nicht getroffen. Der im Hause anwesende Commis, Johann Zeidler, welcher ebenfalls die Flucht ergreifen wollte, wurde außer dem Hause von Soldaten ergriffen, und wie man später hörte, im Graben des Linienwalles erschossen. Der junge

Fischer blieb im Bewußtseyn, nichts verbrochen zu haben, bei seinem Vater. Die neuangekommenen Soldaten, ebenfalls von Parma-Infanterie, forderten abermals Geld und Waffen in gebrochenem Deutsch. Auf die Erklärung, daß kein Geld vorhanden, untersuchten sie das ganze Haus, und nahmen mit sich alle Tabakspfeifen, Uhren, Ringe, Tuchnadeln, Hals- und Sacktűcher, mehrere Hemden, und viele andere Schmucksachen, die den Töchtern gehörten. Kaum aber war eine Partie Soldaten hinaus, so kamen wieder andere, später gemischt aus Parma- und Latour-Infanterie und Jägern, und alle forderten unter Androhung des Erschießens Geld, Waffen, Pfeifen, Wäsche u. s. w. Jede Partie durchstreifte das Haus und alle Zimmer, und obschon man sah, daß alle Kästen offen standen, Vieles zerstört herumlag, so nahm man doch immer wieder mit fort, was nur halbweg zu brauchen war.

Gegen 3 Uhr Nachmittag kam der zuerst da gewesene Feldwebel mit einigen Begleitern wieder, und forderte den Sohn mit der Versicherung, daß ihm nichts geschehen solle; nur müsse er in Gewahrsam genommen werden, damit er als waffenfähiger Mensch ihnen nicht im Rücken schädlich werde, denn es hätte ihm geschienen, daß aus diesem Hause geschossen worden wäre. Die Hausgenossen jedoch erklärten alle, daß aus diesem Hause nicht geschossen worden, und daß der Sohn des Hausbesizers schuldlos sey. Es half jedoch kein Zureden, und schon fingen die Soldaten an, den jungen Mann mit den Gewehrkolben zu schlagen, da gab der Feldwebel dem Vater seine Hand, und sagte zu ihm: „Alter papa, hier meine Hand, ihrem Sohne geschieht nichts, lassen Sie ihn mitgehen!" und so ging der Sohn trostvoll mit. Doch dieses war das leßtenal, daß der alte Vater seinen Sohn noch lebend sah. Durch vier Tage sah er durch die Gefälligkeit des Auditors in Heßendorf die Liste der Gefangenen durch, und fand ihn darin nicht verzeichnet, am fünften Tage erhielt Fischer die Nachricht nach Hegendorf, daß sein Sohn im Graben des Linienwalles unter den Todten, von drei Kugeln in die Brust getroffen, gefunden worden sey. Der Schmerz der ganzen Familie war unbeschreiblich!*)

Um ungefähr 4 Uhr Nachmittags, ebenfalls am 28., hatte eine andere Abtheilung Soldaten den Keller des Hauses untersucht, und daselbst einen Arbeiter, Namens Georg Monschorno, einen blöden Menschen, dem Fischer das Gnadenbrot gab, gefunden; man schleppte ihn in den Hof, brachte ihm eine be

*) Der zweite Sohn, Rudolph Fischer Edler von Röslerstamm, 28 Jahre alt, stand bei der k. k. Armee in Italien, war bei der Belagerung von Palmanuova, und bekam dann in den Lagunen Venedigs, wie viele Andere mit ihm, das Fieber, wurde nach Vicenza in's Spital gebracht, und starb daselbst im September 1848.

deutende Bajonnettwunde am Kopfe bei, und nahm ihm Uhr, Hals- und Sacktuch. Nachdem Fischer so mindestens fünfzehnmal Lebensgefahr ausgestanden hatte, erschien abermals eine Truppe Soldaten und forderten ihn auf, zu ihrem Hauptmanne auf den Wall zu gehen. Die Kinder des Hauses jedoch schrieen, umklammerten ihren Vater und wollten ihn nicht gehen lassen; da winkte ihm aber der Hauptmann und er ging. Dieser sagte ihm, daß eine Anzeige da sey, es wären im Fischer'schen Hause Waffen verborgen, und man müsse untersuchen. Es war der erste Offizier den Fischer sah; es war der edelmüthige und menschenfreundliche Hauptmann Carl Freiherr v. Odelga von Parma-Infanterie. Fischer versicherte diesem seine Unschuld und erzählte das Ausgestandenė. Inzwischen war das Haus untersucht und nichts gefunden worden. Der Hauptmann entließ ihn freundlich, und auf halbem Wege kamen ihm seine vier Töchter entgegen, fielen dem Vater um den Hals, weinten Freudenthränen und winkten dankend dem Hauptmann mit den Händen. Dieß ging dem Hauptmann zu Herzen und bald darauf erschien er selbst in dem Hause, in dem Augenblicke, als wieder einige Soldaten in dem Waarenmagazin alles durchwühlten und einer derselben dem Hausbesißer das Bajonett auf die Brust seßte, und Geld und die Uhr verlangte. Der Hauptmann zog seinen Säbel, schlug mit der Fläche desselben auf seine Leute, indem er ihnen sagte: „Ihr sollt nicht stehlen!" und jagte sie aus dem Hause. Er unterhielt sich einige Zeit mit die ser Familie, und da er fand, daß solche gutgesinnt sey, so rief er noch drei Soldaten, einen von Parma, einen von Latour, und einen Jäger, welchen er befahl, am Hausthore Wache zu halten, und keinen Soldaten mehr hereinzulassen. Sie waren aber nicht im Stande neue Eindringlinge abzuwehren, welche sich jedoch auf Zureden der Wachhabenden ruhig verhielten, und sich mit den Töchtern des Hauses unterhielten. Diese leßteren waren von der 6. Compagnie des Regimentes Latour, und ihr Benehmen war sehr lobenswerth. Es muß noch erwähnt werden, daß sich am Ende der Johannagasse eine hohe Barrikade befand, welche die Gasse nach seitswärts absperrte. Hinter dieser hatten sich Mobilgarden postirt, welche im Verlaufe des Nachmittags in kurzen Zwischenräumen einzelne Schüsse nach den Soldaten sendeten, welche in den oberen Häusern der Gasse aus und eingingen; allein die Kugeln kamen wegen der großen Entfernung matt herauf, und schadeten eben so wenig, als jene Kugeln, die von den Soldaten von den Hausthoren aus hinabgefeuert wurden. Nur ein junger Nationalgardist, Raimund RaiLänder, Sohn der Wittwe Elisabeth Railänder, welcher sorglos von unten herauf kam, um nach Hause zu gehen, wurde eben, als er in das Thor seines Hauses einlenkte, von der Kugel eines Soldaten getroffen, getödtet. Dieser war 19 Jahre alt und Zimmermaler. Derselbe befand sich bei der Hundsthurmer Linie, wo er als Nationalgardist Dienst that. Er war mit noch zehn anderen

Gardisten von dort weggegangen, um zu sehen, wie es in der Johannagasse zugehe. Diese jungen Leute hatten den Plan, eine Kanone in die Gasse führen zu lassen, und damit das Eindringen der Soldaten zu verhindern. Bei der Barrikafade die sich unten in der Gasse befand, wurden die jungen Leute davon abgemahnt und ihnen das Fruchtlose ihres Unternehmens und das hierdurch herbeizu führende Schlimme für die Gasse vorgestellt, vielmehr solle man suchen, das Schießen hinter der Barrikade einzustellen, und so das friedliche und ungehinderte Einmarschiren des Militärs veranlassen. Besagter Gardist wollte sich jedoch zuvor in dem Hause seiner Mutter orientiren, da traf ihn die Kugel, und so unterblieb auch das gefährliche Unternehmen mit der K:none, so wie sich dann auch die Mannschaft hinter der Barrikade, meistens Freiwillige, zurückzog. Es wurde aus keinem Fenster der Häuser der ganzen Gasse geschossen, wohl aber von der erwähnten Barrikade und aus einigen Thoren der unteren Häuser von Seite der Mobilen, denn alle Nationalgarden der Gasse waren heimgekehrt um ihre Familien womöglich zu beschüßen, jedoch ohne Waffen. Die Soldaten, welche nur ungefähr acht Häuser oben in der Gaffe in Besitz genommen hatten, feuerten theils aus den Hausthoren, theils aus den Höfen der Häuser auf Alles, was ihnen vorkam. Als es Abend wurde, kam Hauptmann v. Odelga in das Haus Fischers, und ersuchte dessen Töchter, ihm und seinem Oberlieutenant Kaffeh zu bereiten. Da man in der Küche vor dem Schießen durch die Fenster nicht sicher war, so wurde er ihm Keller bereitet. Er war noch nicht fertig, so kam der Hauptmann in aller Eile wieder, sagte den Kaffeh ab, indem er sogleich abgelöst werden würde, und bath Alle inständig sie möchten sogleich das Haus verlassen, einige warme Kleidungsstücke mitnehmen, und sich ihm anvertrauen, er wolle alle in das Lager zum Grafen Colloredo bringen lassen, der weiter sorgen würde, um nach einem Dorfe zu gelangen, wo sie ruhig die Ereignisse abwarten könnten. Er würde von einer Compagnie & a tour abgelöst werden, und wisse, daß der Hauptmann derselben kein Menschenfreund sey; auch wisse er, daß am folgenden Morgen, wegen Bruch der Capitulation, und weil sich die Hundsthurmer- und Mazleinsdorfer Linienthore nicht ergeben wollten, beide Gemeinden ernstlich bom bardirt werden würden. Er rieth zur größten Eile, und man sollte das Haus offen lassen, nicht zusperren; Fischer weigerte sich sein Haus zu verlassen, wenigstens wollte er erst wichtige Papiere und Dokumente vorsuchen und mit sich nehmen, oder der Hauptmann möge die Kinder in Sicherheit bringen und ihn feinem Schicksale überlassen. Aber der Hauptmann bath mit aufgehobenen Händen er solle seine Kinder nicht verlassen, sein Leben für sie erhalten, das jedenfalls hier gefährdet sey; er solle lieber auf Alles verzichten. Die Kinder bathen ebenfalls, der Hauptmann drängte, und so nahm jedes Familienglied Kleidungsstücke 2c. und sie traten Alle ihren Weg nach dem Walle an, Alles zurücklassend, was ihnen

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