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theilungen der Volkswehr, welche die Barrikaden vertheidigten, mit Jägern und Serezanern im Rücken anzugreifen. Das glänzende Resultat des Tages war daß F. M. L. Hartlieb noch vor dem Abend das Invalidenhaus, das Mauthgebäude, die Münze, das Thierspital, das Belvedere und den Schwarzenberg'schen Sommerpallast beseßen konnte. Hierdurch wurde der Division Ramberg das Vorrücken in der Leopoldstadt sehr erleichtert. Am hartnäckigsten wurde der Kampf in der Leopoldstadt, hauptsächlich aber in der Jägerzeile geführt, wo General Bem die Vertheidigung der Barrikaden leitete.

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Die Brigaden Grammont und Frank waren um 3 Uhr bereits so ermüdet, daß es nicht mehr recht vorwärts gehen wollte, was den F. M. L. Ramberg um so mehr besorgt machte, daß er nachdem er schon bis zum Carltheater vorgedrungen war die erlangien Vortheile wieder aufzugeben gezwungen werden könnte, als ihn der Feld-Marschall schon Tags vorher darauf vorbereitet hatte, daß er im Falle eines Angriffes der Ungarn, eine oder zwei Brigaden gegen selbe zu entsenden haben würde. Er ordnete nun einen legten allgemeinen Angriff an, der bei der glänzenden Tapferkeit der Truppen und ihrer Führer von dem vollkommendsten Erfolg gekrönt wurde, so daß Abends 7 Uhr, nach einem hartnäckigen achtstündigen Kampfe die ganze Jägerzeile bis an den Donaukanal erobert war und behauptet wurde. Vom Infanterie-Regimente Schönhals allein blieben bei dem Kampfe in der Jägerzeile todt, Hauptmann Ernst Spatny und Theodor Baron von Theobald; blessirt wurden Capitänlieutenant Heinrich Wiedemann, Bataillons-Adjutant Unterlieutenant Josef Heinold, Unterlieutenant Eduard Skala (schwer), und Unterlieutenant Ferdinand Magino. Von Seite der Garde haben bei diesen hartnäckigen Kampfe viele ihr Leben verloren.

Während die Brigaden Frank und Grammont die Jägerzeile Schritt vor Schritt eroberten, hatte G. M. Wyß die nördliche Seite der Leopoldstadt vom Augarten aus angegriffen, war ebenfalls bis an den Donaukanal vorgedrungen, und seßte sich Abends noch mit der Division Ramberg in Verbindung. Der ritterliche Banus wurde, als er in der Landstraße erschien, von den Frauen mit Blumen bekränzt. Die Aufgabe, welche sich der Feldmarschall für diesen Tag gesezt hatte, war somit erfüllt. Der gewiß seltene Fall, daß die Disposition zu einer kriegerischen Unternehmung von solcher Ausdehnung in allen ihren Theilen und in der gegebenen Zeit so genau vollzogen wurde, wie man es kaum bei einer Friedensübung hätte erwarten können, gibt für die Korrektheit der Disposition ein eben so gültiges Zeugniß, als damit die richtige Auffassung derselben von Seite der verschiedenen Commandanten, und der Muth, die Ausdauer und die Hingebung der Truppen in ein glänzendes Licht gestellt wird. Die vom k. k. Militär mit Shrapnels geladenen zwölfpfündigen Batterien und die mit angehängten

Granaten und Kartätschenbüchsen abgefeuerten Raketen bewährten sich an diesem Tage als ein sehr ausgiebiges Mittel zur Vertreibung der Vertheidiger von den Wällen und aus den Barrikaden. *)

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Abends wurde Oberlieutenant Weißenberger beauftragt, zu dem abzuhaltenden Kriegsrathe auch den Ver.heidigungsleiter, Johann Moser, des Wiedner Bezirkes, zum Ober-Commandanten Messenhauser abzuholen. Auf der Wieden, im Hauptquartier des Bezirkes (Theresianum) angelangt, fand derselbe den Bezirks-Chef, Theodor Hirn, mit einer starken Verlegung im Gesichte, (durch einen Sturz vom Pferde) und erkundigte sich nach dem Vertheidigungsleiter Moser. Doch dieser war nicht mehr aufzufinden. Die anwesenden Garden und Bewaffneten aber schrien fortwährend nach Moser. Ein Bewaffneter, mit dem Gewehrkolben immerfort auf den Fußboden stoßend, schrie: „Die Lumpen haben uns schändlich verrathen, verkauft; wo war ein Commando bei der Vertheidigung, wo waren Sie, Herr Bezirks-Chef?" Hirn, der krank und sehr ergriffen war, sagte mit einer Gelassenheit, wie man sie suchen müßte: „Sie wissen ja, daß ich krank bin, daß ich das Commando des Bezirkes dem Vertheidigungsleiter, Johann Moser, auf Anordnung Messenhausers übergeben habe." Wo ist Moser?" schrien Mehrere, „den müssen wir aufhängen, oder wenn Sie es nicht sagen wollen, hängen wir Sie auf." Mit Hülfe der Plaß- und anderen im Hauptquartiere anwesenden Offiziere und Garden, gelang es endlich, die immer größer werdende Rotte der Bewaffneten damit zu beschwichtigen und zu entfernen, daß gesagt wurde, Moser seh wahrscheinlich durch einen früheren Befehl zum OberCommando berufen worden, und dürfte dort zu finden seyn.

Bezirks-Chef Hirn schickte hierauf den Ordonnanz- Offizier Carl Wallner zu Messenhauser mit der mündlichen Anzeige, daß er als BezirksChef der Wieden von nun an als selbstständiger und alleiniger Commandant handeln werde, und als solcher durchaus keine Befehle mehr zur Wiedereröffnung der Feindseligkeiten anzunehmen gesonnen sey. Wallner fand den OberCommandanten nach längerem Suchen in Giacomozzi's Südfrüchten-Handlung, wo er ihm Hirn's Gesinnung berichtete. Messenhauser war Anfangs über das Gehörte aufgebracht; nach einigem Zögern jedoch sagte er: es läge natürlich in der Macht des Bezirks-Chefs, den Bezirk zu übergeben oder nicht!

In der Dämmerung bestieg Oberlieutenant Weißenberger den Thurm der Peterskirche, wo er, in der Gallerie umhergehend, ein Feuermeer sah. Es war zwar ein schöner, aber das Herz durchschneidender Anblick.

Ein Radikaler, und wie es schien, wüthender Barrikadenkämpfer, war

*) Vergl. Anonym. Die militärischen Operationen gegen Wien,

auch in der Gallerie, derselbe war empört über die Grausamkeit und Barbarei (wie er sich ausdrückte), die vom Fürsten Windisch gräß ausgeübt werde, und äußerte sich, daß es kaum denkbar sey, daß ein Mensch so grausam seyn kann. Weißenberger entschuldigte das Benehmen des Fürsten, allein je mehr er es that, um so wüthender wurde sein Zuhörer.

Nachts kam der Gemeinderath Anton Winter zu Messenhauser, bei dem gerade der größte Theil seines Generalstabes versammelt war, mit der Mission, daß zu Folge Beschlusses der Gemeinderaths -Permanenz, das Hauptzollamts-Gebäude, in welchem sich Waaren von ungeheurem Werthe befinden, nicht beschoffen, und der Gefahr eines Brandes ausgeseßt werden dürfe, und forderte den Ober-Commandanten dringend auf, hierwegen an die Garden alsogleich den Befehl zu erlassen, und die Schonung dieses Gebäudes auch bei dem F. M. 2. Hartlieb zu vermitteln. -Wie wüthend stürzten nun mehrere Generalstabs-Offiziere über Winter her, mit der Erklärung, daß nicht die Garden auf dieses Gebäude feuern, sondern daß die dort befindlichen Kroaten zuerst schießen, wodurch natürlich erstere herausgefordert, das Schießen erwidern. Winter ließ sich jedoch durch die ihm beigefügten Rohheiten nicht einschüchtern, und machte den Ober-Commandanten im Namen des Gemeinderathes für jede Beschädigung dieses Gebäudes verantwortlich.

Abends waren sämmtliche Vertheidigungsleiter und Commandanten beim Ober-Commando in der Stallburg versammelt. Messenhauser ergriff das Wort und sagte, daß nach dem, was heute vorgefallen, von einer weiteren Vertheidigung nicht mehr die Rede seyn könne; er segte die Unzulänglichkeit der Vertheidigungsmittel, namentlich den sehr fühlbaren Mangel an Munition aus einander. Es gäbe nur ein Mittel, aber dieses könnte man nur von einer gut organisirten und wohldisciplinirten Truppe erwarten, und dieses bestände darin, auf den Wällen und der Brustwehr Laufgräben zu machen, das Militär bis an die Thore kommen zu lassen, selbes, so zu sagen, Bresche schießen, ihre Schüsse beinahe gar nicht zu erwiedern, sondern sie nur mit wenigen wohlgezielten Schüssen zu begrüßen, sie auf diese Art in die Stadt zu locken, und in den Straßen einen wüthenden Kampf aufzunehmen. Dieses wäre die einzige Möglichkeit noch zu fiegen, aber mit einer Truppe, wie die unserige, gar nicht zu wagen. Er stimme also dafür, einen nochmaligen Versuch zu machen, den Fürsten durch eine Deputation in Verbindung des Gemeinderathes zu bewegen, doch halbwegs (wie er sich ausdrückte) menschliche Bedingungen zur Unterwerfung zu stellen. Der größte Theil der Anwesenden, mit Ausnahme der Mobilgarde-Commandanten, war mit diesem Vorschlage einverstanden; es trat jedoch einer von den Lestern hervor mit den Worten: „Ich rathe Ihnen, so etwas nicht zu thun, denn derjenige, welchen ich meinem Bataillon

bezeichne, oder den es sich selbst bezeichnet, wird ein Opfer werden." Messenhauser wies ihn mit einem Muthe und einer Energie zurück, welche ihm die Achtung aller Anwesenden erwarben.

Messenhausers Antrag wurde somit angenommen, und als Mitglieder der Deputation Schaumburg, Haug, Jelovicki und Naessel gewählt. Bei dieser Gelegenheit sagte Messenhauser Folgendes: „Ich muß gegen die Wahl Schaumburg's protestiren, da er die be kannte Adresse gegen den Reichstag angetragen. Einen Menschen, der solche Zweifel hegt, wie er, kann ich mit so einem Auftrage nicht betrauen." Doch die Anwesenden bestanden auf der Gültigkeit von Schaumburg's Wahl, und er wurde nur durch einen Zufall verhindert, an der Deputation Antheil zu nehmen.

Sehr gerne hätte sich Messenhauser dieser Deputation angeschlossen; er kämpfte lange mit sich, was er thun solle, und es scheint, nur der Reichstags-Ausschuß habe ihn von seinem schon gefaßten Beschlusse abgebracht.

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Ehe die Leopoldstadt eingenommen war, flüchteten sich die dortselbst wohnenden fremden Gesandschaften in die Stadt, darunter auch die türkische und württembergische. Zum Schuße der lezteren, welche am Judenplag im Esterhazy'schen Hause Nr. 343 ihr Quartier aufschlug und um Schuß ansuchte, begab sich in der Nacht der Plaz-Oberlieutenant Dunder auf die Hauptwache, führte persönlich einen Wachposten vor das Hotel und ließ einen Schußbrief ans Thor nageln, wodurch aller Gefahr vorgebeugt ward.

Nachts um 10 Uhr begab sich der Plag-Oberlieutenant Dunder, in Begleitung des Scharfschüßen Pachner, ebenfalls eines Leopoldstädters, auf die Rothenthurm-Bastei. Oben angelangt, waren sie Zeugen eines heftigen gegenseitigen Feuerns. Kurz darauf gelang es Dunder, solches einzustellen. Doch das dauerte nicht lange; denn bald sah Dunder, daß ein Frauenzimmer über die Schlagbrücke gegen die Stadt eilte, in welchem Momente von den auf den Basteien zahlreich postirten Mobilen auf dasselbe eine Decharge von beiläufig sechzig Schüssen abgefeuert wurde. Der Herzzerreißende Nuf desselben: „Jesus, Maria!" bewog den genannten Offizier, das Feuern einzustellen, was ihm jedoch nur mit der größten Mühe gelang. Er mußte mit mehr als gewöhnlichen Ausdrücken auf die, meistens betrunkenen, entmenschten Vertheidiger einwirken. Einzelne derselben erkannten seine Vorstellungen, sagten jedoch, es seyen keine Offiziere anwesend, die meisten der Arbeiter wären betrunken, die schwarzgelben Hunde in der Leopoldstadt müsse man aber vertilgen u. dgl. Dem Frauenzimmer geschah nichts. Während dem Dunder noch weiter zu den Mobilen sprach und das Feuer unterblieb, lief ein Pudel beim Mezel'schen Kaffeehause vorüber

und es erfolgte ein abermaliges Feuer aus mehr als sechzig Gewehren auf denselben. Zu gleicher Zeit bemerkte man in der durch die Feuerlohe der brennenden Gebäude bei der Franzenskettenbrücke erzeugten Beleuchtung eine Bewegung bei genannter Brücke. Auch dahin flog eine große Anzahl Kugeln — ungeachtet die Distanz mehr als 1000 Schritte beträgt. Dunder konnte sich nicht enthal ten, den Schüßen seine Verachtung über solch' besoffenes Treiben zu erkennen zu geben worauf das Schießen unterblieb, und er, entsegt über dies feuerliche, grause Schauspiel bei und in der Leopoldstadt, zum Ober-Commando zurückfehrte. Unterwegs erlebte derselbe noch das Abenteuer, daß ihn ein N.G.Offizier niederstechen wollte.

Um 11 Uhr begab sich Dunder, in Begleitung des Hauptmanns A. Schindler abermals auf die Rothenthurm-Bastei, das Feuern war abermals eröffnet, und nur mit der größten Mühe, ja mit Lebensgefahr, gelang es den beiden Offizieren, die blutdürftige Menge zu bereden, und das Feuer einzustellen.

Bis 12 Uhr Nachts waren in der Jägerzeile schon sämmtliche gegen die Donau und Rothenthurmthor-Bastei gelegenen Wohnungen mit polnischen Grena dieren beseßt. In einer an Wollers Kaffeehaus gränzenden Wohnung ereignete fich Folgendes: Es wurden acht bis zehn Mann von Mazzuchelli-Grenadieren von der Compagnie des Hauptmanns Kamptner, in ein Zimmer, welches gegen die Rothenthurmthor-Bastei liegt, commandirt; wovon jedoch kurz darauf drei Mann in eine andere Etage abberufen wurden. Der Eigenthümer dieser Wohnung hatte selbe aus dieser Veranlassung bereits ganz geleert, nur vergaß er seine goldene Cilinderuhr sammt Kette, welche in einem Uhrbehälter neben dem Bette stand, wegzuräumen, und als er nun auch diese zu sich nehmen wollte, war selbe schon von einem der abberufenen Grenadiere entwendet worden. Der Verlusttragende machte hievon sogleich die Anzeige dem Hauptmann; doch die Grenadiere marschirten ab, und wurden durch Fürstenwärther-Infanterie erseßt. Zur Ehre dieser Grenadier-Compagnie jedoch, welche diesen Schandfleck auf sich nicht belassen wollte, sey es gesagt, daß die braven Grenadiere bald darauf den Thäter ausfindig machten; denn als acht Tage später dieselbe Compagnie wieder in Wien in die Heumarktkaserne einrückte, war Hauptmann Kamptner so gefällig, die Uhr in die Wohnung des Betheiligten persönlich zu überbringen.

Nachts verließen angeblich die bei der kleinen Nußdorfer-Linie stationirten Legionäre ihre Posten, und flüchteten sich in das Kloster der P. P. Serviten in der Roffau. Später führte man die aufgestellten Kanonen nach der Stadt, und die wenigen Mobilgarden sollten nun diese Linie allein beseßt halten. Doch die Proletarier der Rossau, meist der gemäßigteren Partei angehörig, wurden dadurch entmuthigt, und beschlossen die Waffen nieder zu legen. In Folge dessen wurde

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