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Nachmittags, während des Kampfes in den Vorstädten, wurde aus dem Hause der Dominikaner auf die auf der Bastei aufgestellten Garden geschossen. Ein wilder Volkshaufe drang sogleich in dieses Gebäude, ergriff den t. t. Beamten, Anton Staffer, den er als Thâter bezeichnete, und wollte ihn unter furchtbaren Drohungen ins Stadt-Convict-Gebäude bringen, wo mehrere Gefan gene untergebracht waren. Allein am Universitätsplaße wurde er durch Kolbenstöße derart mishandelt, daß er, aus mehreren klaffenden Kopfwunden blutend, in das Aushilfs - Spital in einem Flügel des Stadt-Convictes gebracht werden mußte. Nachdem dieser Beamte unter Betheuerung seiner Schuld losigkeit verbunden war, drang ein Offizier der academischen Legion mit gezücktem Schwerte, und acht Garden mit gefälltem Bajonete wuthentbrannt und mit fürchterlichem Geschrei ins Krankenzimmer, um blutige Nache an dem bezeichneten Beamten zu nehmen, und an ihm ein warnendes Beispiel zu statuiren. Hier war es, wo der im Spitale angestellte Chirurg, Moriz Auspiß, mit Todesverachtung sich den Wüthenden entgegenstellte, sie versichernd, nur über seine Leiche führe der Weg zu den Verwundeten, in das Spital dürfe kein Bewaffneter eindringen, viel weniger die Lynch-Justiz ausgeübt werden. Nach mehrere Minuten langem Widerstande entfernten sich endlich die Eindringlinge. Zwei Stunden später wurde Staffer von Seite des Studenten-Comites als vollkommen schuldlos erkannt und erklärt, und konnte mit Erlaubniß — desselben in seine Behausung gebracht werden.

Um 4 Uhr Nachmittag saß der Nationalgarde - Artillerie-Feuerwerker Ludwig Ružiczka mit einem Juristen im Gasthause zum Winter," als gerade zwei Reichstags-Deputirte, die Herren Haimerl und Wojtech vom Volk zum Waffendienst gepreßt wurden, ungeachtet sie die Medaillen der Reichstagsabgeordneten an sich trugen; sie flüchteten sich in das Haus zum „Winter“, wo sie wohnten, und das Volk, angeführt von einem Nationalgarde - Adjutanten, stürmte nach. Nur mit Mühe gelang es dem genannten Ružiczka, diese beiden Abgeordneten zu retten, welche entrüstet waren, daß man sie der Feigheit beschuldigte, da sie doch keine Geflüchteten seyen. Hiernach wurde die Ausfertigung der Sicherheits-Karten für die Abgeordneten veranlaßt.

Solche wurden bedroht niedergeschoßen zu werden, und erst als Ružiczka ihnen eine Sicherheits-Karte gebracht hatte, gingen sie in den Reichstag.

Zu dieser Zeit wurde Oberlieutenant Weißenberger vom ad latus Schaumburg mit einer dringenden Depesche an Messenhauser geschickt, mit der Weisung, daß derselbe auf der Rothenthurm-Bastei zu treffen sey. Daselbst angelangt, sah Weißenberger, wie die zur Vertheidigung der Leopoldstadt bestimmten Garden laufend und mit wildem Geschrei gegen die Stadt retirirten. Das immerwährende sich auf die Erde werfen und auf dem Bauch fort

kriechen der Garden, war höchst tragi-komisch. Messenhauser war daselbst nicht zu finden; Weißenberger eilte in das Gasthaus zur Stadt Frankfurt", fand ihn jedoch auch hier nicht. An einem Tische in diesem Gasthofe saßen acht Magyaren, unterhielten sich in magyarischer Sprache auf die empörendste Art, machten Lärm, lachten, brachten Toaste aus, und kümmerten sich wenig um den Donner der Kanonen. Weißenberger war empört über diese Ba chanten und sagte zu einem Anwesenden: „Dieß sind die Lumpen, die uns die Suppe eingebrockt haben; könnten nur Alle, welche sich von ihnen bethören und bestechen ließen, sie jezt sehen." Weißenberger war gefaßt, von den Ungaren zur Rede gestellt zu werden; allein nicht eine Stimme erhob sich, jeder that, als hätte er ihn nicht verstanden; er verließ unangefochten das Gasthaus und sah Messenhauser nicht vor dem Abend.

Gegen Abend, als gar Viele aus der Volkswehr in den Vorstädten ihre Waffen niederlegten, (so sollen im Lichtenthal in den Gassen tausende von Geweh ren an den Mauern der Häuser angelehnt gefunden worden seyn), bemächtigten sich viele Frauen derselben und riefen: Schämet Euch, Ihr feigen Männer, sehet, wir übernehmen Eure Stelle!" Sie theilten sich darauf in Compagnien, wählten Anführerinnen aus ihrer Mitte, oder stellten sich unter das Commando eines Mobilen, durchzogen noch denselben Abend die Gassen der Stadt, und beseßten einzelne Posten. Des anderen Tages waren sie bereits vollkommen organisirt, nur hie und da sah man unter einer Abtheilung Mobilgarden eine einzelne Amazone mitziehen. Bis zum 31. war die Anzahl der Amazonen auf mehrere Hundert angewachsen, und schon waren Viele, außerdem daß sie sämmtlich mit Gewehren bewaffnet waren, auch noch mit Pistolen versehen. Einige trugen auf dem Kopfe Calabreser von gefallenen oder verwundeten Studenten.

Nach dem Verluste der Jägerzeile wurde der ganze übrige Theil der Leopoldstadt von den Vertheidigern geräumt. Die, welche aus den Häusern geschofsen, fanden den Rückzug in die Fuhrmannsgasse noch frei, und konnten sich ohne weiteren Verlust nach der Stadt zurückziehen. Die große Barrikade am Ausgange der Stadtgutgasse gegen den Prater, welche von Technikern und Studenten lange mit Erfolg vertheidigt wurde, ward nun gleichfalls aufgegeben. Von 4 Uhr an hatte man bereits viele bewaffnete Schaaren, welche weniger standhaften Muth zeigten, als die Vertheidiger der Jägerzeile, über die Ferdinandsbrücke nach der Stadt fliehen gesehen. Von 5. Uhr an wurde dieser Rückzug allgemein und eine große Anzahl Gewehre flog ins Wasser hinab.

In dem weiten Halbkreise zwischen der Nußdorfer und St. Marxer-Linie wurde der Kampf zwar großentheils nur mit grobem Geschüß geführt; doch näherten sich die Truppen dem Linienwall auch von der Südseite und drangen bis zur Mazleinsdorfer-Linie an verschiedenen Punkten in die Vorstädte ein. Bei

ihrer Annäherung verließen die Vertheidiger den Wall. Der Gloggnißer Bahnhof, das Belvedere, und ein Theil der äußersten Barrikaden wurden von den Truppen genommen. Die Hauptbarrikaden aber vertheidigten sich dort mit Erfolg, und die Angreifer begnügten sich mit einer Beseßung der wichtigsten Punkte zwi, schen der Belvedere- und Maßleinsdorfer Linie. Die Erstürmung des Gloggniger Bahnhofes kostete viel Blut. Sämmtliche Vertheidiger, meistens Studenten und Proletarier, sollen abgeschnitten und theils getödtet, theils gefangen worden seyn. Den Bahnhof erstürmten und beseßten zwei Compagnien Gränztruppen und eine Batterie Raketen der Division des F. M. 2. v. Hartlieb. Am schwächsten war das Geschüßfeuer gegen die Nußdorfer und Währinger-Linie und an der Nord-und Westseite der Leopoldstadt, wo nur wenig Pulverrauch gesehen wurde. Gegen die Mariahilfer-Linie wurde zwar kein ernstlicher Angriff versucht, aber die auf einer erhöhten Position gegenüberstehenden Batterien donnerten auf diese Vorstadt mehrere Stunden lang ein verheerendes Feuer herab, welches bedeutende Verwüstungen anrichtete und viele Häuser in Brand steckte. Bom St. Stephansthurme wurden um 7 Uhr Abends an 26 Punkten Feuersbrünste signalisirt, von welchen der Brand in der Franzensbrückengasse den größten Umfang hatte. Von nahmhaften Gebäuden sind das Odeon, das Universum, der Gasometer und ein Theil des Gloggnißer Bahnhofes in Flammen aufgegangen. Das Belvedere war vom Feuer nicht bedroht, denn G. M. von Karger hatte dieses, die Linie und das Schwarzenbergische Palais schon um 6, Uhr in seinen Händen. Von dominirenden Punkten herabgesehen, zeigte das kriegerische Schauspiel dieses Tages in und um Wien ein über alle Beschreibung furchtbarprächtiges Bild. Wären es nicht Scenen von einem Bürgerkrieg der traurigsten Art gewesen, wir hätten sie dem Pinsel eines genialen Schlachtenmalers empfeh len mögen. Ueber der Jägerzeile sahen wir manchmal den Pulverdampf in so dicken Wolken schweben, daß selbst mit dem Fernrohr Einzelnheiten nicht beobachtet werden konnten. Das dumpfe Getöne der Sturmglocken, deren eherne Stimme von den Thürmen der Stadt und Vorstädte ohne Aufhören zum Kampfe riefen, das Wirbeln vieler Trommeln, einzelne Trompetenstöße und von Zeit zu Zeit das Geschrei der Streitenden oder Fliehenden in den Gassen. — All' das trug nicht wenig dazu bei, die Spannung und Aufregung auch derer, welche keinen thätigen Antheil am Kampfe nahmen, zu erhöhen. Zu diesem großartigen Kriegsgemälde, den Kampfscenen, dem Getümmel in hundert Gassen, denke man sich noch den Anblick der 26 Feuersbrünste, von welchen mehrere eine be deutende Ausdehnung hatten, und deren lleberschau gegen Abend einen Eindruck von schauerlichster Wirkung machte. Die Helle dieser Brände beleuchtete bis in die tiefe Nacht hinein all' die grauenhaften Details der Kampfschaupläge und Verwüstungen, und ihr Refler färbte Wolken und Donaustrom mit einer Röthe,

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deren Tinten an manchen Stellen wechselten, vom düstern Gelbroth übergehend in die dunkelrothe Farbe des Purpurs und Blutes.

Die Vorstadt Landstraße und alle Vorstadttheile vom Donaukanal bis zur Heugasse auf der Wieden wurden ganz allein von der Division des F. M. L. v. Hartlieb genommen, und bei dieser befanden sich außer Gränztruppen nur ein Bataillon italienischer Grenadiere und eine Division Jäger. Diesem eben so tapferen, als klugen und ruhigen Commandanten verdankte an diesem Punkte der Kaiser und die österr. Staatenunion den Sieg. Ein jüngerer Hartlieb zeichnete sich am heutigen Tage aus — und der Schwiegersohn des Generals fiel als Held in der Praterstraße.

6 Uhr Abends. In der Jägerzeile entstand ein schreckliches Geschrei. Die Soldaten kamen, wie bereits erwähnt, aus der Czerningasse in den Rücken der Vertheidiger. Das Geschrei ließ nach, man hörte nur einzelne Schüsse. Die Barrikade bei der Johanneskirche war genommen, die Vertheidiger geflohen. Die Truppen säuberten Gassen und Fenster. Vor dem Pfarrhofe stand eine Abtheilung von Nassau Infanterie; auf diesem Gebäude flatterte die gelbe Spitalsfahne. Der Commandant dieser Abtheilung verlangte eine Bahre für einen verwundeten Lieutenant, welche auch beigestellt wurde. Plößlich kam der General Frank, for derte Rechenschaft wegen vermeintlich in der Kirche aufgestellt gewesenen Kanonen, und nahm den Pfarr-Provisor M. Terklau und den Cooperator Pawlik als Geißeln für die Versicherung, daß solche weder darin sind, noch darin waren. Nach der vorgenommenen Untersuchung der Kirche, wobei sich der religiöse Sinn der Soldaten und ihrer Führer auf eine erhebende Weise kand gab, wurden die beiden Geißeln wieder in Freiheit gesezt und bewirtheten dann das Militär mit Wein. Aber plößlich wurde ein Kanonier vorbeigeführt der ganz zusammenge krümmt über Vergiftung klagte. Keiner der neu hinzu gekommenen Offiziere wollte trinken, bevor nicht die Geistlichen zuerst getrunken. Grenadiere kamen in den Pfarrhof mit Krügen um Wein zu holen; doch im Pfarrhofe befand sich nur mehr Ein Eimer. Die Wirthe ringsumher hatten schon den ganzen Tag nichts mehr. Dieser lezte Eimer wurde Preis gegeben. Die von den Bränden der großen Häuser in der Franzensallee und an den beiden Praterecken herabstürzenden Ballen verursachten ein dem Kanonendonner ähnliches Getöse. Die Offiziere vermeinten eine Kanonade im Rücken, doch alsobald klärte sich's auf.

Die Pfarrgeistlichkeit ging, um die auf der Eisenbahn liegenden Soldaten mit den Sterbsacramenten zu versehen, unter Begleitung von Grenadieren dahin. Die Soldaten, und vornehmlich die Kroaten streckten sich die Reihen entlang auf ihre Knie hin. General Frank kam wieder zur Kirche und erquickte sich ruhend auf der steinernen Stiege vor der Kirche.

Es kam die Nachricht, daß aus dem Odeon geschossen werde; und wirklich

hat der Pfarr-Verweser M. Terklau eine Frau mit den Sterb-Sacramenten versehen, die aus dem Odeon einen Schuß in's Knie bekam. Da commandirte der General Frank eine Compagnie Grenadiere, die das Odeon mit Sturm einnahmen, und 300 Bündel Stroh vom Lager, das die Mobilgarden darin hatten, auf den Dachboden zusammentrugen und es anzündeten.

Es muß zur Steuer der Wahrheit bemerkt werden, daß in der Leopoldstadt die muthigsten Streiter im Kampfe standen. Der größte Theil der Wiener, Grazer, Brünner und Salzburger Studenten, mit Abtheilungen des mobilen und demokratischen Corps kämpften hier mit einer Todesverachtung, die am geseßlichen Boden des größten Ruhmes würdig wäre.

Es kamen Mobile und Garden in das Leopoldstädter Gemeindehaus und wollten die Fenster desselben beseßen, um aus denselben auf die im Anrücken begriffenen kais. Truppen zu feuern; zwei Garden wollten Pechkränze, um das Gasthaus zum Elefanten in Brand legen zu können, weil in demselben kais. Truppen sich befanden. Der Gerichtsschreiber J. Ley, und W. Woller, Lieutenant der 3. Compagnie und bürglicher Kaffehsieder, boten Alles auf dieses zu verhindern, beschwichtigten die Leute nicht ohne Gefahr, welche sich mit der Drohung entfernten, die Häuser längs dem Donaukanal in gleicher Absicht zu beseßen. Die Leopoldstädter Garden waren auf den verschiedenen Wachposten bereits fünf Tage und Nächte unausgesezt im Dienste.

Um halb 6 Uhr Abends fingen die verschiedenen Garden an sich einzeln zurückzuziehen; im Gemeindehause waren der Gerichtsschreiber J. Lev, W. Woller, Lieutenant der 3. Compagnie, und Franz, Lieutenant der 11. Compagnie versammelt, und theils bemüht von den rückkehrenden Garden die Waffen zu sammeln oder dieselben zur Ablegung aufzufordern. Woller wäre bei dieser Gelegenheit durch einen Mobilen beinahe um das Leben gekommen; die Leopoldstädter Garden sammelten sich nach Ablegung der Waffen im Gemeindehause, die Mobilen aber zogen sich theils durch die Schiff- und Ankergasse über die Kettenbrücke gegen die Stadt zurück. Diesen auf dem Fuße folgte das Militär, und auf dem Karmeliter-Plage vor dem Gemeindehause stand bereits eine Compagnie unter Commando des Hauptmann Rossig von Schönhals Infanterie, welche die Garden, die Waffen ablegen wollten, ruhig in das Gemeindehaus gehen ließen. Ley und Boller mit weißen Tüchern winkend, gingen mit einer schnell im provifirten weißen Fahne auf den die Avantgarde commandirenden Hauptmann Rossig zu, und übergaben das Gemeindehaus, woselbst dieser Hauptmann mit diesen beiden die Fahne beim Gemeindehause aussteckten. Nachher verfügte sich Woller unter Militär-Begleitung zum F. M. L. Ramberg und eröffnete ihm, daß 1200 L 1ib Brot und 15 Eimer Wein im Gemeindehause noch erliegen,

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