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fern wurde auf die Stürmenden geschossen, was zur Folge hatte, daß die Kroaten, welche auf dieser Seite großentheils zum Angriffe verwendet wurden, in die Häuser eindrangen, wobei arge Excesse vorgefallen sind. Die vom Feuer der f. Artillerie nicht demontirten Geschüße wurden von den Linienwällen abgeführt, zur Vertheidigung der Straßen, Pläge und Barrikaden und endlich auf die Stadtwälle geschafft.

Um 1 Uhr Nachmittag kam eine Truppe von Mobilen unter Anführung eines Offiziers zur k. k. Josefs - Akademie, und wollte mit Gewalt Einlaß in dasselbe, unter Angabe, als seyen Waffen und Militär-Offiziere in derselben versteckt; der Bezirks-Adjutant der Alservorstadt, Röthler, welcher davon Nachricht erhielt, eilte dahin, und bot durch seine Beredsamkeit Alles auf, diese Leute vom Eindringen in dieses öffentliche Gebäude abzuhalten, welches einen Kunstschap in sich schließt, wovon Europa keinen zweiten aufzuweisen hat.

Nur mit außerordentlicher Mühe, und unter den gefahrdrohendsten Demonstrationen gelang es ihm, diese Rotte abzuwehren.

2 Uhr Nachmittag. In der Praterstraße. An der Barrikade in der Sackgasse, neben dem Hause „der Lilienbrunn“ in der Sterngaffe wurde furchtbar gekämpft. Da fielen gewiß 5000 Schüsse. Steyerische Schüßen brachten einen von ihnen als verwundet in das Spital; eine junge Weibsperson, mit einer Pistole bewaffnet, der Sprache nach eine Polin, kam auch mit diesen Männern, und wollte in das Spital hinauf gehen; da man sie aber mit der Waffe nicht passiren ließ, gab fle dieselbe einem Geistlichen, dem sie aber fast einen Eid abverlangte, daß er sie ihr wieder gebe. Ein bei den Stußen zurückgebliebener Schüße sagte: „Dieses Weibsbild kämpfte mit Löwenmuth. Sie hat aus dem Lilienbrunnhause an zwanzig Schüsse gemacht, und da wir fort mußten, sprang sie mit uns aus dem 1. Stocke."

2 Uhr Nachmittag. In der Praterstraße wurde an der Kirchen-Barrikade gekämpft; doch bald hörte man, daß das Militär schon die ersten Häuser vom Prater aufwärts besegt habe. In der Pfarrhofgasse wurden mindestens achtzig Verwundete theils durchgetragen, theils im Spital abgefeßt. Eine beinahe gleiche Anzahl in der Sterngasse. Ein Mobilgarde lief bis zur Pfarrthüre in die Gasse von der Praterstraße herein; mit einer Kugel durch die Brust, stürzte er zusam men; er wurde, noch etwas lebend -- zu den Todten getragen; ein Priester gab ihm schnell noch die letzte Dehlung. Ein Student, dem Aussehen nach aus einem guten Hause, ward von zwei seiner Kameraden in's Spital gebracht, mit noch hellblickendem Auge, er war von einer Kugel durch's Herz getroffen.

In der Stadt und in den Vorstädten schwiegen seit 11 Uhr die Sturmglocken und Allarmtrommeln feine Minute. In allen Vorstädten sah man die Vertheidiger zu den Barrikaden eilen. Die angreifenden Truppen hatten den Vortheil, ihre Streitkräfte an einem beliebigen Punkte konzentriren zu können, ohne zugleich ernste Ausfälle der Belagerten fürchten zu dürfen, denn dazu reich

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ten die Streitkräfte der Wiener, welche doppelte Linien von einigen deutschen Meilen im Umfang beseßt halten mußten, nicht aus. Gegen 2 Uhr war der größte Theil der Landstraße von den Truppen genommen.

Um dieselbe Zeit begann der heißeste Kampf in der Leopoldstadt. Die soges nannte Sternbarrikade*), welche aus einer doppelten steinernen Brüstung bestand, von welchen die vorderste in der Form eines Halbkreises den Zugang vom Plage des Pratersterns in die Jägerzeile vertheidigte, war um 11' Uhr von den Ver theidigern ohne Kampf geräumt worden. Somit nüßte diese wichtige Barrikade nur den Belagerern, welche ihre Geschüße hinter dem Steinwalle vortheilhaft aufpflanzen und ihre Artilleristen decken konnten. Wäre an dieser Stelle keine Barrikade gestanden, so hätten die Truppen ihren Angriff gegen die Jägerzeile vom offenen Plag des Pratersterns beginnen müssen und wären dem verderblichen Feuer aus den Häusern der Jägerzeile und der Batterie hinter der großen Barrikade, die nahe an der rothen Sterngasse die ganze Jägerzeile sperrte, schußlos blosgestellt gewesen. Das Preisgeben der Sternbarrikade, ohne sie zuvor zu zerstören, halten wir für den größten Fehler, welchen die Vertheidiger an die sem entscheidenden Tage begangen. Erst um 2', Uhr bewegten sich die Bärenmüßen der Grenadiere vorwärts und schienen jezt mit Verwunderung zu bemerken, daß die starke doppelte Steinmauer verlassen war. Eine Batterie rückte im Galopp gegen die Barrikade an, die Kanoniere stellten ihre Stücke hinter den Schießlöchern auf und eröffneten ein heftiges Feuer, welches zwei volle Stunden ohne Unterbrechung fortdauerte. Es wurde hier meist mit Granaten und Kartätschen geschossen. Das Feuer war gegen die große Barrikade gerichtet, welche auf dieser Seite den Angreifern das leßte Hinderniß entgegenstellte. Das Anrücken der Grenadiere wurde aus den fünf Kanonen bei der Johanneskirche furchtbar begrüßt. Bem commandirte. Aus den Häusern, die außerhalb der Barrikade standen, wurde fortwährend gefeuert, von den innerhalb derselben Stehenden auf die Steinwände, der Kampf wurde auf der Straße und von den gegenüberstehenden Stockwerken fortgeführt, fort und fort donnerten die Geschüße, knats terten die Gewehre, dazu das Prassseln der Flammen, das Krachen der stürzenden Ballen und Mauern der Häuser, das Geschrei der Kämpfenden, das Geheul der Verwundeten und Sterbenden - es war furchtbar! Die Kugeln bestrichen die Praterstraße der ganzen Länge nach. Der hartnäckigen Tapferkeit, die hier die Vertheidiger zeigten, zollen alle Augenzeugen die gerechte Anerkennung. Hinter der Barrikade standen gegen hundert Mann, gemischt aus Neberläufern, Nationalgardisten und Proletariern. In den Häusern der Jägerzeile war ein großer Theil des Freicorps postirt, welche von Zeit zu Zeit aus den Fenstern schossen.

Solde hatte keineswegs die Form eines Sterns, wie ein auswärtiger Geschichtemacher erzählt, befand sich vielmehr vor jenem Punkte, von welchem sieben Straßen auslayfen und einen Stern bilden.

Die Munition wurde hier von den Vertheidigern ziemlich gespart bis zum Augenblick, wo die Stürmenden an der rechten Seite der Straße durch die Bies gung der Häuserlinie einigermaßen geschüßt vorzurücken versuchten. Alle Versuche, die Barrikade in der Fronte anzugreifen, mißlangen. In den Nebenstraßen wüthete inzwischen der Kampf mit größter Heftigkeit. Die Barrikaden an den Eingängen der Fuhrmanns- und Stadtgutgasse wurden gleichfalls von der Seite der Allee mit Granaten und Kartätschen bestrichen.

Während in der Praterstraße der Kampf mit gleicher Tapferkeit ohne Entscheidung fortwüthete, war das Schicksal der Landstraße bereits entschieden. Die Erdberger Linie konnte den Stürmenden nur geringen Widerstand entgegenseßen, weil auf jener Seite der schüßende Wall und Graben fehlt; zwischen der Feldgasse und dem Donaukanal wehren nur die schwachen, hölzernen Zäune der Gärten, die gegen Kugeln nicht schüßen, den Zugang zur Vorstadt. Dort scheinen die Truppen am Ufer des Donaukanals in die Landstraße noch etwas früher eingedrungen zu seyn, als durch das Thor der St. Marrer-Linie. Die Vertheidiger hatten versäumt, diesen völlig wehrlosen Punkt mit starken doppelten Barrikaden zu schüßen, während dieselben anderwärts, wo sie weniger nothwendig waren, in Ueberfluß errichtet worden. Wäre die Hauptstraße der Vorstadt auch hundertmal kräftiger vertheidigt worden, als es geschah, so hätte sie doch nicht Lange widerstehen können. Denn das dem Donaukanal entlang vorrückende GränzBataillon, und eine Gränz-Batterie konnten mit Leichtigkeit alle starken Positionen ihrer Gegner umgehen, und mittelst einer Bewegung durch die Seitengassen die Barrikaden der Hauptstraße im Rücken fassen. Außer den Gränzern war auch anderes Militär in jener Haupt-Sturm - Colonne, die sich, ihren Commandanten an der Spiße, durch die Landstraßer Hauptstraße den Weg bis zu dem Glacis bahnte.

Um 3 Uhr stand der FML. v Hartlieb vor dem Invalidenpalais. - Wie hartnäckig und verzweifelt der Kampf besonders gegen die St. Marxer-Linie gewesen, mag der bedeutende Veríust an mobilen Garden und Arbeitern, der bei einer Besagnng von ungefähr zweihundert Mann, achtzig betragen haben soll, beweisen.

Kroaten bildeten den Vortrab der Colonne, deren Spiße, durch die Hauptstraße ziehend, um dieselbe Stunde zuerst am Rande des Glacis erschien. Ein Bataillon Gränztruppen marschirte zum neuen Zollgebäude und zwei Compagnien standen hinter demselben, als Geschüße- und Mörserbedeckung. Das Feuern aus der Stadt vom Stubenthore und der Biberbastei aus Kanonen und Kammerbüch sen hat nur in sehr geringem Maße stattgefunden, jedoch ohne allen Erfolg, schwieg nach einigen gut angebrachten Schüssen der Batterie des Oberlieutenants Klee. An Cavallerie befand sich zu der Zeit nur eine halbe Schwadron als Geschüßbedeckung auf der Landstraße.

Nach dem Verlust jener wichtigen Position am rechten Ufer des Donaula

nals hielt sich die Leopoldstadt noch eine volle Stunde, obwohl dieselbe in der östlichen Flanke blokgestellt war. Die Nothbrücke war bereits zwei Tage zuvor abgebrannt, die Franzensbrücke stand noch unversehrt, troß dem verheerenden Feuer in der nächsten Nachbarschaft. leber leßtere Brücke sind die Stürmenden zuerst in das Innere der Leopoldstadt eingedrungen; die dortige Barrikade wurde nach geringem Widerstande geräumt. In der Jägerzeile dagegen, tobte der wü thende Straßenkampf um 5 Uhr fort. Dort floß das meiste Blut. Die ungemein solid gebaute, große Barrikade, auf welcher eine deutsche und eine ungarische Fahne flatterten, hielt sich verzweifelt ungeachtet des fürchterlichsten Kartätschen-Feuers und der Granaten, die hinter ihr in Menge auf dem Straßenpflaster plagten. Der polnische General Bem befand sich, von einem Dußend polnischer Uhlanen begleitet, in der Nähe. Außer dem demokratischen Freicorps fämpfte dort auch ein Theil der Freischaaren von Graz, Brünn und Linz. Der Anführer der Leßtern wurde durch eine Kugel niedergeschmettert. Endlich wurde diese starke Barrikade, die dritthalb Stunden einem verheerenden Geschüßfeuer getrost, von der Seite der Czerningasse umgangen und von den Truppen im Rücken angegriffen. Ein Theil der Soldaten war durch die Seitengassen in die Häuser eingedrungen, und feuerte auf die Vertheidiger, die aus den gegenüberstehenden Fenstern schossen. Aus allen Oeffnungen der Häuser sprühete nun ein fürch terliches Rottenfeuer, das aber nur ganz kurze Zeit dauerte, denn Häuser und Barrikaden wurden bald von den Vertheidigern in Masse verlassen. Mehrere Kanonen fielen in die Hände der Truppen. Unter allen kriegerischen Szenen dieses Tages bildet das blutige Gefecht in der Jägerzeile bei weitem die denkwürdigste Episode. Mancher heiße Kopf, manches begeisterte Herz verhauchte dort auf dem Granitpflaster den lezten Seufzer. Es waren junge Männer darunter, ehrliche Enthusiasten, welche in dem Glauben, daß ihr Kampf einer gerechten und heiligen Sache gelte, wie Helden fochten. Ihnen, welchen die aufregenden Ereignisse dieses Jahres die Sinne berauscht, ihnen, welche in einem schönen Wahne den Tod gefunden, wollen wir gerne eine Thräne des aufrichtigsten Mitgefühls weihen. Daß dieses glühende Blut nicht für eine reinere Sache, nicht zur Vertheidigung des Vaterlandes und der Freiheit gegen auswärtige Feinde, sondern im traurig sten Bürgerkriege fließen mußte, das beklagen wir tief! Auch jene Gefallenen, welche von Ursache und Ziel der October-Revolution gar keinen klaren Begriff hatten und doch im Kugelregen muthig Stand hielten, fie bilden gewiß die große Mehrzahl der Vertheidiger - werden wir immer bedauern. Von den Wortführern der Clubbs und der Gassenblätter, welche eine alte erprobte Armee mit Deklamationen und Zeitungsphrasen so leicht vernichten zu können glaubten, ward uns nicht Einer genannt, der in der Jägerzeile oder anderwärts die Märtyrerkrone gesucht, oder auch nur ein Tröpfchen Blut versprißt hätte.

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Nachmittags traf Anton Hofmann, Garde der 5. Compagnie, VII. Bezirks, auf der Favoritenstraße in der Nähe der Mittelgasse mehrere Menschen versammelt, welche sehr aufgeregt, unter einander debattirten. Dadurch zogen sie die Aufmerksamkeit der zufällig vorübergehenden, oder an den nächstgelegenen Barrikaden postirt gewesenen Bewaffneten auf sich, welche sodann sich ihnen zugesellten. Ein schon ziemlich bejahrter Mann stand in der Mitte der Versammlung und eiferte sie an, Rache zu nehmen an der Militär-Polizei-Mannschaft, weil sie aus der in der Mittelgasse befindlichen Caserne auf vorübergehende Garden schieße, und auch schon mehrere derselben verwundet habe. Die Versammlung schenkte dem Erzähler unbedingten Glauben, und es wurde unter den wűthendsten Ausbrüchen beschlossen, die Mannschaft, welche sich in der genannten Caserne befinde, ohne Barmherzigkeit nieder zu machen. Schon wollten sie sich in die Caserne begeben, um den gefaßten Beschluß auszuführen, da trat Hofmann den Wüthendsten aus der Versammlung mit Entschiedenheit entgegen, um sie von ihrem Vorhaben abzubringen. Er sagte ihnen, daß die von dem alten Manne vorgebrachten Beschuldigungen unmöglich wahr seyn können, indem es bekannt ist, daß die Polizei-Mannschaft vor mehreren Tagen entwaffnet worden, daher auch nicht auf Garden schießen könne. Schwer konnte sich der Redner Gehör verschaffen, und wäre nicht Insulten entgangen, wenn er nicht das Abzeichen der Verwaltungsraths-Permanenz umgehängt gehabt hätte, welches die Wüthenden doch zu einiger Rücksicht veranlaßt zu haben schien. Diesen Umstand benügte er auch, und berief sich auf seine Stellung als Verwaltungsrath mit dem besten Erfolge. Hofmann machte dem Volke den Antrag, daß sie mit ihm in die Caserne gehen möchten, um sich zu überzeugen, ob dort Waffen vorhanden seyen oder nicht. Dieser Antrag wurde angenommen, und die ganze Gruppe trat den Weg zur Caserne an. In der Nähe der Feldgasse angelangt, hieß es auf einmal: Eine Musketenkugel!" und wirklich sahen alle dieselbe auf dem Wege hinrollen. Kaum gelang es ihm die wieder mehr aufgeregte Versammlung für seine Behauptung, daß nämlich die Kugel vom Linienwalle durch die Feldgasse hierher gelangte, zu stimmen, als wieder eine Kugel von derselben Gegend an ein Haus anflog, und somit die frühere Behauptung Hof mann's sich bestätigte. — Hierauf verstummte die Aufregung, die Leute kamen zur Erkenntniß, und mehrere von ihnen dankten ihm mit Rührung, daß er sie von ihrem furchtbaren Vorhaben abgehalten habe.

Kaum vergingen einige Augenblicke, so bemeisterte sich der Versammlung abermals eine Aufregung, welche jedoch dem alten Manne galt, welcher sie — Rache zu nehmen beschworen, und zu einem so furchtbaren Unternehmen angeeifert. Alles eilte auf den früheren Plaß in der Favoritenstraße in der Meinung, dort noch immer den alten Mann zu finden; allein dieser war glücklicherweise nicht mehr gegenwärtig, und das Volk ging drohend und fluchend auseinander.

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