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Auf die weitere Bemerkung, wie es denn möglich ist, daß noch ein einziger gutgefinnter Bürger in Wien verbleiben kann, äußerte sich ganz treffend Weissenberger folgendermaßen: „Es hat nicht Jeder die Mittel, bei den ohnehin so gedrückten Zeiten mit seiner Familie auf unbestimmte Zeit Wien verlassen zu können; ferner behaupte ich fest, daß, wenn Jeder an seinem Plaße geblieben wäre, und auch den Muth gehabt hätte, seine wahre Meinung auszusprechen und gehörig zu vertreten, es in Wien nicht so weit gekommen wäre.“ - Als den Hauptgrund der Vertheidigung Wiens gab Weißenber ger an, daß leider das Vorurtheil der ungebildeten Bevölkerung von den Wühlern in ihrem Wahne bestärkt werde, daß der Fürst nur nach Wien komme, um die constitutionellen Freiheiten und Errungenschaften zu vernichten, und an deren Stelle den Militär-Despotismus einzuführen. Hierauf erwiederte einer der anwesenden Stabs-Offiziere:,,Glauben Sie denn, daß wir nicht auch Menschen sind, und nicht den Drang nach Freiheit im Herzen fühlen? Wir danken Gott, daß das alte System zu Grabe getragen worden; wir erkennen ganz den hohen Werth der neuen Staatseinrichtungen, und aller von Kaiser Ferdinand dem Gütigen seinen Völkern verliehenen Freiheiten. Doch die bestehende Schandliteratur und die unselige Studentenherrschaft vergiften den gesunden Sinn der Wiener und häufen namenloses Elend über diese schöne Stadt. Wir sind gekommen, mit unserem hochherzigen Fürsten an der Spiße um die wahre Freiheit zu retten, um Wien von dem Terrorismus zu befreien. Niemals werden wir das Schwert ziehen zur Vernichtung der vom Kaiser seinen Völkern verliehenen Institutionen."*) Die Tafel ging zu Ende; nach derselben wurde Weißenberger auf sein Ersuchen zu Sr. Durchlaucht gerufen, näherte sich demselben beklommen, Folgendes äußernd:,,Ich habe keinen Auftrag, ich habe keine Vollmacht mit Euer Durchlaucht zu sprechen! — Allein ich komme als ein Wiener, als treuer Anhänger der Gesammtmonarchie, und treuer, tiefer Berehrer der Dynastie. Haben Euer Durchlaucht Milde und Nachsicht für unser liebes Wien; bedenken Euer Durchlaucht, daß die Mehrzahl gutgefinnter Bürger nur irregeleitet sey.“

Der Fürst antwortete:,,Ich begreife die Verhältnisse Wiens vollkommen, ich habe Zeit und alle andern Mittel angewendet, um Euch zur Besinnung kommen zu lassen; ich habe die Frist für einen ernstlichen Angriff oft und vielmals hinausgeschoben. Mir stehen hunderttausend Bajonette und 200 Kanonen zu Gebote, und dennoch wünsche ich nichts sehnlicher, als ohne Blutvergießen Wien zur geseßlichen Ordnung zurückzuführen. Glauben Sie mir, mein Freund, mich knüpfen schöne Erinnerungen an Wien, in dieser Stadt habe ich meine Jugend,

*) Es ist sehr zu bedauern, daß Herr Weißenberger den Namen dieses StabsOffiziers nicht berichtet hat! Dr.

und einen großen Theil meines Lebens zugebracht. Jeder Kanonenschuß, den ich gegen Wien richten muß, thut meinem Herzen wehe. Jede Feuers brunst macht mir eben so viel Schmerzen, als dem Unglücklichen, dessen ganze Habe zu Asche geworden."

Bei Beendigung dieser Rede war der Fürst sehr ergriffen, und eine Thräne durchglänzte sein Auge. Auf die weitere Fürbitte Weißenbergers, daß der Fürst geruhen möge, eine erneuerte Proklamation an alle gutgesinnten Bewohner Wiens zu erlassen, in derselben seine Gesinnungen aussprechen und die Versicherung beifügen, daß er bloß nach Wien komme, um die wahre Freiheit aufrecht zu erhalten, nicht aber solche, so wie die übrigen Errungenschaften zu rauben, keineswegs es in der Absicht des Fürsten sey, einen Militär-Despotismus herzustellen, erwiederte der Feldmarschall: „Das kann nicht seyn. Ich stehe ja nicht allein vor Wien; ich stehe vor ganz Europa, ja vor der Welt; ich kann mich unmöglich vor dieser lächerlich machen. Ich bin gewiß ein treuer Diener meines Kaisers, und was dieser gegeben, kann ich ja nicht nehmen; und wer mich kennt, kann so etwas gewiß nicht glauben.“

Weißenberger erwiederte:,,Das Traurige an der Sache ist, daß man Euer Durchlaucht so wenig kennt. Wer jedoch das Glück hat, Euer Durchlaucht zu kennen, muß ganz gewiß eine andere Meinung bekommen; aber leider ist die Meinung des großen Haufens zu unverschämt.“

Da der Fürst darauf bestand, diese zu erfahren, sagte Weißenberger: ,,Euer Durchlaucht sind ausgeschrieen als der größte Aristokrat und Reactionär, den es gibt."

Der Fürst war über diese Schilderung beleidigt und sagte: „Aristokrat bin ich, und werde es bis zu meinem leßten Athemzuge bleiben! - Ich bin stolz darauf, es zu seyn. Aber Reaction kenne ich nicht; es gibt keine Reaction, als jene, welche Ihr Euch selbst schafft.“

Weißenberger suchte den Fürsten zu überzeugen, daß es Demjenigen unmöglich sey, so zu denken, der ihn nur einmal gesprochen; der seine Handlungsweise in Prag kennt, obwohl solche auf jede mögliche Weise entstellt erzählt werde.

,,Das glaube ich auch," sagte der Fürst; „daran ist nicht nur das Volk, sondern auch Euere früheren Minister schuld. Uebrigens glauben Sie mir, daß, wenn ich je etwas in meinem Leben zu bereuen habe, und es mir um Etwas leid ist, so besteht dieses darin, daß ich mich im Monat März bewegen ließ, Wien zu verlassen. Hätte ich mich damals nicht überreden lassen, es wäre in Wien nicht so weit gekommen."

Der Fürst entliez Weißenberger auf die huldvollste Weise, mit der Versicherung, ein, die Bevölkerung Wiens beruhigendes Plakat zu erlassen.

Durch die Huld des Fürsten tief ergriffen, weinte Weißenberger, und nicht mehr mächtig weiter zu sprechen, erfaßte er die Hand des Fürsten, um solche zu küssen, wovon ihn jedoch lezterer abhielt, ihn herzlich mit der rechten die Hand schüttelte, mit der linken aber ihm freundliche Backenstreiche gab.

Weißenberger kam ziemlich spät Abends mit der frohen Ueberzeugung nach Wien zurück, vielleicht doch Etwas für seine Vaterstadt*) gewirkt zu haben. Er kann das Bewußtseyn hinnehmen, daß er als bürgerl. Oberlieutenant und Bürger einer der größten Städte Europas, mit Würde seine Mission vollendet habe.

Der Nachmittag verlief verhältnißmäßig ziemlich ruhig. Das Feuern von und gegen die Dampfmühle war durch beiderseitiges Einverständniß eingestellt. In reger aber trauriger Thätigkeit räumte eine Anzahl Menschen das auf der Holzlegstätte nächst den Weißgärbern aufgeschichtete Solz weg, das der Eigenthümer den Armen preisgab, damit es nicht ebenfalls ein Raub der Flammen werde, wie bereits mit einem großen Vorrath geschehen. Nichts desto weniger loderte die Flamme an diesem Orte, so wie in den, nächst der Mack'schen Zuckerraffinerie gelegenen Häusern, ferner in einigen Hütten außerhalb der Herrnalser Linie fürchterlich fort, und röthete den nächtlichen Himmel. Der Anblick der hochauflodernden Flammen, rings um die Stadt, war entseßlich !

Wie schon erwähnt, war am 26. October Abends die achtundvierzigstündige Bedenkzeit, welche der Feldmarschall der Stadt Wien zur Annahme der von ihm bezeichneten Bestimmungen gegeben hatte, abgelaufen.

Der Feldmarschall machte aber auch am 27. October noch keinen Schritt, seinen Forderungen durch die Anwendung der Waffengewalt Nachdruck zu geben, und so verging der 27. October fast ganz ruhig. Ueberhaupt lag es nicht in der ursprünglichen Absicht des Fürsten Windisch gräß, die Stadt Wien durch ein Bombardement, oder durch die gewaltsame Einnahme mit bewaffneter Hand zur Unterwerfung zu bringen, er hätte vielmehr den nicht blutigen Weg der engen Einschließung und Absperrung aller Zufuhren bei weitem vorgezogen, wenn das verderbliche Bündniß, welches die Wiener Revolutionäre mit den aufrührerischen Magyaren geschlossen hatten, und der gleichzeitige Angriff, den er von beiden Seiten besorgen mußte, ihm nicht die Nothwendigkeit auferlegt hätten, die Einnahme Wiens auf die schnellste Art zu bewerkstelligen, bevor solche durch die Magyaren erschwert oder vereitelt werden könnte.

An diesem Tage war auch die Brigade Frank in den Prater eingerückt, stand mit ihrem rechten Flügel an der Militär-Schwimmschule und mit dem linfen an der Brigade Grammont. Durch sie war demnach die Verbindung mit *) Herr Josef Weißenberger, bürgl. Tapezier, ist ein geborner Wiener und ein noch junger Mann.

Dr.

dem Nordbahnhofe und der Brigade Wyß hergestellt, und die gänzliche Einschließung Wiens vollendet.

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Alle Besser und Redlichdenkenden Wiens, in so weit sie die Stadt nicht schon früher verlassen hatten, standen unter den terroristischen Einflüssen des demokratischen Clubbs zu dem leider auch viele Reichstagsmitglieder zu rechnen waren unter jenen des bewaffneten, einigermaßen militärisch organisirten Proletariats. Jeder, der nur entfernt von Nachgiebigkeit sprach, wurde mit dem Tode bedroht und arretirt, und Gegenwehr bis zum leßten Mann war zum Losungsworte geworden. Schon den Tag zuvor kam zum Ober-Commando der Garde Engel aus der Leopoldstadt, begleitet vom Gemeinderathe Bernbrunn mit der Bitte, die Leopoldstadt möge übergehen werden, da an ein Behaupten derselben nicht zu denken, und solche einer gänzlichen Demolirung ausgesezt sey. Eine negative Antwort und ein Auftrag, den Garden Engel zu arretiren, war die Folge davon. Engel entging nur durch das entschiedene Einschreiten des Leopoldstädter Plagoffiziers Dunder der Arretirung und friegsrechtlichen Behandlung, indem leßterer, gegen jede Behelligung eines Abgesandten protestirend, die beorderte Wache beseitigte. An diesem Tage Abends erließ der Feldmarschall die Disposition zum Angriff und zur Einnahme Wiens für den kommenden Tag.

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Am 27. October wurde über den Donaukanal nächst dem Ziegelofen auf der Simmeringer Heide durch eine Pionier-Abtheilung eine Ponton-Brücke ge= schlagen, um den Uebergang der Truppen in den Prater und die Verbindung mit der Brigittenau am 28. October bewirken zu können. In Folge dessen wurde die zweite L. W. Compagnie von E. H. Stephan mit vierundzwanzig Jägern unter Commando des Hauptmanns Spät vom Neugebäude dahin beordert, den todten Arm nächst dem Lusthäuschen zu beseßen. Lieutenant Schob el beseßte mit zwei Zügen die Strecke vom Donaukanal - Ufer bis. zur steinernen Brücke. Ein Oberjäger mit zwölf Jägern dagegen rechts von der Brücke eine Strecke von fünf bis sechshundert Schritten; - die Unterstüßung war bei dem Maierhof aufgestellt. Da die Aussicht des vorliegenden Terrains durch das dichte Gestrüppe und Bäume benommen war, so hat Oberlieutenant Halfinger mit einem Zug der Unterstüßung und den übrigen zwölf Jägern das jenseitige Ufer des todten Armes überschritten, in den verschiedenen Alleen einige Aviso-Posten auf sechshundert Schritte vorpostirt, und mit dem Rest der Mannschaft sich hinter den Lusthaus aufgestellt.

Bei eingetretener Abenddämmerung kamen die in der Hauptallee aufgestellten Jäger zurück, und brachten die Meldung, daß drei Colonnen Proletarier und Arbeiter, ungefähr 6-700 Mann starf, en massa vorrücken. Oberlieutenant Halfinger ließ seinen Zug, dreißig Mann stark, durch die Dämmerung be

günstigt,

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unbemerkt vor die Hauptallee aufmarschiren, die vorrückenden drei Colonnen auf 80-100 Schritte ankommen, gab auf dieselben einige gut angebrachte Dechargen, welche durch den unverhofften Empfang die Flucht ergriffen, und bei ihrem Rückzuge eine Hütte im Prater in Brand steckten.

Bei dieser Gelegenheit hat Gefreiter Tryszczow, und die Gemeinen Klimkow und Juryn der obigen Compagnie von den zersprengten Proletariern drei Mann mit der Waffe in der Hand gefangen genommen. Die Absicht der anrückenden Proletarier war keine andere, als die bereits hergestellte Brücke zu zerstören, und da selben der Angriff mißlang, so wurde ein brennendes Schiff von Wien aus auf dem Donaukanal herabgelassen, welches aber beim neuen Wirthshaus durch einen Corporal und zwei Mann der Pionier-Abtheilung aufgefangen, und auf das jenseitige Ufer mittelst Leinen befestigt, somit ihr zweiter Versuch, die Pontonbrücke zu zerstören, vereitelt war. Am 28. October Morgens rückten auch schon gegen 200 Serezaner, mehrere Bataillons Grenzer und Geschüße über die Brücke in den Prater vor, wo sich später das Gefecht in der Leopoldstadt entspann.

28. October.

Ueber die gestrigen Vorgänge wurde nachstehender Bericht erstattet und veröffentlicht:

„Gestern Abends 10 Uhr brachte man mir die Nachricht, daß die Kroaten die Häuser am Schüttel angezündet haben. Ich begab mich alsogleich an den gefährdeten Ort, der Wind wehte unglückseliger Weise gegen die Stadt, die ganze Leopoldstadt war in Gefahr, ein Raub der Flammen zu werden. - Es kamen Sprißen zur Zeit. - Die Nationalgarde unter dem Commando (?) der Herren Fahlenbeck, Kraft und Georg Schmidt zeichnete sich vorzüglich beim Löschen aus, und nur (?) ihrem Muthe und ihrer heldenmüthigen Ausdauer dankt die Vorstadt Leopoldstadt ihre Rettung, besonders that sich der Garde Herr Widermann hervor. Einen Sack mit Silbergeld, der im Rauchfange gefunden wurde, erhielt der Eigenthümer zugestellt — das Silbergeschirr, das man vorfand, wurde ebenfalls an die Behörde gegen Empfangsbestätigung abgegeben. Leider haben die Rebellen (?) alles Werthvolle schon früher geraubt, nur die Bilder ließen sie unangetastet. Wien, den 28. Oct. 1848. General Bem, m. p."

Der 28. October war der schrecklichste und entscheidendste Tag des Dramas. Die republikanischen Fahnen in der Praterstraße sanken in Staub und Blut. „Tagsbefehl. Kameraden! Mitbürger! Der heutige Tag wird entschei dend seyn. Es ist in der Nacht eine Depesche des Banus an den Herrn Feldmarschall-Lieutenant Ramberg, Befehlshaber der Truppen im Prater, aufgefangen worden, woraus die Absichten des Feindes für den 28. October zu ent

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