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erzeugten den Widerstand. Es fehlte das Vertrauen zu Windisch grå z's constitutioneller Gesinnung; denn die Mitglieder der Umstarspartei und die Preffe verschrieen ihn als einen reaktionären Aristrokraten, während er sich doch nur als ein strenger, ritterlicher Aristokrat, als ein treuer Anhänger der Integrität der österreichischen Monarchie, somit als ein treuer Staatsdiener und Staatsbürger dem Throne und Vaterlande gegenüber bewies. Bekanntermassen machten die Wiener mit dem WIR, womit die Manifeste Sr. Majestät beginnen, ein Wortspiel. Von der heraldischen Seite betrachtet, sind jene drei Buchstaben die Anfangsbuchstaben der drei großen Feldherren: Radesty, Jellačič, Windisch, gráz. Jedenfalls ein Triumvirat, welches das „WIR" der Majestät würdig repräsentirt. Durch Welden's Uebernahme des Ober- Commando in Ungarn erleidet das WIR feinerlei Veränderung.

Nachts wurde dem auf der Bezirks-Wache Leopoldstadt inspektionirenden Oberlieutenant Carl Schlesinger ein Mann gebracht; derselbe war ganz verstört, ohne Kopfbedeckung, mit fliegenden Haaren, das Gesicht und die Klei der beschmugt, bis über die Knie voll Schlammn, von Kälte ganz erstarrt, — es war der Kellner von Schüttelbade. Er war 24 Stunden, nach dem er sich schon längere Zeit verborgen und die Gräuel, so im Schüttelbode verübt worden, in seinem Schlupfwinkel mit angehört hatte, im Kanale versteckt, und wurde von den Garden arretirt, als er eben aus dem Kanale herauskroch.

Dieser Mann war seit drei Tagen ohne Nahrung geblieben und so erschöpft, daß, nachdem auf der Bezirkswache für ihn Kleider und Wäsche gesammelt wur den, er abgehalten werden mußte, seinen Heißhunger zu stillen. Der Unglück, liche hörte jedes Wort, was bei seinem Versteck im Schüttelbade gesprochen wurde, er hörte den Hülferuf, das Wimmern der Gemordeten und erzählte die erlebten Geräuel den entseßen Zuhörern.

Nachdem der Brand des Wißgrill'schen Zimmerplages, des Schüttelbades, der Mack'schen und Zinner'schen Zuckerraffinerie immer mehr über Hand nahm, und bereits einen Theil der Häuser in der Leopoldstadt ergriffen hatte, die Leopoldstädter Feuerspriße von den Mobilen und Garden unter Bem nicht nur zurückgehalten wurde, sondern das Löschpersonale und die Feuerkommissionen noch durch Flintenschüsse zurückgetrieben wuroen, so eilte der Gerichtsschreiber J. Ley, und die Leopoldstädter Bürger: Giugno, Rauchfangkehrermeister, und der Quartiermeister Haucke zuerst in den Gemeinderath um Hülfe und Beistand zu erlangen, und nachdem dieselben von diesem in die Parmanenz des Reichstages verwiesen wurden, auch dahin. Sie stellten an die Permanenz des Reichstags die dringende Bitte, eiligst Alles aufzubiethen um dem FeuerlöschPersonale die Möglichkeit zu verschaffen ihre Pflicht erfüllen zu können, indem sonst die Leopoldstadt den Flammen gänzlich Preis gegeben würde. Nachdem

aber dieses ihr Anliegen, obgleich sie die Gefahr mit den grellsten Farben schilderten, dennoch so kalt und theilnahmslos aufgenommen worden war, konnten fie fich der Erklärung nicht enthalten, daß, wenn ihnen die Hülfe nicht gewährt würde, so müßten sie sich selbst helfen, und durch eine Gegenrevolution die Mobilen des General Bem im Rücken angreifen, um auf diese Weise, den durch das Feuer bedrohten Bürgern die Hülfe zukommen lassen zu können.

Erst durch diese entschiedene Sprache konnten sie erlangen, daß ihnen von der Permanenz des Reichstages ein Befehl an das Ober-Commando gegeben wurde, in Folge dessen die Feuersprißen mit dem Feuerlöschpersonale durch die Barrikaden und durch die in der Leopoldstadt aufgestellten Mobilen gelassen wurden. Gleichzeitig machte der Plaßoffizier Dunder den Ober-Commandanten eine Vorstellung, daß, da die Leopoldstädter occupirt seyen, die am dießseiti gen Ufer stationirten Garden zu Hülfe der Leopoldstädter beordert werden, in Folge dessen eine Ordonnanz an General Bem abging, und letzterer sich auch zur Brandstätte begab.

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Unter den Weißgärbern, dem Donau-Kanal entlang, wurden einige Straßen von Garden und Mobilen besezt gehalten. Die 13. Compagnie VII. Bezirks stand an der neuen Kettenbrücke, welche zum Theil verbarrikadirt und mit zwei Geschüßen und einer kleinen Abtheilung der Mobilen beseßt war. Am jenseitigen Ufer herrschte eine schauderhafte Ruhe. Man hörte nur das Knistern und Rauschen der hochauflodernden Flammen aus der großen Mack'schen ZuckerRaffinerie, welche die ganze Gegend auf eine furchtbar schöne Art beleuchteten. Die zur Fabrik gehörigen Holzstöße waren ein großer glühender Kohlenhaufen. Das Schüttelbad und die im Hintergrunde stehende Zinner'sche Zucker-Raffinerie waren schon größtentheils ausgebrannt, nur zeitweise slackerte noch eine Feuerzunge gleich einer zürnenden Schlange hoch auf, und sank dann eben so schnell wieder zusammen. - Von einem lebenden Wesen war keine Spur; nur in der Dampfmühle sah man beim Feuerschein das Blißen von Gewehren der aus den Fenstern zusehenden Kroaten. Es standen aber in derselben Reihe noch andere Häuser, welche bisher unbeschädigt geblieben. Aber immer weiter und weiter bahnte sich das furchtbare Element seinen Weg, und Niemand war da, der dessen Wüthen Einhalt gethan hätte. Schon wälzten sich die dicken Rauchmassen aus dem Hintertheile jenes Gebäudes, in dem sich die türkische Kappenfabrik befand, brachen auch bald in lichte Flammen aus, und erfaßten schon den reich mit Bauholz versehenen Zimmerplaß des Zimmermeisters Wis grill, und nun schien die ganze Jägerzeile unaufhaltsam ein Raub der Flammen zu werden. Noch immer keine Hülfe. Niemand wollte sich in das Bereich des Militärs so nahe hinwagen. Auf dem diesseitigen Ufer wurde es ganz stille. Die in den Gassen aufgestellten Compagnien zogen sich langsam zurück, und nun blieb

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blos die 13. Comp. VII. Bezirkes allein auf der erwähnten Kettenbrücke. Ein Theil davon suchte hinter den dort aufgeschlichteten Bausteinen ein bequemes Pläßchen, um etwas ausruhen zu können. Hie und da standen kleine Gruppen, die Blicke wehmüthig in das immer weiter um sich greifende Feuer gerichtet! Da rollte um 11, Uhr ein Wagen heran. General Bem begleitet von einem Adjutanten stieg aus und verlangte nach dem wachhabenden Offizier. Da der Hauptmann Berr sich gerade entfernt hatte, um nach dem Abzuge der übrigen Compagnien die umliegende Gegend zu rekognosciren, meldete sich der Lieutenant Mettelka. - General Bem stellte nun in gebrochenem Deutsch die Frage wie stark die Compagnie sey, und gab Befehl sogleich die Garden zu versammeln, die Hälfte davon zum Löschen hinüberzuschicken, und Alles aufzubiethen, um des Feuers Meister zu werden, ehe es zu mächtig und den ganzen Stadttheil verheeren würde. Auf die Meldung dieses Offiziers, daß alle Fenster der Dampfmühle mit Kroaten beseßt sind, entgegnete Bem: „Ich glaubenicht, daß man schießen wird auf uns; lassen Sie aber die Waffen mitnehmen, man kann nicht wissen," — — und ging, ohne abzuwarten, bis sich die Compagnie gesammelt in Begleitung seines Adjutanten mit der ihm eigenen Ruhe und linerschrockenheit der Erste über die Brücke an die Brandstätte. — Nun waren Alle zum Löschen bereit und man drängte sich ihm eiligst nachzufolgen. — Fast zu gleicher Zeit langten auch vom Unter-Kammeramte die Feuer-Commissäre mit Sprißen und Lösch - Requisitten vom jenseitigen Ufer an. Auch erschienen, wie erwähnt, mehrere Bürger und Gemeinde-Vorsteher der Leopoldstadt und Jägerzeile nebst einigen Garden, die dort Wache hatten. Später kamen noch einige Leute aus der Umgebung hinzu. Man trachtete vor der Hand wenigstens mit dem Holzplage das Feuer abzugrenzen. Noch wagte man sich nicht weiter hinab, da man nicht wußte, ob Militär dort aufgestellt sey. Da unternahm der Lieutenant Mettelka mit dem Garden Rothmüller, denen noch einige andere Garden folgten, eine kleine Rekognoscirung der Gegend und überzeugte sich, daß bis an die Dampfmühle hinab alles vom Militär unbeseßt sey. Dadurch beruhigt, trachtete man zu löschen und zu retten, was noch zu retten war. Rothmüller war Einer der Ersten, der in Gemeinschaft mit einem Schlosser im dicksten Qualm in das Schreibzimmer Wisgrill's eingedrungen, wodurch es gelang dessen ganze Baarschaft, sowohl in klingender Münze, als auch in Papieren, und dessen Bücher zu retten, welche nebst den andern Effekten den Gemeinde-Vorstehern der Leopoldstadt zur Aufbewahrung übergeben wurden. Eben so gelang es in der Kappenfabrik eine große Menge, theils Waare, theils schon gesponnener Schafwolle zu retten, welche gleich in Kähne auf die Donau geschafft wurden. Von der Tochter des Besizers vermuthlich wurden viele fertige Kappen ausgetheilt, so daß die Compagnie, als sie am andern Morgen

nach Hause marschirte, und diese am Kopfe trug, bald als Kroaten, bald als ein Trupp republikanisch Gefinnter angesehen wurde.

Man arbeitete wirklich mit ungeheurer Anstrengung. Hauptmann Berr, der selbst mit den Sprißenschläuchen überall eindrang, war endlich so erschöpft und durchnäßt, daß er sich halbohnmächtig nach Hause begeben mußte. Eben so der Garde Sourse, der auch in Folge dieser Verkühlung durch acht Wochen trant sich befand, wodurch seine Familie in die drückendsten Verhältnisse ge= rieth. - Die Effiziere Koller und Mettelfa waren unermüdet; suchten die Erschöpften auf's Neue anzueifern, Alles zu ordnen und Sorge zu tragen, daß von den geretteten Effekten nichts durch hinzugekommene Fremde weggetra= gen werde, und wurden hierin durch den Wundarzt der Compagnie, Fallen beck, dann durch die Garden Gottlieb Herzog, Stinkeder, Rothmül ler und andere redlich unterstüßt. Mit wirklich ausdauerendem Muthe und einer wahren unerschrockenheit arbeiteten die Leute mit der Gemeinde-Sprige unter der Leitung des Feuer-Commissars J. Blefta, und des Gemeinde-Besorgers J. Pollack, und wendeten dadurch eine große Gefahr von der Leopoldstadt ab.*) Besonders bemerkbar machten sich zwei junge Arbeiter durch ihre unermüdcte Thätigkeit und Kühnheit, mit welcher fie sich auf die gefahrvollsten Stellen wagten. Leider sind deren Namen nicht bekannt worden.

Die 10. und 11. Compagnie Leopoldstadt zeichneten sich an diesem Tage durch die thätige Unterstüßung und Hülfeleistung bei dem Zinner'schen Zuckerraffinerie Gebäude-Brand und bei dem Brande des Wißgrillschen Gebäudes besonders aus; durch dieselbe wurde unter Anführung des Oberlieutenant Carl Schlesinger von den Wißgrill'schen Gebäude viele wichtige Schriften und bedeutende Baarschaften gerettet, welche von diesem dem Gemeinderathe übergeben wurden. Mehrere Leichen lagen herum, vor der Zinner'schen Zuckerraffinerie lag der Fabriksaufseher Redl entseelt im Hofe. Einige Garden der 10. und 11. Compagnie Leopoldstadt zogen ihre Röcke aus, um freier arbeiten zu können, und man sollte es kaum glauben, während sie bemüht waren, fremdes Eigenthum zu ret ten stahl man ihnen ihre Kleider. — Ein Schusterlehrjunge wurde auf die Bezirkswache gebracht, welcher einen solchen Nock gestohlen hatte, und auf der That erwischt wurde. Eine tüchtige Tracht Prügel war der Lohn seiner Heldenthat, die man in diesem Augenblicke nicht anders lohnen konnte.

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General Bem blieb auf der Brandstätte bis ungefähr nach zwei Uhr, wo man schon des Feuers Meister wurde. Als er hörte, daß in seiner Nähe einige Arbeiter, die bei der Compagnie eingereiht waren, sich bei ihren Kameraden bes

*) Die Bewohner der Gemeinde Leopoldstadt und Jägerzeile werden den genannten braven Mitbürgern die geleisteten Dienste wohl nie vergessen. Dunder.

flagten, daß sie nicht mehr fortarbeiten könnten, da sie zu müde, und den ganzen Tag hindurch nichts gegessen hätten, gab er dem Wundarzt F allenbeck Geld, um Brod und Wein holen zu lassen, welches eine sehr willkommene Gabe war. Gegen Morgen des 28. gelang es endlich das Feuer gänzlich zu dämpfen, wenigstens so weit, daß man nicht mehr zu fürchten brauchte, daß es weiter greifen würde. - Die Sprigen zogen ab. Die Garden wurden ebenfalls auf ihre Posten zurückgezogen.

Während des Löschens wurde von Seite des Militärs auch nicht das ge. ringste Hinderniß gelegt, obwohl einige Garden vorwißig genug waren, und sich bewaffnet bis an das Gebüsch wagten, hinter welchem einige Soldaten ruhig stan den und zusahen. Nur bei Anbruch des Tages, als einiges Gefindel sich hinabwagte, um den aus den herausgerollten und beschädigten Fässern zerstreuten Zucker sich anzueignen, fi‹len fünf Schüße, vermuthlich nur um diese Raubvögel zu verscheuchen.

Am 27. 2 Uhr Nachmittags wurde wieder Oberlieutenant' Weißenberger an den Feldmarschall mit einer Depesche des türkischen Botschafters geschickt. Im Hauptquartier angelangt, wurde er vom Oberst Schoberl auf das freundlichste empfangen und durch diesen die Depesche an den Fürsten übergeben. Oberst Schoberl kam nach einiger Zeit zurück, sagte, der Fürst gehe gerade zu Tische, und Weißenberger sey durch ihn gebeten, ihr Mahl zu theilen. Legterer nahm das Anerbieten mit Freuden an. Bom Fürsten wurde er sehr huldvoll empfangen, und gebeten Plaß zu nehmen. Die Tafel, welche in der Form eines Hufeisens gedeckt war, mag über 70 Gedecke gezählt haben; in der Mitte saß der Fürst, umgeben von Generalen, Stabs- und Oberoffizieren; Weißen= berger fam dem jüngeren Sohne Sr. Durchlaucht gegenüber zu fißen. Sein Nachbar war Oberst Schoberl. Anfangs war die Umgebung Weißenber, ger's mehr zurückhaltend, bis nach und nach das nähere Bekanntwerden, und endlich über Wien die Conversation erfolgte. Er erzählte unumwunden die Lage Wiens; und auf die Frage, ob sich Wien standhaft vertheidigen werde, antwortete Weißenberger Folgendes: „Ich habe erst heute, aufgefordert vom Obersten Thurn, ihn bei der Inspicirung sämmtlicher Linien begleitet, und mich leider von dem Muthe und der wirklichen Kampflust der Bevölkerung *) überzeugt, und bedauere, daß solche keinem et leren Zweck geweiht ist, zugleich spreche ich meine Ueberzeugung aus, daß das Blutbad bei der Einaahme von Wien schwerlich ein früheres Beispiel haben dürfte."

*) Daß die Wiener muthig sind, ist eine Thatsache; aber hier muß es statt Bevöls ferung ein Theil der Bewohner, die Umsturspartei und bewaffnetes Proleta riat heißen. Die Parlamentäre erhielten für jeden Ritt 10 fl. C. M.

-

Dr.

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